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Deshalb geht es dem Schweizer Profigolf so gut

Noch nie zuvor hatte die Schweiz gleichzeitig so viele Spielerinnen und Spieler auf den grossen Touren. Die Protagonistinnen und Protagonisten sagen, wie es dazu kam und wie es weitergeht.

JÉRÔME REYNARD

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Natürlich ist André Bossert bis heute der einzige Schweizer Sieger der European Tour bei den Männern (1995). Und gute Spieler und talentierte Spielerinnen, die sich auf bedeutenden Touren etabliert haben, gab es in der Schweiz selbstverständlich auch schon vor 2023. Aber mit sechs Frauen und einem Mann, die gleichzeitig auf Top-Niveau spielen, geht es dem Schweizer Profigolf so gut wie noch nie zuvor in der Geschichte.

«Die Fortschritte sind eindeutig, und die Schweizer Fahne ist heute international viel präsenter», stellt die 25-jährige LPGA-Tour-Spielerin Albane Valenzuela aus Genf fest. «Wie kam es zu dieser Entwicklung? Die guten Ergebnisse bei den Amateurinnen und Amateuren mit Podestplätzen an der Europameisterschaft und der Silbermedaille an der Team-WM der Frauen im Jahr 2016 haben einen regelrechten Hype ausgelöst.»

Vorbildfunktion

Die Entwicklung des Schweizer Golfsports auf Spitzenniveau ist in erster Linie eine Generationenfrage und hat viel mit dem Nachahmeffekt zu tun. Es beginnt in den nationalen Junioren- und Amateurkadern. «Als ich ins Schweizer National Team kam, war das ein entscheidender Moment, ein Wendepunkt», bestätigt die Walliserin Tiffany Arafi (23), frisch gebackene Profispielerin auf der Ladies European Tour (LET). «Wir waren eine starke Generation und die Konkurrenz war gross. Wir haben einander gegenseitig gepusht.»

Ganz vorne mit dabei: Albane Valenzuela und die Waadtländerin Morgane Métraux (26), die ihre LPGATour-Karte erhielten und so zu Vorbildern für die Amateurinnen, aber auch für ihre männlichen Kollegen wurden. «Sie haben den Weg geebnet und gezeigt, dass auch Schweizerinnen und Schweizer auf internationalem Top-Niveau mithalten können», sagt der Bündner Jeremy Freiburghaus (26), der Ende letzten Jahres auf die prestigeträchtige DP World Tour aufgestiegen ist und nun ebenfalls zu den Vorbildern zählt. Die beiden Westschweizerinnen sowie die ältere der beiden Métraux-Schwestern, Kim (27), die seit mehreren Saisons auf der LET spielt, haben aber auch durch ihren Werdegang inspiriert. Wie Tiffany Arafi und Vanessa Knecht (25) aus Zürich, die ebenfalls neu auf der LET dabei ist, durchliefen sie das amerikanische College-System, wo mit 24 Personen mehr Schweizerinnen und Schweizer studieren und golfen als je zuvor.

DIE ROLLE VON SWISS GOLF

«Der Erfolg von Albane und Morgane hat auch Swiss Golf geholfen, sich weiterzuentwickeln», hält Tiffany Arafi fest. «Die Betreuung wird jedes Jahr besser, sei es in Bezug auf die Förderung, die Präsenz oder die Trainingslager. Und das Swiss Golf Team, von dem man weiterhin Unterstützung erhält, wenn man Profi wird, ist grossartig. Denn der Schritt zum Profi kann stressig sein, wenn man auf sich allein gestellt ist. In dieser Situation hilft es sehr, zu wissen, dass man auf den Verband zählen kann.»

«Meiner Meinung nach ist das Nationalkader sehr ausgewogen», ergänzt Jeremy Freiburghaus. Im Gegensatz zu den vorgenannten jungen Frauen hat er bei seiner Laufbahn voll und ganz auf Swiss Golf gesetzt, ohne College Golf. «Die heutige Struktur funktioniert gut. Die Kommunikation mit dem Coaching Staff ist hervorragend, und jede Spielerin, jeder Spieler wird individuell betreut, je nach den spezifischen Bedürfnissen. Das ist ideal.»

Albane Valenzuela geht in ihren Äusserungen noch weiter. «Swiss Golf spielt bei der Entwicklung des Schweizer Golfsports eine tragende Rolle. Ganz ehrlich: Nicht viele Verbände investieren so viel in die Junioren-, Regional- und Amateurstufe. Ich persönlich habe dadurch Zugang zu vielen grossen, internationalen Turnieren erhalten, an denen ich nicht unbedingt hätte teilnehmen können, wenn ich für ein anderes Land gespielt hätte. 2015 durfte ich am Orange Bowl spielen und ihn gewinnen – dank Swiss Golf. Dieser Sieg war ein Meilenstein in meiner Karriere. Um Fortschritte zu machen, gibt es nichts Besseres, als sich mit den Top-Juniorinnen und -Amateuren zu messen. Letztendlich war College Golf zwar eine wichtige Etappe für mich, aber dass ich heute dort stehe, wo ich bin, habe ich hauptsächlich Swiss Golf zu verdanken.»

Erfolgshunger

In einem Interview, das im Herbst 2022 in unserem Magazin erschienen ist, erklärte Jeremy Freiburghaus: «Ich möchte Majors spielen, Turniere und Majors gewinnen.» Morgane Métraux, die im vergangenen Juni als erste Schweizerin seit Evelyn Orley im Jahr 1990 auf der Ladies European Tour gewann, strebt nun wie Albane Valenzuela einen Erfolg auf der LPGA an. Ihr grosses Ziel? «Die Weltnummer 1 zu

Schweizerinnen und Schweizer auf einer Haupttour

Name Kanton Tour

Morgane Métraux VD LPGA

Albane Valenzuela GE LPGA

Tiffany Arafi VS LET

Elena Colombo TI LET

Vanessa Knecht ZH LET

Kim Métraux VD LET

Jeremy Freiburghaus GR DP World Tour werden. Ich weiss sehr wohl, dass ich noch einen weiten Weg vor mir habe, aber um ein solches Ziel erreichen zu können, muss man gross träumen und sich alle Möglichkeiten offenhalten.»

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Auch Kim Métraux und Vanessa Knecht sprechen offen von Siegen, wenn es um ihre Ziele geht. Die Schweizerinnen und Schweizer sind also ehrgeizig und stehen dazu. Sie sind kämpferisch und haben keine Angst. Hat sich die Mentalität verändert? «Man hat oft gehört, dass wir einfach nicht das Niveau haben», antwortet Jeremy Freiburghaus. «Das ist natürlich in den Köpfen hängengeblieben. Aber mit den guten Leistungen ändert sich diese Einstellung.»

«Kann sein, dass sich die allgemeine Mentalität geändert hat», sagt Morgane Métraux. «Ich persönlich hatte nie wirklich ein Vorbild, dem ich folgen konnte und das die gleichen Ziele anstrebte wie ich. Ich glaube, es ist eher eine Frage des Charakters als eine

Frage der allgemeinen Einstellung oder der Kultur. Um erfolgreich zu sein, muss man bereit sein, die notwendigen Opfer zu bringen.»

Eines ist sicher: Die Schweizerinnen und Schweizer setzen sich keine Grenzen. «Ich fand toll, was Novak Djokovic sagte, als er im Januar bei den Australian Open seinen 22. Grand-Slam-Titel gewann», sagt Albane Valenzuela. «Er meinte, nur weil man aus einem Land komme, das keine eigene Geschichte in einer Sportart hat, so heisse das nicht, dass man sie nicht schreiben könne. Das hat mich an den Golfsport in der Schweiz erinnert. Man kann Grossartiges erreichen, auch wenn man keine Golfnation wie die USA oder Spanien ist.» •

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