Arch2025 DE

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Architektur mit Faserzement

Bauen im Bestand hat viele Facetten. Es reicht vom kaum merklichen Eingriff bis hin zur tiefgreifenden Überformung. Aber stets ist es eine anspruchsvolle und zugleich architektonisch bereichernde Bauaufgabe.

2 DOMINO Können wir in der Stadt mit Wildtieren zusammenleben? Stadtökologin Annette Voigt antwortet.

4 FLASHBACK

Zelthaus von Justus Dahinden.

6 ÜBER DIE DIALEKTIK DES BEWAHRENS

Ein Plädoyer der Architekturpublizistin Gabriele Kaiser zur Bauwende und die Empfehlung, sich mit dem architektonischen und theoretischen Werk von Hermann Czech auseinanderzusetzen.

12 WOHNEN STATT ARBEITEN MEIER HUG ARCHITEKTEN An der Römerstrasse in Baden haben die Architekten vier Bürobauten zu Wohnhäusern umgebaut.

24 WOHNSIEDLUNG IN IMMENSEE LÜSCHER BUCHER THEILER ARCHITEKTEN

28 KUNSTHAUS BASELLAND BUCHNER BRÜNDLER ARCHITEKTEN

30 SIEDLUNG LINDENDORF IN OSTERMUNDIGEN W2H ARCHITEKTEN

34 RUDOLF STEINER-SCHULE WIEN DIETRICH UNTERTRIFALLER, ANDI BREUSS

36 WOHNHAUS IN KANALSKI LOM OFIS ARCHITECTS

38 KNOW-HOW Solarmodule in Farbe

40 DESIGN

Dauerausstellung im Wien Museum

42 AM START NONA Architektinnen aus Dornbirn

Umbauen

Auf den ersten Blick unspektakulär mögen die Wohnbauten in Baden erscheinen. Aus vier gleichförmigen Bürobauten ist eine Wohnanlage geworden. Dort, wo früher die Autos der Büroangestellten parkten, befinden sich nun Grünflächen. Ein schnurgerader, ebenerdiger Weg führt unter den Bauten hindurch, vorbei an Eingängen und grünen Höfen, und verbindet alle Bauten zu einem Wohnensemble. Dass die Gebäude früher eine andere Funktion hatten, wird dabei nicht versteckt, sondern zu einer neuen Qualität: Die filigranen Rippendecken in den Wohnungen wurden freigelegt und bringen einen Industriecharme mit sich, den man in einem Neubau nicht finden würde.

Umbau statt Neubau ist keine Frage des Vielleichts, des Entweder-Oders, sondern eine Vorgabe unserer Zeit. Im Hinblick auf den Klimawandel und die Tatsache, dass die Bauindustrie mehr als ein Drittel der CO2-Emissionen verantwortet, ist eine Bauwende dringend erforderlich. Diese kann nur gelingen, wenn der Gebäudebestand weitestgehend erhalten bleibt, erneuert und weiterentwickelt wird, um so dem Teufelskreis aus Abriss und Neubau zu entkommen.

Die österreichische Architekturpublizistin Gabriele Kaiser schreibt im Essay, dass es bei der Bauwende auch zunehmend um die Transformation von Bauwerken und Arealen gehen muss, die keinen hohen baukulturellen Status haben. Ein schönes Beispiel hierfür ist die neue Kunsthalle Baselland, eine ehemalige Lagerhalle, die von den Schweizer Architekten Buchner Bründler zu einer Ausstellungshalle umgebaut wurde. Weithin sichtbares Zeichen der Erneuerung sind drei Lichttürme, die das mit gewelltem Faserzement gedeckte Dach durchdringen.

In diesem Heft stellen wir Ihnen Umbauten, Erweiterungen und Aufstockungen vor, die zeigen, wie vielfältig Bauen im Bestand sein kann und welche Gestaltungsmöglichkeiten der Werkstoff Faserzement dafür bietet, ob als Bekleidung energetisch ertüchtigter Fassaden, neuer Aufstockungen oder Gebäudeerweiterungen.

Bauen im Bestand hat viele Facetten, vom kaum merklichen Eingriff bis hin zur tiefgreifenden Überformung. Es ist ein Gebot der Stunde und zugleich eine architektonische Bereicherung.

Viel Spass mit dieser Ausgabe wünscht Ihnen

Anne Isopp

KÖNNEN WIR

Der deutsche Förster und Naturfotograf Klaus Echle beobachtete und fotografierte diese Tiere in Freiburg. Wir alle, die in Städten wie Berlin, Wien und Zürich wohnen, begegnen immer wieder Wildtieren. Wer mag, kann seine Beobachtungen bei der länderübergreifenden Plattform Stadtwildtiere melden: stadtwildtiere.at stadtwildtiere.ch stadtwildtiere.de

DOMINO – Wir stellen einer Persönlichkeit aus Architektur und Design eine Frage, die unsere Gesellschaft bewegt. Die Landschafts­ und Stadtökologin Annette Voigt antwortet uns auf die Frage:

IN DER STADT MIT WILDTIEREN ZUSAMMENLEBEN?

Geht man mit offenen Augen und Ohren durch die Stadt, entdeckt man viele freilebende Tiere. Nachts durchstreifen Füchse ihre Reviere auf der Suche nach Futter, Steinmarder klettern unter warme Motorhauben frisch abgestellter Autos. Auf Friedhöfen finden Rehe und Feldhamster Nahrung und Schutz. Silberfischchen, Schaben und Spinnen nutzen unsere Wohnungen. Hunderte von Wildbienenarten profitieren von den mikroklimatischen Bedingungen und der hohen Vielfalt an Blütenpflanzen und Nistplätzen in naturnahen Gärten, auf Brachflächen und begrünten Dächern.

Die Stadtökologie hat gezeigt, dass die als naturfern geltenden, von und für Menschen geschaffenen Stadtstrukturen zahlreiche Lebensräume für Tiere bieten. Viele der tierlichen Stadtbewohner sind Neubürger, die wie Fuchs und Amsel aus dem Umland oder wie Waschbär und Nilgans von weit her durch Handel und Verkehr in städtische Räume kamen. Die meisten sind in ihren Umweltansprüchen und ihrem Verhalten flexibel. Sie nutzen das vielfältige Nahrungsangebot und haben sich angepasst, indem sie etwa Stadtbereiche, die tagsüber stark von Menschen frequentiert sind, erst nachts aufsuchen. Spezialisten wie beispielsweise der Waldkauz oder der Juchtenkäfer brauchen alte Bäume, die sie eher auf Friedhöfen in der Stadt als im Wirtschaftswald finden.

Tiere leben in der Stadt durchaus gefährlich. Oft werden Interessenkonflikte zwischen Menschen und Tieren durch Tötung gelöst: Tauben im Bahnhof und Insekten in der Wohnung gelten als «fehl am Platz», sie sind «zu viele» oder «Schädlinge». Vor allem aber ignorieren diejenigen, die Städte planen und bauen, Tiere weitgehend: An gläsernen und spiegelnden Fassaden sterben in Deutschland geschätzt 100 Millionen Vögel jährlich. Verkehrsinfrastrukturen behindern Wanderungen, Partner- und Futtersuche. Gebäudesanierung und energetische Optimierung vernichten Habitate für Gebäudebrüter wie Fledermäuse, Spatzen oder Mauersegler. Das Leitbild «Innenentwicklung vor Aussenentwicklung» führt zu baulicher Nachverdichtung, oft auf Kosten von innerstädtischen Grün- und Brachflächen. Die intensivere Nutzung der verbleibenden Freiflächen schränkt so Lebensraum in der Stadt ein.

Städte als Orte der Cohabitation, des Zusammenlebens von Mensch und Tier zu denken, setzt voraus, dass wir Tiere als Stadtbewohner in ihrer Wirkmächtigkeit verstehen und respektieren lernen. Jedoch ist es durchaus herausfordernd, unsere Interessen zurückzunehmen, unsere Erwartungen an Ordnung und Ästhetik zu erweitern und etwa im Stadtpark wiesenzerwühlende Wildschweine oder baumfällende Biber zu tolerieren. Wir müssen auch Konfliktlösungen entwickeln, die nicht auf der Tötung der Tiere, sondern zum Beispiel auf der Veränderung unseres Verhaltens basieren. Gäben wir weniger Lebensmittel in den Abfall, wären die Bestandshöhen davon profitierender Arten wie der Ratte niedriger. Zudem müssen wir das Potenzial baulicher Entwicklungen nutzen und die Bedürfnisse von Tieren wie die von Menschen bereits in der Konzept- und Entwurfsphase integrieren. Geschützte Arten auf Bauland könnten wir so von Anfang an in die Planung miteinbeziehen, statt sie vor Baubeginn umzusiedeln. Tödliche Nebenwirkungen unseres Bauens können wir vermeiden, etwa indem wir Glasflächen so gestalten, dass Vögel sie wahrnehmen, oder Beleuchtung so planen, dass sie für nachtaktive Tiere weder zur Barriere noch zur tödlichen Falle wird. Gebäudehüllen werden durch Nisthilfen, geeignetes Material und Dach- sowie Fassadenbegrünung zu Habitaten. Mit dieser Integration fördern wir nicht nur Biodiversität in der Stadt, sondern auch die Möglichkeit für Menschen, Tiere im Stadtraum zu erleben.

Annette Voigt arbeitet an der Universität Kassel im Fachgebiet Freiraumplanung zum Thema Tiere in der Stadt. Sie hat Landschaftsplanung studiert, im Bereich Ökologie promoviert, geforscht und gelehrt. Seit 2024 arbeitet sie im Projekt «PerspekTIERwechsel» daran, das Thema der freilebenden Tiere in der Stadt in die Lehre in Architektur, Stadtplanung und Landschaftsarchitektur zu integrieren.

FLASHBACK – Das Zelthaus auf der Rigi, dem berühmtesten Aussichtsberg der Schweiz, war Justus Dahindens erster Bau. Es sorgte bei einem breiten Publikum für Aufsehen und fand auch in Fachkreisen Anerkennung. Bis heute überzeugt es mit seiner Eleganz und seiner raffinierten Funktionalität.

EIN HAUS ÜBER DEN WOLKEN

Das Haus steht in freier Landschaft auf dem Rücken des berühmtesten Aussichtsbergs der Schweiz, auf gut 1400 Metern über Meer, unweit einer Eisenbrücke der ehemaligen Rigi-Kaltbad-Scheidegg-Bahn. Der Ausblick über den Vierwaldstättersee in Richtung Hochalpen ist überwältigend, die Lage sonnig und nicht allzu exponiert. Justus Dahinden war mit dem Ort bestens vertraut. Seine Grossmutter war Hotelière und massgeblich am Aufbau des Wintertourismus auf der Rigi beteiligt. Sein Vater war ein schweizweit bedeutender Ski-Pionier und Betreiber des nahe gelegenen Dossen-Skilifts. Er bewohnte das Haus im Winter permanent, während

es der Architektenfamilie als Ferienhaus diente.

Für die ungewöhnliche Form wurden zunächst pragmatische Gründe angeführt. Der Verzicht auf Wände habe eine extrem einfache, rasche und kostengünstige Bauweise ermöglicht, das Loslösen vom Grund halte Feuchtigkeit und Ungeziefer fern, während im Winter der abrutschende Schnee eine isolierende Kammer unter dem Haus bilde. Es ist aber offensichtlich, dass die archaische Grundform an sich von Bedeutung ist. Sie erinnert an ein Zelt und genauso an eine Pyramide. Damit kombiniert sie den Archetypus des beschützenden Dachs mit jenem des

kristallinen Körpers. Überdies entsteht eine Beziehung zur Silhouette der Berge und damit eine Verbindung zwischen Mensch- und Naturwerk. Die Starrheit der Pyramide wird durch ihre Ungleichseitigkeit belebt, ihre Ernsthaftigkeit durch leuchtende Farben gebrochen: Die Eingangswand strahlt gelb, der untere Dachrand signalrot. Das Dreieck als Grundform wird Dahinden ein Leben lang beschäftigen sowie zahlreiche Bauten und Entwürfe in unterschiedlichem Massstab prägen.

Der Zugang zum Haus erfolgt axial von Süden her. Auf der grosszügigen Terrasse liegt der Eingang dann aber seitlich, schon halbwegs in der Dachschräge. Er führt in einen winzigen Windfang, der enge, verwinkelte Räume anzukünden scheint. Umso grösser ist dann die Überraschung, wenn man den Hauptraum betritt. Streng orthogonal, mit quadratischer Grundform, hoher flacher Decke und raumbreitem Fenster lässt er die äussere Form fast vergessen. Unter dem Panoramafenster steht ein massiver Tisch, umgeben von schweren Stühlen mit hohen Lehnen. Diesem gegenüber gab es eine freistehende Wand aus Edelholz, eine Art profanen Altar, bekrönt von einem goldenen Barockengel und gerahmt von roten Vorhängen. Westwärts öffnet sich ein Alkoven auf ein weiteres Panoramafenster. Dass dieser eine Lukarne ist, deutet sich in den seitlichen Futterbrettern an, die das Aufspreizen des Dachs artikulieren. Raumprägend wird die Dachform aber erst in den Nebenkammern, die den Hauptraum umgeben und einen Klimapuffer bilden. Hier befinden sich Bad und Küche, ein Vorratsraum sowie die Schlafnischen, in die sich die Feriengäste verkriechen können. Das Dachgeschoss ist in den Plänen als Massenlager bezeichnet. Man erreicht es über eine verborgene Leiter, und erst dort erlebt man die Pyramide als Innenraum.

«Die kristalline Form der Pyramide wiederholt sich in der Silhouette der kulissenartig gestaffelten Bergwelt.» Justus Dahinden

Nach einem Besitzerwechsel wurde das Zelthaus neuen Bedürfnissen angepasst. Das betrifft insbesondere Küche und Bad mit den ursprünglichen Abdeckungen aus Faserzement. Die Struktur des Baus und viele Details, etwa die sich nach aussen öffnenden Fenster sowie der Esstisch und die Stühle, blieben aber zum Glück erhalten, ebenso die prägende Dacheindeckung aus Faserzementschindeln. Der heutige Besitzer ist nun daran, den ursprünglichen Zustand möglichst wieder herzustellen. Das betrifft nicht zuletzt die kräftigen Farbakzente. Verloren bleiben die Edelholzwand und der goldene Engel. Neu gibt es einen Holzofen, um den man sich versammelt. Auch dies ist eine schöne Mitte des Hauses.

Martin Tschanz

Literaturhinweise:

ac 3, Internationale Asbestzement ­ Revue, Juli 1956, S. 28–30. Das Werk 1956, Heft 7, S. 218–219. Justus Dahinden, Architektur, Stuttgart 1987.

Die Dialektik des Bewahrens führt zu einer neuen Ästhetik

Mit dem Vorhandenen zu arbeiten, war immer schon ein konzeptionell anspruchsvoller Zugang zum Bauen – auch als die Sorge um versiegelte Böden und endliche Ressourcen noch nicht im heutigen Ausmass virulent war. Dieser Essay ist ein Plädoyer der Architekturpublizistin Gabriele Kaiser zur Bauwende und zugleich eine Empfehlung, sich mit dem architektonischen und theoretischen Werk von Hermann Czech auseinanderzusetzen.

Ehemalige Spinnerei auf dem Bühler-Areal, Winterthur

Der Umbau der alten Spinnerei in Winterthur-Sennhof ist ein gutes Beispiel für den ressourcenbewussten Umgang mit dem Bestand. Die Winterthurer Architekten RWPA wandelten das ehemalige Fabrikgebäude und das Ballenlager in eine moderne Arbeits- und Produktionsstätte um. Wo möglich erhielten sie die Bausubstanz und verwendeten Bauelemente an Ort und Stelle weiter. Das galt auch für die Fassade: Ein Grossteil der Faserzementplatten (Well- und Flachplatten sowie Canaleta-Elemente) wurden weiterverwendet und dienten den Architekten als Gestaltungsreferenzen für die zahlreichen Sanierungsbereiche. Um neue Öffnungen analog zum ursprünglichen Detail gestalten zu können, produzierte Swisspearl die dafür benötigten Eckformen.

Nordostfassade 1:1000

Südwestfassade

Heute ist das Weiterbauen am Bestand als Alternative zur ressourcenverschleissenden Praxis von Abriss und Neubau zum wichtigsten Planungsparadigma geworden. Mit gebotener Dringlichkeit werden «Abrissmoratorien» und mit Initiativen von Berufsverbänden ein radikales Umdenken eingemahnt, gerade weil die wirtschaftlichen, rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen nach wie vor die Kultur der Tabula rasa gegenüber dem Reparieren und Weiterverwenden des Bestands begünstigen.

An dieser Hegemonie des Neubaus war die (westliche) Architekturgeschichtsschreibung im 20 Jahrhundert nicht unbeteiligt. Eifrig hatte sie den solitären architektonischen «Wurf» heroisiert und einer Baukultur, die mit technologischen und formalen Neuheiten punktet, den Weg bereitet. Die immer rascher aufeinanderfolgenden Zyklen von Abriss und Neubau im Zuge der Industrialisierung hatte die Verschleissriten der Konsumgesellschaft zur Norm erhoben; dem Abwechslungsreichtum, der Informationsdichte und der Wandelbarkeit gewachsener Strukturen wurden – abseits historischer Zentren und geschützter Baudenkmale – keine Zukunftschance gegeben.

haltigkeit nicht zu nutzen, stelle eine Verarmung der Baukultur dar.

Während in den Gegenthesen zu den sorglosen Abrissund Neubau-Praktiken vor allem die Relevanz des Bestands als Kulturgut und Wissensspeicher betont wurde, rücken gegenwärtig ökologische Faktoren (Stichwort «graue Energie») stärker in den Vordergrund. Angesichts der Bau-, Verkehrs- und Energiewende wird es zunehmend um die Transformation von obsoleten Bauwerken oder Arealen gehen, die keinen hohen baukulturellen Status beanspruchen. Zahlreiche aktuelle Realisierungen zeigen im städtebaulichen Massstab, aber auch in der Transformation einzelner Objekte, welch überzeugende Antworten die gestiegene Aufmerksamkeit für die materielle Zusammensetzung und kulturelle «Informationsdichte» eines Bestands hervorbringt.

«Ein Umbau ist interessanter als ein Neubau – weil im Grunde alles Umbau ist.»

Dabei war in allen Epochen davor die (radikale) Transformation des Bestands der Normalfall des Bauens. Der österreichische Architekt Hermann Czech, der sich bereits seit den 1970er-Jahren mit dem architekturtheoretischen Begriff des Umbaus beschäftigt, verweist in diesem Zusammenhang auf die «Basilica Palladiana» in Vicenza, bei der Palladio einen gotischen Kernbau mit einer zweigeschossigen Loggienschicht ummantelte. Durch das Einverleiben des Bestands ist ein architektonisches Werk ersten Ranges entstanden, das allen heute geltenden Massstäben des nachhaltigen Bauens standhält. Gegen das Pathos und die Effizienz des Neubaus als Verbrauchsgut konnten sich in der Moderne die kritischen Stimmen nicht durchsetzen, doch verstummt sind sie nie. Als sich zu Beginn der 1970er-Jahre die «Grenzen des Wachstums» in der Bauwirtschaft krisenhaft abzeichneten, hat der Wiener Architekt Wolfgang Mistelbauer ebenfalls an den Wert vorhandener Strukturen erinnert und darauf hingewiesen, dass Bestandsgebäude «Zeitmaschinen» sind, in denen bestimmte Probleme historischer Epochen dauerhaft eingeschrieben sind, «nicht alle zwar, aber doch manche, eben diejenigen, welche Spuren hinterlassen haben, oder für wert befunden worden sind, solche zu hinterlassen». Diese Reich-

Hermann Czech, 1973

Der 2023 fertiggestellte Umbau der Fabrik im BühlerAreal in Winterthur des Architekturbüros RWPA ist ein grossmassstäbliches Beispiel für den integrativen Umgang mit dem Bestand. Die Gebäudehülle der Fabrikhallen aus den 1980er-Jahren wurde für diverse Nutzungen geöffnet und energetisch saniert, wobei ihr spezifischer Charakter mit analogen Elementen pointiert und ergänzt wurde. Projekte wie dieses zeigen, dass die Aufgeschlossenheit gegenüber dem Normalen und dem Alltäglichen zu den Voraussetzungen heutiger Umbaupraxis zählt. Denn die umfassende Bauwende wird nur gelingen, wenn wir dazu bereit sind, uns auch mit durchschnittlichem und schwachem Bestand auseinanderzusetzen. Selbst jene Gebäude, die begründet als «Bausünden» eingestuft werden, können noch als Ressourcenund Materiallager dienen.

Für Hermann Czech ist die Bauwende (bzw. Umbauwende) mit ihrem ökologischen Gebot des Weiterverwendens und Wiederverwertens von Bauten oder Bauteilen dennoch «kein Opfer und keine Notlösung, sondern – nach wie vor – eine architektonische Bereicherung». Denn gerade weil die investitionsgetriebenen Transformationen von obsoleten Industriearealen und Gebäuden mit einem erstarkten Ressourcenbewusstsein gepaart sind, bieten sie die Chance, charakteristische Elemente des Bestands sowohl in materieller wie auch kultureller Hinsicht in ein neues Ganzes zu integrieren. Da die Bauwende in einen weitreichenden gesellschaftlichen Wandel gebettet ist, werden sich in der Dialektik des Bewahrens und des Veränderns auch die Ästhetik und die Massstäbe des Bewertens verändern.

Gabriele Kaiser

In den 1970er-Jahren begann Architekt Hermann Czech über «Umbau» als architektonischen Begriff zu schreiben. Für dieses Heft haben wir ihn um eine Auswahl von Zitaten gebeten. Sie repräsentieren nicht eine Haltung oder Methode zum Umbau, sondern einen pluralistischen, offenen Zugang.

1977

«Neuverwendung und Umbau sind eine Umdeutung des Bestandes und machen uns daher aufgeschlossen für Mehrdeutigkeit und Mehrfachsinn. Raum und Bauwerk entstehen aus vielfachen und oft widersprüchlichen Gedankengängen; deren wahrnehmbares Netzwerk bildet die ästhetische «Informationsdichte». Die historische Mehrschichtigkeit ist das Muster für andere: die räumliche Mehrdeutigkeit etwa, die Überlagerung verschiedener zusammentreffender Raumgedanken; oder die Mehrdeutigkeit von Farben, die einerseits eine abstrakte Rolle im Farbkreis und anderseits eine konkrete Rolle bei bestimmten Assoziationen spielen.»

(Mehrschichtigkeit, in: Bauen+Wohnen, Zürich/Stuttgart, 4/1977, S. 117–119.)

1988

«Worauf kommt es beim Umbau an? Ich könnte sagen: Es kommt darauf an, den bestehenden Bau zu respektieren. Aber viel wichtiger ist das Verständnis, dass jede Entwurfstätigkeit Umbau ist. Man hat es immer mit einem Beziehungsfeld von vorgegebenen Bedingungen zu tun. Ausserdem wissen die wenigsten Architekten, dass auch ihre eigene Tätigkeit mit dem Fortschreiten jeden Entwurfs immer mehr den Charakter eines Umbaus annimmt. Denn jede einzelne Entscheidung, einmal gefasst, bindet die späteren Entscheidungen, weil es einen Aufwand bedeutet, sie wieder rückgängig zu machen. Dieses Verständnis für den Entwurfsvorgang wird beim Umbau besonders klar, weil da eben bereits eine Reihe von Entscheidungen vorgegeben ist.»

(Architektur und Kaffeehaus, in: space design, Tokyo, Nr. 11/1988)

Kleines Café in Wien: Als 1977 ein Teil des Bodens erneuert werden musste, griff Hermann Czech die Idee des Künstlers Karl Prantl auf. Dieser hatte vorgeschlagen, den Stephansplatz mit Platten aus ausrangierten Grabsteinen von Wiener Friedhöfen zu pflastern. Czech verlegte die Grabsteine, ohne ihre Form wesentlich zu verändern, wobei eine schmale, gezackte Mitte entstand, die zu zahlreichen Assoziationen anregt.

1985

«Der Umbau ist ein architekturtheoretisch wichtiges Thema; vielleicht das zentrale überhaupt – weil im Grunde alles Umbau ist. Dabei stellt sich die Frage der Annäherung an das Vorhandene. Wird dem Vorhandenen ein Neues, Anderes entgegengesetzt, oder handelt es sich um eine Fortsetzung des Vorhandenen mit anderen (oder gar gleichen) Mitteln? Es scheint, dass der Umbau beides enthalten muss und dass die Fortsetzung des Vorhandenen in der Bildung einer neuen Einheit auf höherer Ebene besteht. In jedem Umbau gibt es Erfordernisse, die es nahelegen, gegen den Bestand zu operieren, ihn zu konterkarieren – gleichwohl oder gerade dann können der Bestand oder seine wesentlichen Gedanken spürbar bleiben. Andererseits mag es oft naheliegen, Eingriffe unmerklich in den Bestand einzubetten, die Unterschiede und Chronologien zu verschleiern. Auch in dieser Verhüllung kann der Bestand deutlich hervortreten.»

(Wohnbau und Althaus, in: Wiener Wohnbau Wirklichkeiten (Ausstellungskatalog); Wien (Compress) 1985, S. 52–55.)

2024

1985/1990

«Die alte Grossstadt ist ein Werk verschiedener Massstäbe. Zunächst ist sie das Netz der Verkehrserschliessung, durch die die Bebauung (zum Beispiel in Baublöcken) strukturiert wird. Sodann ist sie eine Addition von Baustrukturen (zum Beispiel Häusern). Technisch und rechtlich davon unterschieden besteht meist ein dritter baulicher Massstab: der der individuellen Nutzung, also der des Geschäfts, des Cafés, der Wohnung, der Werkstatt.

Jeder dieser Massstäbe ist die Ausformung, Spezifizierung des nächstgrösseren. Ordnung entsteht durch die Entscheidungen in den grösseren, Vielfalt durch die Entscheidungen in den kleineren Massstäben. Zu den verschiedenen Massstäben gehören verschiedene Zeithorizonte. Die Entscheidungen in den jeweils grösseren Massstäben sind längerfristig als die in den kleineren. Nicht nur die Stadtentwicklung, sondern das städtische Leben selbst ist also nicht ohne den Umbau möglich.»

(Elemente der Stadtvorstellung, in: Hannes Swoboda (Hg.): Wien –Identität und Stadtgestalt; Wien-Köln-Graz (Böhlau) 1990, S. 205–218.)

Planungsbesprechung für den österreichischen Beitrag zur Architekturbiennale in Venedig 2023: Hermann Czech (im Bild links) und das Architekturkollektiv Akt wollten den Pavillon temporär umbauen, indem sie eine Öffnung in die Mauer des Biennale- Geländes schneiden.

«Die unnötige Beseitigung von Baubestand brachte schon immer eine Verarmung der Wahrnehmung und des Erlebnisses mit sich. Nunmehr ist zu dieser kulturellen Gefährdung die physische getreten – also ist die zum Klimaschutz dringliche Weiterverwendung von Bauten und Bauteilen kein Opfer und keine Notlösung, sondern – nach wie vor – eine architektonische Bereicherung.

Dass der Umbau nicht etwas Minderes ist, sondern als Ergebnis ein vollgültiges Werk sein kann, hat Adolf Loos in die Moderne eingeführt; aber wir finden es schon bei Palladio und in früherer Geschichte. Jetzt haben wir einen weiteren Grund, Vorhandenes einzubeziehen und diese zusätzliche Ebene der Information, der Rezeption zu sichern. Sogar wenn es von damals gesehen inferior war, kann es zumindest charakteristisch sein.»

Hermann Czech zählt zu den renommiertesten Architekten Österreichs und ist eine profunde Stimme im aktuellen Diskurs. Erste architektonische Arbeiten entstanden ab 1960, und erste architekturkritische Texte schrieb er 1963 bis 1967 für Die Furche 2024 erhielt Hermann Czech den Grossen Österreichischen Staatspreis.

Literaturhinweis:

Hermann Czech, Architekt in Wien, Park Books, Zürich 2024

Die hier abgedruckten Zitate findet man auch in: Zur Abwechslung. Ausgewählte Schriften zur Architektur; Wien (Löcker & Wögenstein) 1978, S. 75–78, erweiterte Neuausgabe: Wien (Löcker) 1996, S. 76–79.

In Baden haben die Architekten Michael Meier und Marius Hug vier Bürobauten zu Wohnhäusern umgebaut. Charakteristisch für die Erscheinung der hoch über dem Ufer der Limmat liegenden und von Weitem sichtbaren Bauten sind die hellen, mit Faserzement bekleideten Bandfassaden.

Text: Werner Huber, Bilder: Niklaus Spoerri

Die vier Büropavillons, die hoch über der Limmat thronen, wurden zu Wohnhäusern.

Beim Umbau blieb die Tragstruktur erhalten und die schweren Stahlbetonstützen, auf denen die Bürobauten früher über einem offenen Erdgeschoss schwebten, wanderten dabei in den Innenraum.

Umbau statt Abbruch, Re-Use, zirkuläres Bauen: Der sorgsame Umgang mit Ressourcen ist ein Gebot der Zeit. An der Römerstrasse in Baden zeigen Michael Meier und Marius Hug Architekten, wie das geht. Beim Umbau von vier Büropavillons aus den frühen 1960er-Jahren zu Wohnhäusern blieb die Tragstruktur erhalten und wurde den neuen Bedürfnissen angepasst. Nun bestimmen das Betonskelett, die feingliedrigen Fassadenstützen und vielerorts auch die filigranen Rippendecken den Charakter der Wohnungen.

Ursprünglich standen die vier parallelen, weitgehend identischen Bauten auf Stützen über einem offenen Erdgeschoss. Dies nicht, um den Prinzipien von Le Corbusier zu folgen, sondern um möglichst viel Fläche für einen grossen Parkplatz freizuhalten. Weitere Abstellplätze gab es in einer einbündigen Parkgarage im Untergeschoss. An die strassenseitige Stirnfassade war an jedes Haus ein Treppenhaus angedockt. Weisse Betonbrüstungen und Fensterbänder prägten die Längsfassaden, die limmatseitigen Stirnfronten waren geschlossen.

«Sotoportego» als Rückgrat

Zu Beginn der Planung liess die Bauherrschaft die Optionen Umbau oder Ersatzneubau ausloten. Weil der gegen die Limmat abfallende Hang bewaldet ist, hätte ein Neubau wegen des gesetzlichen Waldabstands mindestens 18 Meter von der Hangkante zurückweichen müssen. Dies hätte wohl zu einem riegelartigen Gebäude geführt und die dem Stadtplanungsamt wichtige Durchlässigkeit in Nord-Süd-Richtung zerstört. Also blieb die Struktur der Altbauten bestehen. Der Umbau hat die Erscheinung der Häuser stark verändert, ihr altes Leben als Bürohaus ist ihnen nur auf den zweiten Blick anzusehen. Die Architekten brachen die Treppenhäuser ab und erweiterten die Geschosse, um zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Auf die bestehenden drei Obergeschosse setzten sie jeweils ein viertes, von der Strasse zurückgesetztes Stockwerk, und auch das zuvor offene Erdgeschoss wird jetzt teilweise zum Wohnen genutzt.

Als neue Erschliessung stanzten Meier Hug durch jedes Gebäude zwei neue Betonkerne mit Treppe und Lift. Dazwischen führten sie quer unter allen Pavillons hindurch einen Weg, der an den beiden Enden an die Strasse angeschlossen ist. «Sotoportego» nennen die Architekten dieses Element in Anlehnung an die Verbindungen, die in Venedig unter den Häusern hindurch Plätze und Gassen miteinander vernetzen. Bei den Wohnhäusern in Baden ist dieser Weg das Rück-

grat, das die vier Einzelbauten zu einem Ensemble zusammenbindet. Zwischen den Häusern weitet sich der Weg rechts und links zu hofartigen Grünräumen. Dabei war das Landschaftsarchitekturbüro Müller Illien auf einer Gratwanderung zwischen dem halböffentlichen Zugang und der Privatsphäre vor den Wohnungen, die gut gelungen ist. Jedes Treppenhaus erschliesst pro Geschoss zwei bis drei Wohnungen. Im mittleren Bereich sind sie nach Osten und Westen ausgerichtet, an den Gebäudeköpfen entweder dreiseitig mit Blick in den Grünraum über der Limmat oder über Eck gegen die Stadt. Überhohe Bereiche sollen in den erdgeschossigen Wohnungen für die etwas ungünstigere Lage entschädigen.

Schürzenartig ausgeklappt

Bei der neuen Fassade liessen Michael Meier und Marius Hug die charakteristische horizontale Schichtung bestehen, doch überformten sie den Ausdruck des Bürohauses. Bei den Fensterbändern sorgt das enge Raster der Fassadenstützen für einen kleinteiligen Rhythmus. Im Kontrast dazu stehen die umlaufenden Brüstungen. Um die Kraft der Horizontalen zu verstärken, sind die Brüstungsbänder der Längsseiten zweimal schürzenartig ausgeklappt, und ein «Gegenknick» markiert den Dachrand. Als Material wählten Meier Hug grossformatige Faserzementplatten. Dank der unsichtbaren Befestigung werden sie quasi entmaterialisiert und veredelt. Die Präzision des Zuschnitts und der Montage sowie die hohe Formstabiltät kann das Material voll ausspielen. Vor den hellgrauen Brüstungsbändern und den natureloxierten Fensterrahmen sorgen dunkelrote Markisen für eine zusätzliche Belebung. Das Motiv der ausgestellten Storen hatte die Architekten auch zu den ausgeklappten Brüstungen inspiriert.

Ein Areal mit bewegter Geschichte Mit dem Erhalt des Rohbaus haben Bauherrschaft und Architekten einen Weg beschritten, der heute als vorbildlich gilt. Das war aber hier nicht immer so. An der Stelle der Büropavillons der BBC stand zuvor die Villa von Charles Eugene Lancelot Brown, einem der Mitgründer der Brown Boveri & Cie. Er liess sich 1898 von den Architekten Robert Curjel und dem aus Baden stammenden Karl Moser auf dem langen Grundstück die Römerburg errichten. Im Gegensatz zur benachbarten, bis heute bestehenden Villa Langmatt von Browns Bruder Sidney war sie seit den 1920er-Jahren nicht mehr im Besitz der Familie. So kümmerte es Ende der 1950er-Jahre nur wenige, dass dies eines der

Hauptwerke von Curjel & Moser war. Die Bedürfnisse des Industriekonzerns gingen vor. Das Prinzip des Re-Use gab es indes schon damals: «Aus Abbruch Römerburg, Baden, zu verkaufen: wundervolle Vorhalle, künstl. geschnitzt in Eichenholz, mattiert, wuchtig, für Hotels, Villa etc.» So bot Transportunternehmer Umbricht aus Ennetturgi 1957 in der NZZ Teile aus der Römerburg zum Verkauf an.

Heute wäre ein Abbruch der Villa undenkbar. Immerhin schufen Michael Meier und Marius Hug fast siebzig Jahre später ein Ensemble, das die Römerburg zwar nicht ersetzt, dessen Qualitäten daraus aber doch einen würdigen Nachfolger machen.

Beim Umbau der Bürobauten blieb das Betonskelett erhalten. Mit seinen feingliedrigen Fassadenstützen und den Rippendecken bestimmt es den Charakter der Wohnungen.

Vertikalschnitt 1:30

1 Faserzementplatte 8 mm

2 Unterkonstruktion, Agraffensystem Sigma 8

3 Hinterlüftung, Aluminiumblech im Raster

4 Fassadenbahn

5 Wärmedämmung, Glaswolle

6 Beton (Bestand)

7 Storen ­ Nische (Bestand)

8 Fallarmstoren

9 Insektengitter

10 Kies, halbrund

11 Abdichtung, bituminös

12 Wärmedämmung, alukaschierte Hartschaumplatte

13 Stahlbeton

14 Rippendecke, Stahlbeton (Bestand)

15 Stahlbeton, auf Bestand, im Verbund

1 Swisspearl® LARGO Platte 8 mm (R-Color)

2 Unterkonstruktion, Agra ensystem Sigma 8

3 Hinterlüftung, Aluminium-Blech im Raster

4 Fassadenbahn

5 Wärmedämmung, Glaswolle

6 Beton (Bestand)

7 Storen-Nische (Bestand)

8 Fallarmstoren

9 Insektengitter

10 Kies, halbrund

11 Abdichtung, bituminös

12 Wärmedämmung, alukaschierte Hartschaumplatte

13 Stahlbeton

14 Rippendecke, Stahlbeton (Bestand)

15 Stahlbeton, auf Bestand, im Verbund

Wohnbauten Römerstrasse

Standort: Römerstrasse 36A–36H, Baden/CH

Bauherrschaft: SGI – Schweizerische Gesellschaft für Immobilien AG, Zürich/CH

Architektur: Michael Meier Marius Hug Architekten, Zürich

Fertigstellung: 2023

Fassadenbau: Aepli Metallbau AG, Gossau/CH

Fassadenplanung: Dr. Lüchinger + Meyer Bauingenieure AG, Zürich

Fassadenmaterial: Swisspearl Carat, Elfenbein 7090 HR (Brüstungen), 7090 R-Color auf grauer Grundplatte (ausgeklappte Dächli), Befestigung unsichtbar (Sigma 8).

Baden_Roemerstr.

Verikalschnitt

Scale: 1:30

Regelgeschoss

Baden_Roemerstrasse 1 cm

Scale: 1:800

Baden_Roemerstrasse 1 cm

Scale: 1:800

Erdgeschoss 1:800

«Faserzement hat scharfe Kanten und etwas Papierenes. Das suchten wir.»

Für ARCH sprach Werner Huber mit den Architekten Michael Meier und Marius Hug.

Ihr habt 2001 euer gemeinsames Büro gegründet. Wie arbeitet ihr zusammen?

Hat jeder seine Projekte oder seid ihr gemeinsam unterwegs?

Marius Hug: Am Anfang eines Projekts, bei Wettbewerben, sind wir zu gleichen Teilen in ein Projekt involviert. Wenn es dann gut anläuft, macht es keinen Sinn mehr, dass wir es zu zweit betreuen. So ist dann jeder von uns einem Projekt zugeordnet. Interessanterweise diskutieren wir die Aufteilung gar nicht, sondern sie ergibt sich.

Auf welchem Weg akquiriert ihr?

Michael Meier: Fast alle Aufträge sind das Ergebnis von Wettbewerben oder Studienaufträgen. Direktaufträge haben wir nur einzelne, kleinere. Dass wir von Investoren angefragt werden, gibt es praktisch nicht. Das finden wir aber nicht schlimm. Denn wenn wir mit einem Wettbewerbsprojekt gewinnen, sind viele Fragen schon gelöst, und wir haben die gestalterische Hoheit.

Ich habe den Eindruck, dass es beim Einsatz der Materialien zwei unterschiedliche Strategien gibt. Bei den einen Bauten scheint ihr strengen Regeln zu folgen, bei anderen scheint mir der Umgang spielerischer. Ist das so?

Marius Hug: Ich würde diese Unterteilung nicht machen. Bei der Wohnanlage Bellariarain in Zürich gibt es Niveauunterschiede, es ist komplex und wirkt deshalb vielleicht verspielter. Natürlich suchen wir nach der grösstmöglichen Stringenz, vom Städtebau über die Grundstruktur bis zur Konstruktion. Wir haben auch den Anspruch einer gewissen Zeitlosigkeit.

Michael Meier: Beim Bleicherweg oder an der Zollstrasse war der Raster durch das bestehende Gebäude vorgegeben. Das mögen wir schon auch. Raster, Struktur, Regelmässigkeit mit ein paar Spezialitäten – das finden wir gut.

Arbeitet ihr mit Referenzen?

Marius Hug: Manchmal machen unsere Mitarbeitenden Sprüche: Jetzt kommen sie wieder mit Egon Eiermann oder mit Sepp Ruf. Nicht, dass die Referenzen im Vordergrund stehen, aber sie schwingen im Hintergrund mit.

Michael Meier: Man könnte auch Werner Stücheli nennen. Viele dieser Beispiele haben etwas Stimmiges, Vielschichtiges, Filigranes.

Charakteristisch am Projekt Römerstrasse ist die Fassade mit den ausgeknickten Brüstungsbändern aus Faserzementplatten. Habt ihr auch an andere Materialien gedacht?

Marius Hug: Es war ein langer Planungsprozess. Uns beschäftigte die Frage, wie man mit einer strengen Industriearchitektur umgeht, ohne den Loftgedanken in den Vordergrund zu stellen. Das Ricola-Gebäude in Laufen hat auch etwas Feingliedriges, mit Bewegung drin. Ich sage nicht, das war das Vorbild, aber irgendwo dort haben wir gesucht.

Michael Meier: Viele Materialien waren nicht im Spiel. Eines davon war Blech, doch das muss man abkanten. Faserzement hingegen hat scharfe Kanten und etwas Papierenes. Das suchten wir. Beim Sonnenschutz fragten wir uns: Zeigen wir den oder nicht? Uns schien die Fassade immer etwas platt. Dann machten wir dieses Tutu, eine Art Röckchen. Diese kleine Massnahme unterstützt das papierene Leichte, und das Thema Sonnenschutz rückte in den Hintergrund.

Ihr habt bereits mehrere Bauten aus den 1960 er­ und 1970 er­Jahren umgebaut. War die Römerstrasse das erste Bürohaus, das dabei zum Wohnhaus wurde?

Michael Meier: Das Hochhaus in Baden, auf der anderen Seite der Bahn, war als Bürogebäude geplant. Daraus mussten wir ein Wohnhaus machen. Aber es war ja noch nicht gebaut.

Marius Hug: Grundsätzlich eignen sich Bürostrukturen mit ihrem Stützenraster und der Befensterung oft gut für eine Umnutzung. Wir projektieren auch vermehrt Wohnungsbauten mit Stützenstrukturen. Der Plan libre gibt auch eine langfristige Flexibilität.

den sie später gemeinsam in ein Wohnhaus umplanten.

Was bringt die Zukunft für eure Zusammenarbeit, euer Büro?

Michael Meier: Arbeiten wir bis 70 oder bis wir umfallen? Das ist ein komplizierter Prozess, den wir jetzt in Angriff nehmen wollen.

Marius Hug: Wir haben das Verständnis eines persönlich geführten Büros. Die Bauherrschaften freuen sich, mit einem von uns am Tisch zu sitzen. Auch für uns ist das bereichernd. Bei unserer Grösse können wir das Büro nicht einfach an einem Stichtag zumachen. Verkaufen wird auch schwierig sein. Aber auf jeden Fall sehen wir die Verantwortung, eine gute Lösung zu finden.

Geschäftshaus Bleicherweg in Zürich: Umbau eines 1970er-Jahre-Gebäudes in eine offene, moderne Bürolandschaft.

Siedlung Stöckacker Süd, Bern: In Zusammenarbeit mit Armon Semadeni Architekten. Siehe ARCH 2018-2

Hochhaus in Baden: Zusammen mit pool Architekten planten Meier Hug Architekten einen Bürobau,

Lüscher Bucher Theiler Architekten

Wohnen am Kreuzgang

Viele Klöster, gerade in der Zentralschweiz, stehen vor der Frage, wie sie fortbestehen respektive wie sie transformiert werden können. Das Missionshaus in Immensee ist beispielhaft für eine gelungene Weiterentwicklung. In mehreren Bauetappen wird die Klosteranlage um mehrgeschossige Wohnbauten erweitert.

Text: Dieter Geissbühler, Fotos: Daniela Burkart

Etappe 1: 51 Wohnungen (Fertigstellung 2021)

Etappe 2: 51 Wohnungen (Fertigstellung 2026)

Etappe 3: 51 Wohnungen

Etappe 4: 31 Wohnungen

Erweiterung Bethlehemhof, Immensee Die Zentralschweiz weist eine äusserst beachtliche Klosterlandschaft auf, mit unterschiedlichsten Ausprägungen: von geschlossenen Anlagen, die der gängigen Vorstellung eines Klosterbaus entsprechen, wie dem Kloster Einsiedeln oder dem Kloster Engelberg, bis zu scheinbar normalen Wohnüberbauungen wie etwa dem in brutalistischer Manier gebauten Haus Berg Sion in Horw. Sind auch der Bestand in Engelberg und Einsiedeln noch nicht gefährdet, so steht eine Vielzahl der Klöster, gerade in der Zentralschweiz, vor der Frage, wie sie fortbestehen sollen respektive ob sie transformiert werden müssten.

Viele Klöster dürften sich weiterhin für das Wohnen eignen, doch erweist sich die Suche nach einem geeigneten Wohnmodell oft als schwierig. Dies wohl darum, weil die Qualität des Zusammenlebens –nicht nur der eigenen Gemeinschaft – für

die meisten involvierten Ordensgemeinschaften ein Kernthema ist. Einige aktuelle klösterliche Transformationsprozesse sind gerade deshalb von grossem Interesse, etwa der Neubau von Boltshauser Architekten für das Pflegeheim St. Josef in Ingenbohl, der Wohnbau von Marques Architekten für das Kloster Wesemlin in Luzern oder das Projekt «Im Bethlehem» von Lüscher Bucher Theiler Architekten in Immensee.

Prägend war bei Letzterem der Wille der Ordensgemeinschaft, ihren Glaubensalltag weiterzuführen und sich gleichzeitig gegenüber der «normalen» Welt zu öffnen. So galt es, nicht nur ein äusserst breites Angebot an Wohnungen zu planen, sondern auch den Prozess zu entwickeln, um die entsprechenden Interessenten zu suchen und auszuwählen. Gefordert war ein Mix, der alle Generationen und auch ein breites Segment unterschiedlicher Einkommen abbilden und zugleich das

Wohnangebot der Bruderschaft miteinbeziehen kann.

So wurde der Planungsprozess in Immensee als intensiver Findungsprozess der Gemeinschaft und folgerichtig über vier Ausbauetappen angelegt. Das Postulat einer zeitgemässen Wohnform ist Teil einer ergebnisoffenen Herangehensweise, die mit fast schon wissenschaftlicher Akribie umgesetzt wird.

Die geplante Erweiterung versucht, der Offenheit einer klösterlichen Gemeinschaft in ihrer Grunddisposition Rechnung zu tragen. Ausgehend von einem Teil der denkmalgeschützten Anlage, die Otto Glaus zwischen 1957 und 1959 erstellte, wird ein Ensemble aus vier- bis fünfgeschossigen Bauten um die historische Klosteranlage gruppiert. So wird der aus dem Bestand herausgeschälte, kreuzgangähnliche «Bethlehemhof» zum gemeinschaftsprägenden Freiraum und zum Sinnbild des geforderten nachbarschaftlichen Zusammenlebens. Damit folgt die Anlage dem fast schon emblematischen Vorbild des Mutterhauses, dem Kloster Baldegg, wo Marcel Breuer das Wohnen in einem offenen Kloster zelebriert hat. Auch in Immensee lässt die relativ strenge, aber gut disponierte geometrische Ordnung einen grossen Nutzungsspielraum zu. In diesem Sinne entspricht schon die erste Etappe mit 51 Wohnungen dem geforderten umfassenden Wohnungsangebot.

Standort: Immensee

Bauherrschaft: Verein Missionshaus Bethlehem, Immensee

2. Obergeschoss

Architektur: Lüscher Bucher Theiler Architekten Fassadenbau: Alex Gemperle AG, Hünenberg Fassadenmaterial: Ondapress 36 , Nobilis N513, N514, N312 , N212 , N915; Swisspearl Largo, Nobilis N 811

Erdgeschoss 1:1000

Blick in den Hof: Der ehemalige Breviergang, das Herzstück des Missionshauses, wird zum nachbarschaftlichen Treffpunkt.

Die neuen Wohnbauten sind mit grünen und roten Wellplatten bekleidet. Die hellen, von Hand gemalten Farbstreifen auf den Wellen wurden zusammen mit der Künstlerin Angelika Walthert entwickelt und verleihen den Faserzementplatten eine textile Anmutung.

Buchner Bründler Architekten Kunsthaus Baselland

Mehr als ein Vierteljahrhundert, von 1997 bis 2024, nutzte das Kunsthaus Baselland eine Gewerbeliegenschaft neben dem Stadion St. Jakob. Um die Institution zu professionalisieren und zu festigen, entschied man sich für einen Umzug auf das die Kantonsgrenze überspannende Entwicklungsgebiet Dreispitz. Das Lagerhausareal ist weitgehend im Besitz der Christoph-Merian-Stiftung und wird seit einer ersten Studie von Herzog & de Meuron schrittweise transformiert, wobei insbesondere Kunst eine wichtige Rolle spielt. 2003 eröffnete im Süden des Areals das Schaulager von Herzog & de Meuron, weiter im Norden ist 2014 ein Cluster mit dem Sitz der Hochschule der Künste (Morger + Dettli), dem Archivgebäude Kabinett (Herzog & de Meuron) und einer für das Haus der elektronischen Künste umgebauten Lagerhalle entstanden. In dieses Ensemble fügt sich nun das im April 2024 eröffnete Kunsthaus Baselland ein. Buchner Bründler hatten 2015 den Wettbewerb mit der Idee gewonnen, auf einen zuvor diskutierten Abriss zu verzichten, die bestehende Lagerhallenstruktur zu weiten Teilen zu erhalten und durch eine interne Betonstruktur zu ergänzen. Sichtbarstes Zeichen nach aussen sind drei prismatische Türme mit dreieckigem Grundriss und von 25 Metern Höhe, die durch die bestehende Sockelebene hindurch auf Punktfundamenten im Boden verankert wurden. Sie fungieren mit grossen Öffnungen in der Höhe als Lichtfänger, die zenitales Licht in die Ausstellungsräume strömen lassen, sie dienen zusammen mit der neu eingezogenen, zweiten Ebene als Teil der Aussteifung – und sie verschaffen dem Gebäude des Kunsthauses Baselland, das gewissermassen in zweiter Reihe des Ensembles der kunstbezogenen Bauten steht, visuelle Präsenz und damit fast symbolische Ikonizität. Genutzt wurde das Gebäude ursprünglich als Lager für Champagner. Der Antransport erfolgte im Osten über die Bahn, der Abtransport im Westen mit LKWs über die Helsinkistrasse. Erhalten blieben im Zuge des Umbaus Sockel mit Rampen und – wo möglich – Aussenwände, die wie auch die Dachhülle inzwischen gedämmt sind. Auch das Dachfachwerk blieb erhalten. Die Dachdeckung allerdings wurde

durch identische, unbeschichtete Faserzement-Wellplatten ersetzt. Ein grosses, verglastes Foyer, das bis unter das Dach reicht und von beiden Seiten her zugänglich ist, bildet im Süden den Auftakt des Erdgeschosses. Dieser Raum lässt sich auch ohne Ticket betreten und lädt zum Lesen, Treffen oder Verweilen ein. Hinter dem Empfangstresen beginnt die Sequenz der fünf Ausstellungssäle in einer orthogonalen, leicht mäandrierenden Struktur. Dabei tritt ein weiteres Potenzial der Türme zutage: Sie gliedern die Raumfolge, bei der einzelne Säle abgetrennt werden können, während die Obergeschossebene unter dem Dach eher als räumliches Kontinuum erlebt wird.

Hubertus Adam

Standort: Helsinki-Strasse 5, Münchenstein/Basel

Bauherrschaft: Stiftung Kunsthaus Baselland, Muttenz

Architektur: Buchner Bründler Architekten, Basel

Generalplaner: ARGE Generalplaner Buchner Bründler Architekten, Proplaning AG

Fertigstellung: 2024

Dachdecker: Hürzeler Holzbau AG, Magden

Dachmaterial: Ondapress 57, Natural grey

Statt die Lagerhalle abzureissen, fügten die Architekten drei prismatische Betontürme hinzu, die weit über das mit Faserzement gedeckte Dach hinausragen. An der Fassade hängt eine Arbeit von Tony Cokes, die 2024 in Zusammenarbeit mit MOS Architects aus New York City entstanden ist.

Oben links: «Altar für das Prekäre», eine Arbeit von Gerda Steiner und Jörg Lenzlinger (2024)

Erdgeschoss 1:750

W2H Architekten

110 Wohnungen draufgesetzt

In Ostermundigen, einer Gemeinde im Kanton Bern, wurde eine Wohnsiedlung aus den 1980er-Jahren nachverdichtet. Sieben der zwölf Gebäude erhielten zwei- bis dreigeschossige, mit Faserzementplatten bekleidete Aufbauten. Der Architektur gelingt es auf vorbildliche Weise, eine Brücke zwischen den Zeiten und den zahlreichen Eigentümern zu bilden.

Text: Marion Elmer, Bilder: Rolf Siegenthaler, Rene Dürr, Thomas Telley

Die Siedlung Lindendorf liegt am ländlichen Rand von Ostermundigen. In einer scharfen Kurve legt sich die Unterdorfstrasse um die Siedlung. Das Gelb der neuen Aufstockung leuchtet durch die Baumkronen.

Die zwölf Häuser der Siedlung haben zehn verschiedene Eigentümer. Vier Architekturbüros haben sieben der Häuser bereits saniert und aufgestockt:

W2H Architekten

HPAG Architektur

Nissille Architekturbüro

Trachsel Steiner + Partner

Im Detail unterscheiden sich die einzelnen Aufstockungen und Fassadensanierungen. Dem Grundgedanken einer einheitlichen Gesamterscheinung blieben alle Architekturbüros treu.

Links im Bild eine Sanierung von W2H Architekten, die beiden anderen Bauten wurden von HPAG Architektur saniert.

Aufstockung

Erdgeschoss 1:500

Sanierung und Aufstockung Lindendorf, Ostermundigen, 2021–2024

Die Siedlung Lindendorf liegt am ländlichen Rand von Ostermundigen. Schnurgerade führt der Pappelweg zwischen Feldern zur Siedlung. Durch die Baumkronen leuchtet das Gelb der neuen Aufstockungen. Die erfolgreiche Verdichtung der Wohnsiedlung hat vor etwa zehn Jahren mit dem Doppelhaus 35 / 37 begonnen. W2H Architekten, mit einer Sanierung beauftragt, schlugen eine Aufstockung vor. Da die Überbauungsordnung dies nicht erlaubte, wandte sich die Eigentümerin an die Gemeinde. Hier fand sie für ihre Idee offene Türen vor: Einerseits erwartete man bis 2025 ein Wachstum auf 18 000 Einwohner, andererseits sollte das umliegende Kulturland nicht überbaut werden.

W2H Architekten wurden daraufhin mit einer Machbarkeitsstudie im WorkshopVerfahren für die gesamte Siedlung beauftragt, deren zwölf Häuser zehn verschiedenen Eigentümerschaften gehören. Ziel war es, das charakteristische Erscheinungsbild der Siedlung zu wahren und gleichzeitig Raum für 110 neue Wohnungen zu schaffen.

Das Ergebnis des Workshops führte zu einer neuen Überbauungsordnung, die 2020 – nach Mitwirkungsverfahren und Volksabstimmung – endlich rechtskräftig wurde. Da jede Eigentümerin ihre Planer für eine Sanierung und Aufstockung frei wählen konnte, legte ein Gestaltungskonzept Richtlinien fest: Vor- und Rücksprünge sowie der Waschbeton-Dachabschluss sollten sichtbar bleiben, die Aufstockungen durften sich in der Höhe

nicht zu stark abheben, insbesondere an den Rändern der Siedlung. Die Materialwahl blieb flexibel, jedoch wurden Putz für den Bestand und Faserzementplatten für die Aufbauten – glatt oder gewellt – vorgeschrieben. W2H Architekten wählten gewellte Faserzementplatten. «Mit der gewellten Fassade wollten wir den Gebäuden ein neues Kleid geben», erklärt Andreas Wenger von W2H.

Einheit trotz Vielfalt

2021 setzte W2H die erste Aufstockung um, zwei weitere folgten 2023 Die Architekten stellten die zwei- oder dreigeschossige Holzständerkonstruktion direkt hinter die Brüstungen des instand gesetzten Bestandes und bekleideten sie mit gelben, gewellten Faserzementplatten. Dadurch hebt sich die Erweiterung klar vom Bestand ab, während die ursprüngliche Waschbetonkrone sichtbar bleibt.

Die Architekturbüros Nissille und Trachsel Steiner + Partner folgten der Vorlage von W2H weitgehend. Erst auf den zweiten Blick werden kleine Unterschiede im Fassadenbild sichtbar. Während das Büro Nissille die Farbe des Bestands leicht abdunkelte, entschieden sich die Architekten von Trachsel Steiner + Partner, den Waschbeton grau zu streichen.

Am weitesten vom Gestaltungskonzept entfernten sich die Architekten von HPAG beim Doppelhaus 47 / 49. Nicht nur wirken die gelben, vertikalen, glatten Faserzementplatten statischer als die Wellplatten der Nachbarsbauten, auch der Bestand wurde hinter einer Kompaktfassade versteckt. Bei der jüngsten Sanierung entschieden

auch sie sich letztlich dafür, die prägenden Waschbetonelemente sichtbar zu belassen. Hier bekleidete HPAG die Aufstockung mit gewellten Platten in einem edlen Olivegrün. Trotz dieser unterschiedlichen Umsetzungen bleibt der Charakter und die Einheit des Lindendorfs erhalten. Dazu trägt auch der neu gestaltete, grosszügig angelegte Aussenraum bei, der allen zehn Eigentümerschaften gemeinsam gehört.

Architektur: W2 H Architekten, Bern

Standort: Unterdorfstrasse 15/17, 31/33, 35/37, Ostermundigen /CH

Bauherrschaft: UBS Investment Foundation, Basel (Unterdorfstrasse 35/37 ); Gebäudeversicherung Bern (Unterdorfstrasse 31/33 ); Pensionskasse der Bernischen Kraftwerke (Unterdorfstrasse 15/17 )

Fertigstellung: 2023

Fassadenbau: Wirz Holzbau AG, Bern (Unterdorfstrasse 35/37, 31/33 ), Zaugg AG Rohrbach, Rohrbach /CH (Unterdorfstrasse 15/17 )

Fassadenmaterial: Ondapress 36 , Linears (Balkone und Fensterbrüstungen)

Architektur: HPAG Architektur, Kirchberg

Standort: Unterdorfstrasse 39/41, 47/49, Ostermundigen /CH

Bauherrschaft: Assetimmo Immobilien-Anlagestiftung, Zürich (Unterdorfstrasse 47/49 ); Pensimo Anlagestiftung, Zürich (Unterdorfstrasse 39/41)

Fertigstellung: 2023/24

Fassadenbau: Bauimpuls, Heimberg

Fassadenmaterial: Swisspearl Largo, Bernstein 7080 und Cristal 7010 am Dachrand (47/49 ); Ondapress 36 , Nobilis Jade 521 R

Aufstockung / Balkone Terra Amber 723 ( 39/41)

Architektur: Nissille Architekturbüro, Bern

Standort: Unterdorfstrasse 27/29, Ostermundigen /CH

Bauherrschaft: Pensionskasse Coop, Basel

Fertigstellung: 2023

Fassadenbau: Gerber Holzbau, Bern, und Beer Holzbau, Ostermundigen

Fassadenmaterial: Ondapress 36 , gelb N 611 R

Architektur: Trachsel Steiner + Partner, Bern

Standort: Unterdorfstrasse 7/9, Ostermundigen /CH

Bauherrschaft: Valora Pensionskasse, Muttenz

Fertigstellung: 2023

Fassadenbau: Stuberholz, Schüpfen

Fassadenmaterial: Ondapress 36 , gelb N 611 R, Teile der Balkone in Swisspearl Largo, Nobilis Granite 624

Die Wohnbauten aus den 1980er-Jahren vor der Sanierung.

Hier sind Alt und Neu geschickt durch ein grosses Dach miteinander verbunden. Zum Garten hin bekleidet die Dachdeckung auch die Fassaden der Obergeschosse.

In den Klassenzimmern kommt die Qualität der Holz- und Lehmoberflächen besonders zum Tragen und schafft eine angenehme Atmosphäre.

Rudolf Steiner-Schule Wien

Die Rudolf Steiner-Schule in Wien-Mauer ist die älteste Waldorfschule Österreichs. Sie ist in zwei sich gegenüberliegenden historischen Gebäuden beheimatet, im Maurer Schlössl und in einem ehemaligen Herrenhaus. Dieser eingeschossige klassizistische Bau war zu klein geworden und seine Bausubstanz zu schlecht, um den Unterricht darin zeitgemäss fortführen zu können.

Den Wettbewerb für eine Sanierung und Erweiterung konnte das Architekturbüro Dietrich Untertrifaller in Kooperation mit dem Wiener Planer und Lehmbauexperten Andi Breuss für sich entscheiden. Der Altbau wurde saniert, gartenseitig haben die Architekten nicht erhaltenswerte Bauteile abgetragen und einen Anbau mit zusätzlichen Klassen-, Sonder- und Horträumen und einer in die Erde abgesenkten Turnhalle errichtet. Ganz im Sinne der Waldorf-Philosophie kamen überwiegend natürliche Baustoffe wie Lehm und Holz zum Einsatz. Der Anbau ist

oberirdisch in Holzbauweise errichtet, und die Wandoberflächen im Inneren sind mit Lehmputz oder Lehmbauplatten bekleidet. Für den Lehmputz konnte die vor Ort ausgehobene Erde verwendet werden –auch das eine Besonderheit des Projekts. Von der Strasse aus fügt sich der Altbau mit seiner frisch verputzten, hellbeigen Fassade und dem mit Faserzementplatten gedeckten Walmdach harmonisch in die Umgebung ein. Der hölzerne Anbau ist von der Strasse aus kaum zu sehen, höchstens das sich in den Gartenraum ausdehnende Dach deutet auf ein grösseres rückwärtiges Volumen hin. Der Eingang der Schule liegt seitlich am Übergang zum Neubau, der L-förmig an den Altbau anschliesst. Von hier aus kann man auch gleich einen Blick in die Turnhalle werfen, die zur Hälfte unterirdisch liegt, doch dank geschosshoher Fensterbänder auf Erdgeschossniveau ausreichend mit Tageslicht versorgt ist. Die Klassen- und Horträume im ersten Obergeschoss sind

über die beidseitigen Laubengänge auch direkt vom Garten aus zu erreichen. Das bestehende Dach des Altbaus wurde abgetragen und durch ein neues ersetzt. Das neue Dach verbindet Alt- und Neubau miteinander und ist mit 40 mal 44 Zentimeter grossen Rhomben aus Faserzement gedeckt sowie mit einer extensiven Begrünung, über der in Teilbereichen Photovoltaik-Paneele installiert wurden. Charakteristisch für den Entwurf ist, dass die Faserzementplatten nicht nur das Dach, sondern auch die Fassade bekleiden. Vom Garten aus betrachtet bilden dabei Dach und Obergeschoss eine Einheit, die sich deutlich von dem grossteils transparenten, teils mit vertikalen Holzleisten bekleideten Erdgeschoss abhebt. Im Inneren sind alle Trennwände in Holzständerbauweise mit Holzfaserdämmung und Lehmoberflächen errichtet. Ganze 2500 Quadratmeter Wandfläche konnten mit dem Lehm aus dem Aushub verputzt werden, zusätzlich wurden vorgefertigte Lehmbauplatten verwendet.

Das Holz der Böden und der Decken gepaart mit den Lehmoberflächen an den Wänden ist nicht nur schön anzusehen, es schafft auch eine angenehme Raumatmosphäre. Lehm reguliert die Luftfeuchtigkeit auf natürliche Weise, hat eine grosse Speichermasse und verbessert damit das Raumklima. So hat der Schulverein der Rudolf Steiner-Schule in Mauer fast hundert Jahre nach ihrer Gründung erneut Massstäbe gesetzt, diesmal im nachhaltigen und gesunden Bauen.

Anne Isopp

Standort: Endresstrasse 113, Wien

Bauherrschaft: Rudolf Steiner Schulverein, Wien

Generalplaner: Dietrich Untertrifaller, Wien und Andi Breuss, Wien

Fertigstellung: 2024

Generalunternehmer: Handler Bau, Bad Schönau /AT

Dachmaterial: Swisspearl Rhombus Schablone

Obergeschoss

Erdgeschoss 1:400

Ein stimmiger Mix aus Alt und Neu. Die Faserzementplatten passen farblich zu den alten Steinmauern. Im Inneren treffen Flächen aus Stein, Holz und Sichtbeton aufeinander.

Ofis

Architects Wohnhaus in Kanalski Lom

Das Wohnhaus in Kanalski Lom ist das Wohnhaus einer russisch-amerikanischen Grossfamilie mit acht Kindern, die zwischen New York und Moskau pendelt. Es liegt in einem fast vergessenen, abgelegenen Dorf in den slowenischen Bergen, wo alpines auf mediterranes Klima trifft und wo die Familie einen deutlichen Kontrapunkt zur Hektik der Grossstädte findet.

Die Architekten stellten sich der anspruchsvollen Aufgabe, in einem unberührten Naturraum zwei bestehende Steinhäuser mit ihren typischen Steildächern miteinander zu verbinden und darin zeitgemässes Wohnen abseits des städtischen Komforts zu ermöglichen. Die Steingebäude wurden umfassend renoviert und strukturell verstärkt, indem die Wände vergossen und mit Stahlbetonplatten verstärkt wurden. Ergänzt wird der Bestand um einen Eingangsbau mit derselben charakteristischen Dachform wie die Steinhäuser sowie durch flache Anbauten, die die einzelnen Baukörper miteinander verbinden.

Im Gegensatz zu den archetypischen, materiell sehr prägnanten Steinhäusern wirken die neuen, mit grauem Faserzement bekleideten Anbauten abstrakter. Die Architekten wählten das Material wegen seiner

Langlebigkeit und der Möglichkeit, sowohl Fassade als auch Dach damit zu bekleiden. So erhalten die neuen Baukörper einen einheitlichen, zeitkonformen architektonischen Ausdruck.

Im Inneren findet man ganz andere Materialien vor. Hier dominiert Holz. Kombiniert mit den bestehenden Steinmauern und neuen Sichtbetonwänden bewahrt das Haus seine typische Robustheit und erhält zugleich eine einladende, intime Atmosphäre. Das Haus, das bis ins Detail sorgfältig konzipiert und mit allen Annehmlichkeiten der heutigen Welt ausgestattet ist, bietet einen perfekten Rückzugsort für die Familie. Zugleich bewahrt es die Erinnerung an seine Vergangenheit, die ihm als Quelle der Inspiration diente. Eva Gusel

Standort: Kanalski Lom, Slowenien Bauherrschaft: privat

Architektur: Ofis Architects, Ljubljana Fertigstellung: 2022

Dachdecker: P. Jacev

Dachmaterial: Swisspearl Dachplatten, Nobilis N214 R-color

Fassadenmaterial: Swisspearl Largo, Nobilis N214

KNOW-HOW – Längst werden nicht nur Dächer, sondern auch Fassaden zur Energiegewinnung herangezogen. Damit Architektinnen und Planer hierbei einen grösseren Gestaltungsspielraum haben, bietet Swisspearl die Solarmodule für Fassade und Dach nun auch farbig an. Hierfür fand man eine Technologie, die umweltfreundlich ist sowie eine hohe Leistungsfähigkeit des Moduls und eine langlebige Farbstabilität garantiert.

WIE KOMMT DIE FARBE AUFS GLAS?

Klassischerweise sind Solarmodule schwarz. Das ergibt auch Sinn, da dabei am wenigsten Licht reflektiert und die höchste Leistungsfähigkeit erreicht wird. Doch spätestens seit nicht nur Dächer, sondern auch Fassaden zur Energiegewinnung herangezogen werden, steht der Wunsch nach farbigen Solarmodulen im Raum. Schliesslich dürfen Architektinnen und Bauherren bei all ihren Bemühungen um die Bau- und Energiewende und der Notwendigkeit, CO2 einzusparen, nicht die Kernaufgabe ihrer Profession aus den Augen verlieren: die Gestaltung der gebauten Umwelt.

Aus diesem Grund bietet Swisspearl seit Anfang 2025 farbige Solarmodule an. Fürs Erste gibt es neun Standardfarben für die Fassade und drei für das Dach. Die Farbpalette reicht von einem hellen Grau bis zu einem dunklen Violett. Auch Sonderfarben sind auf Anfrage möglich. Dem Produktlaunch Anfang 2025 ist eine Zeit intensiver Forschung und zahlreicher Tests vorausgegangen. Es galt, das geeignete Färbeverfahren zu finden. Verfahren, um Solarmodule einzufärben, gibt es verschiedene: beginnend bei einer farbigen Folie, die eine der beiden transparenten Einkapselungsfolien ersetzt, über Digitalund Siebdruck bis hin zu dem sogenannten Sputterverfahren, bei dem Ionen auf das Glas geschossen werden. Bei Swisspearl wird die Farbe vor dem Härtungsprozess mittels Siebdruckverfahren auf das Frontseitenglas aufgebracht. Das bietet ein besonders gleichmässiges, reproduzierbares Farbergebnis. Die Farbe wird auf die nach innen gerichtete Seite des Frontseitenglases aufgetragen, damit sie geschützt ist und lange hält.

Das zehngeschossige Haus in Jona am Zürichsee wurde energetisch saniert. Die neue Fassade aus Faserzement und die in die Fassade integrierte Photovoltaikanlage haben den gleichen, grünlich­ grauen Farbton.

Auch die Suche nach einer geeigneten Farbe nahm Zeit in Anspruch. Auf dem eigenen Werkgelände in Niederurnen steht ein Pilotprojekt mit einer farbigen Solarfassade. 2023 hatte Swisspearl die Fassade einer neuen Werkhalle mit mattgrünen Solarmodulen belegt. Im Gegensatz zu den nun erhältlichen farbigen Solarpaneelen verwendete man hierfür noch keramische Farben. Diese Farben sind deckend. Damit ausreichend Licht zu den Solarzellen gelangt, kann die Farbe nicht vollflächig aufgetragen werden, sondern in einem Punktraster. Dann entdeckte man aber bei Swisspearl gemeinsam mit dem Hersteller des Glases eine Farbe, die lichtdurchlässig ist und somit vollflächig aufgetragen werden kann. Sie ist auch leistungsfähiger als keramische Farben und umweltfreundlich, da sie weder Cadmium noch Schwermetalle enthält.

Grundsätzlich gilt: Je heller die Farbe, desto schlechter die Leistungsfähigkeit des Moduls. Daneben spielt natürlich die Ausrichtung der Fassade eine wichtige Rolle. Eine Nordfassade oder durch Nachbargebäude dauerhaft beschattete Bereiche eignen sich meist nicht zur Energiegewinnung. Aus Kosten- und Effizienzgründen werden nur dort Solarmodule angebracht, wo auch ausreichend Sonne darauf scheint.

Gestalterisch gilt es, die Solarmodule als eigenständige Bauteile in das Gesamtbild zu integrieren, etwa als auskragende Dächer, Balkonflächen oder wie eine klassische Fassadenbekleidung. Da Swisspearl nicht nur einzelne Module, sondern ganze Systeme anbietet, gibt es zu jedem farbigen Solarmodul auch farbig passende Faserzementprodukte. So lässt sich beides gut kombinieren.

Anne Isopp

Die Farbe wird vor dem Härtungsprozess mittels Siebdruckverfahren auf das Frontglas aufgebracht. Das bietet ein besonders gleichmässiges, reproduzierbares Farbergebnis.

Die neuen Solarpaneele von Swisspearl sind in neun Standardfarben für die Fassade erhältlich. Die Farbpalette reicht von einem hellen Grau bis zu einem dunklen Violett.

DESIGN – In der neuen Dauerausstellung im Wien Museum hat jedes Zeitalter seine eigene Materialität. In den Räumen zu Renaissance und Mittelalter sind die Ausstellungsobjekte umgeben von hellem Faserzement.

ZEITREISE INS MITTELALTER

Im Atrium, dem Herzstück des Museums, kann man sich auf einer Bank mit Blick auf die historisch wertvollen Bleifiguren des Donnerbrunnens oder auf Stufen vor dem Modell des Stephansdoms ausruhen.

Sockel und Stufen sind mit Faserzementplatten belegt und passen gut in das Sichtbetonambiente.

2023 wurde das Wiener Stadtmuseum, kurz «Wien Museum» genannt, nach einer längeren Umbauphase wiedereröffnet. Die Architektengemeinschaft Ferdinand Certof, Klaudia Ruck und Roland Winkler hatte den unter Denkmalschutz stehenden Museumsbau von Oswald Haerdtl aus den 1950er-Jahren saniert und erweitert. Besonders markant ist die neue Aufstockung, ein fensterloser, mit geriffelten, vertikalen Graten verzierter Sichtbetonkubus, der über dem alten Museumsbau zu schweben scheint. Altbau und Aufstockung sind in der Tat statisch voneinander getrennt. Die komplette Last der weit auskragenden Stahlkonstruktion und ihrer Sichtbetonfassade wird im Innern über das ehemalige Atrium abgetragen. In diesem ehemaligen Innenhof liegt nun auch die zentrale Halle, das neue Herzstück des Museums. Es ist ein länglicher Raum, der mit seinen fensterlosen, hoch aufragenden Sichtbetonwänden an einen Kirchenraum erinnert. Eine Sitzbank lädt zum Verweilen mit Blick auf eine der wertvollsten Objektgruppen des Museums: die Bleifiguren des Donnerbrunnens. Oder man setzt sich auf die Stufen vor dem fünf Meter hohen, in den Boden versenkten Modell des Stephansdoms. Kurz nach der Neueröffnung des Wien Museums listete die New York Times die Stadt Wien als einen der Orte auf, die man 2024 unbedingt besichtigen sollte. Sie erwähnte dabei insbesondere das wiedereröffnete Museum und im Speziellen die neu konzipierte, kostenlos zu besichtigende Dauerausstellung. In 13 Kapiteln wird chronologisch die Geschichte Wiens von der Frühzeit bis zur Gegenwart dokumentiert. Das Berliner Büro Chezweitz entwarf die Szenografie für die Dauerausstellung, die Wiener Ausstellungsmacherinnen Irina Koerdt und Sanja Utech vom Wiener Büro koerdtutech konkretisierten und materialisierten diese Idee gemeinsam mit ihrem Kollegen, dem Ausstellungsmacher Robert Rüf.

Die Dauerausstellung erstreckt sich vom Erdgeschoss bis ins zweite Obergeschoss. Jedes Zeitalter hat seine eigene Gestaltung und Materialität, wie zum Beispiel Kupfer für die Kupferzeit oder eben Faserzement für den Zeitabschnitt Mittelalter und Renaissance. Hier wählte man Faserzement, weil sich die Geschichte der werdenden Stadt in diesem Kapitel besonders gut über ein helles Material mit mineralischer Optik und Haptik erzählen lässt. Darüber hinaus spielt es auch gut mit den Sichtbetonwänden der Hausarchitektur zusammen. Im

Für den Zeitabschnitt

Mittelalter und Renaissance wählte man Faserzement, weil sich die Geschichte der werdenden Stadt in diesem Kapitel besonders gut über ein helles Material mit mineralischer Optik und Haptik erzählen lässt.

Erdgeschoss sind sämtliche Ausstellungswände und -möbel dieses Zeitabschnitts, in der Halle die Sockel mit den Originalfiguren des Donnerbrunnens, der Sockel für das sogenannte Waldheim-Pferd sowie die Sitzstufen vor dem Modell des Stephansdoms mit Faserzement bekleidet.

Die Faserzementplatten wurden auf Dreischichtplatten geklebt und konnten so unsichtbar auf die Unterkonstruktion aus Holz montiert werden. Die Platten haben einen hellen Ton und eine Beschichtung. «Die Beschichtung ist samtartig und fühlt sich sehr wertig an», sagt Ausstellungsgestalter Robert Rüf. «Man könnte Faserzementplatten auch direkt bedrucken», ergänzt Gestalterin Sanja Utech. Das habe sie schon bei anderen Ausstellungen gemacht, doch in der Wiener Dauerausstellung sollte die Gestaltung zeitloser, auch veränder- und adaptierbar sein. Um künftige Forschungsergebnisse einfach einarbeiten zu können, arbeitet man hier mit separaten Beschriftungsträgern. Obwohl Faserzementplatten eigentlich kein Bodenbelag sind, konnte man sie hier mit der richtigen Beschichtung doch am Boden rund um die Brunnenfiguren sowie auf den Sitzstufen verwenden. Über das Treppenhaus, das skulptural in die Halle ragt, gelangt man übrigens ins dritte Obergeschoss und von hier auf eine Terrasse, von der man einen wunderbaren Blick auf die Karlskirche hat. Ein tolles Geschenk an alle Wiener und Wienerinnen: Denn Terrasse und Dauerausstellung lassen sich kostenlos besuchen.

Anne Isopp

Szenografie: chezweitz, Berlin

Gestaltung: koerdtutech, Wien, und Robert Rüf, Wien

Ausstellungsbau: Winter Artservice GmbH, Wien

Architektur Museumserweiterung: Winkler + Ruck, Klagenfurt, und Ferdinand Certov, Graz

Bauherrschaft: Museen der Stadt Wien, Wien

AM START – NONA Architektinnen ist ein junges Architekturbüro aus Vorarlberg, das mit präzise gesetzten Eingriffen bestehende Gebäude transformiert. Die beiden Gründerinnen Nora Heinzle und Anja Innauer legen dabei viel Wert auf eine überzeugende Grundidee und die Materialisierung.

Herzlichen Glückwunsch zum Österreichischen Bauherrenpreis, den Sie gemeinsam mit dem Bauherrn, der Firma Haberkorn, für die neue Bürowelt in Wolfurt bekommen haben. Was ist das Besondere an dem Projekt?

Nora Heinzle: Die Bauherrschaft hatte schon im Wettbewerb vorgegeben, eine leer stehende Halle zu nutzen. Das war eine ungenutzte Lagerhalle, eigentlich ein ausdrucksloser Bau.

Anja Innauer: Es war ein geladener Wettbewerb. Die Firma Haberkorn brauchte hundert neue Arbeitsplätze. Man hätte dafür auch den bestehenden Verwaltungsbau aufstocken können. Das wollte sie aber nicht, ebenso wenig wie eine klassische Bürostruktur mit Glastrennwänden und Einzelbüros. Das Besondere an unserem Entwurf ist die Idee, einen zweigeschossigen Holzbau in die Halle zu stellen. Diese einfache Grundidee und die Realisierung in Holz sind die Stärken dieses Projekts. Damit haben wir den Wettbewerb gewonnen.

Ist es als junges Büro nicht überhaupt schwierig, zu so einem Wettbewerb eingeladen zu werden?

Anja Innauer: Dass wir zu diesem Wettbewerb eingeladen wurden, hat uns extrem überrascht. Wir sind ein kleines Büro. Aber

Neue Bürowelt der Haberkorn GmbH: Ein zweigeschossiger, in die ehemalige Lagerhalle eingestellter Holzbaukörper zoniert diese in unterschiedlich grosse Büro ­, Besprechungsund Gemeinschaftsräume.

Vorarlberg ist auch klein. Wir haben die Postgarage in Dornbirn umgebaut – ein ähnliches Thema. Und in Rankweil konnten wir ein Projekt zum Thema neues Arbeiten umsetzen. Das spricht sich dann herum.

Ist es vor allem das Thema Bauen im Bestand, das mit Ihrem Büro verbunden wird? Sie haben ja auch Neubauten realisiert, obwohl die Umbauten und Revitalisierungen überwiegen.

Nora Heinzle: Bauen im Bestand ist eine Aufgabenstellung, die immer häufiger wird. Das sind oft auch Projekte, bei denen die Bauherrschaft etwas Neues ausprobieren will. In Vorarlberg gibt es viele Büros, die bekannt und gut sind. Aber bei diesen neuen Themen wie dem Bauen im Bestand fragt man auch gerne junge Architektinnen. Wir haben in dem Bereich schon einiges realisiert. Obwohl wir natürlich nicht nur im Bestand bauen wollen.

Was ist Ihnen wichtig bei Ihrer Architektur?

Anja Innauer: Uns ist wichtig, dass unser Entwurf für den Bauherrn, die Bauherrin und die Umgebung eine Verbesserung bringt.

Nora Heinzle: Das Schöne am Bauen im Bestand ist, dass man allein aus Effizienzund Kostengründen oft Rahmenbedingungen vorfindet, die im Neubau nie zugelassen

Generationenwechsel beim Hotel Hirschen in Schwarzenberg. Für die junge Bauherrschaft sanierten NONA Architektinnen das Stammhaus, bauten das Wälderhaus um und ein neues Badehaus dazu.

würden. Man darf sich hier eine Grosszügigkeit leisten, und daraus ergeben sich spannende Räume und Atmosphären.

Sie haben bereits mehrere Bauten umgebaut. Was haben Sie daraus gelernt?

Nora Heinzle: Beim Bauen im Bestand muss man immer Kompromisse eingehen, und die müssen auch von der Bauherrschaft getragen werden.

Anja Innauer: Die Prozessbegleitungen, das Betreuen der Bauherrschaft und der künftigen Nutzerinnen und Nutzer ist ein wesentlicher Faktor. Die Kommunikation ist extrem wichtig, damit wir unsere Entwurfsidee beibehalten können. Diese muss man gut und auch in verständlicher Sprache kommunizieren. Der Bauherr oder die Bauherrin spielt eine zentrale Rolle für das Gelingen eines Projekts. Ohne guten Bauherr gibt es kein gutes Projekt.

Wie sehr beeinflusst die Debatte über den Klimawandel Ihre Herangehensweise, vielleicht auch Ihre Materialwahl?

Nora Heinzle: Bei der neuen Bürowelt Haberkorn hatte der Bauherr den nachhaltigen Gedanken schon im Wettbewerb formuliert. Er wollte die Halle erhalten und als Büro nutzen. Es gibt aber auch immer wieder Anfragen, wo nicht geklärt ist, ob es ein Neubau oder Umbau werden soll. Hier bringen wir den nachhaltigen Gedanken mit ein und wägen ab, ob man mit dem Bestand weiterarbeiten kann.

Anja Innauer: Wir sind hier in Vorarlberg im Holzbauland. Der Holzbau spielt eine zentrale Rolle. Wir bauen gerne mit Holz, aber es ist nicht immer die einzige Antwort. Gerade wenn es um Nachhaltigkeit geht, ist für uns der erste Schritt eine gute Planung.

Das Gespräch führte Anne Isopp.

NONA ARCHITEKTINNEN

Nora Heinzle und Anja Innauer lernten sich in Wien beim Architekturstudium kennen. Gemeinsam mit Mitstudenten eröffneten sie dort ihr erstes Atelier. Dann trennten sich ihre Wege: Anja Innauer zog zurück nach Vorarlberg, Nora Heinzle ging nach London, und doch vergassen die beiden Vorarlbergerinnen nicht ihre Vision eines gemeinsamen Architekturbüros. 2016 war es dann so weit: Sie gründeten in Dornbirn NONA Architektinnen.

Liebe Leserinnen und Leser

Zu den vielen Herausforderungen, vor denen wir heute als Gesellschaft, aber auch als Unternehmen stehen, gehört die Sorge um unsere Umwelt und die Endlichkeit unserer Ressourcen. Swisspearl setzt sich seit vielen Jahren intensiv für eine nachhaltige Entwicklung auf allen Ebenen ein. Dies gelingt nicht in einem grossen, sondern in vielen kleinen Schritten: von der alternativen Energiegewinnung auf dem eigenen Firmengelände bis hin zur Forschung an nachhaltigen Produktionsweisen.

Das Thema Umbauen, das wir für dieses Heft gewählt haben, fügt sich darin gut ein. Die Bauten, die wir Ihnen vorstellen, zeigen nicht nur hochwertige architektonische Lösungen für das Bauen im Bestand. Sie beweisen auch, dass wir mit unseren Produkten einen Beitrag leisten können, um bei Sanierungen und beim Weiterbauen qualitätsvolle Lösungen zu finden.

Ganz im Sinne des Nachhaltigkeitsgedankens sind die Produkte von Swisspearl hochwertig und langlebig. Mit der Farbenvielfalt und den verschiedenen Plattengrössen und -formen, die wir im Portfolio haben, bieten wir eine enorme Bandbreite an Gestaltungsmöglichkeiten, dank denen Architektinnen und Planer adäquat auf den Bestand reagieren können.

Ein ähnliches Anliegen verfolgen wir auch mit der Entwicklung unserer farbigen Solarmodule. Die Suche nach einer nachhaltigen, langlebigen, robusten und effizienten Farbe war eine grosse Herausforderung. Unser Solarteam trieb die Entwicklung farbiger Solarmodule in den letzten Jahren voran und zog wo nötig externe Partner bei. Heute werden alle Einzelteile unserer Solarsysteme – ausser der Solarzelle – exklusiv für uns in Europa hergestellt (siehe S. 38 ).

Dies ist einer der vielen Schritte, die wir als innovativer und kreativer Anbieter von Gesamtlösungen unternehmen, um Positives für heutige und künftige Generationen zu bewirken.

Ich wünsche Ihnen eine inspirierende Lektüre und zahlreiche Impulse für das nachhaltige Bauen.

Marco Wenger, CEO Swisspearl Group

ARCH. Architektur mit Faserzement

Bestellungen/Adressänderungen arch@ch.swisspearl.com

ISSN 2673-8961 (Deutsch)

ISSN 2673-8988 (Französisch)

Herausgeberin

Swisspearl Group AG, Niederurnen www.swisspearl-group.com

Beirat

Martin Tschanz, Dozent ZHAW Winterthur

Gabriele Kaiser, Architekturpublizistin Wien

Hans-Jörg Kasper, Swisspearl Group AG

Marco Pappi, Swisspearl Schweiz AG

Projektleitung: Gabriella Gianoli, Bern

Redaktion: Anne Isopp, Wien

Lektorat und Produktion: Marion Elmer, Zürich

Korrektorat: Barbara Geiser, Zürich

Gestaltung: Schön & Berger, Zürich

Plangrafik: Deck 4, Zürich

Druck: Galledia, Flawil

Abbildungen

SU Niklaus Spoerri, Tomaz Gregoric, Lucas Peters, Kurt Hörbst

S. 2 Klaus Echle

S. 3 Annette Voigt

S. 4, 5 gta Archiv/ETH Zürich, Nachlass J. Dahinden

S. 6–7, 8 Lucas Peters/RWPA

S. 10 Architekturzentrum Wien, Sammlung, Foto: Hermann Czech

S. 11 Theresa Wey

S. 12–13, 16, 17, 18, 22–23 Niklaus Spoerri

S. 14, 20, 21 o. li. Markus Bertschi

S. 15 o., 21 re. Roman Keller

S. 15 u. Meier Hug Architekten

S. 17 Innenarchitektur: Christine Tschan VSI

S. 21 u. li. Jürg Zimmermann

S. 24, 25, 27 Daniela Burkart

S. 28, 29 Rory Gardiner

S. 30, 31 Rolf Siegenthaler

S. 32 Rene Dürr

S. 33 Thomas Telley

S. 34 Kurt Hörbst

S. 36, 37 Tomaz Gregoric

S. 38 o. Meraner & Hauser

S. 38 u., 39 Swisspearl

S. 40 o., 41 Lisa Rastl, Wien Museum

S. 40 u. Swisspearl

S. 42 li. David Schreyer

S. 42 re. Adolf Bereuter

S. 43 Darko Todorovic

Rechtliche Hinweise

Alle Texte, Bilder und Grafiken in dieser Publikation sind urheberrechtlich geschützt. Kein Teil dieses Werks darf in irgendeiner Form vervielfältigt, verbreitet, weiterverarbeitet oder Dritten zur Verfügung gestellt werden. Der Herausgeber übernimmt keine Garantie für die Fehlerfreiheit oder die Richtigkeit aller Angaben. Die Pläne stellten die Architekten zur Verfügung. Die Detailpläne wurden zur besseren Lesbarkeit überarbeitet.

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Swisspearl Schweiz AG Niederurnen

Telefon: +41 55 617 1111 Mail: info@ch.swisspearl.com

Swisspearl Österreich GmbH Vöcklabruck

Telefon: +43 7672 7070 Mail: info@at.swisspearl.com

Swisspearl Fassaden- und Dachprodukte DE GmbH, Nittenau Telefon: +49 9436 903 3297 Mail: info@de.swisspearl.com

Swisspearl Belgium NV. Aartselaar

Telefon: +32 3292 3010 Mail: info@be.swisspearl.com

Swisspearl Česká republika a.s. Beroun

Telefon: +420 311 744 111 Mail: info@cz.swisspearl.com

Swisspearl Danmark A/S Aalborg

Telefon: +45 9937 2222 Mail: info@dk.swisspearl.com

Swisspearl France SAS Briançon Cedex

Telefon: +33 492 212 465 Mail: info@fr.swisspearl.com

Swisspearl GB Ltd Warrington

Telefon: +44 20 3372 2300 Mail: info@gb.swisspearl.com

Swisspearl Ireland Ltd

Ballycoolen Dublin

Telefon: +353 1 9058300 Mail: info@ie.swisspearl.com

Swisspearl Magyarország Gyártó Kft Nyergesújfalu

Telefon: +36 33 887 700 Mail: info@hu.swisspearl.com

Swisspearl Nederland B.V. Enter

Telefon: +31 85 489 07 10 Mail: info@nl.swisspearl.com

Swisspearl Norge AS Slemmestad

Telefon: +47 31 29 77 00 Mail: info@no.swisspearl.com

Swisspearl Polska Sp. z o.o. Warszawa

Telefon: +48 22 395 72 80 Mail: info@pl.swisspearl.com

Swisspearl Slovenija d.o.o. Deskle

Telefon: +386 5 392 1572 Mail: info@si.swisspearl.com

Swisspearl Suomi Oy Lohja

Telefon: +358 19287 61 Mail: info@fi.swisspearl.com

Swisspearl Sverige AB Stockholm Telefon: +46 8 506 608 00 Mail: info@se.swisspearl.com

Canaleta – eine ikonische Dachplatte

Unter dem Namen Canaleta – spanisch für Regenrinne – stellte Eternit, die Vorgängerfirma von Swisspearl, grossformatige Platten für das Dach mit einem sehr auffälligen Profil her. Architekt Max Bill entwarf diese grossen Dachelemente Mitte der 1960er-Jahre.

Wenn etwas so schön geformt ist, finden Architektinnen und Architekten dafür auch gerne nicht vorgesehene Anwendungen.

Auf dem Bühler-Areal in Winterthur bekleiden diese Sonderformate die Fassade der Spinnerei. Auch heute, nach einer umfangreichen Sanierung der Fabrikhallen, sind die Platten noch immer zu bewundern. Sie dienten den Architekten von RWPA zudem als Referenz für neue Details, die im Zuge der Umgestaltung entstanden.

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