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Einarmig erfolgreich

Nach seiner Geburt glaubten die Ärzte, er werde weder sprechen noch laufen können. 21 Jahre später ist Miro Waldvogel der beste Botschafter für Golf. Der Zürcher spielt erfolgreich einarmig und verfolgt dabei grosse Ziele.

*Der Autor und Miro Waldvogel sind nicht verwandt. Er freut sich über weitere Follower auf Instagram: @miro_waldvogel

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Sein Zwillingsbruder starb während der Schwangerschaft. Miro Waldvogel kam im September 2000 neun Wochen vor dem geplanten Termin zur Welt. Auf dem MRI zeigte sich ein sogenannter «perinataler Hirninfarkt». «Die linke Seite meines Hirns war betroffen, was dazu führte, dass meine rechte Seite beeinträchtigt ist. Ein Glas kann ich mit der rechten Hand beispielsweise nicht halten», erzählt der 21-Jährige mit Handicap 17. Beim gemeinsamen Termin mit dem Tages-Anzeiger im Golfclub Kyburg zeigt er sich wie ein Medien-Profi. Er schwärmt von grossen internationalen Turnieren und erklärt, wieso die schwierige Sportart Golf «genau das Richtige ist für Leute mit einer Beeinträchtigung».

Golf Ist Genau Richtig F R Mich

«Auf dem Platz fühle ich mich frei. Ich bin dank des Handicap-Systems genau gleich wie alle anderen und kann mich mit allen messen», erklärt der Zürcher den grossen Unterschied zu anderen Sportarten. Trotz der Cerebralparese begeisterte er sich schon sehr früh für Sport. «Unter anderem spielte ich Basketball, Fussball, Unihockey, Tennis und Tischtennis, versuchte mich auf dem Boogie Board oder dem Surfbrett. Etwa als Zwölfjähriger habe ich gemerkt, dass ich beim Fussball aufgrund meiner körperlichen Grenzen nicht mehr mithalten kann, und habe deshalb damit aufgehört.»

Ein paar Jahre später hatte er in Spanien erstmals Gelegenheit, die Golfschläger zu schwingen. «Sofort hat es mich gepackt, und ich bin immer noch total fasziniert von Golf, weil es hier nicht um Kraft geht, sondern nur darum, den Ball sauber zu treffen», illustriert er seine sportliche Leidenschaft. «Zuerst habe ich mich noch etwas gegen Golf gewehrt, mittlerweile entwickelt sich ein lockerer Zweikampf um das bessere Handicap», sagt sein Vater, der als selbstständiger Filmproduzent arbeitet.

Enormer Wille

«Seine Entwicklung ist wirklich erstaunlich», blickt er zurück. «Miro hatte eine langsamere kognitive und psychomotorische Entwicklung als andere Kinder, aber mit seiner grossen Willenskraft erreicht er alle seine Ziele: das erste Wort, den ersten Schritt, das erste Springen.» Als Siebenjähriger kann er nach einem langen Aufenthalt in Costa Rica unter anderem Fahrradfahren, Laufen, Schwimmen, Surfen und Skateboarden. Er spricht Deutsch, Schweizerdeutsch, Spanisch und Englisch. «Mit der neuen Partnerin meines Vaters spreche ich nun etwas Italienisch, dafür kann ich kaum noch Spanisch», erzählt der grossgewachsene Sohn mit italienisch-amerikanischem Vater und afrikanisch-schweizerischer Mutter, von der er den Nachnamen erhielt.

Zusammen mit seinem Vater David Luisi spielte Miro Waldvogel bei der Hickory World Open 2017 in Schottland sein erstes internationales Turnier, vergangenen August gewann er die «21. Italian Open for disabled Golfer». «Das war ein Riesenerlebnis. Dies vor allem, weil man Menschen mit ganz unterschiedlichen Beeinträchtigungen aus der ganzen Welt trifft. Da habe ich gesehen, es gibt viel mehr Golferinnen und Golfer als gedacht. Die Tschechen etwa reisten in einem eigenen Mannschaftsbus nach Turin», erzählt er von seinem bisher grössten sportlichen Erfolg. «Unter Handicap 18,5 werden die internationalen Turniere im Strokeplay-Format gespielt, das macht es für mich natürlich deutlich anspruchsvoller», blickt Waldvogel auf die neue Saison, wo er möglichst viele internationale Turniere für Golfer mit körperlichen Beeinträchtigungen spielen möchte.

Schweiz Weit Zur Ck

«In der Schweiz liegen wir hier weit zurück. Ich bin sicher, es gäbe noch weitere Interessenten für solche Events», sagt der 21-Jährige, der seit kurzem von der Vereinigung PluSport unterstützt wird. Sie vergütet ihm die Hälfte der Trainer- und Reisekosten. «Das hilft schon sehr. Dank meinem Teilzeitjob bei Golfimport in Dübendorf bekomme ich mein Material mit Rabatt. Von den Bällen auf der Driving Range bis hin zu den Hotelkosten bleibt aber noch viel übrig, das ich und mein Vater bezahlen», sagt er auf eine entsprechende Frage.

Unter anderem dank Verträgen mit TaylorMade spielt der Ire Brendan Lawlor (22) trotz körperlicher Beeinträchtigung seit September 2019 als Profi. Mit einer Einladung bestritt Lawlor ein Jahr später die ISPS Handa UK Championship der European Tour; er ist der Bekannteste von knapp zwanzig Golfprofis, welche im offiziellen «World Ranking for Golfers with Disability» aufgeführt werden.

«Davon bin ich noch ganz, ganz weit weg», sagt die aktuelle Nummer 75 in der Kategorie Stableford. Zuerst erfolgt der «Aufstieg» in die klassische Bruttowertung. «Dort bestreiten die besten acht Ende Jahr das Final in Dubai, parallel zur Entscheidung auf der DP World Tour», erzählt der Golffan, der grosse Träume hat. Dieses Jahr möchte er möglichst oft internationale Turniere der «EDGA Tour» (European Disabled Golf Association) bestreiten. «Es gibt enorm viele Möglichkeiten, mein Spiel zu verbessern. Wie bei den meisten Golfern sehe ich mein grösstes Potenzial bei allen Schlägen unter 100 Metern», sagt Waldvogel auf eine entsprechende Frage.

«BIRDIES 4 MIRO»

Wegen epileptischen Anfällen darf der 21-Jährige vorläufig nicht selber Autofahren. «Einmal bin ich vor einer Golfrunde zusammengeklappt, danach spielte ich aber ganz normal», erzählt er völlig entspannt auf dem Weg zum Putting Green. Aktuell helfen Medikamente und die

Chauffeurdienste seines flexiblen Vaters. Dieser kümmert sich neben seinem Job als Filmproduzent (zuletzt «Prinzessin», «Flitzer») auch noch um den zweieinhalbjährigen Nachzügler der Familie. Gemeinsam wohnen sie auf der Forch. «Natürlich wäre Zumikon zum Trainieren ideal für mich, dort könnte ich allein mit dem Velo hin. Aber das geht leider nicht», erzählt er im Gespräch auf der Driving Range in «seinem» Club Kyburg. Dort spielte der FC-Zürich-Fan vergangenen Herbst unter anderem mit Marius Hofstetter. Der Präsident des Stadtzürcher Golfclubs Chreis 4 war beeindruckt, fragte wie alle nach und versuchte es später ebenfalls einhändig. Am Weihnachtessen des Clubs startete das Förderprojekt «Birdies 4 Miro». Egal, an welchem Turnier, für jedes gespielte Birdie bei einem Chreis4-Event erhält Miro 44 Franken für die geplanten Reisen. Beim traditionellen Eröffnungsturnier in Zürich stand er erstmals als «Botschafter» im Mittelpunkt. «Miro ist immer aufgestellt, einfach ein guter Typ, und dankbar für jede Form der Unterstützung», sagt Hofstetter über das erste «Ehrenmitglied» im speziellen Golfclub. Neben Geld hilft auch der für diese Saison geplante neue «Fahrdienst» einiger Mitglieder zu internationalen Events.

TRAUM: PARALYMPICS IN AMERIKA Miro hofft, sich «in absehbarer Zeit» selbst ans Steuer setzen zu können. «Das würde vieles erleichtern auf dem langen Weg zu meinem grossen Ziel.» 2028 finden die Olympischen Spiele in Los Angeles statt. Dort sollen zum ersten Mal auch die «disabled Golfer» aus aller Welt bei den Paralympics um Medaillen spielen. «Die Schweiz an den Spielen in Amerika zu vertreten ist mein langfristiger Traum. Schön wäre es natürlich, wenn ich dies gemeinsam mit anderen Golferinnen und Golfern angehen könnte.» •

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