Literatur Komapkt - Friedrich Schiller - Leseprobe

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eine geschickte Abfolge von Sex and Crime, müssten uns weit verbreitete Unterhaltungsromane der damaligen Zeit, beispielsweise der fulminante Räuberroman Rinaldo Rinaldini von Goethes Schwager Christian August Vulpius (1798/99), ebenfalls noch unmittelbar in ihren Bann ziehen. Gerade die Autoren der Publikationen, die in den genannten Gedenkjahren erschienen sind, versichern immer wieder, dass Schiller vor allem ein außerordentlich moderner Autor sei: in seiner Darstellung komplexer und komplizierter Figuren, in der Schilderung der vielfältigsten Probleme, in die sie mehr oder weniger zwangsläufig geraten, in der schwierigen Suche nach Lösungen für all diese Probleme und nicht zuletzt in der Reflexion über die Möglichkeiten, diesen Sachverhalten literarisch gerecht zu werden. So hat beispielsweise die Zeitschrift Der Deutschunterricht Schiller 2004 ein eigenes Heft gewidmet. Schon im Editorial wurde hervorgehoben, dass man mittels seiner Werke die »Problematik der Geschlechterbeziehung diskutieren« könne, aber auch »die Identitätsprobleme des modernen Individuums«. Hervorgehoben wird, »wie verblüffend aktuell Schillers anthropologischer Ansatz war, welch genauen psychologischen Blick er hatte und wie treffend er die Problemzonen der modernen Gesellschaft […] zu erfassen vermochte, wenn er auf die Vereinzelung und Entfremdung des Individuums schaute oder die Frage nach den neuen Formen der Gemeinschaft – im kleinen oder im großen Sozialverband – stellte« (Der Deutschunterricht 2004, S. 5f.). Das sind Beobachtungen, wie sie sonst meistens in Bezug auf Autoren getroffen werden, die uns zeitlich viel näher stehen: in Bezug auf Max Frisch etwa, was die Identitätsprobleme betrifft, und in Bezug auf Franz Kafka hinsichtlich der Problematik von Vereinzelung und Entfremdung. Natürlich sind das aber auch erst einmal recht pauschale Kategorisierungen: Sie können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Friedrich Schiller als Gestalt des 18. und frühen 19. Jahrhunderts in seinem Denken, Empfinden und Schreiben dann doch sehr weit von den Lebensverhältnissen des 21. entfernt ist. Überhaupt erschiene es unsinnig, all das ignorieren zu wollen, was die 13

Zeitliche Distanz


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