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Westeuropas schlusslicht

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Johnny StorJohann

Johnny StorJohann

Zahlen lügen nicht. Und bisweilen sind sie ernüchternd. Die Schweiz ist das Schlusslicht in Westeuropas Profi-Golfsport der Männer. Klammert man Klein- und Kleinststaaten wie Andorra, Liechtenstein, Luxemburg oder Malta aus, so war in der Tat in den letzten sechs Jahren keine Nation in Westeuropa derart erfolglos wie die Schweiz.

Blenden wir kurz zurück. 2003 schlug sich Neoprofi Julien Clément (oben) als Rookie auf der PGA European Tour bravourös. Er belegte nach zahlreichen ausgezeichneten Klassierungen den 106. Rang in der Jahres-Preisgeldrangliste (Order of Merit) und sicherte sich damit auf direktem Weg die Tourkarte für 2004. Der Genfer gab für die nähere und fernere Zukunft hochgesteckte Ziele an wie Turniersiege, Teilnahmen an Major-Turnieren, die Qualifikation für Europas Ryder Cup-Team und den Wechsel auf die lukrativere PGA Tour der USA. Aus all dem wurde nichts. Clément erlebte eine frustrierende Saison und stieg Ende 2004 als 173. der Jahreswertung ab.

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eiNzelNe highlightS

Seither – das sind nun sechs Jahre – verfügte kein Schweizer mehr über das reguläre Spielrecht auf der grossen Europa-Tour. Während der langen Durststrecke sind auch andere Highlights selten geblieben. Immerhin: André Bossert qualifizierte sich für das unvergessliche British Open 2005 in St. Andrews (an dem Tiger Woods siegte und Jack Nicklaus sich verabschiedete); ebenfalls Bossert gewann im Juli 2008 in der Ramsau in Österreich ein Turnier der Challenge Tour; die Parforceleistung schlechthin lieferte Julien Clément im September 2008 mit dem famosen 3. Rang am die goldeNeN NeuNziger

Omega European Masters in Crans-Montana ab – mit der besten Schweizer Platzierung in der Geschichte des traditionsreichen Turniers. Bossert und Clément setzten ein paar bunte Flecken in eine meist graue Landschaft. Starke Dauerleistungen über eine oder mehrere Saisons blieben jedoch aus.

Mithin darf man sich wehmütig an die Neunziger Jahre erinnern. An die Zeit, als André Bossert und Paolo Quirici sich dauerhaft auf dem obersten europäischen Circuit festsetzten; als Bossert (1995 in Cannes) mit dem ersten und einzigen Turniersieg eines Schweizers auf der

Tour antreten zu können, teils mit Wildcards. Was bedeutet die insgesamt triste Bilanz der Schweizer Profis in den letzten sechs Jahren im westeuropäischen Vergleich? Im Folgenden betrachten wir, wie andere Nationen in dieser Zeitspanne (2004 bis 2010) auf der PGA European Tour abgeschnitten haben. In dieser Tour d’Horizon ausgeklammert sind nebst den Kleinststaaten auch jene (Über-)Nationen, die keinen sinnvollen Vergleich zulassen: Schweden und Spanien sowie die angelsächsischen Länder, in denen der Golfsport ein tief verwurzeltes Kulturgut ist (England, Schottland, Wales, Nordirland, Irland).

PGA European Tour einen Meilenstein setzte; als Quirici (1998) als Nummer 54 in der Order of Merit ebenfalls einen Schweizer Rekord aufstellte und sich für das damalige Volvo Masters, das Saisonfinale in Jerez, qualifizierte.

Jetzt, in der anstehenden Saison 2011, werden die besten Schweizer Profis mehr denn je kleine Brötchen backen müssen. Abermals sind sie sogar auf der Challenge Tour, der zweiten Stufe, nur in dünner Besetzung vertreten. Lediglich Julien Clément ist – als Gesamt-41. des letzten Jahres – in einer Spielerkategorie (8), die es ihm erlaubt, das volle Programm der Challenge Tour 2011 zu absolvieren. Raphaël De Sousa gehört mit eingeschränktem Spielrecht der Kategorie 12 an; er hofft, heuer rund 15 Mal auf der Challenge fraNkreich: breite phalaNx Thomas Levet brachte es 2004 als erster (und bis heute einziger) Franzose ins europäische Ryder Cup-Team. Im Spitzenjahr 2007 behaupteten sich neun Franzosen unter den besten 115 der Europa-Tour, die sich jeweils automatisch die Tourkarte für das Folgejahr sichern. Acht von ihnen haben eines oder mehrere Turniere gewonnen, darunter auch Jean-François Lucquin. Lucquin, 2008 Überraschungssieger in CransMontana, hat die Tourkarte nach zwei schwachen Saisons eingebüsst. Dafür haben gleich vier den Aufstieg aus der Challenge Tour oder über die Qualifying School geschafft: Romain Wattel, Victor Dubuisson, Alexandre Kaleka und François Delamontagne. Auf der Alps Tour, der dritten Stufe, suchen Dutzende von jungen Profis den Weg nach oben. Das Reservoir ist riesig, die Phalanx breit.

Die meisten der hier untersuchten Nationen sind der Schweiz mehr oder weniger weit entrückt – auch unser sportlicher Erzrivale Österreich. Es zeigt sich allerdings, dass die meisten Länder mit Ausnahme Frankreichs auf das Talent und das Können einiger weniger Spieler angewiesen sind, um sich auf der Landkarte des Golfsports zu behaupten.

deutSchlaNd: kaymer Sei daNk

In Deutschland gibt es rund zehnmal mehr Golfer und rund zehnmal mehr Plätze als in der Schweiz. Insofern ist die Bilanz unserer nördlichen Nachbarn eher trist. Ihr Erfolg gründet auf sehr wenigen Namen. Der zweimalige US MastersSieger Bernhard Langer ist mittlerweile 53 und spielt seit 2007 auf der amerikanischen SeniorenTour. Alex Cejka behauptet sich als deutscher Einzelkämpfer auf der US PGA Tour. Sven Strüver, der Crans-Montana-Sieger von 1998, hat auf der Europa-Tour seit Jahren nur noch ein eingeschränktes Spielrecht; seit letztem Frühling lässt er sich zum Golflehrer ausbilden. Von 2004 bis 2006 behauptete sich Marcel Siem als einziger Deutscher in Europa. Seit 2007 jedoch hat Siem einen Begleiter, der Jahr für Jahr prominenter wird und ihn längst überflügelt hat: Martin Kaymer. Der 25-Jährige ist Langers legitimer Nachfolger und mittlerweile ein Superstar von Weltformat. Dank Kaymer kann Deutschland sein Manko in der Breite überspielen. Frankreich würde wohl seine besten acht Golfer gegen einen Kaymer eintauschen. Auf diese Saison hin schaffte vom deutschen Nachwuchs nur Florian Fritsch den Aufstieg.

italieN: NeueS Super-trio

Nach der Ära von Costantino Rocca versank Italiens Profigolf für etliche Jahre im biederen Mittelmass. 2004 behauptete sich einzig der Longhitter Emanuele Canonica unter den besten 115. Ein Jahr später tauchte erstmals der Name Francesco Molinari auf. Canonica stieg Ende 2008 ab, sodass Francesco Molinari wieder allein auf weiter Flur war. 2010 wandte sich alles schlagartig zum Guten. Francesco Molinaris älterer Bruder Edoardo, der 2005 als erster Kontinentaleuropäer die US-Amateurmeisterschaft gewonnen hatte, war aus der Challenge Tour aufgestiegen und hatte auf Anhieb riesigen Erfolg. Er siegte zweimal in Schottland. Das brachte ihm eine Wildcard von Captain Colin Montgomerie für den Ryder Cup ein. Francesco und Edoardo waren das erste Brüderpaar in der Geschichte des prestigereichen Kontinentalwettkampfs. Damit aber nicht genug des italienischen Glücks. Matteo Manassero, der 17-jährige designierte Superstar, benötigte nach seinem Wechsel zu den Profis im Mai 2010 nur rund vier Monate, um sich einen festen Platz auf der Tour zu sichern. Ende Oktober liess sich Manassero in Valencia als jüngster europäischer Turniersieger der Geschichte feiern. Molinari, Molinari, Manassero (Foto unten) – diesem Super-Trio ist in den nächsten Jahren viel, sehr viel zuzutrauen.

Derweil warten wir hierzulande weiter auf das Schweizer «Golf-Wunder».

die gesamt golf Suisse-bilanz mit weiteren l ändervergleichen finden Sie unter: www.golfsuisse.ch

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