Minimales Wohnen

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Minimales Wohnen Möglichkeiten des Umgangs mit reduzierter Wohnfläche

Bachelorthesis Marie-Theres Ausmann betreut von Prof. Kazu Blumfeld Hanada msa | münster school of architecture 2017 | 2018


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INHALT


INHALT

Einleitung 6 Qualität auf kleinem Raum 10 Tower House 12

Konsum 18 Die Konsumgesellschaft, Jean Baudrillard 20 Der Modulor 24

Le Cabanon 28

Umwelt und Architekur 34 Soui Fujimoto „Primitive Zukunft“ 36 Tokyo Apartments 42

Kolloborativer Konsum 48 Entmaterialisierung - Rifkins Zugangsökonomie

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Neue Formen des Zusammenlebens, Distanz und Privatheit

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Moriyama House 58

Arbeiten und Wohnen 66

Dogma - Every day like Sunday

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Fazit 74

Entwurf 76

Literatur 126

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EINLEITUNG


EINLEITUNG

Wir leben in einer Gesellschaft mit hohem Lebensstandard und einer vorallem auf Konsum gerichteten Lebenseinstellung. Es steht ein vielfältiges Angebot an Waren und Dienstleistungen zur Verfügung, das über die Grundversorgung hinausgeht. Doch muss es immer mehr sein als wir brauchen? Wir werden im alltäglichen Leben immer wieder dazu angehalten unsere Persönlichkeit zu definieren und uns auf dem aktuellen Stand der Dinge zu halten. Indem wir mehr besitzen, versuchen wir uns in jedem Bereich unseres Lebens uns von der Masse abzugrenzen. Aber führt dies am Ende zu einer Überforderung durch die Masse an Eindrücken, Zeichen und Informationen? Die konsumkritische Betrachtung des Umgangs mit schwindenden Ressourcen kann auf das Wachstum der Städte bezogen werden. Das Wohnen in der Stadt gewinnt zunehmend an Attraktivität. Aufgrund des steigenden Wohnraumsbedarfs wird immer weiter verdichtet. Um für mehr Menschen Platz zu schaffen, muss der Wohnraum minimiert werden. Daraus ergibt sich die Frage, wie eine Reduzierung der Wohnfläche nicht zu einer Verschlechterung des Wohnkomforts, also der Nutzungseinschränkung führt, sondern den Bedürfnissen der Menschen gerecht wird. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit Möglichkeiten der Nutzung von dem Umgang mit reduzierten Wohnflächen. Es werden unterschiedliche Methoden aufgeführt mit so wenig wie möglich so viel wie möglich zu erreichen.

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EINLEITUNG

Zuerst wird sich die Arbeit mit der Qualität auf kleinem Raum auseinandersetzen. Am Beispiel des „Tower Houses“ von Takamitsu Azuma wird einleitend veranschaulicht, wie man trotz des knappen Platzangebots eine großzügige und offene Raumsituation schaffen kann. Denn wenn die Reduzierung der Wohnfläche nicht zur Verschlechterung des Wohnkomforts führen soll, muss es zu einem anderen Umgang mit Raum kommen. Im Folgendem wird das reduzierte Wohnen im Bezug auf gesellschaftliche Veränderungen betrachtet. Hierbei werden die Thesen des Soziologen Jean Baudrillard herangezogen, der die Konsumgesellschaft thematisiert und darauf verweist, dass es eine Gesellschaft des Überflusses ist. Oftmals fällt der Raum in Relation zum menschlichen Körper sehr groß aus. Grund hierfür ist laut Le Corbusier der Umgang mit metrischen Größen aufgrund der Globalisierung und Industrialisierung. Sein entwickeltes Maßsystem, der „Modulor“ , zeigt, wie man durch eine neue Proportionsordnung, die sich am menschlichen Körper orientiert, Platz eingesparen kann. Anschließend wird die Anwendung des Modulors anhand der von ihm entworfenen reduzierten Blockhütte „Le Cabanon“ veranschaulicht. Dies zeigt, dass trotz Reduktion des Platzangebots, gute Propotionen ausreichen um menschliche Bedürfnisse zu befriedigen. Daran schließt sich Sou Fujimotos These „der primitiven Zukunft“ an. Diese stellt dar, wie durch die Reduzierung des individuellen Raumes, möglichst viele Funktionen des täglichen Lebens mit anderen Stadtbewohnern geteilt werden sollen. Dabei sind die Grenzen des Hauses nicht mehr eindeutig zu erfassen und fließen in den öffentlichen Raum, die Stadt, hinein. Das von ihm entworfene „Tower House“ zeigt wie sich die Grenzen zwischen Architektur und Umwelt und somit zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit auflösen. Darauf folgt eine Analyse des Soziologen Jeremy Rifkin, der sich mit der Entmaterialisierung und dem Kolloborativen Konsum auseinandersetzt. Es wird auf die Idee des gemeinschaftlichen Wohnens verwiesen, die eine andere Methode darstellt den Raum zu verringern und effizienter zu nutzen. Diese neue Form des Zusammenlebens wird anhand des „Moriyama Houses“ von Ryue Nishizawa veranschaulicht. Hier werden private Wohnräume auf gemeinschaftliche Flächen erweitert. Abschließend wird auf das Verschwimmen der Bereiche „Arbeiten“ und „Wohnen“ verwiesen. Dieser Aspekt wird am Projektbeispiel „Every day is like Sunday“ von dem Architekturbüro Dogma behandelt. Dessen Ziel ist es Arbeiten und Wohnen so miteinader zu verbinden, dass es den neuen Formen des Zusammenlebens entspricht und diese fördert. Denn durch das Zusammenlegen dieser beiden Bereiche kommt es zu einer Verringerung von überflüssigem Wohnraum.


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QUALITÄT AUF KLEINEM RAUM


QUALITÄT AUF KLEINEM RAUM

Wie kann Raum optimal genutzt werden? Wie schaffen wir es den Raum so zu reduzieren ohne, dass wir uns einschränken müssen? Hierbei tragen minimierte Häuser, auch Mikrohäuser genannt, einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung des Wohnraumes bei. Ihr Zweck ist die Selbstbeschränkung, mit so wenig wie möglich so viel wie benötigt zu erreichen. Wenn die Reduzierung der Wohnfläche aber nicht zur Verschlechterung des Wohnkomforts führen soll, also zu Nutzungseinschränkung, muss es zu einem anderen Umgang mit Raum kommen.1 Dazu muss das Mikrohaus der Zuweisung in Wohnräumen zugunsten der Einteilung in Nutzungsbereiche weichen. Dabei ist die räumliche Zornierung umso genauer zu planen, denn je höher die Dichte ist umso weniger Raum bleibt für Übergänge von der einen in die andere Zone übrig.

„An die Stelle des konventionellen Raumverständnisses tritt eine dynamische und

dreidimensionale Auffassung von Raum, in dem die physische Nähe in Kombination mit aktivem

Benutzerverhalten zu einer intensiven wechselwirksamen Nutzung führt.“2

Das eigentliche Ziel liegt nicht im Kürzen, sondern in der Neuinterpretation von Zusammenhängen, der Komprimierung der räumlichen Abfolge. „Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn man nichts mehr hinzufügen, sondern wenn man nichts mehr weglassen kann“.3 Das folgende Beispiel zeigt als Vorreiter der Minihaus-Typologie wie sich eine kleine Fläche optimal nutzen lässt ohne sich selbst einschränken zu müssen.

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TOWER HOUSE Takamitsu Azuma | Tokio | 1966

Japan ist bekannt für seine ungewöhnlichen Mikrohäuser, die sich in das Chaos der Stadt einzwängen. Mit manchmal kaum mehr als einem halben Meter Abstand zum Nachbarn offenbaren sie sich in ihrem Inneren wahre Raumwunder. Das Einfamilienhaus gehört zu den wichtigsten Wohnformen in Japan, sogar in der Metropole Tokio liegt der Anteil der Einfamilienhäuser bei fast 50 Prozent. Tokio ist eine der am dicht besiedelsten Städte im hoch entwickelten Teil der Welt. Fast 15000 Menschen leben dort auf einem Quadratkilometer. Somit hat Tokio im Vergleich zu München (mit 4600 Einwohnern pro Quadratmeter) mehr als dreimal so viele Einwohner pro Quadratmeter.3 Diese enorme Verdichtung wird zu einem großen Teil mit kleinsten Einfamilienhäusern erreicht. Wegen der hohen Grundstückskosten stehen diese Häuser so dicht nebeneinander, sodass fast kein Abstand zwischen ihnen bleibt. Schon aus der Kultur heraus ist in Japan das Verhältnis zur räumlicher Nähe und die gegenseitige Rücksichtsnahme stärker ausgeprägt als bei uns. Somit steht die Gemeinschaft über dem Individuum, ganz im Gegensatz zum Westen. Nur unter solchen Vorraussetzungen kann ein so enges Wohnen und Zusammensein überhaupt funktionieren. Dadurch erlauben es die Quartiere Tokios zahlreiche der gewohnten Wohnfunktionen zum Beispiel in die nähere Umgebung auszulagern. Denn die unmittelbare Nachbarschaft bietet rund um die Uhr ein vielfältiges Angebot an Restaurants. Die eigene Wohnung wird daher vor allem als Rückzugsraum und zum Schlafen genutzt. Somit kann die eigene Küche oder das Esszimmer kleiner ausfallen oder auch ganz entfallen. Diese Verlagerung von herkömmlichen Wohnfunktionen in die umliegende Stadt hängt auch mit den gesellschaftlichen Veränderungen zusammen.


TOWER HOUSE | Takamitsu Azuma

Abb.1.: geschlossene StraĂ&#x;enansicht des Tower Houses

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TOWER HOUSE | Takamitsu Azuma

Im Gegensatz zu den meisten anderen hochentwickelten Ländern löst sich in den Metropolen Japans die Kleinfamilie zugusten von immer mehr Singlehaushalten auf. Daher werden immer mehr unterschiedliche Modelle des Zusammenwohnen vorangetrieben, bei denen Singels oder auch kinderlose Paare sich mit anderen Menschen eine bestimmte Infrastruktur teilen. Dies ermöglicht den verfügbaren Raum unter den beengten Verhältnissen besser zu organisieren.4

Eines der ersten Beispiele für Mikrohäuser war das Tower House, das Takamitsu Azuma 1966 auf einem 20 Quadratmeter großen Grundstück erbaut hat. Es zeigt, wie auf kleinstem Raum räumliche Vielfalt und Qualität erzeugt werden können.5 Der minimalisitische, vertikale Wohnturm, den Azuma für seine Familie baute, besteht aus rohem Beton. Trotz des knappen Platzangebots wird eine großzügige und offene Raumsituationen geschaffen, die die Vertikalität des Baukörpers betont. Das Leben in Azumas Haus findet auf fünf offenen Ebenen und einem Kellergeschoss statt. Dieses komplexe Raumgefüge wird über eine schmale Treppe erschlossen. Das Treppenhaus erscheint als die bedeutendste Struktur im Inneren des Hauses. Es verbindet die einzelnen Räume, die übereinander gestapelt werden, ohne durch Türen voneinander getrennt zu sein. Obwohl es heute unscheinbar zwischen den neuen Nachbarhäusern an einer Seitenstraße im Tokioter Stadtteil Shibuya steht, finden sich viele Merkmale des Hauses in heutigen Projekten wieder. Auf dem ehemaligen Zugangsweg zu dem dahinterliegendem Quartier wurden die Funktionen so verschränkt, dass ein kleiner Hof über dem Eingangsbereich sowie ein Luftraum im Inneren entstehen konnte. Der öffentliche Durchgang, der gleichzeitig auch als Autostellplatz dient, nimmt einen Großteil der Fläche im Erdgeschoss ein. Von hier aus gelangt man über einen Seiteneingang zum unterirdischen Studio sowie zum halberhöhten, zurückgesetzten Haupteingang. Von dort erreicht man das 1. Obergeschoss, in dem sich die Wohnküche befindet. Über der Sitzecke öffnet sich ein Luftraum, der als zusätzliche Lichtquelle dient. Über eine offene Treppe gelangt man zum Badezimmer auf der nächsten Ebene. Im 3. OG befindet sich das Elternschlafzimmer. Das Kinderzimmer im 4. OG besitzt eine intime, vorgelagerte Loggia, die zum Himmel geöffnet ist.6 „Wegen des komplexen Raumkonzepts auf kleinster Grundfläche gilt das Tower House als Vorläufer der heutigen Minihaus- Typologie in Tokio.“7


TOWER HOUSE | Takamitsu Azuma

Abb.2.: Offenheit im Inneren des Tower Houses

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TOWER HOUSE | Takamitsu Azuma

Abb.3.: Schnitt |Perspektive


TOWER HOUSE | Takamitsu Azuma

1

Vgl. Schnittich, Christian (2010): Im Detail. Mikrohäuser. München. Institut für internationale

Architektur- Dokumentation GmbH & Co. KG, 11.

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2 Ebd., 12.

3

Schütte-Lihotzky, Margarete (1962), Frankfurter Küche.

4

Vgl. Schnittich, Christian (2016): Wohnkonzepte Housing in Japan-Typologien für den

kleinen Raum. München: Detail-Institut für internationale Architekturdokumentation, 11.

5 Ebd., 19.

6

Vgl. Schaefer, Hosoya, Markus, Hiromi: Learning from Tokyo. Erschienen in:

ARCH+208: Tokio-Die Stadt bewohnen. (Ausgabe 8/2012). Aachen: Arch+ Verlag, 27.

7 Vgl. Azuma, Takamitsu: Tower House, ein Vorläufer der Minihäuser in Tokio. Erschienen in:

ARCH+208, Tokio-Die Stadt bewohnen. (Ausgabe 8/2012). Aachen: Arch+ Verlag, 50.

Abb.1.:

geschlossene Straßenansicht des Tower Houses: Azuma, Takamitsu: Tower House, ein Vorläufer

der Minihäuser in Tokio. Erschienen in: ARCH+208, Tokio-Die Stadt bewohnen. (Ausgabe 8/2012). Aachen: Arch+ Verlag, 46.

Abb.2/ 3.:

Offenheit im Inneren des Tower Houses/ Schnitt |Perspektive: Azuma, Takamitsu: Tower House /

Takamitsu Azum. URL: www. archeyes.com/tower-house-takamitsu-azuma/, (Zugriff: 19.01.2018).


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KONSUM


KONSUM

Wir leben in einer Gesellschaft mit hohem Lebensstandard und vorallem auf Konsum gerichteter Lebenseinstellung. Es stehen ein vielfältiges Angebot an Waren und Dienstleistungen zur Verfügung, die über die Grundversorgung hinausgehen. Wirtschaftliches Wachstum und das steigende Bruttoinlandsprodukt werden im persönlichen Leben mit dem eigenem Wohlstand gleichgesetzt und durch materielle Güter ausgedrückt. Somit wird Wohlstand zum vergleichbaren Gut. Das Glück des Einzelnen wird somit zur realen Begebenheit und ist demnach kein subjektives Empfinden mehr.1 In einer 2014 durchgeführten Studie, die den Zusammenhang zwischen Konsum und Glück untersuchte, heißt es: „Luxuskonsum hat positive Auswirkungen auf das subjektive Wohlbefinden einer Person.“2 Das Konsumgehirn frage weniger danach, ob wir etwas brauchen, als nach Belohnung. Dies zeigt den Zusammenhang zwischen dem Bedürfnis der Wirtschaft, die Nachfrage der Produkte durch Konsum zu steigern und dem privaten Verlangen mehr zu besitzen, um sich vom Rest abzugrenzen. „Die Lebensstile pluralisierten sich, der Konsum diene jetzt im Wesentlichen der Selbstdarstellung und Selbstverwirklichung. Und zwar unabhängig von der sozialen Lage, dem Bildungsstand oder dem Alter.“3 Doch sind wir schließlich einfach überfordert von der Masse an Eindrücken, Zeichen und Informationen? Besteht in der Konsumgesellschaft, und dem Wunsch nach Einfachheit ein Zusammenhang? Wie verändert sich die Raumerfahrung, wenn die Fläche reduziert wird und nur mit dem Wesentlichem ausgestattet ist? Im Folgenden wird anhand von Thesen des Soziologen Jean Baudrillard die Konsumgesellschaft in Hinblick auf den Überfluss an materiellen Gütern kritisch hinterfragt und anschließend auf den architektonischen Raum geguckt, der oftmals mehr Fläche beinhaltet als wir benötigen.

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DIE KONSUMGESELLSCHAFT Jean Baudrillard | 1970


DIE KONSUMGESELLSCHAFT | Jean Baudrillard

Der Philosoph und Soziologe Jean Baudrillard versteht den Konsum als eigenständiges, von der Realität entferntes Kommunikationssystem, welches eigene Zeichen und Bedeutungen entwickelt, die dem Konsum erst einen Sinn geben. Das „System des Konsums“ nimmt somit nicht Bezug auf reale Ereignisse oder Verläufe, sondern schafft immer wieder neue eigene Bedürfnisse, die als „erstrebenswert, glückselig machend suggeriert werden“. 4 Es setzt somit Standards fest nach denen gedacht und gehandelt wird. „[..]es erfindet sozusagen seine eigene Sicht der Dinge und dirigiert die Konsumentinnen und Konsumenten, sofern sie ausreichend sozialisiert wurden, nach eigenen Regeln.“5 Die Konsumenten nutzen Konsumobjekte um ihren Status zu definieren und ihre Stellung in der Gesellschaft zu demonstrieren. Dies zeigt, dass die Konsumentinnen und Konsumenten nicht kaufen, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen, vielmehr versuchen sie durch den Besitz verschiedener Konsumgüter „wechselseitig ihren sozialen Standort in der Gesellschaft mitteilen und versichern zu können.“6 Somit wird die soziale Ungleichheit zwischen den Menschen zum wichtigen Bestandteil des „Systems des Konsums“. Konsum gibt also Auskunft über sozialen Status und Prestige. Beim Konsum geht es somit gar nicht um das Produkt oder die Dienstleistung selbst, sondern durch das Konsumieren stellt sich der Einzelne durch die erworbenen Objekte dar und wird durch diese messbar. Die Beziehungen zwischen den Konsumenten bestehen nur noch aus der gegenseitigen Positionsbestätigung.

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DIE KONSUMGESELLSCHAFT | Jean Baudrillard

Nicht mehr die personalisierenden Unterschiede werden gegenübergestellt, sondern die Position in der Gesellschaft wird zum Unterscheidungsmerkmal zwischen Ihnen gemacht. Durch Abwendung „jeglicher Einzigartigkeit, die sich immer nur aus einer konkreten, konflikthaften Beziehung zu anderen und zur Welt ergeben kann“7, geht die Identität des Einzelnen im Überfluss verloren. Der Konsument unterscheidet sich nur minimal von anderen Konsumenten. Dadurch dient der Konsum nicht dazu Bedürfnisse zu befriedigen, vielmehr erfüllt er den Zweck, sich von anderen zu unterscheiden. Der Konsument zeigt sich einer Gruppe zugehörig oder grenzt sich von einer anderen ab. Er gehorcht somit einem „gesellschaftlichen Wertekodex“8, denkt jedoch er sei frei in seiner Wahl. Auch wenn es letztendlich nicht um den Genuss eines Objektes geht, besteht für den Konsumenten doch eine Pflicht zum Glück. Er verbringt immer weniger Zeit mit Arbeit und immer mehr Zeit mit der Erneuerung seiner Bedürfnisse und seines Wohlbefindens. Infolgedessen ist er ständig auf der Suche nach neuen Möglichkeiten des Konsums. Hierzu zählen nicht nur käufliche Objekte, sondern auch Gebiete Kultur, Religion und Wissenschaft. Es geht darum, die eigene „individuelle“ Persönlichkeit zu finden, zum Beispiel durch eine bestimmte Automarke oder eine zum eigenen Typ passenden Haarfarbe, die möglichst natürlich wirken soll.9 Nachdem die Person mit ihren individuellen Charaktereigenschaften in der Konsumgesellschaft nicht mehr besteht, ist es nun das Ziel, die individuelle Persönlichkeit durch Objekte wiederherzustellen. Baudrillard thematisiert „die formale Liturgie des Objekts“, indem er darauf verweist, dass die Gesellschaft des Konsums eine des Überflusses ist. Menschen seien weniger von anderen Menschen umgeben, als von sich anhäufenden Objekten, die das Leben der Menschen steuern und verfälschen. Durch die immer größere Verfügbarkeit materieller Güter und Dienstleistungen wird Konsum heute als selbstverständlich angesehen. Deutlich wird dies am Beispiel der Shoppingmalls, in denen Nützlichkeit und Warencharakter der Objekte vertuscht werden. Waren erscheinen nicht mehr als Produkt menschlicher Arbeit, sondern als „Wohltat des Himmels“.10 „Um uns herum herrscht heute eine gleichsam fantastische Selbstverständlichkeit des Konsums und des Überflusses; sie wird durch die Vervielfältigung der Dinge, Dienstleistungen und materiellen Güter hervorgerufen, und sie bewirkt eine fundamentale Mutation in der Umwelt der menschlichen Gattung.“11


DIE KONSUMGESELLSCHAFT | Jean Baudrillard

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Vgl. Ruta, Christina (2012: Kann die Wirtschaft ewig wachsen ? URL: www.dw.com/de/kann-die-

wirtschaft-ewig-wachsen/a-15938193. (Zugriff: 21.01.2018)

2 Waak, Anne (2017): Wir wollen alles, brauchen nichts. URL: www.zeit.de/zeit-magazin/mode-de sign/2017-07/konsum-mode-supreme-fashion-begehren. (Zugriff: 21.01.2018)

3 Wagner, Gerald (2017): Selbstverwirklichung Ăźberall. URL: www.faz.net/aktuell/wissen/geist-sozia les/die-konsumgesellschaft-laesst-frei-konsumieren-14781896.html. (Zugriff: 21.01.2018) 4

Baudrillard, Jean (1970), zitiert nach Hellmann und Schrage (2015): Die Konsumgesellschaft, Ihre

Mythen, ihre Strukturen. Dresden: Springer Verlag, 13.

5 Ebd., 13.

6 Ebd., 16.

7 Ebd., 128.

8 Ebd., 114.

9 Ebd., 126.

10 Ebd., 49.

11 Ebd., 39.


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DER MODULOR Le Corbusier | 1940

Le Corbusier entwickelte ab 1940 ein einheitliches Maßsystem basierend auf den menschlichen Maßen und dem Goldenen Schnitt. Das Ziel des Modulors ist es, der Architektur eine am Maß des Menschen orientierte mathematische Ordnung zu geben und somit ein Hilfsmittel zur Fixierung von Propotionen und Entfernungen zu sein. Grundmaß des Modulors ist die Größe des menschlichen Körpers. Le Corbusiers anfängliche Standardgröße in „Modulor 1“ betrug 1,75m. In „Modulor 2“ wurde dieses Maß auf 1,83m angehoben. Von dieser Größe an legt Le Corbusier die Gesamtgröße des Menschen mit ausgestreckten Armen von 2,23m, sowie die Baunabelhöhe von 1,13m fest. 1 Ausgangspunkt war der abstrakte Umgang mit metrischen Größen aufgrund der Globalisierung und Industrialisierung und der damit verbundenen Vereinheitlichung von Maßeinheiten. Der Meter basiert auf dem Gradnetz der Erde und kennzeichnet den vierzigmillionsten Teil eines halben Längenkreises2. Da diese Größe keine Relation zum Menschen aufweist, ist es schwierig mit dieser Maßeinheit umzugehen und ein Gespür für diese zu entwickeln. Durch die Entwicklung von Fabrikprodukten seiner Zeit sprach Le Corbusier von einer Unpersönlichkeit und Willkür in der Gestaltung. Die Einführung des Meters als Maßeinheit habe „die Architektur verrenkt und verdorben.“3 Daher sei der „[...]gegenüber dem menschlichen Wuchs gleichgültige Meter[...]“4 ungeeignet für den Bau von Hütten, Häusern oder Tempeln, „[...]weil es keinen Menschen gibt, der ein oder zwei Meter groß ist. [...]“5


DER MODULOR | Le Corbusier

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17 Abb.1.: Der Modulor, Skizze: Le Corbusier

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DER MODULOR | Le Corbusier

Schon antike Bauten wie das Pantheon oder gotische Kathedralen wurden nach einer Proportionsordnung gebaut, die sich am menschlichen Körper orientiert und somit nach Le Corbusier„ein zusammenhängendes System bildeten, ja sogar eine wesentlich Einheit bewiesen.[...]“6 Maßeinheiten wie beispielsweise das Schrittmaß, das Ellenmaß oder auch das Daumenmaß, wurden damals beim Errichten von Gebäuden als Hilfsmittel genutzt. Da diese Werkzeuge „wesentliche Teile des menschlichen Körpers“7 sind, seien sie „als Maßhilfsmittel für die zu erbauenden menschlichen Zwecke von vornherein geeignet.“8 Da der Mensch die Schönheit des Raumes bestimmt und er das dazu notwendige Raumgefühl von seinem Körper ausgehend auf den Raum überträgt, scheint es die einzige logische Konsequenz zu sein, den menschlichen Körper als Maßstab jedes Raumes zu nutzen.

„Sie waren unendlich reich und scharf, weil sie teil hatten an der Mathematik, die den

menschlichen Körper bestimmt - einer anmutigen, eleganten und sicheren Mathematik, der Quel-

le der uns ergreifenden Eigenschaft der Harmonie: der Schönheit – (die, wohlverstanden, von

einem menschlichen Auge erfaßt wird, nach menschlichen Begriffen, wohlverstanden. In Wirk-

lichkeit könnte und dürfte es kein anderes Kriterium für uns geben). [...]“ 9

Der menschliche Körper dient schon seit Jahrtausenden als Vorbild und ist maßstäbliche Referenz für Längen-, Breiten-, und Höhenverhältnisse. Schon der vitruvianische Mensch, der ein ihn umgebendes Quadrat bzw. einen Kreis mit den Fingerspitzen und den Fußsohlen berührt, gilt als statisches Ideal seiner Zeit. Le Corbusiers ist in einer Abfolge von Bewegungen dargestellt. Somit bedingt sich für Bewohnbarkeit eines kleinen Raumes sowohl die direkte Berührung mit dem räumlichen Volumen als auch die bewegte Benutzung .10

Abb.2.: Der Modulor, Bewegungsabläufe


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LE CABANON | Le Corbusier

LE CABANON Le Corbusier | Frankreich | 1951

Achtzehn Jahre verbrachte Le Corbusier jeden August in seiner 1951 errichteten bescheidenen Hütte „Le Cabanon“ am Cap-Martin an der französischen Riviera. Obwohl diese von Außen an ein traditionelles kanadisches Blockhaus erinnert, wurde es genaustens nach dem Prinzip des Modulors entworfen. So beträgt die Kantenlänge der quadratischen Grundfläche 3,6m. Dies ergibt einen winzigen Raum von 14 m2 Grundfläche. Dieses Maß war für die Modernisten das festgelegte absolute Minimum an Platzbedarf in Sozialwohnungen.

„Cabonan“ ist die französische Verkleinerungsform für das Wort „Kabine“. In der Gegend um das Cap Martin, an dem Le Corbusier seine Hütte platzierte, lassen sich viele kleine Hütten finden, die von Hirten als Schutzraum genutzt werden. Sie zeichnen sich durch die Einfachheit ihres Aussehens aus. Diese Cabanons erinnern daran, dass der Ursprung der Architektur in der Gestaltung der primitiven Hütte liegt. Le Cabanon ist der einzige Bau den Le Corbusier je für sich selbst entworfen hat. Er verbrachte 1965 das letzte Jahr seines Lebens in der Hütte. Schon die ersten Zeichnungen lassen erkennen, dass sämtliche Maße auf Le Corbusiers Propotionslehre, dem Modular, basieren und auf ein Minimum reduziert sind.11 Nur das Nötigste hat Platz, und das ist laut Corbusier eben so gut wie gar nichts. Ein radikal funktionalistisches Raumkonzept ohne persönliche Note, dafür aber mit reichlich Licht und Luft. Auf eine Küche verzichtete er aufgrund des guten Restaurants in der unmittelbaren Nähe.12


LE CABANON | Le Corbusier

Abb.1.: Innenraum

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LE CABANON | Le Corbusier

Die äußere Fassade besteht aus grobgeschlagenen, halben Baustämmen. Der Innenraum ist mit rechteckigen Holztafeln ausgekleidet, die grün, rot und weiß gestrichen und somit Le Corbusiers Philosophie der reinen Farben entsprechen.13 Durch einen schmalen Flur von 70cm Breite betritt man das Innere der Blockhütte. Eine Trennwand versperrt den Blick auf die dahinterliegende Toilette, die sich am Ende des Flurs befindet und nur durch einen Vorhang vom restlichen Raum getrennt ist. Im eigentlichen Wohnraum befindet sich ein Bett mit integriertem Stauraum und Kopfteil, das als Bücherregal dient. Außerdem finden ein Tisch mit zwei rechteckigen Holzkastenhockern, ein kleines Waschbecken, sowie ein Kleiderschrank und weitere Bücherregale im Raum Platz. Die Ausstattung dient somit der reinen Befriedigung menschlicher Bedürfnisse, da sie nur das Wesentliche beinhaltet. Auch die Öffnungen der Hütte sind auf ein Minimum reduziert. Le Corbusier will mit kleinen Fenstern, bestimmte Fragmente in der Umgebung inszenieren und verzichtet daher auf große Öffnungen. Neben der Eingangstür und zwei schmalen, länglichen Belüftungsklappen, besitzt die Hütte quadratische Fenster, wovon sich eins neben dem Waschbecken befindet und den Blick auf einen Johannisbrotbaum lenkt. Ein weiteres Fenster belichtet den in den Raum ragenden Tisch und gibt die Sicht auf den Monte-Carlo Stand frei. Durch ein drittes, an der rückseitigen Wand der Hütte gelegenes Fenster erblickt man einen Ausschnitt der Felswand, welche sich hinter dem Baum befindet. Le Corbusier schafft mit der Inszenierung von Wasser, Vegetation und Stein ein Spiel zwischen Enge und Weite, wobei der Ausblick die Begrenztheit des Raumes relativiert.14 Le Cababon stellt den befriedigenden Beweis für die grundlegende Überzeugung des Architekten dar, dass trotz Reduktion des Platzangebots und minimalistischer Ausstattung, gute Proportionen und viel Licht die Bestandteile für gute Architektur sind. Mit knappen Ressourcen und minimalen Kosten zeigt er, wie reichhaltig Einfachheit sein kann.


LE CABANON | Le Corbusier

Abb.2.: Grundriss

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DER MODULOR | Le Corbusier

1 Osterhoff, Johannes (2005): Der Modulor. Le Corbusier. URL: www.johannes-p-osterhoff.com/ wp-portfolio/wp-content/uploads/2005/08/Modulor.pdf. (Zugriff: 19.01.2018)

2

3

Biosas, Lathe: Der Modulor. URL: http://runde0.de/der-modulor/.(Zugriff: 19.01.2018)

Vgl. Le Corbusier (1948): Der Modulor. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 20.

4 Ebd., 20.

5 Ebd., 20.

6 Ebd.,18ff.

7 Ebd., 18ff.

8 Ebd., 18ff.

9 Ebd., 18ff.

10

Vgl. Schnittich, Christian (2010): Im Detail. Mikroh채user. M체nchen. Institut f체r internationale

Architektur- Dokumentation GmbH & Co. KG, 12.

Abb.1/2: Der Modulor, Skizze/ Der Modulor, Bewegungsabl채ufe: Le Corbusier. Osterhoff, Johannes (2005): Der Modulor. Le Corbusier. URL: www.johannes-p-osterhoff.com/wp-portfolio/wp-content/ uploads/2005/08/Modulor.pdf. (Zugriff 19.01.2018)


33

11

Bayley, Stephen (2009): Wherever Le Corbusier lays his hut.. . URL: www.theguardian.com/artanddesign/2009/mar/08/archi

tecture-exhibition. (Zugriff: 19. 01. 2018)

12

Kr체ger, Sara (2017): F체nf Star-Architekten H채user, in die man gerne einziehen w체rde. URL: www.welt.de/icon/design/artic

le169833784/Fuenf-Star-Architektenhaeuser-in-die-man-gerne-einziehen-wuerde.html. (Zugriff: 19. 01. 2018)

13

Le Corbusiers Philosophie basiert auf Mondrian und dem De Styl

14

Hotze, Benedikt (2012): Camping, Cabanon und E.1027. BauNetz Classics: Le Corbusier in Roquebrune. URL: www.baunetz.

de/meldungen/Meldungen-BauNetz_Classics_Le_Corbusier_in_Roquebrune_2964079.html. (Zugriff: 19. 01. 2018)

Abb. 1.:

Innenraum. Photograph by Flickr user ofhouses.com. URL: www.dezeen.com/2016/07/20/le-corbusier-french-holiday-ho

me-cabanon-17-buildings-unesco-world-heritage-list/. (Zugriff: 19. 01. 2018)

Abb.2.:

Grundriss. Fabrizi, Mariabruna(2014). URL: www. socks-studio.com/2014/01/30/inhabiting-the-mediterranean-landsca

pe-le-corbusiers-cabanon-in-roquebrune-1952/. (Zugriff: 19. 01. 2018)


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UMWELT UND ARCHITEKTUR


UMWELT UND ARCHITEKTUR

„Die moderne Zivilisation basiert bisher auf der Idee, dass wir den Lebensraum des Menschen

als Komfortzonen einrichten, die von der Natur und der Umwelt abgesondert sind. [...] Die Archi-

tektur darf sich nicht auf den Innenraum verengen, auf eine homogene, kontrollierte Umwelt,

die einzig den Komfort der Bewohner im Inneren des Hauses im Blick hat. Ich bin eher an der

Erschaffung einer neuen Art von Umwelt interessiert, die das Innere zum Außen und das Außen

zum Inneren macht.“1

Architekten wie Sou Fujimoto oder Junya Ishigami sehen die Architektur als etwas Autonomes an, das zunächst eine Umwelt schaffen soll, die der Mensch dann wie eine Höhle in Besitz nimmt und bewohnt. 2 Während sich Europa durch eine klare Trennung zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit kennzeichnet, wurde die Unzulänglichkeit dieser Kategorien für das Verständnis japanischer Städte oft diskutiert.3 Die Auflösung der Grenze lässt sich sowohl auf traditionelle Wohntypologien als auch auf die Leichtbauweise japanischer Architektur und die daruas resultierenden Beziehungen zwischen nnen und außen, dem Wohnraum und seiner Umgebung, zurückführen. „Das traditionelle japanische Haus setzt zunächst die umgebende Landschaft in einen Rahmen und erfüllt erst in inmittelbarer Beziehung zum Umfeld seinen ideellen Sinn“.4 Indem man die Grenze zwischen Innen und Außen überschreitet, lässt sich der Wohnraum erweitern und das Leben auf geringem Raum kann ermöglicht werden. Mit seiner These der „primitiven Zukunft“ sucht Fujimoto die Architektur neu zu begründen. Er schlägt mit diesen Überlegungen eine Perspektive für die Architektur vor, die über funktionale Festlegungen hinausgeht, und die in vielerlei Hinsicht mit dem traditionellen Verständnis des japanischen Hauses übereinstimmt: auch hier gibt es keine funktional festgelegten Raumabfolgen. Viele der Zimmer bleiben funktional veränderbar und es ist gleichgültig, ob man diese Räume zum Wohnen, Schlafen oder Arbeiten nutzt. Der funktionale Raum wird zum Heuristischen.5 Die multifunktionale Nutzung von Räumlichkeiten ermöglicht es, den Flächenbedarf pro Person und somit die Nettogrundfläche eines Wohnhauses zu senken.

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PRIMIITIVE ZUKUNFT Sou Fujimoto

Mit seiner These einer „primitiven Zukunft“, versucht Fujimoto die Architektur neu zu begründen. Dabei vertritt er die Ansicht, dass es zwei Arten von Urzuständen der Architektur gibt, nämlich die Höhle und das Nest. Die Höhle stellt eine vorgefundene und nicht vom Menschen gestaltete Raumsituation dar. Somit ist die Höhle nicht funktional vordefiniert und es muss auf die Umgebung reagiert werden. Das Nest entpricht im Gegensatz dazu den funktionalistischen Grundsätzen des 20. Jahrhunderts. Das heißt, dass jedes architektonische Element eine klare Aufgabe und Definition besitzt. Dementsprechend ist das Nest für vorgeordnete Funktionen konstruiert und somit auf die Komfortbedürfnisse des Bewohners zugeschnitten. Fujimotos Ansicht nach soll die Architektur des 21. Jahrhunderts im Gegensatz dazu Mehrdeutigkeit auslösen. Sie soll den zwanghaften Funktionalismus überwinden, um neue Orte zu schaffen, die als Anregung dienen, unterschiedliche Funktionen im Raum zu aktivieren.

„Ein Nest wird entsprechend des Komfort-Verständnisses der Bewohner errichtet, während

eine Höhle unabhängig von solchen Vorstellungen existiert. Sie wurde nicht nach funktiona-

listischen Ideen organsiert, sondern schafft einen Ort, der die Menschen dazu ermutigt, ein Spekt-

rum von Möglichkeiten zu erforschen“.6

Der Beitrag „Primitive Future House“ zu 12. Architetkurbiennale in Venedig (Abb.1) von Sou Fujimoto zeigt unterschiedliche horizontale Ebenen, die in einem Abstand von 35 Zentimetern übereinander gelegt sind. Somit können sie als Treppenstufe, Tisch, Sitz- oder Liegefläche genutzt werden. Die klassische Unterscheidung zwischen Decke und Wand oder zwischen einzelnen Geschossen wird aufgehoben.


PRIMITIVE ZUKUNFT | Sou Fujimoto

Abb.1.: Primitive Future House, Sou Fujimoto Architects | Beitrag zur 12. Architekturbiennale, Venedig, 2010

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PRIMITIVE ZUKUNFT | Sou Fujimoto

Die Funktionen von den Bewohnern werden neu definiert, da die einzelnen Elemente zu einem fließenden Raum verschmelzen. „Es kreiert eine nicht- anthropozentrische Höhle durch den künstlichen Prozess der Architektur.“7 Das Primitve Future House führt zu einer neuen architektonischen Ordnung und somit zu einer Umkehrung des Verhältnisses zwischen Raum und menschlichem Körper.

In den Projekten und seiner These „der primitiven Zukunft“ stellt Fujimto dar, wie eine minimale Existenz auf geringem Raum ermöglicht werden kann. Bei seinem ersten Projekt „House of the Future“ wurden die Funktionen eines Hauses auf das ganze Stadtviertel verteilt. Durch die Reduzierung des individuellen Raumes sollten möglichst viele Funktionen des täglichen Lebens mit anderen Stadtbewohnern geteilt werden: Starbucks ersetzt das Wohnzimmer, das öffentliche Sento das eigene Bad. Fujimoto ist der Ansicht, dass die Stadt nicht nur aus einer bloßen Ansammlung von Häusern besteht, sondern selbst ein komplexes Haus ist. Ein Haus ist wiederum nicht nur Teil der Stadt, sondern eine Miniatur der Stadt. Die Gestaltung besteht also aus Auflösungsprozessen, die in neue Beziehungen zueinander und zur Stadt gesetzt werden. Dadurch stehen nicht mehr die Kompaktheit des Körpers des Gebäudes und seine Funktion im Vordergrund, sondern seine Vernetzung und Struktur. Fujimoto sieht darin die Ablösung des Nestes durch die Höhle. Man kann dem kleinem Zimmer, in dem man wohnt zum Beispiel ein anderes kleines Zimmer hinzufügen. Es kann auch nur eine Fläche von einem Quadratmeter haben und ein Tisch, ein Bett oder eine Toilette beinhalten. Diese kleinen Zimmer sind in der Stadt verstreut und man muss wie selbstverständlich durch die Stadt laufen, um von einem Raum zum anderen zu gelangen. Somit würde die Stadt mit ihren Läden, der Infrastruktur und der Nachbarschaft zu einem Teil des Hauses werden. Der Weg von einem Punkt zum anderen wäre nicht vorbestimmt und die Bereiche zwischen den Zimmern nicht klar zu definieren. Die Grenzen des Wohnens sind nicht klar zu erfassen. Das Haus der Zukunft ist somit unbestimmt und „überwindet die Idee eines kompakten Volumens zugunsten einer Vielzahl unterschiedlicher Körper, die in die Stadt integriert sind und sich in ihr auflösen“.8


PRIMITIVE ZUKUNFT | Sou Fujimoto

Abb.2/3.: Network by walk Wettbewerbsbeitrag „House of the Future“

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PRIMITIVE ZUKUNFT | Sou Fujimoto

1 Ishigami, Junya. Erschienen in ARCH+208: Tokio-Die Stadt bewohnen. (Ausgabe 8/2012). Aachen: Arch+ Verlag GmbH, 19.

2 Vgl. Speidel, Manfred: Tokio- Die Stadt bewohnen. Erschienen in ARCH+208: Tokio-Die Stadt

bewohnen. (Ausgabe 8/2012). Aachen. Arch+ Verlag GmbH, 21.

3

Vgl. Krusche, Jürgen, et al.: (2010): Tokyo. Die Strasse als gelebter Raum. Baden: Lars Müller Publis

hers, 46.

4 Vgl. Hageneder, Christine: Wohnen außer Haus. Erschienen in: ARCH+ 151: Minihäuser in der

Megacity Tokio. (Erschienen: Juli 2000). Aachen: Arch+ Verlag GmbH, 47.

5 Vgl. Speidel, Manfred: Tokio- Die Stadt bewohnen. Erschienen in ARCH+208: Tokio-Die Stadt

bewohnen. (Ausgabe 8/2012). Aachen. Arch+ Verlag GmbH, 19.


PRIMITIVE ZUKUNFT | Sou Fujimoto

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Fujimoto, Sou (2008) : Primitive Future. Erschienen in: Contemporary Architect´s Conecpt Series 1.

Tokio, 24.

(„...a nest ist prepared according to inhabitants´sense of conmfortability while a cave exist regardless

of convenience or otherwise to its inhabitants..It is not organized in the name of functionalism but

by place-making that encourages people to seek a spectrum of opportunities.“).

7 Fujimoto, Sou: Die Architektur der Primitiven Zukunft. Erschienen in: Arch+208: Tokio-Die

Stadt bewohnen. (Ausgabe 8/2012). Aachen: Arch+ Verlag, 66.

8 Hildner, Claudia (2014): Future Living, Gemeinschaftliches Wohnen in Japan. Basel: Birkhäuser Verlag, 8. Abb.1 Primitive Future House, Sou Fujimoto Architects | Beitrag zur 12. Architekturbienna le, Venedig, 2010: Erschienen in: Arch+208: Tokio-Die Stadt bewohnen. (Ausgabe 8/2012). Aachen: Arch+ Verlag, 66. Abb.2/3 Network by walk Wettbewerbsbeitrag „House of the Future“: Ebd., 68. Grafik: Marim Gegidze und Giulia Maniscalco, ARCH+ auf Grundlage einer Zeichnung von Sou Fujimoto Architects


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TOKYO APARTMENTS Sou Fujimoto Architects | Tokio | 2009

Der Entwurf für „Tokyo Apartments“ stellt den fast dörflichen Charakter der Wohnviertel Tokios dar, die sich durch ihre scheinbar chaotischen Ansammlungen kleiner Häuser kennzeichnen. Die Wohneinheiten in diesem Apartmentgebäude bestehen aus einzelnen Volumen, die wie prototypische Minihäuser mit Satteldach aussehen. Durch außenliegende Treppen sind die Zimmer miteineinander verbunden. Somit wird bei jedem Wechsel von einem Zimmer ins andere, die urbane Umgebung Teil des Alltagslebens. Der Turm aus kleinen Häusern beinhaltet vier Apartments, die unabhängig voneiander erschlossen werden, aber zusammen eine erkennbare Einheit formen. Da jede der vier Wohneinheiten des „Tokyo Apartment“ in Itabashi sich aus mehreren Baukörpern zusammensetzt, wird das Gefühl, in einem „eigenen“ Haus zu wohnen, durch seperate Eingänge noch gestärkt. „Gleichzeitig erscheint das Gebäude als eine Art komprimierte Stadt, sie sich wie ein Berggipfel erobern lässt.“2 Die Volumen, aus denen sich jeweils eine Wohneinheit zusammensetzt, sind unterschiedlich groß und leicht gegeneinander verdreht. Drei der Wohneinheiten weisen eine Maisonette-Struktur auf, wobei die unteren beiden Apartemnts das Untergeschoss miteinbeziehen. Die oberirdischen Gebäudeteile bestehen aus einer Holzkonstruktion. Tragende Elemente und Aussteifungen tauchen daher immer wieder an Stellen auf, an denen man sie eigentlich nicht erwarten würde: Diagonale Bauteile durchkreuzen die Fenster, einzelne Stützen stehen mitten im Raum. In Japan stehen Alltagsarchitekturen ohne Rücksicht auf den Kontext nebeneinander. Dadurch ergeben sich unerwartete Beziehungen und prägen somit das Erleben des urbanen Raumes.


TOKYO APARTMENTS | Sou Fujimoto

Abb 1.: Außenräume laden zur Entdeckung und Aneignung ein

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TOKYO APARTMENTS | Sou Fujimoto

Die Idee der „Tokyo Apartments“ stellt eine Art Chaos dar und erinnert so an die Struktur japanischer Großstädte. Fujimoto übersetzt mit dem Gebäude den Reiz der urbanen Raumerfahrung in Tokio in einen Wohnbau:

„Superimposed upon the composition are experiences created by chance and necessity, which

result from agglomeration... It is more like Tokyo than Tokyo itself; Tokyo that does not exist; the

Tokyo which is most like Tokyo.“3

Nicht die Funktionalität der Wohnungen steht im Vordergrund, sondern die wechselnden Ausblicke und Räume, die durch das Erleben und die Kreativität der Bewohner geformt werden. Die Außen- und Innenbereiche sowie die Resträume, die durch das Stapeln der Räume entstehen, laden dazu ein immer wieder neue Nutzungen zu entdecken. Dadurch werden auch ungezwungene Begegnungen mit den Nachbarn möglich. Dies und der hohe Wiedererkennungswert führen dazu, dass die Bewohner sich mit dem Gebäude identifizieren können.4

Abb 2.: Schnitte, M1:200


TOKYO APARTMENTS | Sou Fujimoto

Abb.4.: Weiße Stahltreppen kennzeichnen den Bau außen wie innen

Abb 3.: Auf dem Weg zum Haus über dem Haus: Ein starker Bezug zum Außenruam wird über verglaste Verbindungen hergestellt

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1

TOKYO APARTMENTS | Sou Fujimoto

Fujimoto, Sou (2008): Primitive Future. Tokio. Contemporary Architects

Concept Series, 24.

2

Hildner, Claudia (2014): Future Living, Gemeinschaftliches Wohnen in

Japan. Basel: Birkhäuser Verlag, 36.

3 Sou Fujimoto: Tokyo Apartment. Erschienen in: Redefinig Collectivity, JA:

The Japan Architect, Nr. 78 (Sommer 2010), 94-101.

4 Vgl. Fujimoto, Sou: Die Architektur der Primitiven Zukunft. Erschienen

in: Arch+208: Tokio – Die Stadt bewohnen. (Ausgabe 8/2012). Aachen:

Arch+ Verlag, 66-71.

Abb. 1 Außenräume laden zur Entdeckung und Aneignung ein/ Schnitte, M.1:200: Hildner, Claudia (2014): Future Living, Gemeinschaftliches Wohnen in

Japan. Basel: Birkhäuser Verlag, 37. Abb. 2 Auf dem Weg zum Haus über dem Haus: Kunsmann, Jeanette (2013): URL: www.//jtkn.wordpress.com/tag/sou-fuji moto/. (Zugriff: 22.01.2018)

Abb.4 Weiße Stahltreppen kennzeichnen den Bau außen wie innen: Baan, Iwan: URL: www.todayandtomorrow.net/2010/09/23/tokyo-apart ment-by-sou-fujimoto/. (Zugriff: 22.01.2018)


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KOLLOBORATIVER KONSUM


KOLLOBORATIVER KONSUM

Individueller Besitz und Konsum sind zentrale Merkmale einer auf materiellen Wohlstand ausgerichteten Wirtschafts- und Lebensweise. Das Glücksversprechen der individualisierten Konsumgesellschaft wird seit einiger Zeit, nicht zuletzt wegen der globalen Rezession, die unsere Vorstellung von Wohlstand erschüttert hat, von den unterschiedlichsten Seiten in Frage gestellt.1 Die so genannte Sharing Economy erlebt seit einigen Jahren einen regelrechten Boom. Innovative Mietkonzepte, Tausch- und Verleihplattformen, Vermittlungsbörsen für geteilte Güternutzung und vieles andere mehr sind Ausdruck einer neuen Ökonomie des Teilens, die für einige den Übergang von „einer Kultur des Ego-Konsums zu [...] einer Kultur der Zusammenarbeit“(Dönnebrink, 2014), für andere hingegen die zunehmende Kommerzialisierung privater Lebensbereiche repräsentiert (Staun, 2013).2 Tauschen statt kaufen, leihen statt besitzen. Überall entstehen getragen von nachhaltigen wie ökonomischen Motiven, neue Geschäftsmodelle. Aus Konsumenten werden Nutzer. Diese Entwicklung ist ein grundlegender kultureller Umbruch, der im Wesentlichen durch die Entwicklung des Internets und dem gesteigerten Umwelt- und Nachhaltigkeitsbewusstsein begründet ist.3 Die Entwicklung des Eigentumbegriffs zeigt, dass zwischenmenschliche Beziehungen und erlebte Erfahrungen in den Vordergrund treten. Doch wie können sich die neuen gesellschaftlichen Werte auf Wohnformen auswirken ? Hierbei wird das Teilen und Nutzen von öffentlichen Flächen oder Räumern interessant. Durch die Verlagerung von privaten Bereichen in den Öffentlichen kann der individuelle Raum verringert und dementsprechend Fläche gespart werden. Im Folgenden wird anhand der Thesen von Jeremy Rifkin der Wandel zur Ökonomie des Tauschens näher analysiert und geguckt wie sich dieser positiv auf neue Wohnformen ausüben kann.

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ENTMATERIALISIERUNG Rifkins Zugangsökonomie


ENTMATERIALISIERUNG | Rifkins Zugangsökononmie

Eigentumsverhältnisse formen die zwischenmenschlichen Beziehungen im Kleinen wie im Großen. Dabei ist es schwierig Eigentum zu definieren. Eigentum ist sozusagen eine bloße gesellschaftliche Konvention, die einem ständigen Wandel unterliegt. Von der Feudalherrschaft zum Industriekapitalismus wie von der Konsumgesellschaft zur Dienstleistungsökonomie wurde der Begriff des Eigentums immer wieder neu definiert. 4 Der Meinung des amerikanischen Soziologen Jeremy Rifkin nach befinden wir uns in einer Zeit, in welcher der Tausch von Eigentum auf Märkten zunehmend von einem kurzfristigen Zugriff auf Produkte und Dienstleistungen über Netzwerke abgelöst wird.5 „Der Markt als Grundlage des neuzeitlichen Lebens“, so Rifkins Auffassung,

„befindet sich heute in Auflösung. Im kommenden Zeitalter treten Netzwerke an die Stelle der

Märkte, und aus dem Streben nach Eigentum wird das Streben nach Zugang, nach Zugriff auf

das, was diese Netzwerke zu bieten haben. Unternehmer und Verbraucher machen erste Schritte,

den zentralen Mechanismus des neuzeitlichen Wirtschaftslebens anzuhebeln – den Tausch von

Eigentum zwischen Verkäufern und Käufern auf Märkten“. 6

Somit beschreibt Rifkin die „Ökonomie des Tauschens und Teilens als den Kapitalismus des Zugriffs“. Ein wichtiger Grund hierfür ist das rasante Wachstum des Internets, das beim „Sharing“ neue Möglichkeiten geschaffen hat. Heute tauscht man sich über soziale Netzwerke oder speziellen Plattformen aus. Dadurch sind Milliarden von Menschen in der Lage, sich das, was sie benötigen, temporär zu besorgen. „Während Eigentum an Sachkapital im Industriezeitalter den Kern des Wirtschaftslebens darstellte, verkaufen Unternehmen heute in einem gnadenlosen Wettbewerb ihren Grundbesitz“7 schreibt Rifkin.

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ENTMATERIALISIERUNG | Rifkins Zugangsökononmie

Aufgrund von der Notwendigkeit fortlaufender Innovation sowie Effizienzsteigerung und immer kürzeren Produktzyklen reduzieren Firmen ihren Bestand, leasen ihre Ausstattung und lagern ihre Aktivitäten aus. Früher kennzeichnete sich die klassische Marktwirtschaft durch den Tausch von Gütern, die über das Geld erfolgte. Das Ziel war es Produkte billig zu einzukaufen und teuer zu verkaufen. Das Streben der Menschen war auf den Erwerb materieller Werte, die Anhäufung von Besitz gerichtet. Heutzutage hingegen wird das Privateigentum durch Abonnements, Mitgliedschaften oder zeitlich begrenzte Zugangsberechtigungen zu Dienstleistungen ersetzt. So stehen sich immer weniger Käufer und Verkäufer, als Anbieter (als Dienstleister) und Nutzer entgegen. Der Fokus liegt nicht auf der Anhäufung von materiellen Dingen, sondern auf dem Wissen um den Zugang. Besitz wird zwar weiterhin bestehen, aber von den Kunden auf der Grundlage von Mitgliedschaften, Abonnements und Lizenzverträgen genutzt. „In einer Ökonomie, deren einzige Konstante der Wandel ist, macht es wenig Sinn, bleibende Werte anzuhäufen“8, so Rifkin. Unternehmen wollen nicht mehr einzelne Produkte an eine möglichst breite Kundschaft verkaufen, sondern versuchen einzelnen Kunden über einen langen Zeitraum so viel wie möglich zu verkaufen. Man will zum Konsumenten eine möglichst lange und vertraute Beziehung aufzubauen. Diese soll durch die die sofortige Befriedigung jeglicher Bedürfnisse gesichert werden, die anhand vonVerhaltensstudien und Kundenprofilen mitttels vernetzter Informationstechniken bestimmt werden. Nicht die Wiederholung von Verkaufsaktionen stellt wirtschaftlichen Erfolg dar, sondern langfristige Geschäftsbeziehungen.

„Im klassischen Industriezeitalter wollten Firmen vorrangig ihre Produkte verkaufen; kostenlose

Serviceangebote setzten Kaufanreize. Heute ist dies geradezu umgekehrt. Immer häufiger geben

Unternehmen ihre Produkte buchstäblich umsonst ab: Sie hoffen stattdessen auf langfristige

Servicebeziehungen zu ihren Kunden. Und auch die Verbraucher streben immer seltener nach

dem Eigentum an einer Sache als nach ihrer Verfügbarkeit.“9

Um die Grundzüge zu erklären, eignet sich hier das Beispiel der Autofirmen. Diese verkaufen keine Autos mehr, sondern ermöglichen über das Leasing Geschäft den Zugang zur Fahr-Erfahrung. So wird der Gewinn nicht mehr mit dem Produkt, sondern mit dem damit verbundenen Service erzielt. Somit geht es nicht mehr um den Verkauf des Produktes, sondern darum in eine langfristige Servicebeziehung einzutreten. Das Ziel ist es rund um die Uhr Zugang zu dem Kunden zu haben.10 So hat sich heute „Carsharing“ als Produkt- Dienstleistungssystem zu der am schnellsten wachsenden Branche des Verkehrsgewerbes entwickelt.11


ENTMATERIALISIERUNG | Rifkins Zugangsökononmie

Auch die Vorstellung vom eigenen Heim hat sich parallel zum Eigentumsbegriff verändert. Lange Zeit war das Eigenheim auch der Ort wirtschaftlicher Tätigkeit und entwickelte sich erst mit der industriellen Revolution von einem Ort der Produktion zu einem Ort des Konsums. Somit verlagerte sich Massenproduktion in die Fabriken, und Konsumgüter aller Art mussten daher auf dem Markt erworben werden. Status und Wohlergehen zeigte sich über den Privatbesitz. Mit wachsender Auto-Mobilität und der Flucht in die Vororte strebte man nach einem Einfamilienhaus. Doch die jüngste Hypothekenkrise ließ schließlich den Wunsch vom suburbanen Eigenheim nicht in Erfüllung gehen.Hierbei wird das „verstreute Wohnen“, durch den Zugriff auf eine Vielfalt von Dienstleistungen, Infrastrukturen und Räumen möglich. Hierbei erweitern Einrichtungen der Stadt, auf Zeit den begrenzten Wohnraum. Die Wohnung ist nicht länger als räumliche Einheit zu verstehen, sondern vielmehr als ein Netzwerk von temporären Räumen, die je nach Bedürfnis spontan zugänglich sind. Die Entwicklung des Eigentumbegriffs, so Rifkin, zeigt , dass nun zwischenmenschliche Beziehungen und erlebte Erfahrungen in den Mittelpunkt des kommerziellen Interesses rücken. Alltagsbeschäftigungen und gesellschaftliche Aktivitäten, die einst in den eigenen vier Wänden stattfanden, werden vom Markt absorbiert und zur Ware gemacht. Enge Wohnverhältnisse und lange Pendelzeiten zwischen Wohn- und Arbeitsstätte führen zur Fragmentierung des Wohnens. Pendler greifen allzeit auf eine Fülle von Mikroinfrastrukturen, wie Schließfächern, Verkaufsautomaten aller Arten, Münz-WCs und Waschsalons zurück. Aber erst durch die Verbreitung des Mobiltelefons wird eine persönliche städtische Infrastruktur geschaffen, die einen großen Fortschritt des verstreuten Wohnens in der Stadt herbeiführt und die sozialen Beziehungen in der Gesellschaft prägt und fördert. Standortbezogene Mobiltechnologie ermöglicht zu jeder Zeit und überall den sofortigen Zugriff auf Informationen, Dinge und Menschen. Damit wird das Verhältnis von Raum und Zeit von Grund auf neu definiert und zu einer wichtigen Grundlage der Ökonomie des Zugangs.12

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KOLLOBORATIVER KONSUM

1

Heinrichs, Harald, et al. (2012): Sharing Economy, auf dem Weg in eine

neue Konsumkultur? URL: www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/42748/ ssoar-2012-heinrichs_et_al-Sharing_Economy__Auf_dem.pdf. (Zugriff: 21.01.2018)

2 Scholl. et al. (2015): Peer-to-Peer Sharing. URL: www.peer-sharing.de/data/peersha ring/user_upload/Dateien/PeerSharing_Ergebnispa pier.pdf, 7. (Zugriff: 21.01.2018)

3

Vgl. Hissen, Jรถrg Daniel (2014): Sharing Economy, Tauschen und Teilen. URL: www.

programm.ard.de/TV/Themenschwerpunkte/Politik/Aktuelle-Reportagen/Startseite/? sendung=2872412950467884. (Zugriff: 21.01.2018)


ENTMATERIALISIERUNG | Rifkins Zugangsökononmie

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4 Vgl. Gruber, Stefan: Culture of Access, Tokio- von der Zugangsökonomie zur kollobo-

rativen Stadt. Erschienen in: Arch+ 208 (2012): Tokio- die Stadt bewohnen. (Ausgabe 8/2012), Aachen: Arch+Verlag GmbH, 94.

5 Rifkin, Jeremy (2000): The Age of Access: The New Culture of Hypercapitalism, where

All of Life is a Paid-for Experience. New York: J.P. Tarcher/Putnam.

6 Rifkin; Jeremy (2007): Das Verschwinden des Eigentums. Warum wir weniger besitzen

und mehr ausgeben werden. Frankfurt/New York: Campus Verlag, 10.

7 Ebd., 11.

8 Ebd.,13.

9 Ebd.,12.

10 Ebd., 100.

11

Der Umsatz des amerikanischen Carsharing-Marktes betrug 2009 $253 Millionen und

wird für 2016 auf $ 3,3 Milliarden geschätzt. URL: Wall Street Journal: http://blogs.

wsj.com/deals/2010/06/01/the- 411-on-the-zipcar-ipo/. (Zugriff: 7. Juli 2012)

12 Vgl. Gruber, Stefan: Culture of Access, Tokio- von der Zugangsökonomie zur kollobo

rativen Stadt. Erschienen in: Arch+ 208 (2012): Tokio- die Stadt bewohnen. (Ausgabe 8/2012), Aachen: Arch+Verlag GmbH, 96.


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NEUE FORMEN DES ZUSAMMENLEBENS


NEUE FORMEN DES ZUSAMMENLEBENS

„Die neue Architektur kann flexibel sein, kann flexible Wohlfühlzonen enthalten und sich an

diese anpassen. Wir denken über die Art und Weise nach, in der wir die Kontrollierbarkeit der

Architektur variieren können. Die Linie zwischen „meinem“, „unserem“, „deinem“ und „deren“

kann sich verschieben, kann verschwimmen oder ganz verschwinden. Damit können wir Räume

erweitern und beginnen, unsere tatsächlichen Bedürfnisse ins Auge zu fassen, die in den meisten

Fällen die Menschen um uns herum betreffen.“1

Das Verhältnis zwischen Öffentlichem und Privatem gestaltet sich in den einzelnen Kulturen sehr unterschiedlich. In Tokio, das durch eine in weiten Teilen flächige Bebauung und die räumliche Dichte die Menschen zwingt, nahe an den öffentlichen Erschließungsräumen und Straßen zu wohnen, ermöglicht es das kulturelle Selbstverständnis der japanischen Gesellschaft, die Privatsphäre des anderen auch auf engstem Raum zu respektieren. Das Verweben von privatem und öffentlichem Raum wie bei den Wohnbauten von Nishizawa und Sejima wird erst durch den in der japanischen Gesellschaft verankerten höflichen und distanzierten Umgang der Menschen miteinander denkbar. „Die fast völlige Auflösung des Innen und Außen bei den beiden Wohnprojekten „Moriyama House“ und „Seijo Town Houses“ in Tokio spielt mit den räumlichen Übergängen in extremer Weise. Die beiden Projekte von Nishizawa und Sejima jonglieren nicht nur mit unsichtbaren Grenzen zwischen Öffentlichkeit und Privatheit, sondern lassen private Räume immer wieder an die Öffentlichkeit angrenzen.“2 Räume, in denen die Funktionen nicht klar festgelegt sind und deren Zugehörigkeit nicht eindeutig erkennbar ist, sind streitbare Zonen und machen somit Aneignung mäglich. Aneignung ist nach Dorothee Obermaier nicht eindeutig festzulegen: „In der sehr unterschiedlichen Verwendung des Begriffes wird übereinstimmend, von den Bedürfnissen ausgegangen, Räume selbstbestimmt, aktiv, an eigenen Bedürfnissen orientiert zu nutzen und zu formen.“ 3 Dabei richet sich Aneigung immer sowohl auf räumliche als auch auf soziale Dimensionen, und somit auf die „physische Umwelt selber, auf die Beziehungen zu Personen, die in ihr möglich sind, auf ihre normative Struktur“.4 Gute Architektur zum Wohnen zeigt sich in der Alltagstauglichkeit für Bewohner. Ein gelungener Wohnungsbau muss neben guten Wohnungsgrundrissen auch gute öffentliche und semiöffentliche Anschlüsse bieten. Die Schnittstellen zwischen den einzelnen Bereichen des Mit- und Ohneeinanders sind extrem wichtig, ebenso die Möglichkeit für die Bewohner, sich die Räume anzueignen.5

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MORIYAMA HOUSE Ryue Nishizawa | Tokio | 2005

Das Moriyama House wurde 2005 in einer kleinteiligen Wohnviertel von Tokio gebaut. Die Gegend ist durch unregelmäßig verlaufende Straßen geprägt. Die Gassen und Straßen sind nicht nur Transiträume, sondern Teil des Lebensraums der Anwohner. Der Wohnkomplex besteht aus einer Ansammlung von zehn Quadern verschiedener Größen inmitten einer rechteckigen Grundfläche. Manche der Gebäudevolumen sind ebenerdig, manche zweistöckig, zwei dreistöckig und einige wiederum haben ein Kellergeschoss. Jedes einzelne Stockwerk besteht aus nur einem Raum, unterbrochen höchstens durch Nass- und Stauräume. Sie fließen barrierefrei in die öffentlichen Gassen des Viertels ein. In den Boxen entstanden 16-30 m2 kleine und kompakte Mietwohnungen mit eigenem Garten. Der Entwurf für einen Grundtyp einer Reihe neuer Wohnbauten erlaubte das Einfließen des Öffentlichen in das Private bzw. das Außen und Innen. Eine neue Definition von Gemeinschaft entsteht. Nishizawas Moriyama House stellt ein neues Konzept des Zusammenlebens für eine Gruppe von Menschen in einer so dicht besiedelten Stadt wie Tokio vor. Diese Menschen teilen sich anders als sonst nicht Flure, enge Treppenhäuser und Aufzüge, sondern Blumen- und Gemüsegärten, Durchgänge und überdachte Bereiche. Auch hier wieder scheint das Experimentieren mit neuen Formen des Zusammenlebens neue Formen des spontanen Kontakts zwischen zukünftigen Bewohnern zu ermöglichen.5


MORIYAMA HOUSE | Ryue Nishizawa

Abb. 1.: Schaffung einer Umwelt | Durch die Verteilung des Programms enstehen architektonische Cluster

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MORIYAMA HOUSE | Ryue Nishizawa

Die beiden ehemaligen Mitarbeiter Johanna Meyer-Grohbrügge und Sam Chermayeff (June 14) des Büros Sanaa von Ryue Nishizawa beschreiben das Leben in dem Wohngemeinschaft wie folgt:

„Es ging darum, unterschiedlichen Bedürfnissen zu verschiedenen Zeiten Vorrang einzuräumen,

und drinnen mit dem Draußen zu leben. An einem heißen sonnigen Tag dehnten wir uns wie

selbstverständlich aus, und an einem kalten dunklen Wintertag zogen wir uns zurück. Menschen

tun das in allen Häusern. Es gab, und gibt immer, Abstufungen hinsichtlich des – physischen wie

emotionalen – Ausgesetzt seins.“ 6

Die einzelnen Wohneinheiten sind in solchem Maße reduziert, dass der Wohnraum ohne die umliegenden gemeinschaftlichen und öffentlichen Freiräume nicht denkbar ist, Ryue Nishizawa sagt dazu:

„In Relation zum menschlichen Körper fällt der architektonische Raum in der Regel sehr groß

aus. Indem man den Raum verkleinert, passt er sich dem menschlichen Körper an und funktio

niert fast wie Kleidung. Dies wird unsere Raumerfahrung verändern.“7

Durch die verstreute Anordnung der Bauten entstehen verschiedene Zwischenräume, die die Architektur mit der Umgebung verbinden. Die sich abwechselnden Raumfolgen von Innen und Außen in Verbindung mit großen Öffnungen schaffen ein Gefühl der räumlichen Transparenz. Die Zwischenräume sind nicht nur Abstandsflächen, sondern Erweiterungen der privaten Wohnbereiche in den Außenraum hinein.

„Die Architektur bildet keine hermetische Einheit mehr, sondern nimmt den Charakter eines

Clusters an. Auf diese Weise werden die Beziehungen innerhalb des Ganzen sichtbar. Die Streuung

des Programms sollte auch im äußeren Erscheinungsbild und in der Landschaft erlebbar sein.“8

Durch den Verzicht auf ein eindeutiges Zentrum, entsteht ein Raumgefüge, in dem die Bewohner sich der Vielfalt des
Wohnumfelds bewusst sind und das Gefühl haben, ein Teil desselben zu sein. Die Wohneinheiten machen sich den öffentlichen Straßenraum zu eigen, weiten diesen aber zugleich in die Privatsphäre aus. An zwei Seiten grenzt der Komplex an die Straße, das Grundstück selbst ist durch keine Zäune oder Hecken abgegrenzt. Die Menschen lösen lineare Grenzen auf und nutzen die Gassen und Zwischenräume als Lebensräume. Es geht Nishizawa darum, einen Ort zu definieren ohne eine Mauer zu errichten oder das eigene Gebiet abzustecken. Die dünnen tragenden Wände bestehen aus sechs Zentimetern, die mit Stahlplatten bewehrt sind und somit große Öffnungen erlauben. Die Relation von Gärten und Häusern ist genau durchdacht, ebenso die Öffnungen der Fenster. Die Häuser stehen einander so gegenüber, dass die Fenster sorgfältig gegeneinander versetzt sind.


MORIYAMA HOUSE | Ryue Nishizawa

Die Gärten und der Blick auf die Umgebung bilden einen fixen Bestandteil des eigenen Lebensraumes. „Die Bauten besitzen große Öffnungen. Dadurch verschmelzen Umgebung und Architektur miteinander.9 Das Moriyama House sucht nach Antworten auf die neuen Werte der heutigen Gesellschaft und setzt Impulse für das Zusammenleben in der Stadt und einen neuen Typus von Stadtbewohner. Für Nishizawa stellt diese Art eines Wohnraums einen anderen Ansatz dar, Tokios Stadtlandschaft zu imaginieren. Das Haus stellt, basierend auf seiner vitalen inneren Energie, eine neue Beziehung zur Stadt her und begünstigt einen, so Nishizawa, „offeneren Lebensstil“10. Zugleich fungiert ein Wohnhaus, das offen für wechselnde klimatische Bedingungen ist und in einem ständigen visuellen Dialog mit ihrem städtischen Umfeld steht, als wichtiges Werkzeug einer generellen Veränderung: Es bricht die Tendenz japanischer Städte auf, stets besonderen Wert auf den Innenraum zu legen. Eben jene hat zu einem allgemeinen Verlust des Interesses an der Qualität der, öffentlichen wie privaten, Straßen und Außenräume geführt.11

Abb.2.: Innenraum

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Lageplan Gibt es eine Möglichkeit, einen Ort zu 62

e wurde 2005 von uns in einem el von Tokio gebaut, das ansonsgeprägt ist. Da die Gegend d war, bilden die unregelmäßig ein unbestimmtes Muster, das st noch einem geplanten Raster n und Straßen sind keine reinen Teil des Lebensraums der Anwohontext inspirierte die räumliche a House. Dabei haben sich die alterischen Elemente herauskrisder Funktionen auf einzelne Bauein eindeutiges Zentrum 3. Kleinffung einer Umgebung 5. Transschung/Dichte sowie 7. Verzicht von der Umgebung. unktionen — Die Verteilung der e Baukörper ist eines der wichres Projekts. Ursprünglich wollte Häuser – ein Mietshaus und ein errichten. Statt wie üblich zwei tektonische Einheiten zu schafdas Programm auf verschiedene nd die Funktionen in einzelnen nterzubringen. rte dazu, dass der Ort durchläsZusammenhang mit der Umgedie Luftzirkulation verbessert z entstand. Die Architektur bildet heit mehr, sondern nimmt den ers an. Auf diese Weise werden rhalb des Ganzen sichtbar. Die mms sollte auch im äußeren in der Landschaft erlebbar sein.

schaffen, ohne eine Mauer zu errichten, MORIYAMA HOUSE | Ryue Nishizawa eine Linie zu ziehen oder das eigene Gebiet abzustecken? Der Verzicht auf eindeutige Grenzen legt Räume nicht Der Besitzer benutzt vier Einheiten (A-D) fest und regt zu ihrer Aneignung an. A) Wohnhaus des Besitzers A B) Küche des Besitzers C) Seperates Wohnzimmer des Besitzers (zugleich Versammlungsraum für die übrigen Bewohner) B

D) Badezimmer des Besitzers

E

E) aus drei Stockwerken mit Räumen gleicher Größe (3x3m)

C

F) Großes dreistöckiges Haus

G-H) Souterrainhaus, über einen Glasgang mit einem kleinem Badezimmer verbunden I) Großes Haus mit vier Meter hohen Decken J) Kleines eingeschosiges Ein-Raum-Haus

Schnitt

B

C

A

E

D

J

G F I H

Erdgeschoss

0

13.08.12 10:09

Abb.3.: Grundriss Erdgeschoss


MORIYAMA HOUSE | Ryue Nishizawa

63

2) Verzicht auf ein eindeutiges Zentrum — Der Verzicht auf ein eindeutiges Zentrum hat den Vorteil, dass jeder Ort zum Zentrum werden kann. Es entsteht ein polyzentrisches Raumgefüge, in dem die Bewohner sich der Vielfalt des Wohnumfelds bewusst sind und das Gefühl haben, ein Teil derselben zu sein. 3) Kleinteilige Struktur — In Relation zum menschlichen Körper fällt der architektonische Raum in der Regel sehr groß aus. Indem man den Raum verkleinert, passt er sich dem menschlichen Körper an und funktioniert fast wie Kleidung. Dies wird unsere Raumerfahrung verändern. 7) Verzicht auf eindeutige Grenzziehungen — Das Leben lässt sich nicht auf ein einzelnes Grundstück beschränken. Die Menschen lösen lineare Grenzen auf und nutzen die Gassen und Zwischenräume als Lebensräume.

B E

A

F

1. Obergeschoss

Moriyama House final_mc.indd 111

Abb.3.: Grundriss 1. Obergeschoss

Der Besitzer benutzt vier Einheiten ( A) Wohnhaus des Besitzers B) Küche des Besitzers C) Separates Wohnzimmer des Be (zugleich Versammlungsraum für di D) Badezimmer des Besitzers E) Haus aus drei Stockwerken mit Räumen gleicher Größe (3 × 3 F) Großes dreistöckiges Haus G–H) Souterrainhaus, über einen G mit einem kleinen Badezimmer verb I) Großes Haus mit vier Meter hoh J) Kleines eingeschossiges Ein-Rau


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MORIYAMA HOUSE | Ryue Nishizawa

1

Meyer-Grohbrügge, Chermayeff, Jonna, Sam: „Sensus communis-Negotiating Boundaries“, Erschienen in:

Arch+208: Tokio – Die Stadt bewohnen. (Ausgabe 8/2012). Aachen: Arch+ Verlag, 117.

2

Wietzorrek, Ulrike (2014): Wohnen +: Von Schwellen, Übergangsräumen und Transparenzen. Basel: Birkhäuser

Verlag, 12.

3 Ebd., 150.

Obermaier, Dorothee(1980): Möglichkeiten und Restriktionen der Aneignung städtischer Räume. Dortmund.

„Aneigung enthält gegenüber der Benutzung eine produktive und krative Komponente, nämlich

die aktive Anwebdung instrumenteller, kognitiver und emotionaler Fähigkeiten, die zum Begreifen natürlicher

und sozialer Umwelt eingesetzt werden.“

4 Ebd., 150.


MORIYAMA HOUSE | Ryue Nishizawa

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5 Ackroyd, Peter (2000): The Biography London 2000. London. 757.

6 Meyer-Grohbrügge & Chermayeff: Culture of Access. Erschienen in: Arch+208: Tokio – Die Stadt

bewohnen, (Ausgabe 8/2012), Aachen: Arch+ Verlag, 92.

7 Ryue, Nishizawa: Moriyama House. Erschienen in: Arch+208: Tokio – Die Stadt bewohnen.

(Ausgabe 8/2012). Aachen: Arch+ Verlag, 111.

8 Ebd., 111.

9 Ebd., 114.

10 Borasi, Giovanna: Privatheit des Hauses und Dynamik der Straße. Erschienen in: Arch+208: Tokio

– Die Stadt bewohnen. (Ausgabe 8/2012). Aachen: Arch+ Verlag, 143.

11 Ebd., 143.

Abb.1./2.: Schaffung einer Umwelt/ Innenraum: Sumner, Edmund. URL: www.dezeen.com/2017/04/14/edmund-sum ner-decade-old-photographs-ryue-nishizawa-seminal-moriyama-house-photography-architec- ture-residential-japanese-houses/. (Zugriff: 22.01.2018)

Abb.3.: Grundriss Erdgeschoss: Nishizawa, Ryue, : Moriyama House, Erschienen in: Arch+208: Tokio – Die Stadt bewohnen.

(Ausgabe 8/2012). Aachen: Arch+ Verlag, 110.

Abb.:4

Grundriss 1. Obergeschoss:

Ebd., 111.


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ARBEITEN UND WOHNEN


ARBEITEN UND WOHNEN

In der heutigen Zeit kommen neue Arbeitsformen auf, bei denen die Grenze zwischen Leben und Arbeiten nicht mehr klar definiert ist. Der Arbeitsalltag ist nicht mehr nach den typischen Arbeitszeiten von neun bis fünf organisiert, sondern er umfasst oft das gesamte Leben der Arbeiter und ihrer sozialen Beziehungen. Das Verschwimmen zwischen den beiden Bereichen verändert die Strukturen des Tagesablaufes. Dies wirft Fragen auf, inwieweit Wohnen und Arbeiten in Zukunft voneinader getrennt werden müssen und infolgedessen, wie sich der Arbeitsalltag verändern würde wenn Arbeiten und Wohnen zusammengelegt werden und ineinader fließen. Laut dem Büro June 14, die sich 2013 im Rahmen des Wettbewerbs Urban Living „Neue Formen des städtischen Wohnens“ mit der Verschränkung zwischen Arbeiten und Wohnen beschäftigt haben, entstehe eine Kommunikation zwischen Räumen und Menschen. Denn der private Raum würde in den Raum des Arbeitens, also in den öffentlichen Bereich überfließen. Durch immer neue Bekanntschaften und Einblicke in Teile des Alltags anderer Menschen, durch unverfängliche, zwischenmenschliche Begegnungen, könne die Produktivität erhöht werden und eine Vielzahl von Ideen könne entstehen.

„Heutzutage treten die Menschen von ihren Schreibtischen oder ihren Schlafzimmern aus mit

der Welt in Kontakt und gehen auf die Strasse, um alleine zu sein. Öffentliche und private Räume

werden dynamisch benutzt, was Rückzug und was Produktion bedeutet und ich welchen Räumen

sie statt finden sollen, muss neu gedacht werden.“1

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EVERY DAY IS LIKE SUNDAY | Dogma

EVERY DAY IS LIKE SUNDAY Dogma | Gemeinden in Flandern | 2015

„Unternehmen haben noch nicht alle eine Lösung parat, aber sie erkennen, dass ein Arbeitsplatz als Summe einzelner Arbeitsplätze mit Menschen, die sie kaum nutzen, nicht mehr effizient ist; Der Platzbedarf wird im Jahr 2020 auf 0 m2 reduziert.“2 Obwohl die Vorhersage von Erik Weldhoen vielleicht übertrieben ist, lässt sich in der heutigen Zeit ein Rückgang der Büro-Typologie erkennen. Grund hierfür ist die Zunahme atypischer Wohnverhältnisse, die zur Verlagerung der Arbeit vom typischen Büroumfeld zu nomadischen Arbeitsumgebungen führt, wie zum Beispiel Co- Working Spaces oder Home Offices. Dennoch werden immer noch neue Bürogebäude errichtet, obwohl viele der vor zwanzig oder dreißig Jahren fertiggestellten Bauten heute leer stehen und darauf warten abgerissen zu werden. Der Grund hierfür kann als Folge des Aufkommens neuer Arbeitsformen erklärt werden, bei denen die Unterscheidung zwischen Leben und Arbeiten nicht mehr klar definiert werden kann. Die Grenzen zwischen Freizeit und Arbeit, aber auch zwischen Arbeit und Wohnen verschwimmen fortlaufend. Dadurch hat die Bürotypologie an Bedeutung verloren. Dennoch entwickeln sich die Städte weiterhin um eine klare Unterscheidung zwischen Arbeitsplatz und Wohnraum. Dies wird gleichzeitig durch einen Rechtsrahmen gestärkt, der Wohnen und Arbeiten als zwei unterschiedliche Bereiche betrachtet. Das Architekturbüro Dogma aus Brüssel geht von der Beobachtung eines großen Leerstandsproblems in Bürogebäuden in europäischen Städten und insbesondere in Brüssel aus. Die Idee von Dogma zielt darauf ab dieses Problem anzugehen, indem bestehende Bürogebäude in innovative Wohn- und Arbeitsräume umgewandelt werden.


EVERY DAY IS LIKE SUNDAY | Dogma

Abb. 1.: Anwendung der Umnutzungsstrategien „Zelle“, „Rand“ und „Feld“ auf verschiedene Büroparks

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Nicht die Umwandlung von Büros in Wohneinheiten ist das Ziel, sondern Orte zu schaffen, an denen Arbeit und Leben im selben Raum koexistieren können. Hierbei bietet der neutrale offene Raum des Büros die Möglichkeit, sich neue flexible Grundrisse vorzustellen, in denen die traditionelle Struktur der Wohnung in Richtung einer kollektiveren, sozial und wirtschaftlich beabsichtigten Lebensform umdefiniert werden kann. Durch die Förderung der gemeinsamen Nutzung von Einrichtungen kommt es zudem zu Verringerung von überflüssigem Wohnraum. 3 Die Untersuchungen zur Umgestaltung und Neustrukturierung von Büroparks wurden im Rahmen des BWMSTR-LABEL-Programms der flämischen Provinzregierung durchgeführt. Das BWMSTR- Label- Programm fördert innovative und politisch relevante Forschungs- und Designprojekte im Bereich der Architektur. Das Ziel ist es Arbeiten und Wohnen so miteinander zu verbinden, dass es den neue Formen des Zusammenlebens und –arbeitens entspricht und diese fördert. Das Projekt schlägt drei Ideen vor, um durch Um-, Zu- oder Neubau Büroparkanlagen zu verdichten. Unter den Leitwörten „Zelle“, „Rand“ und „Feld“ werden Räume entwickelt, die die Grenze zwischen Lebens- und Arbeitswelt aufheben. Hierbei bildet die Grundlage immer die Funktionsmischung, sodass alle Bewohner/innen die Möglichkeit haben, sich in ihren eigenen privaten Bereich zurückzuziehen. Bei der Strategie „Zelle“ erfolgt die Entkernung des Bestandsgebäudes, um die Gebäudehülle herum werden ein Erschließungsring gelegt sowie Zellen hinzugefügt, die Wohnkojen enthalten. Die „Rand“-Strategie schlägt eine neue Randbebauung mit Wohnungen, die den Büropark räumlich fassen vor. Eine starke Verdichtung der Anlage mittles reihenhausartiger Wohnblöcke sieht die Strategie „Feld“ vor. 4 Im Folgenden wird die Strategie „Zelle“ genauer betrachtet: Im Kern, werden größere Lagerflächen untergebracht, drumherum befinden sich alle Wohn- und Arbeitsräume. Um die bestehende Struktur legt sich schließlich eine neue Erschließungszone. „Auf diese Weise wird der gesamte Grundriss als eine Folge konzentrischer Schichten neu organisiert (im Gegensatz zu einer Gruppierung von Räumen verschiedener Nutzungen.)“3 Die Fläche zwischen den Zellen und dem Kern kann sowohl durch leichte Trennwände unterteilt werden als auch offen für Arbeiten und Wohnen genutzt werden. Raumzellen, die für Alleinstehende entworfen sind, werden als Schlafraum mit großzügigem Badezimmer genutzt. Diese werden zu Türmen gestapelt und außen an die Erschließungsstruktur angeschlossen. Alle Einbauten, wie Schrank, Bett und die Trennwand zwischen Bett und Badezimmer, bestehen aus Sperrholz. Das Bett ist auch als Tisch nutzbar, sodass die Zelle den Bewohner/innen auch als persönlicher Arbeitsplatz dienen kann.5


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Abb.2.: Strategie „Zelle“: Axonometrie eines umstrukturierten und erweiterten Bürogebäudes

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Abb.3.: Arbeitsplätze in der Typologie „Zelle“


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1

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June-14 Meyer-Grohbrügge & Chermayeff: Urban Living Workshop. URL: www.stadtentwicklung.

berlin.de/staedtebau/baukultur/urban_living/download/kma/UL_june14.pdf (Zugriff: 22.01.1018)

2

Vgl. Weldhoen, Erik(2014) Oproep BWMSTR Label 004: Living and Working: How To Live To

gether. URL: www.vlaamsbouwmeester.be/sites/default/files/uploads/Label%20005%20dogma.pdf. (Zugriff 18.01.2018) „Organizations do not all have the solutions ready, but they recognize that

an of ce as a sum of individual workplaces with people hardly using them,

is no longer ef cient; of ce space will be reduced in 2020 to 0 m2.“

3

Dogma: Every Day is like Sunday. Erschienen in der ARCH+ 229: Am Ende: Architektur / 50 Jahre ARCH+: Projekt und Utopie. (Erschienen am 25.07.2017). Aachen: Arch+ Verlag., 152.

4 Ebd., 154.

5 Ebd., 154.

Abb. 1.:

Anwendung der Umnutzungsstrategien Zelle, Rand und Feld auf verschiedene Büroparks:

URL: www.dogma.name/slideshow.html. Zugriff (18.01.2018) Abb.2.: Strategie „Zelle“: Axonometrie eines umstrukturierten und erweiterten Bürogebäudes: Dogma: Every Day is like Sunday. Erschienen in der ARCH+ 229: Am Ende: Architektur / 50 Jahre

ARCH+: Projekt und Utopie. Aachen: Arch+ Verlag., 154.

Abb.3.:

Arbeitsplätze in der Typologie „Zelle“,

Ebd., 155.


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FAZIT


FAZIT

Wenn die Reduzierung der Wohnfläche nicht zu einer Verschlechterung des Wohnkomforts führen soll, also zur Nutzungseinschränkung, muss es zu einem anderen Umgang mit Raum kommen. Trotz der Reduktion des Platzangebots und minimalistischer Ausstattung kann ein Leben ohne Nutzungseinschränkung funktionieren, indem man sich auf neue Möglichkeiten des Zusammenlebens einlässt und den öffentlichen Bereich miteinbezieht. Dabei sollte der Bewohner einem offeneren Lebensstil nicht entgegenstehen und sich auf die Umwelt einlassen. Damit diese Art von Wohnen funktionieren kann, muss die Privatsphäre des anderen auf engstem Raum respektiert werden. Erst durch einen höflichen und distanzierten Umgang der Menschen miteinander wird die Verbindung von privatem und öffentlichem Raum denkbar. Der Übergang von „einer Kultur des Ego-Konsums“ zu einer „Kultur der Zusammenarbeit“ zeigt, dass sich die Werte der Gesellschaft geändert haben. Denn der Überfluss an Eindrücken, Zeichen und Informationen hat zu einer Belastung und dem sich daraus ergebenen Wunsch der Menschen nach Einfachheit geführt. Erst durch die Abwesenheit neuer Reize und Eindrücke seien es materielle Güter oder Menschen, wird der Weg zur Selbstwahrnehmung frei. Nicht mehr das „Besitzen“ steht im Vordergrund, sondern der Wunsch nach zwischenmenschlichen Beziehungen und Erfahrungen. Es müssen daher flexible Grundrisse erschaffen werden, in denen der traditionelle Grundriss der Wohnung in Richtung einer kollektiveren Lebensform umstrukturiert werden kann. Durch die Förderung der gemeinsamen Nutzung von Einrichtungen kommt es zudem zu Verringerung von überflüssigem Wohnraum. Somit müssen immer mehr unterschiedliche Modelle des Zusammenwohnens vorangetrieben werden, bei denen man sich eine bestimmte Infrastruktur teilt. Dies ermöglicht es, den verfügbaren Raum unter beengten Verhältnissen besser zu organisieren. Denn erst durch neue Formen des Zusammenlebens werden die neuen Werte der Gesellschaft befriedigt.

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ORT | Münster - Brachfläche zwischen Wolbecker Straße und Bahnhof


ORT | MÜNSTER

Das gewählte Grundstück liegt zwischen der Wolbecker Straße und dem Hauptbahnhof und somit in unmittelbarer Nähe zur Stadtmitte Münsters. Die zu bebauende Brachfläche befindet sich auf einem bis zum heutigen Stand ungenutzten Bahngelände. Aufgrund der direkten Bahnhofsnähe ist der gewählte Standort sehr gut an den öffentlichen Nah- und Fernverkehr angebunden. Die Grundstücksfläche liegt 4,5 Meter oberhalb des Straßenniveaus auf Höhe der Bahngleise. Sowohl zum Bahnhof, als auch zur Wolbecker Straße ist das Grundstück durch eine Steigung markiert. Um dem Gelände gerecht zu werden bedarf es eines Auf- bzw. Abgangs, welcher durch unterschiedliche Höhenniveaus realisiert wird. Auf Grund der Tatsache, dass sich das Grundstück von der Wolbecker Straße entlang der Gleise bis zum ostseitige Eingang des Bahnhofes erstreckt, bietet es sich als ideale, alternative Durchgangsmöglichkeit an. Die Wohngegend rund um die Wolbecker Straße zeichnet sich durch eine Vielzahl an Gastronomie und Ausgehmöglichkeiten aus. Die direkte Nähe zum Hafen macht das Bahnhofsviertel zu einer attraktiven Wohngegend, für jede Altersklasse. Die Umgebung des Standortes ist durch drei- bis vierstöckige Mehrfamilienhäuser geprägt, die Verkaufsflächen im Erdgeschoss beinhalten.

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VERORTUNG


MaĂ&#x;stab | 1:5000

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STANDORT


MaĂ&#x;stab | 1:1000

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ENTWURF


ENTWURF

Ziel des Entwurfs ist es einen Durchgang zu schaffen, der von der Wolbecker Straße zum Hauptbahnhof in Münster führt. Der Fußgängerweg beginnt im Gebäude mit einer überdachten, öffentlichen Treppe, sodass der außenliegende Durchgang hinter dem Eingangsgebäude auf einem Höhenniveau von 4,5 Meter realisiert werden kann. Das Gebäude an der Wolbecker Straße markiert den Eingang des Fußgängerweges zum Bahnhof. In diesem befindet sich ein Co-Working Space und ein Café. Diese werden durch eine öffentliche Treppe getrennt. Durch die Verkaufsfläche des Eingangsbereichs im Erdgeschoss wird ein öffentlicher Charakter vermittelt. Im Gegensatz dazu stehen die oberen Geschosse. Diese sind durch private Räumlichkeiten gekennzeichnet, die eine Vielzahl ruhiger Arbeitsplätze bieten. Eine Glasfassade, welche zur Wolbecker Straße gerichtet ist, ermöglicht zum einen Einblicke in das Gebäude von außen und zum anderen Ausblicke der Besucher auf die belebte Wolbecker Straße. Der Baukörper passt sich durch eine Terrassenbildung an die Höhe der umliegenden Bebauung an. Das Innere zeichnet sich durch verschiedene Ebenen aus und passt sich somit der gegebenen Steigung des Grundstückes an. Der außenliegende Durchgang hinter dem Eingangsgebäude führt in Richtung Bahnhof und befindet sich auf einem Höhenniveau von 4,5 Meter. Dieser führt an einzelnen Baukörpern vorbei, welche im Erdgeschoss Büroflächen beinhalten. Das erste Obergeschoss bietet Flächen für Wohnraum. Die Baukörper orientieren sich in ihrer Lage an den Verlauf der Schienen, sodass kein geradliniger Weg entsteht. Darüber hinaus sind sie durch Laubgänge und große Fensterfronten in Richtung des Durchganges gekennzeichnet. Diese Ausrichtung sorgt für eine interessante abwechslungsreiche Gestaltung des Durchgangs für die Passanten. Ein weiterer positiver Effekt der gewählten Ausrichtung der Baukörper ist der dadurch gewonnene Schutz vor Lärmbelästigung durch vorbeifahrende Züge und Gleisarbeiten. Nach vier Baukörpern folgt zur Abstufung auf 0,0 Meter des Höhenniveaus eine Treppe. Der Weg führt an einem weiteren Baukörper entlang zum Bahnhof.

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HAUPTBAHNHOF MÜNSTER

SCHNITT | Grundstück


Maßstab | 1:500

WOHN- UND BÜROFLÄCHE

CO-WORKING SPACE UND CAFÈ

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WOLBECKER STRAßE


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STANDORT UND UMGEBUNG


Bahnhofsumfeld Münster

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UMGEBUNGSANALYSE

Schaffung eines neuen Durchgangs von der Wolbecker StraĂ&#x;e zum Bahnhof

Anordnung der Bauvolumen entlag der Bahngleise


Maßstab | 1:5000

Abstand zwischen den Bauvolumen erlauben Sichtbezüge zum städtebaulichen Kontext

Parallelität zu der Wolbecker Straße

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PERSPEKTIVE | Wolbecker Straße


StraĂ&#x;ensicht

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ISOMETRIE | Aufbau

privat

Dritte Ebene | 8,5 Meter

Zweite Ebene | 4,5 Meter, Hรถhe der Bahngleise

Erste Ebene | 1,8 Meter

รถffentlich GSEducationalVersion

Erdgeschoss Hรถhe Wolbecker Straร e


ISOMETRIEN | Konzept

Durchgang zum Bahnhof durch öffentliche Treppe

Räumliche Trennung von Co-Working Space und Cafè

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ISOMETRIEN | Raumkonzept

Erdgeschoss

Erste Ebene

Öffentlicher Bereich: Verkaufsfläche

Cafè und Co- Working Space, Technik, Lager, WC


ISOMETRIEN | Raumkonzept

Zweite Ebene

Dritte Ebene

Verbindung der Bereiche Co-Working Space und Cafè

Co Working Space: Persönlicher Bereich

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Maßstab | 1:200

GRUNDRISS | Erdgeschoss

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GRUNDRISS | Erste Ebene

Maßstab | 1:200


Maßstab | 1:200

GRUNDRISS | Zweite Ebene

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GRUNDRISS | DRITTE EBENE

Maßstab | 1:200


Maßstab | 1:200

AUFSICHT

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ANSICHT WOLBECKER STRAßE | Co- Working Space und Café


MaĂ&#x;stab | 1:100

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on

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SCHNITT A | Co- Working Space


MaĂ&#x;stab | 1:100

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SCHNITT B | Café und Co- Working Space

Maßstab | 1:100


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INNENPERSPEKTIVE | Zweite Ebene Co- Working Space


Co- Working Space

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GRUNDRISS ERDGESCHOSS | Bürofläche


MaĂ&#x;stab | 1:100

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GRUNDRISS ERSTES OBERGESCHOSS | Wohnmodule


MaĂ&#x;stab | 1:100

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ANSICHT | Wohn- und Bürofläche


MaĂ&#x;stab | 1:100

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AUßENPERSPEKTIVE | Wohn- und Bürofläche


Durchgang Wolbecker StraĂ&#x;e | Bahnhof

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SCHNITT C | Wohn- und Bürofläche


MaĂ&#x;stab | 1:100

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WOHNMODUL


WOHNMODUL

Um den Platz der ca. 20 Quadratmeter großen Wohneinheiten bestmöglich auszunutzen, beinhalten diese jeweils Wohnmodule, in denen Badezimmer, Teeküche und Schlafbereich integriert sind. Die auf das Wesentliche reduzierten und aus Sperrholz bestehenden Wohnmodule sind für alleinstehende Personen entworfen. Je nach Bedarf können die einzelnen Wohneinheiten, welche nur durch eine Schiebetür voneinander getrennt sind, miteinander und somit von mehreren Personen genutzt werden. Die Möglichkeit den Wohnraum durch Schiebetüren zu erweitern oder zu trennen, schafft eine Flexibilität des Raumes und ermöglicht eine Anpassung an die individuellen Bedürfnisse der Bewohner. Jeweils fünf Wohneinheiten teilen sich einen Gemeinschaftsraum, der mit einer Küchenzeile und einem Wohn- und Essbereich ausgestattet ist und Platz für gemeinsame Abende bietet. Der reduzierte persönliche Raum kann erweitert werden, indem öffentliche Flächen mit anderen Bewohnern geteilt werden. Durch Laubgänge, die zur Fußgängerzone gerichtet sind erreichen die Bewohner ihre privaten Wohneinheiten. Dabei ist die integrierte Teeküche des Wohnmoduls zum Laubengang gerichtet, sodass die Möglichkeit entsteht, das private Leben mit anderen zu teilen und die Interaktion der Bewohner untereinander zu fördern. Zwei Wohnkomplexe, die jeweils aus fünf Wohneinheiten bestehen, teilen sich eine gemeinsame Außentreppe. Der Abstand zwischen den jeweiligen Baukörpern schafft Platz für einen gemeinsamen Außenbereich und bildet gleichzeitig den Bezug zum städtebaulichen Kontext, dem Bahnhof.

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GRUNDRISS | Wohnmodul

Maßstab | 1:50


ISOMETRIE | Wohnmodul

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PERSPEKTIVE | Wohnmodul


PERSPEKTIVE | Wohnmodul

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LITERATUR

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Der Modulor: Der Modulor, Skizze/ Bewegungsabläufe: Osterhoff, Johannes (2005): Der Modulor. Le Corbusier. URL: www.johannes-p-osterhoff.com/wp-portfolio/ wp-content/uploads/2005/08/Modulor.pdf. (Zugriff 19.01.2018)

Le Cabanon:

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Primitive Zukunft: Primitive Future House, Sou Fujimoto Architects | Beitrag zur 12. Architekturbiennale, Venedig, 2010: Erschienen in: ARCH+208: Tokio-Die Stadt bewohnen. Aachen: Arch+ Verlag. (Ausgabe 8/2012)

Network by walk Wettbewerbsbeitrag „House of the Future“: Grafik: Marim Gegidze und Giulia Maniscalco, ARCH+ auf Grundlage einer Zeichnung von Sou Fujimoto Architects Fujimoto, Sou: Tokio- Apartments. Erschienen in: ARCH+208: Tokio-Die Stadt bewohnen. Aachen: Arch+Verlag. (Ausgabe 8/2012).


LITERATUR | Abbildungen

Außenräume laden zur Entdeckung und Aneignung ein/ Schnitte, M.1:200: Hildner, Claudia (2014): Future Living, Gemeinschaftliches Wohnen in Japan. Basel: Birkhäuser Verlag. Auf dem Weg zum Haus über dem Haus: Kunsmann, Jeanette (2013): Lernen von Japan: Schlichtheit in Fernost. URL: www.//jtkn.wordpress.com/ tag/sou-fujimoto/. (Zugriff: 22.01.2018) Weiße Stahltreppen kennzeichnen den Bau außen wie innen. Baan, Iwan. URL: www.todayandtomorrow.net/2010/09/23/tokyo-apartment-by-sou-fujimoto/. (Zugriff 22.01.2018) Moriyama House:

Schaffung einer Umwelt/ Innenraum: Sumner, Edmund: URL: www.dezeen.com/2017/04/14/edmund-sumner-decade-old-photographs-ryue-nishizawa-seminal-moriyama-house-photography-architecture-residential-japanese-houses/.(Zugriff: 22.01.2018)

Grundriss Erdgeschoss/ 1. Obergeschoss: Nishizawa, Ryue : Moriyama House. Erschienen in: Arch+208: Tokio – Die Stadt bewohnen. (Ausgabe 8/2012, 110)

Every day is like Sunday: Anwendung der Umnutzungsstrategien Zelle, Rand und Feld auf verschiedene Büroparks: URL: www.dogma.name/slideshow.html. Zugriff (18.01.2018) Strategie „Zelle“: Axonometrie eines umstrukturierten erweiterten Bürogebäudes/ Arbeitsplätze in der Typologie „Zelle“: Dogma: Every Day is like Sunday. Erschienen in der ARCH+ 229: Am Ende: Architektur / 50 Jahre ARCH+: Projekt und Utopie.

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