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Olympia – eine riesige Chance für den Golfsport!
Ich finde es wirklich erstaunlich, dass Golf eine 112-jährige «olympische Pause» einlegen musste – vor allem, wenn man sich bezüglich weltweiter Verbreitung andere neu aufgenommene olympische Disziplinen ansieht. Doch über das «warum» will ich nicht lange spekulieren. Vielmehr mache ich mir Gedanken, was der Entscheid, Golf ab 2016 wieder ins olympische Programm aufzunehmen, für die Schweiz bedeutet. Dazu muss ich ein bisschen ausholen: Logischerweise ist die Euphorie bei Athletinnen und Athleten sowie deren Umfeld gross, wenn eine Sportart olympisch wird. Denn ins olympische Programm aufgenommen zu werden, ist so etwas wie die Adelung oder eine offizielle Anerkennung. Dazu kommt natürlich die sportliche Herausforderung. Olympiagold als neues Ziel zu definieren, kann die Perspektive verändern, kann eine ungeahnte Motivation wecken oder kann erst bewirken, dass man die Karriere und das ganze Leben voll und ganz auf den Tag X ausrichtet, selbst wenn dieser vielleicht erst in fünf Jahren ist. Ein Olympiasieg ist in vielen Ländern gleichbedeutend mit grossem Ruhm und Ehre, manchmal sogar mit millionenschweren Sponsoringverträgen und einem finanziell sorglosen Leben. Ein Olympiasieg prägt einen Sportler auf jeden Fall für den Rest seines Lebens. Sportlerinnen und Sportler sollen Träume haben, sollen Ziele verfolgen. Olympische Spiele sind eine einzigartige, faszinierende Welt. Die Erwartungen sollen hoch sein. Aber Achtung. Entwicklung und Stellenwert einer Sportart sind in jedem Land anders. In der jüngeren Vergangenheit brillierte die Schweiz mit zahlreichen Olympiamedaillen in Sportarten, die neu ins Programm aufgenommen wurden. Ich denke an Snowboard- oder Skicross, aber auch an Beachvolleyball. Doch die Schweiz konnte in diesen Sportarten im internationalen Vergleich jeweils schon vor der Olympiapremiere an vorderster
Front mithalten oder gehörte sogar zu den «Pionierländern». Das ist im Golfsport nicht der Fall. Obwohl die Golfszene auch in der Schweiz in den vergangenen Jahren enorm gewachsen ist, ist die Leistungsdichte noch entwicklungsfähig. Einen Quotenplatz für Rio de Janeiro herauszuspielen, ist das eine, die Selektionskriterien von Swiss Olympic zu erfüllen, ist das andere. Das ist in jeder Sportart so. Damit 2016 tatsächlich ein Schweizerin oder ein Schweizer am Start stehen wird, sind alle gefragt. Aushängeschilder wie Caroline Rominger und Julien Clément können hierzulande viel bewirken, indem sie beispielsweise die junge Golf-Generation an das hohe Leistungsniveau heranführen und ihnen zeigen, wie man hundertprozentig für den Spitzensport lebt.
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Doch was für die Sportler gilt, gilt auch für den Verband. Olympia ist eine riesige Chance für den Golfsport. Und die ASG kann diese Chance nutzen. Der Verband muss ein optimales, vom Nachwuchs bis hin zum Spitzensport übergreifendes Förderkonzept erarbeiten und umsetzen. Ein klares Bekenntnis zum Spitzensport ist dabei die Grundlage. Ich glaube an die neue Crew um Christian Bohn. Und an der bestmöglichen Unterstützung von Swiss Olympic soll es nicht fehlen.
5 minuten mit: timo Karvinen
absolute Hingabe!
Seit dem 1. Januar 2011 ist Timo Karvinen neuer Nationalcoach (Men and Boys) und löst damit Graham Kaye ab, der nach 16 Jahren in Diensten der Association Suisse de Golf (ASG) ausscheidet. Der Finne, 1990 bester Amateurspieler seines Landes und einstiger Coach der finnischen Nationalmannschaft, will die Schweizer Golfer näher an die Weltspitze heranführen breiten Publikum zu öffnen. In unserem engen, gebirgigen Land gibt es gar nicht genügend Spielgelegenheiten, um Golf zu einer Massensportart zu machen.
Zwei Monate sind Sie jetzt Schweizer Nationalcoach. Wie sieht Ihre erste Bestandsaufnahme aus?
Das Schweizer Fördersystem ist gut strukturiert. Dabei dürfen wir jedoch nicht vergessen, dass den jungen Spielern Vorbilder fehlen. Vorbilder, wie Roger Federer im Tennis, die bei der Jugend einen wahren Boom auslösen würden. Wo wollen Sie in drei Jahren sein?
Wenn wir über Kurzeitziele reden, denke ich, sollten wir unsere Talente dauerhaft in den Top 8 Europas platzieren. Auf lange Sicht wollen wir Spieler formen, die auf der Tour spielen. Ist das ein realistisches Ziel?
Es ist durchaus realistisch, dass Schweizer noch in diesem Jahrzehnt auf der PGA Tour siegen. Wie soll das gehen?
Normalerweise braucht es 10 Jahre, um ein Top Level als Amateur zu erreichen und weitere zehn Jahre, um als Profi auf der PGA Tour Titel zu gewinnen. Dies erfordert jedoch extreme Ausdauer und Demut. Wir können ihnen dabei helfen, sich realistische Karriereziele zu setzen und sie auf eine spätere Profikarriere vorbereiten. Doch unsere Top-Amateure müssen lernen, ihre Leistungsgrenzen realistischer einzuschätzen, bevor sie Profi werden. Es gibt weltweit so viele hungrige junge Talente, die sich für denselben Weg entscheiden, da muss man bereit sein sich durchzubeissen. Koste es was es wolle. Welche Auswirkungen wird Olympia auf ihre Arbeit haben?

Teil der olympischen Familie zu sein, ist eine Ehre. Es dürfte uns viele Türen öffnen, speziell im Bereich der Sportwissenschaft. Zukünftig können wir gezielt auf Spezialisten im physischen, mentalen, Ernährungs- und biomechanischen Bereich zurückgreifen. Es ist ein Schritt hin zu mehr Professionalität im Trainingsbereich.
Gibt es versteckte Risiken?
Mögliche Stolpersteine finden sich immer dort, wo verschiedene Trainer zusammenarbeiten und Ideen aufeinandertreffen, die vielleicht nicht zu 100 Prozent deckungsgleich sind. Alle unsere Anstrengungen sollten sich jedoch auf die Bedürfnisse unserer Spieler konzentrieren, damit sie zu Top-Athleten werden. Und hierfür haben wir das richtige System, auch wenn es noch die eine oder andere Herausforderung gibt.
Ist Erfolg heutzutage allein eine Frage des Geldes?
Bestimmt nicht, denn ohne Talent lassen sich keine Olympiasieger formen. Andererseits ist es ohne Geld fast nicht mehr möglich, Erfolg zu haben. Gerade in unserer hoch entwickelten Zivilisation, wo der Sport im Gegensatz zu ärmeren Ländern in Afrika, Südamerika oder Asien nicht unbedingt ein Mittel zum sozialen Aufstieg ist. Die Leidensbereitschaft für den Erfolg ist in unserer Gesellschaft bedeutend tiefer als in anderen Ländern. Man weiss aber, dass finanziell teure Sportarten wie der Skisport, Eishockey oder auch Golf mehr Mühe haben, Nachwuchs zu generieren. Das ist eines der Erfolgsrezepte des Fussballs: Um Fussball zu spielen, brauchen sie einen Ball und ein paar freie Meter Fläche. Basta. Nicht einmal Schuhe sind zwingend nötig.
In ihrem Buch geht es auch um die Sonderstellung der Schweiz im internationalen Sportgeschäft. Nennen Sie Eckpunkte und welchen Einfluss dies auch auf die nationale Golfszene/ Förderung hat.
Die Schweiz ist zu klein, um im internationalen Vergleich konkurrenzfähig zu sein. Wir leben von einigen Ausnahmekönnern wie Roger Federer, oder aber wir gewinnen unsere Medaillen in Sportarten, die relativ neu oder nicht weitverbreitet waren. Wir waren in den sogenannten jungen Sportarten wie Triathlon, Snowboarden oder Mountainbiken schnell erfolgreich, weil wir eben die finanziellen Möglichkeiten besitzen, um diese Sportarten zu betreiben. Sobald diese Sportarten sich aber etablieren und damit auch finanziell lukrativer werden, verlieren wir an Boden. Das ist nicht mehr als logisch: Die Schweiz hat knapp 8 Millionen Einwohner, Deutschland rund 80 Millionen, in China sind es 1,3 Milliarden. Dass aus einer solchen Masse ein Ausnahmetalent hochsteigt, ist eine Frage der Wahrscheinlichkeit. Um noch einmal auf den Namen zurückzukommen: Roger Federer ist eine absolute Ausnahmeerscheinung. Weder Sie noch ich werden erleben, dass es einen ähnlichen Weltstar mit Schweizer Herkunft gibt.
Es gibt immer wieder Rufe, die Association Suisse de Golf müsse nun ihre SpitzensportStrukturen modernisieren, nur dann könne die Schweiz Medaillen bei der Olympiade holen. Und reale Medaillenchancen seien Voraussetzung für eine Unterstützung seitens Swiss Olympic. Mit ihrem Knowhow, was ist ihre Sicht der Dinge? Geht es hier wirklich nur noch um den Sport an sich?
Ich kenne das Förderprogramm des Golfverbandes zu wenig, um diese Frage beantworten zu können. Tatsache ist: Swiss Olympic hat seine Unterstützungsstrategie geändert. Unter dem neuen Präsidenten Jörg Schild werden vermehrt publikumswirksame Sportarten mit Medaillenpotenzial wie der Skisport gefördert. Das ist ein Kurs, den man einschlagen kann. Trotzdem war ich erstaunt, mit welcher Gelassenheit beispielsweise die Leichtathleten oder der Schwimmverband den neuen Kurs abgesegnet haben. Denn gemessen an den neuen Richtlinien, werden diese Sportarten künftig massiv weniger finanzielle Unterstützung von Swiss Olympic erhalten. Ich weiss nicht, ob das die entsprechenden Funktionäre noch nicht realisiert haben oder es einfach so hinnehmen. Der Golfverband jedenfalls darf nicht darauf hoffen, dank dem neuen olympischen Status massiv mehr Unterstützung von Swiss Olympic zu erhalten.
Daniel Germann ist Sportjournalist bei der Neuen Zürcher Zeitung und erhielt 2003 den Zürcher Journalistenpreis für seine Enthüllungen im Zusammenhang mit einer Provisionsaffäre im Schweizer Eishockeyverband. Er ist Autor von «Milliardenbusiness Sport. Wer Kassiert – Wer verliert» (Orell Füssli Verlag, Zürich 2010, ISBN 978-3-280-05367-6).




