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VorsCHau

VorsCHau

Es ist der erste Sieg eines Kanadiers in Bad Ragaz und der klarste Triumph seit 2007: Rick Gibson landete einen klassischen StartZiel-Erfolg. Nicht zufrieden war dagegen André Bossert. Bei seiner Heimpremiere tat er sich mit den Grüns zu schwer.

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Stefan Waldvogel

Mit vier Schlägen Vorsprung ging er ins Finale und am Ende baute er nach sehr ruhigem und konstantem Spiel die Differenz zur Konkurrenz sogar noch aus. Für den 52-jährigen Kanadier Rick Gibson war es der zweite Auftritt in der Schweiz und der erste Sieg auf der Seniorentour. «Klar freue ich mich sehr, ich spürte hier den Geist meiner Mutter, die vor gut drei Monaten gestorben ist», sagte der sympathische Profi mit Tränen in den Augen.

Der Mann aus Calgary war in Bad Ragaz eine Klasse für sich. Er sprach zwar nach jeder Runde davon, wie nervös er sei, doch baute er seinen Vorsprung mit seinem sehr ruhigen Spiel kontinuierlich aus. Zuletzt liess er den zweitplatzierten Iren Denis O’Sullivan um sechs Schläge hinter sich. Mit seiner grandiosen Leistung verewigte sich Gibson in den Rekordlisten des Turniers. In den 18 Austragungen seit 1997 war es bislang nur dem dreifachen Sieger Carl Mason aus England gelungen, die Konkurrenz um sechs Schläge abzuhängen; das war 2007. Ebenfalls in jenem Jahr spielte Mason den heute noch gültigen Turnierrekord von 194 Schlägen. Diesen Wert (16 unter Par) verpasste Gibson nur um einen Schlag.

SCHW e R e S K RISTALL

Eine lange Spanne in seiner 30-jährigen Profikarriere hatte Gibson auf der Japan-Tour und auf der Asian-Tour verbracht. Dort glückten ihm insgesamt vier Turniersiege. Gibson reiste ohne seine Familie nach Bad Ragaz, sie wohnt üblicherweise in Manila und kommt erst im August nach Europa. Trotzdem konnte er im Kreise von Freunden feiern: Sein langjähriger «Room Mate» auf der Asian-, Japan- und European Senior Tour, der US-Amerikaner Mike Cunning, war in Bad Ragaz ebenfalls am Start – Cunning und dessen Sohn Kyle unterstützten Rick «Ricardo» Gibson auf den letzten Löchern und sorgten nach dem Siegesputt für Heimatgefühle. «Die Berge hier in Bad Ragaz erinnern mich an die Rocky Mountains, an meine Geburtsstadt Calgary», erklärte ein glücklicher Sieger. Die Greens seien ganz schön tricky gewesen, der Platz inmitten der Bergwelt aber einfach fantastisch. Sein «grösstes Problem» sei das Hochstemmen des 12,6 Kilogramm schweren Kristalls für die Fotografen gewesen. Zum Glück sei es ein Wanderpreis, sonst wüsste er nicht, wie man diesen ins Flugzeug bringen solle, lachte der 173 Zentimeter grosse und eher schmächtige Jungsenior. boSSe RT HADe RT MIT

De M Pu TTI nG

Keine Chance auf das Kristall hatte der Schweizer André Bossert. Er habe einfach zu schlecht geputtet, am Finaltag seien es beispielsweise 36 Putts gewesen, also mindestens sechs zu viel, kommentierte der Zürcher. «Der Platz war in einem so hervorragenden Zustand. Ich kann nicht begreifen, wieso mein Putten so schlecht war», sagte Bossert nach der Finalrunde. Möglicherweise hänge es damit zusammen, dass er zusammen mit seinem Coach die Putting-Technik etwas verändert habe. «Auch wenn es nicht gerade auf Anhieb klappte – ich wollte diesen Fehler ausmerzen und bleibe auch bei den nächsten Turnieren dabei», sagte der Zürcher. Mit Runden von 73, 67 und 72 blieb er deutlich unter seinen persönlichen Erwartungen und musste sich am Ende mit dem 32. Rang zufriedengeben.

«Bossy» traf mit seinen Abschlägen nahezu alle Fairways und am Wochenende mit den

Rick Gibson mit dem Siegerpokal, zweiter wurde der Ire Denis O’Sullivan (links), dritter der Schotte Ross Drummond.

Annäherungsschlägen 31 von 36 Greens. Das wiederum bedeutete, dass er sich viele Möglichkeiten für Birdies erarbeitete. Die Chancenauswertung jedoch missriet dem 50-Jährigen bei seinem ersten Start am traditionsreichen, mit 280 000 Euro dotierten Bad Ragazer Turnier fast durchwegs. «Klar habe ich hier mehr erwartet und bin von meiner Vorstellung auf den Grüns enttäuscht», fasste «Bossy» zusammen. Schliesslich war der 32. Rang die bisher schlechteste Klassierung auf der Seniorentour. Er war bei seinem ersten Start auf der Ü50-Tour 13. in Taiwan geworden und erspielte sich vor kurzem im englischen Colchester den zehnten Platz. «Wir haben hier ja nur zehn Events, da wollte ich speziell bei meiner Premiere in Bad Ragaz auch wieder vorne mitspielen.»

Wenig glücklich verlief das Turnier auch für eine lebende Legende: Sir Bob Charles war vier Jahre nach seinem offiziellen Karriereende nochmals nach Bad Ragaz gekommen, direkt aus dem neuseeländischen Winter in die sommerliche Schweiz. Nach dem eher schleppenden Start musste er die vorgezogene Finalrunde im zweiten Flight bereits um 7.10 Uhr morgens absolvieren. Mit einem Gesamtscore von 232 Schlägen kam der «Leftie» nicht über den 70. Platz hinaus. Allerdings blieb ihm ein kleiner Trost: Der 78-Jährige konnte am Samstag mit einer 73er-Runde sein Alter um fünf Schläge unterspielen.

«Diese Erfahrung ist unbezahlbar», sagte Guido Anesini (links). Der Mann von Maria WalliserAnesini war zum zweiten Mal als Caddie beim Seniors

Open dabei. Nachdem er 2013 für Costantino

Rocca die Tasche getragen hatte, war er dieses Jahr der ständige Begleiter von Sieger Rick Gibson (unten). Er werde seinem Caddie sicher etwas vom Siegercheck abgeben, sagte der Kanadier kurz nach seinem ersten Erfolg bei den Senioren. Wie viel es sein werde, könne er aber noch nicht sagen. Anesini erfreute sich am grossartigen Erlebnis mit dem äusserst ruhigen und angenehmen Profi. Als «Sachpreis» erhielt er noch vor der Siegerehrung die Flagge des 18. Lochs. Bevor Gibson seine Unterschrift auf die Fahne setzen konnte, musste Anesini aber warten, bis alle Wünsche der zahlreichen Fotografen und des TV-Senders Sky erfüllt waren.

«Wir haben kaum zehn Sätze auf der Runde gesprochen», erzählte der strahlende Caddie nach dem Turnier, aber es sei eindrücklich gewesen, wie ruhig und konzentriert der Kanadier die ganze Zeit gespielt habe. Anesini sei selber Mitglied in Bad Ragaz und sein Einsatz als Caddie solle vor allem dem Club helfen, erläuterte er seine Beweggründe.

Neben den vielen Helfern des gastgebenden Clubs waren bei den total 72 Profis teilweise auch «alte Hasen» an den Taschen. Der auffallendste war Mark young (unten): Der Engländer begleitet schon seit zehn Jahren den Profi George Ryall und tut dies immer im Hemd und mit einer stilvollen Krawatte. «Klar ist es heiss, aber das gehört für mich einfach dazu», erklärte er. Dabei ist er eigentlich vor allem der Physiotherapeut von Ryall und «hasst Golf», wie er lachend anfügte. Ganz anders Paul burkhard (unten): Der Gründer von MidAmateure.ch ist ein «Golfverrückter». Am Donnerstag organisierte er eines «seiner» Turniere im Schloss Goldenberg und von Freitag bis Sonntag war er Caddie von Santiago Luna. Der Spanier war voller Lob für Burkhard: «Fantástico» sei Burkhard gewesen und er hoffe sehr, dass er nächstes Jahr wieder auf seine Dienste zählen könne. Für Burkhard war es eine super Erfahrung – auch als sehr guter Amateur könne man sehr viel von den Cracks abschauen: «Sie schwingen so locker, einfach eindrücklich war es für mich.» Luna hatte zwar keinen Ball verloren, doch kaufte er sich im Proshop noch zwei Schachteln Pro V1. Allerdings nicht für sich, sondern als Dank an den Caddie. Trotzdem wunderte sich ein verschwitzter Burkhard, wieso das Bag von Luna «wohl noch zusätzliche Stahlplatten eingebaut hat».

Zumindest während dem Turnier konnte er es gemütlich nehmen und selber mal den Routiniers zuschauen: Head-Greenkeeper Marcel Siegfried (unten) beobachtete am Samstag den letzten Flight auf diversen Grüns. Durch den Wind am Freitag waren sie pfeilschnell geworden und die Tourverantwortlichen wünschten sich etwas weichere Greens. So wässerten die Leute von Sonderegger einige Greens. Mit 11,4 auf dem Stimpmeter waren die ondulierten Flächen immer noch anspruchsvoll genug.

So brauchten die meisten Profis deutlich mehr Putts, als ihnen lieb war. Das bedeutete auch Mehrarbeit für die vielen Marshals, die mit ihren Tafeln für Ruhe während dem Spiel sorgten. Er müsse wohl am Montag zum Rheumatologen, sagte beispielsweise Schimun Murk (unten). Statt einem Tennisarm habe er nun einen «Quiet please»-Arm, scherzte der ehemalige Kurdirektor von Lenzerheide, der jedes Jahr am Grossevent mithilft und stets für gute Laune sorgt. Wenn jemand im falschen Moment hustet, verteilt er beispielsweise statt einer Mahnung ein Hustenbonbon.

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