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Ziehe blank, Django!

Was so tönt wie der Titel eines Spaghetti-Western, das ist die Zusammenfassung des US Masters, das zwar, von hier aus gesehen, auch im Westen stattgefunden hat, mit «wild» allerdings nicht das geringste zu tun gehabt hat. Sieger wurde bekanntlich Phil Mickelson, den man in keinem einzigen Western hätte auftreten lassen können (ausser vielleicht als Reverend...).

Der grossgewachsene, nach wie vor nicht völlig austrainierte Mickelson liess sich während der Schlussrunde nicht beeindrucken von der Tatsache, dass sich hinter ihm die versammelte Weltspitze abmühte, ihm die Führung auf der Schlussrunde noch zu entreissen. Tiger Woods, Vijay Singh, Fred Couples, Retief Goosen, José Maria Olazabal, Miguel Angel Jimenez, Chad Campbell, Mike Weir, das waren zunächst die ersten Verfolger; alles robuste Typen, die sich in der Rolle des Siegers wohl fühlen. Ernie Els hatte schon vorher etwas Boden eingebüsst, und Sergio Garcia (mein Geheimfavorit...) lag nach einer 80-er Runde auf dem letzten Zwischenrang. Und ganz zuvorderst eben Phil Mickelson, der immerfort freundlich lächelte und in seinem Spielpartner, Fred Couples, auch nicht gerade den filmreifen Bösewicht zur Seite hatte – die beiden strahlten sich denn auch schulterklopfend immerzu gegenseitig an. Kollegen aus dem Ryder Cup...

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Diese komplexen Umstände, wie gesagt, machten dem Spieler, der die längste Zeit der sichere Kandidat auf den zweiten Rang an einem Major gewesen war, nicht den geringsten Eindruck. 2004 hatte er am Masters seine Serie von erfolglosen Versuchen, endlich in die Liga der MajorSieger aufzusteigen, beendet und hatte die Schwelle zum heiligen Gral überschritten. Mittlerweile ist er nicht mehr zu bremsen; sein ebenfalls stark kritisierter Markenwechsel (von Titleist zu Callaway) hat sich mehr als gelohnt, denn Hölzer und Eisen vom weltgrössten Hersteller scheinen genau diejenigen Waffen zu sein, welche aus dem Softie einen Killer gemacht haben.

Das ist ziemlich wörtlich zu verstehen: Mickelson hat neuerdings zwei Driver im Bag, mit welchen er auf alles schiesst, was sich am Horizont bewegt... nein, das ist weder ein Aprilscherz noch sonst ein Witz. Der eine der beiden Driver ist eine Draw-Version des FT-3, mit einem Schaft von 46 Inch Länge; der andere ist eine 45 Inch lange

Fade-Version, ebenfalls der FT-3 Fusion von Callaway. Mit diesen beiden Bombern (plus ein paar Eisen und ein paar Wedges) putzte er eine Woche vor dem Masters an der Bell South Classic bereits das ganze Feld weg (28 unter Par, 13 Schläge Vorsprung). Je nach Situation packt er den einen oder den anderen Driver; am Masters war Länge vom Tee vorentscheidend, sofern man den Fairway traf. Der Augusta National Golf Club hat nach einer erneuten Verlängerungsaktion jetzt 7445 Yards zu bieten, mehr als die meisten anderen Turnierplätze der Tour. Dazu ist dieser Platz extrem hügelig, was man im Fernsehen kaum richtig sehen kann.

«Mister Mick» traf die Fairways – reihenweise. Und er war dazu der längste des ganzen Feldes vom Tee, mit einem Schnitt von deutlich über 299 Yard. In seiner Schlussrunde machte er keinen einzigen Fehler – sein einziges Bogey schrieb er an Loch 18, als sein Sieg längst feststand. Effektiv hatte er drei Löcher vor Schluss vier Schläge Vorsprung, was seine Zielgerade zu einem richtigen Schaulaufen verkommen liess. Der Südafrikaner Tim Clark sicherte sich den alleinigen zweiten Platz dank einem eingelochten Bunkerschlag am letzten Loch, mit welchem er die ViererBande (also all die Stars mit 4 unter Par) hinter sich liess. Der Sieger traf unterdessen auch den letzten Fairway, aber wegen etwas nachlassender Konzentration das Green nicht mehr. Anschliessend schlüpfte er in sein zweites Green Jacket (zusammen mit der PGA Championship 2005 sein drittes Major) und tauchte unter in der Menge. Wetten, dass er mit seinen zwei Drivern am US Open von Winged Foot (New York State, 15. – 18. Juni) wieder voll um den Sieg mitfeuern wird? Aufgepasst, Tiger, vor dem Mann mit den beiden Colts – äh, Drivern!

■ Urs Bretscher

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