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Florida als Übungsgelände

Seit einem Jahr ist Jann Schmid Apprentice Pro, also Lehrling in Schinznach Bad; sein Chef ist Swiss PGA-Präsident Volker Krajewski, Headpro im gleichen Golfclub. Doch der 24 Jahre alte Davoser begnügt sich nicht damit, das Metier des Golflehrers zu erlernen. Letzte Saison errang er einige bemerkenswerte Turniererfolge – er gewann die ASG-Meisterschaften der Suisse Romande und zum Saisonschluss in Limpachtal auch die Matchplay Championship der Swiss PGA, wo er als Aussenseiter die dicksten Brocken vorgesetzt bekam. Doch damit nicht genug; Jann will mehr. Im Winter spielte er in Florida auf einer Mini Tour, um Erfahrungen bei den Playing Pros zu machen.

Damit hatten die Tenöre nicht gerechnet. Der Lehrling überfuhr zuerst André Bossert und im Final auch Raphael de Sousa. Dazu musste er beide Male deutlich unter Par spielen. Es waren die ersten Matchplay-Meisterschaften, welche die Swiss PGA jemals ausgetragen hatten – erster Matchplay-Meister der Pro in der Schweiz konnte nur einer werden. Er heisst Jann Schmid. Das war natürlich eine faustdicke Überraschung, welche der noch immer wie ein Junior wirkende, schlanke Bursche mit dem geraden, langen Haar mit seinem coolen Lächeln quittierte; seinem Markenzeichen. Aus der Ruhe ist er sowieso nicht leicht zu bringen, und wenn er einen emotionalen Ausbruch hat, dann kommen die «Fachausdrücke» noch immer in der gedehnten Sprechweise des Bündners daher.

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Auf der anderen Seite geht es gar nicht gemütlich zu, wenn er mit dem Driver auf einen Abschlag tritt. Dann wird es nämlich hochexplosiv: so schlaksig er ist, so schnellkräftig ist er. Wie ein Sprinter oder ein Hochspringer. Sein Clubhead-Speed mit dem Driver übersteigt 130 mph (Meilen pro Stunde), und das ist ein Wert, den auch auf der PGA-Tour nicht jeder bringt. Tee-Shots von über 300 Yards sind bei ihm nicht selten; mit Rückenwind hat er bei einer Runde mit dem GolfSuisse-Redaktor im Januar in Florida auch einen 370-Yarder rausgelassen –und dort rollen die Fairways nicht gerade besonders gut.

Pro ist nicht gleich Pro

Das erste Lehrjahr, so die Idee der Swiss PGA, sollen die Lehrlinge dazu nutzen, ihr eigenes Spiel auf das notwendige Niveau zu bringen. Unterrichten dürfen sie noch nicht; die Kurse der PGA allerdings besuchen sie, und im Club, in welchem sie die Lehre machen, lernen sie alle Aspekte des Clubmanagements kennen. Von Reception bis Range-Bälle einsammeln.

In einem Falle wie Jann Schmid kann das erste Lehrjahr erlassen werden, weil er als Mitglied des Nationalkaders längst über ein genügend gutes Spielni- veau verfügt hatte. Er hat als achtjähriger Knabe die ersten Schwünge gemacht, angespornt von seinem golfspielenden Vater. Als Amateur ist er zu zahlreichen internationalen Einsätzen gekommen und hat 2004 die Tessiner Meisterschaften gewonnen, bevor er auf die Saison 2005 hin eine Pro-Lizenz beantragt hat und zur Lehrstelle in Schinznach Bad gekommen ist. Wie sehr er dort auch Sympathie und Unterstützung geniesst, zeigt sich immer wieder. So kommt der Club neben seinem Stiftenlohn auch für eine bescheidene Unterkunft auf, und sein Mittagessen im Clubhausrestaurant übernimmt er auch. Oder dies: als gegen Sonntag Mittag anlässlich der Matchplay Championship klar war, dass Jann den Halbfinal gewonnen hatte, trommelten seine Fans gleich ein paar Freunde zusammen und boten sie nach Limpachtal auf. So waren am Nachmittag gegen 30 Clubmitglieder anwesend, die das Finale verfolgten!

Am eindrücklichsten aber zeigte sich der Support für den Jungpro, als es um das Programm für den Winter 05/06 ging. Volker Krajewski machte ihm schmackhaft, in Florida an der Grey Goose Tour mitzumachen. Das sind acht Turniere, die im Wochenrhythmus alle in der Region von West Palm Beach stattfinden; jeder Teilnehmer zahlt als Startgeld 10000 Dollar ein, und die gesamte Summe ist dann der Preisgeld-Pool. Man spielt also quasi um sein eigenes Geld. Grosse Reisespesen entstehen nicht – sofern man in Florida ist. Jann wohnte im Gästezimmer bei Krajewskis, welche den Winter in Florida verbringen, und hat es wiederum der Unterstützung durch die Schinznacher Clubmitglieder zu verdanken, dass er das Startgeld hat einzahlen können, um hier mitzumachen und Erfahrungen zu sammeln.

So ein Abenteuer hat natürlich nichts mit der Ausbildung zum Golflehrer zu tun. Der Fall ist klar: da will einer auf die Tour. «Ich will mich weiter verbessern, will mein Spiel so weiterentwickeln, dass ich im nächsten Herbst parat bin für einen Versuch an der Q-School!»

Kann er das schaffen? Hat er das Potenzial dazu? Allein mit langen Abschlägen ist es nicht getan – doch das ist schon viel wert. Wer bei den Pros reüssieren will, muss ein komplettes Spiel haben, kaum Fehler machen und die Nerven haben, im entscheidenden Moment die Putts einzulochen.

Ob Jann das schafft, wird sich zeigen; er hat «im zivilen Leben» eine Handelsmatura, was eine gute Basis für eine weitere Ausbildung ist. Neben der Erwerbssituation muss auch das Privatleben eine Belastung à la Playing Pro ertragen können. Ständig auf der Reise zu sein, das ist nicht jedermanns Sache; und es hat schon manchem späteren Turniersieger geholfen, dass am Anfang seiner Karriere seine Frau als Caddie den Bag getragen hat.

Pro ist nicht gleich Pro: kaum einer hat es bisher geschafft, sich als Golflehrer auch im internationalen Turnierbetrieb durchzusetzen. Aber wenn einer erst 24 Jahre alt ist, dann steht ihm die Welt offen. Und es ist das Privileg der Jugend, vorwärts zu stürmen … das Abwägen und Überlegen kommt dann später von selber. Leider.

■ Urs Bretscher

Old Course St. Andrews und Royal Liverpool

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