Scenario 3, Vorwort

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Vorwort des Herausgebers Die zweite Ausgabe wird noch an der ersten gemessen, zwei Exemplare einer Sorte sind nur ein Paar, aber drei bilden bereits eine Gruppe. Der Reihencharakter des Jahrbuchs zum filmischen Erzählen sollte sich mit dieser, der dritten Ausgabe von Scenario endgültig etabliert haben. Wie schnell ein Jahr vergehen kann, wird für den Herausgeber eines jährlichen Periodikums immer wieder auf außerordentlich drängende Weise spürbar. Zum einen scheint die nur auf den ersten Blick großzügig bemessene Zeitspanne nicht zu reichen für das Planen des Konzeptes, das Schreiben und Lektorieren der Essays, die Kommentierung durch die unverzichtbare Marginalienspalte, die visuellen Entwürfe, und zum anderen geschieht in einem Jahr doch außerordentlich viel. Neben dem Rückblick auf ’68 gab es im zurückliegenden Jahr eine Debatte über das Verhältnis von Film und Fernsehen, die durch den Artikel Volker Schlöndorffs in der Süddeutschen Zeitung ausgelöst wurde und die zu dessen Entlassung als Regisseur des Projektes DIE PÄPSTIN geführt hat. Bestimmt wurde das Jahr auch durch den Ausbruch der großen Wirtschaftskrise und den Zusammenbruch der Finanzmärkte. Und Marcel Reich-Ranickis Ablehnung des Fernsehpreises befeuerte mal wieder die heftige Diskussion um die Qualität der TV-Programme. Wir hatten jetzt die »Süßstoffoffensive«, die »Degetoisierung«, die »Pilcherisierung« – alles Kampagnen, die sich damit befasst haben, dass bestimmte erzählerische Standards im Fernsehen nicht mehr stattfinden und damit eine kulturelle Verflachung einhergeht. Veränderungen haben diese Kampagnen nicht gebracht. Wenn man in die Vergangenheit schaut und sich mit der Historie des Drehbuchs befasst – wie es in Scenario in der Rubrik Backstory geschieht –, dann hat es zu allen Zeiten diese Klage über den kulturellen Verfall gegeben. Sie hat nie irgendwie gefruchtet. Und doch scheint die Situation diesmal eine andere zu sein. Die Krise auf den Finanzmärkten hat mehr mit der Krise des Fernsehens zu tun, als mancher in den Sendeanstalten wahrhaben möchte, der vollmundig von der Quote als Währung spricht. Eine Währung, das lernen wir alle in dieser Situation schmerzlich, ist nichts anderes als die Vereinbarung, etwas – Muscheln, bedruckte Papierscheine oder eben die Quote – als ein Zahlungsmittel anzuerkennen. Diese Vereinbarung basiert auf Vertrauen. Die maßlose, gedankenlose Gier, die die Finanzmärkte in ihrer bisherigen Form zerstört hat, gleicht der unhinterfragten Gier 8


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