Pfingstgeflüster - das Wave Gotik Treffen 2018

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Wave-Gotik-Treffen 2016


Im Folgenden ein kleiner Auszug aus dem Pfingstgeflüster 2018. Erscheinungstermin: 21.07.2018 Format: DIN A4 Umfang: 92 Seiten Preis: 8,90 Euro ISBN: 978-3-943412-83-3 www.shop.t-arts.de


Pfingstgeflüster

Keine Verhandlungssache von Dr. Wonka

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Lukas – Die launische Liebesbrieftaube Teil VIII: Gruftis von Christian von Aster

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Der Tag der Toten von Corinna Seifert

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Inspiration von Jawa Seth

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Inhaltsverzeichnis

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Eine turbulente Zeit von Monica Richards

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Das Vergängliche macht ein fröhliches Gesicht von Guldhan

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Nostalgietrip von Thomas Manegold

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Grünes Refugium von Marcus Rietzsch

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Bruchstücke einer Szene von Ines Kranert und Robert Forst

50 Von Monstern und Menschen von Pia Stöger und Dr. Constance Timm 54 Musik ist mein Leben von Anatoly Pakhalenko 56 Treffenimpressionen von Claudia Schmid, Daniela Vorndran, Michael Küper und Marcus Rietzsch 71

Die trauernde Schwelle der Nacht von Marcus Rietzsch

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A little help from my friends von Lydia Benecke

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Herzragout von David Gray

Avatar 80 von Carsten Klatte Von der Mythenmalerei von Guldhan

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Leipzig, 18. Mai 2018 – ein Reisebericht von Jae Matthews

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Wave-Gotik-Treffen 2018


Pfingstgeflüster

Monica Richards

Eine turbulente Zeit von Monica Richards www.monicarichards.com

Foto: Daniela Vorndran

Zwischen 1994 und 2011 hat mich meine Musik regelmäßig alle paar Jahre nach Deutschland geführt. Doch mein letzter WGT-Besuch liegt nun schon sieben Jahre zurück, mein letztes Konzert gar acht. Es fühlt sich seltsam an, so lange nicht in diesem Land (und beim WGT) gewesen zu sein. Dementsprechend groß war meine Aufregung, abermals Teil des Wave-Gotik-Treffens sein zu können. Diesmal sogar mit zwei komplett unterschiedlichen Auftritten, was die Vorbereitungen nicht leichtmachte. Mir schwirrten derweil etwa 30 Lieder im Kopf herum. Mein erster WGT-Auftritt fand mit „Faith & The Muse“ 1998 in der Agrahalle statt, als die Bühne sich noch an einem Ende befand. Damals hatte ich keine Vorstellung 4

von der Größe dieser Veranstaltung. Es war die Blütezeit der Goth-Szene. Wir spielten mit Gitane Demone, In the Nursery, Clan of Xymox… An jenem Abend mußten wir mit allen möglichen Problemen kämpfen. So kam beispielsweise das Equipment von Gitane und uns nie an, weswegen wir uns die benötigten Dinge zusammenborgen mußten. Ich erinnere mich noch gut, wie Gitane in der Mitte des Konzerts der Strom abgedreht wurde und sie trotzig ohne Mikrophon zirka zehn Minuten weitersang, während der Bühnenmanager versuchte, sie von der Bühne zu jagen. Schließlich gingen wir nach draußen und legten einen großen Auftritt hin. Die Masse der Gesichter erschien endlos und ging durch die Hintertüren der gegenüberliegenden HallenWave-Gotik-Treffen 2018


Pfingstgeflüster

Absurd Art

Ausstellungsbeitrag: Das Vergängliche macht ein fröhliches Gesicht von Guldhan Bilder von Franziska Strodl www.facebook.de/absurdart

Bilder: Franziska Strodl

„Aber ich will doch nicht unter verrückte Leute gehen“, bemerkte Alice. „Oh, das kannst du nicht vermeiden“, sprach die Katze, „wir alle hier sind verrückt. Ich bin verrückt. Du bist verrückt.“ Doch wer ist schon normal und wer verrückt? Und wenn, warum dann nicht auch ein wenig wahnsinnig. Denn wenn schon alle dem Wahnsinn verfallen, so sollte man sich ruhig mit fallenlassen. Fällt man dann doch immerhin weich. Und die Werke von Absurd Art erscheinen verrückt. Mitnichten wahnsinnig, dafür wirken die Tuschekonturen zu charmant sowie schlichtweg zu gutgelaunt. So 7

daß diese den Eindruck provozieren, als nehmen sie die Kulisse, in der sie sich darstellen, nicht wirklich ernst. Aber sollte Kunst ihr Umfeld wirklich ernst nehmen? Nein; warum auch? Es genügt, wenn die Kunst sich ernst nimmt. Losgelöst ihrer inhaltlichen Ernsthaftigkeit. Sonst verliert sie ihre Substanz. Und damit den Fokus, der sie daran erinnert, nur sich selbst zu dienen. Es ist die Gradwanderung, die das Geschick des Künstlers ausmacht. Denn andererseits stumpft Kunst ab, welche sich zu ernst nimmt. Geht innerhalb von Berechnung und Professionalität unter. Gleich dem farblosen Tropfen innerhalb des Flusses. Der durch das Denken und Fühlen fließt. Und zu jenem Bewußtsein Wave-Gotik-Treffen 2018


Pfingstgeflüster

Der Alte Johannisfriedhof

Grünes Refugium von Marcus Rietzsch

Foto: Marcus Rietzsch

„Noch lagen die Todten und Halbtodten auf dem Gottesacker, von den vorhergehenden Tag umher, und man konte kaum einige Schritte gehen, ohne nicht auf einen Todten oder verwundeten Menschen zu stoßen, und so lagen Gesunde, Verwundete und Todte, alles untereinander, und fast jeder Schwibbogen war davon angefüllet. Sterbend krochen die Menschen auf Händen und Füße zu einem Ruhepunkt, wo sie ihren Geist aufgeben suchen; Halbtodt wurden sie von den Rußen Nackend ausgezogen, und musten in Schlamm und Näße bei der kalten Jahreszeit, ohne alle Hülfe umkommen. Schrecklicher aber wurde es noch, da die Gefangenen mehrere Tage eingesperrt und weder zu Eßen noch zu 14

trinken bekamen, wobei diesen nichts zu ihrer Erholung übrig blieb, als die Wärme, welche sie sich durch das Feuer, welches sie von dem Holze, des Gottesackers, sich verschafften, und sich, so gut es möglich, halten. Wie die Schatten schlichen sie langsam und entkräftet umher, andere brüllten für Verzweiflung und Hunger, manche setzten sich auf die Grabhügel, rupften das darauf noch grüne Graß davon und aßen dieses für Hunger und Durst. Zwei todte Pferde, die auf dem Gottesacker lagen, wurden nach und nach von ihnen verzehret, so auch mehrere Hunde und Katzen verzehrten sie, mit dem größten Appetit, auch konnten sie nicht mal hinlänglich Waßer bekommen, und an Brot war zu dieser Zeit gar nicht zu denken.“ Wave-Gotik-Treffen 2018


Pfingstgeflüster

Die Besucher

Foto: Marcus Rietzsch

Bruchstücke einer Szene von Ines Kranert und Robert Forst www.spontis.de

Foto: Michael Küper

Fotos: Michael Küper

Canan (links oben) James und Imogen (links unten) Beatrice und Frederik (rechts) Marlene (nächste Seite, links) Axana (nächste Seite, rechts oben) Mia und Freunde (nächste Seite, rechts unten)

Fotografen Michael Küper | www.ganz-in-schwarz.de Marcus Rietzsch | www.mr-bilderwelten.de 18

Pfingstfreitag. Während sich dunkle Wolken über den Himmel schieben und ein kühles Lüftchen durch das satte Grün der Wiesen und Bäume streicht, bewegt sich eine endlose Kolone schwarzer und nicht ganz so schwarzer Gestalten durch den Clara-Zetkin-Park. Auf der zentralen Wiese um den Musikpavillon findet sich kaum ein freies Fleckchen Wiese mehr. Damen in aufwendigen barocken Roben unterschiedlichster Farbkompositionen sitzen neben Männern in Frack an eigens für diesen Anlaß in den Park transportierten Teetischen. Neben ihnen fachsimpelt eine Gruppe braun-weiß-gewandeter Steampunks über die neusten Errungenschaften handgearbeiteter Dampftechnik und den besten Antriebsmotor für ausfahrbare Lederflügel. Wave-Gotik-Treffen 2018


Pfingstgeflüster

Otherness & Dimensions

Ausstellungsbeitrag: Der Tag der Toten von Corinna Seifert www.artofthe13th.wordpress.com

Bild: Carlos Xi

Zero sum game von Carlos Xi Format: 44 x 33 cm Technik: Kohle / Papier

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Im Rahmen des Wave-Gotik-Treffens öffnete die Universität Leipzig der Schwarzen Szene die Tore. Vom 14. bis 24. Mai wurde das Neue Augusteum zum Podium der vielfältigen ästhetischen Kultur Mexikos, das Foyer zur Ausstellungsfläche, Vorlesungen zu Künstlergesprächen, kunsthistorische Seminare und der Unialltag in schwarz gewandet. In Ergänzung zu „Otherness“, so das Thema der Ausstellung, wurden die Promenaden des Leipziger Hauptbahnhofs unter dem Titel „Dimensions“ zu einem weiteren Begegnungspunkt unterschiedlicher „schwarzer“ Auffassungen und zu einem Treffen der Kulturen.

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Pfingstgeflüster

Merciful Nuns

Inspiration von Jawa Seth www.mercifulnuns.com Einleitung von Marcus Rietzsch

Dichter Trockeneisnebel, aus dem langsam die dunklen Silhouetten der drei Musiker erscheinen, wabert über die Bühne, ehe ein Klang- und Lichtgewitter losbricht. Über Bildschirme flackern mystische Symbole. Durch große Bühnenpräsenz und eine eindringliche Stimme zieht Sänger Artaud Seth – flankiert von Bassistin Jawa Seth und Gitarrist Jon Tmoh – die Anwesenden in einen dunklen Strudel. Musik und visuelle Elemente erschaffen eine überwältigende, beinahe bedrohliche Atmosphäre. So oder so ähnlich läßt sich ein Konzert der Merciful Nuns beschreiben. Doch woher kommt die Inspiration für diese Darbietung? 48

Inspiration: lateinisch inspiratio „Beseelung“, „Einhauchen“, aus in „hinein“ und spirare „hauchen“, „atmen“; vgl. spiritus „Atem“, „Seele“, „Geist“ Inspiration steht für eine Idee, einen Gedanken, ein Denkinhalt, eine Erinnerung, Erleuchtung, Eingebung oder auch Vorstellungsvermögen. Aus der schlichten Sicht eines Musikers sind Töne, Klänge, Sounds die Trägerboten dieser Inspiration. Für mich ist es schwer vorstellbar, Ideen ausschließlich in geschlossenen (Studio-) Räumen zu kreieren, zumindest wenn es um den ersten Ansatz geht, den jeder Beginn eines Albums benötigt. Wann immer es möglich ist, bereisen Artaud und ich diesen Planeten. Das Wave-Gotik-Treffen 2018


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Der Mythos Frankenstein

Vortragsbeitrag: Von Monstern und Menschen von Pia Stöger und Dr. Constance Timm

Bilder: Theodor von Holst (1831), Richard Rothwell (1840)

Drei Dinge mußten geschehen, damit der „Frankenstein” 1816 geschrieben werden konnte: Der Ausbruch des Vulkans Tambora in Indonesien, Napoleons Niederlage bei Waterloo und die Veröffentlichung eines Buches von Theodor Apel (1811-1867) mit Geistergeschichten in Leipzig. Mit diesen Worten eröffnet Prof. Dr. Elmar Schenkel, Schriftsteller und Dozent der Anglistik der Alma Mater Lipsiensis und Mitglied im „Arbeitskreis für Vergleichende Mythologie e. V.”, den Vortrag „Der Mythos Frankenstein – Von Monstern und Menschen“, der am Wave-Gotik-Freitag 2018 im Haus des Buches stattfindet. Mary Shelleys Roman „Frankenstein oder Der moderne Prometheus” – Schauergeschichte, Utopie, Wissenschaftsroman, Science50

Fiction, Ikone des Horrors, internationaler Bestseller – feiert in diesem Jahr sein 200-jähriges Ersterscheinungsjubiläum. Grund genug in einer Zeit der Technisierung, Globalisierung, künstlichen Intelligenz und Genmanipulationen, um nur einige der Themenfelder des 21. Jahrhunderts zu benennen, einen näheren Blick in eben jenes populäre Werk zu wagen, das den Konflikt um Wissen und Gewissen, Schöpfung und Verantwortung quasi vorausgedacht hat. Dabei gestalten vor allem zwei gegensätzliche Aspekte den Verlauf der Geschichte: das „Menschliche” und das „Monströse”. Im Jahr 1816, wegen des schlechten Wetters als „das Jahr ohne Sommer” bekannt, weilt die damals 18-jähWave-Gotik-Treffen 2018


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Treffenimpressionen

Fotografen Claudia Schmid | www.pro-artig.de Daniela Vorndran | www.black-cat-net.de Michael Küper | www.ganz-in-schwarz.de Marcus Rietzsch | www.mr-bilderwelten.de

Foto: Daniela Vorndran

Zeromancer 19-05, Agra

Foto: Claudia Schmid

Dool 20-05, Felsenkeller 56

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Pfingstgeflüster

Wortkunst

Lesungsbeitrag: Herzragout von David Gray www.facebook.com/david.gray.autor

Bild: Joseph Highmore (ca. 1730)

Frühjahr 1797. Seit Wochen hielt ein Mörder Paris in Schach, dessen Untaten so grausam und widersinnig waren, daß die Stadt bald in einen Zustand permanenter Angst verfiel. Am Ende ihrer konventionellen Weisheiten angelangt, hatten sich die Polizeiinspektoren Jean-Marie Beaume, Louis Marais und der Polizeipräfekt Henri zu dem unerhörten Schritt entschlossen sich an Sade um Hilfe zu wenden. Zwar hatte man es nicht offen auszusprechen gewagt, doch Sade hatte aus Marais Miene lesen können, welcher Gedanke die drei dabei leitete: Es brauchte schon ein Ungeheuer, um ein Ungeheuer fassen zu können. Marais, Henri und Beaume waren so verzweifelt, daß sie 71

Sade selbst das Blaue vom Himmel versprochen hätten, solange der ihnen nur einen Ausweg aus ihrer Ratlosigkeit aufzuzeigen vermochte. Ihr Angebot fiel verlockend aus. Sie versicherten Sade, daß sie dafür sorgen konnten, daß sein neuestes Theaterstück an der Comédie-Française aufgeführt werden würde. Das Stück war gemessen an Sades übrigen Schriften zwar betont konventionell, aber es auf die Bühne zu bringen hätte ihn als seriösen Autor etabliert. Sade hatte den Versprechen der Polizisten geglaubt und versicherte er würde ihnen helfen. Das waren die Fakten, soweit man sie kannte: Man hatte im Abstand von wenigen Wochen an weit Wave-Gotik-Treffen 2018


Pfingstgeflüster

Bathoriya

Ausstellungsbeitrag: Die trauernde Schwelle der Nacht von Marcus Rietzsch Bilder von Eugenia Bychkova www.bathoriya.eu

Bild: Eugenia Bychkova

Auf den ersten flüchtigen Blick bilden Eugenia Bychkovas Werke, die während der Pfingsttage auf der Empore des Treffen-Cafés zu bewundern waren, dunkel-romantische Grazien ab. Damen in opulenter viktorianischer Gewandung teils bestehend aus Mühlsteinkragen und ausladenden Röcken. Doch nach eingehender Betrachtung entfachen die kühlen, zurückhaltenden Schönheiten eine geheimnisvolle Stimmung abseits oberflächlicher Düsternis und offenbaren eine tiefgründige Schwermut. Denn Details lassen den musternden Betrachter stutzen. Tierischen Krallen gleich enden die Finger zarter Hände in langen, äußerst spitzen Nägeln. An anderer 74

Stelle starren weiße, leere Augenpaare den Beobachter furchteinflößend an. Gesichter suchen hinter hautdünnen Schleiern Schutz oder verschmelzen in einer Art Metamorphose mit dem unwirklichen Hintergrund. Eine Darstellung zeigt die „Hüterin der Geheimnisse“, die einen kleinen Sarg an ihre Brust preßt. Welches erschreckende Mysterium mag sich darin wohl verbergen? Das Bild einer halb liegenden Frau, in deren geöffnetem Brustkorb sich eine Schlange in Form eines Unendlichkeitszeichens zusammengerollt hat und deren rechter Arm in wurzelähnliche Tentakel übergeht, stimmt gleichermaßen nachdenklich. Manche Bildelemente wirken fotorealistisch, andere Wave-Gotik-Treffen 2018


www.pfingstgefluester.de


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