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«Man fühlt sich nicht mehr wie die kleinen Schweizer»

Der Head of Performance Sport von Swiss Golf spricht über die Entwicklung des Golfsports in der Schweiz.

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INTERVIEW JÉRÔME REYNARD

Marc Chatelain, wie sehen Sie die aktuelle Lage bei den Profis?

Ich habe das Gefühl, dass wir weder am Anfang noch am Ende der Entwicklung stehen. Mehrere Frauen haben sich auf der LPGA und der LET etabliert. Die Arbeit der letzten Jahre zahlt sich also aus. Bei den Männern gibt es etwas mehr Luft nach oben: Wir wollen und können mehr Spieler an die Spitze bringen.

Wie erklären Sie es sich, dass der Schweizer Golfsport derzeit in so guter Form ist?

Wir haben bessere Strukturen geschaffen, vor allem ganz oben. Unsere Arbeit mit dem Swiss Golf Team und dem Nationalkader hat einen roten Faden. Wir wenden bei allen Teams die gleichen Kriterien, Leistungsindikatoren und Erkenntnisse an. Kommt also eine Spielerin oder ein Spieler ins Swiss Golf Team, ist nicht alles neu. Vieles wird schon bekannt sein, oder man hat zumindest schon davon gehört.

Es scheint, als werde individueller auf die Spielerinnen und Spieler eingegangen. Das ist korrekt. Unser Coaching Staff wird immer kompetenter und erfahrener. Wir können auf nationale und internationale Experten zählen. Aber das Wichtigste ist unsere Geschlossenheit: Alle ziehen am gleichen Strick und in die gleiche Richtung – unser Performance Director Stuart Morgan, sein Assistant Roberto Francioni, die National Coaches Nora Angehrn, Richard Adby, Jeremy Carlsen und Alexandre Chopard sowie die Regional Coaches Morgan Brossa, Frédéric Dauchez, Beat Grossmann, Andrea Mantoan, Gianluca Patuzzo und Patrick Wibaux.

Im Swiss Golf Team und in gewissen Trainingslagern treffen Profis sowie Amateurinnen und Amateure aufeinander.

Genau. Unser System fördert den Austausch. So können die Jüngeren von den Erfahreneren profitieren.

Welche Rolle spielen die aktuellen Aushängeschilder des Schweizer Golfsports?

Sie sind der lebende Beweis dafür, dass auch Schweizerinnen und Schweizer Erfolg haben können. Und mit ihren unterschiedlichen Werdegängen zeigen sie, dass viele Wege zum Erfolg führen: das amerikanische Universitätssystem oder, wie im Fall von Jeremy Freiburghaus, die Swiss Golf Strukturen.

Spüren Sie im Vergleich zu der Zeit, in der Sie gespielt haben, einen Unterschied in der Mentalität?

Ja, absolut. Der Abstand zwischen den besten inund ausländischen Spielerinnen und Spielern ist geschrumpft. Dank unserer Arbeit der letzten zehn bis fünfzehn Jahre sind wir auch im Amateurbereich besser aufgestellt. Dadurch hat sich unter dem Strich die Denkweise geändert. Auch wenn wir noch nicht ganz mit den grössten Golfnationen mithalten können, fühlen wir uns doch nicht mehr wie die kleinen Schweizer.

Wie werden wir noch besser?

Wir müssen noch individueller auf unsere Athletinnen und Athleten eingehen. Wir müssen ihre Bedürfnisse besser erkennen, ihnen Lösungen aufzeigen und Fachleute vermitteln, die ihnen helfen können, so wie wir es kürzlich mit dem Zürcher Amateur Nicola Gerhardsen getan haben. •

Anfang März gelang Nicola Gerhardsen ein Exploit: Er gewann die Spanish International Amateur Championship. Der 21-jährige Zürcher Amateur belohnte sich damit für seine harte Arbeit im Winter. Gleichzeitig ist er ein Sinnbild für die Effizienz der Swiss Golf Methode. «Vor zwei Jahren schlugen wir Nicolas erstmals vor, in das physische Training und in bestimmte Elemente des Driver Swing zu investieren, um so seine fehlende Power beim Abschlag zu kompensieren», erklärt Marc Chatelain. «Es hat eine Weile gedauert, ihn zu überzeugen, aber der ganze Coaching Staff hat ihm immer wieder das Gleiche gesagt. Im November letzten Jahres hat es bei ihm dann plötzlich Klick gemacht; er hat die nötigen Schritte unternommen und die Fachleute aufgesucht, die wir ihm vorgeschlagen hatten. Das Ergebnis: Er hat seine Schwachstelle ausgemerzt und seine Strategie beim Abschlag geändert. Nun kann er seine grosse Stärke, das Spiel mit den Eisen, noch besser ausnutzen.»

Genau das ist der Sinn der spezifischen, individuellen Massnahmen für die Spielerinnen und Spieler der Nationalkader. Marc Chatelain fährt fort: «Erzwingen können wir nichts, das ist sowieso nicht zielführend. Die jeweilige Massnahme muss nicht nur für den Coaching Staff Sinn machen, auch die Athletin oder der Athlet muss von ihrem Nutzen für die eigene Entwicklung überzeugt sein. Wenn die Athleten nicht wirklich voll dahinterstehen können, bleibt auch der Erfolg aus.»

Nicola Gerhardsen ist der Beweis dafür! JR

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