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Tee1 und Green18 Das Übel zwischen

Unsere Bundesräte bringen es auf eine halbe Million Hits, Tiger Woods und die Vogelgrippe auf etwa dreissig, Slow Play hingegen auf über 80 Millionen Hits bei Google, Tendenz steigend. Soviel zum Stellenwert des heutigen Themas. Beiträge zum langsamen Spiel haben stets einen Hauch von Schulmeisterei – dieser hier macht keine Ausnahme, ganz im Gegenteil.

Beginnen wir mit einer allgemein bekannten Szene, eigentlich eine Pantomine, als Solo oder auch zu dritt, dargeboten meistens von Leuten, die schon vor dreissig Jahren das immer langsamer werdende Spiel beklagt haben. Neben dem Green stehend, das Gesicht in Richtung Abschlag gewandt, den Putter noch unter den Arm geklemmt, lässt der Akteur mit eleganten Gesten beider Arme die Abenteuer des soeben gespielten Lochs Revue passieren, ruhig und konzentriert, jeden einzelnen Schlag beim Addieren noch einmal auskostend, gefolgt vom gegenseitigen Gedankenaustausch, nicht selten begleitet von verbalem Stirnrunzeln – «ich glaube eher, Du hattest eine 7». Schlusspunkt der Szene ist das Niederschreiben des so ausgehandelten Scores auf der Karte. Auf dem Fairway wird von der nächsten Gruppe bereits wild gestikuliert (und innerlich geflucht).

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Wir kennen sie alle, diese urkomische Nummer...

Aber auch die Clubverantwortlichen sind in der Pflicht, zumal jene, die am Wochenende vier relativ unerfahrene, aber noch lernfähige Spieler gemeinsam auf die Runde schicken; womöglich sogar Greenfee-Gäste, die den Platz nicht kennen und deren Regelkenntnis darin besteht, dass man ein unverzichtbares Recht darauf hat, nach jedem Ball fünf Minuten zu suchen. Zwei und zwei, eingeteilt zusammen mit Leuten, die den Platz kennen, und alle wären glücklich und zufrieden.

Es gab sie schon immer, die Plätze, die man nur einmal spielt und dann nie mehr – früher meist in Ferienorten der südlichen Nachbarländer gelegen, wo man vor lauter Gewinnmaximierung aus den Augen verloren hat, dass «langfristig» auch zur Leitschnur gehört hätte. Heute sind sie verwaist und die Kasse ist leer; keiner geht mehr hin, weil jedem Besucher das extreme langsame Spielen die Freude genommen hat. Ein Ranger oder ein paar andere Massnahmen hätten das schlimmste verhindern können. Golfspieler sind nicht nachtragend, sie vergessen nur nicht, wenn es ihnen nicht gefallen hat.

Vergesslichkeiten

Wir kennen ihn alle. Beim Green angekommen, parkiert er seinen Trolley mustergültig auf dem Weg zum nächsten Abschlag und marschiert strammen Schritts, den Sandwedge in der Hand, quer über das Green zu seinem Ball im Bunker – ohne den Putter. Nach dem Bunkerschlag zurück zum Trolley, Schläger gewechselt, und wieder aufs Green. Dabei hätte er ja gleich alle benötigten Clubs miteinander mitnehmen können. Allerdings hätte dann das Risiko bestanden, dass er einige davon nach dem Einlochen liegen gelassen hätte. Auch wieder eine endlose Story! Was das alles denn mit den Regeln zu tun hat, fragen Sie. Nichts. Gar nichts. Es geht um etwas viel wichtigeres: es geht um die Etikette – den eigentlichen Kerngehalt des Spiels.

Quervergleich zum beliebtesten helvetischen Kartenspiel, dem Jassen. «Du bist dran!» – «Wer, ich ?» – «Ja, mach schon» – «Wer hat was gespielt ?» – «Das As ist von mir, er hat geschmiert» – «Und was ist Trumpf?». Da denkt man manchmal wehmütig zurück an die gute alte Zeit auf dem Golfplatz. Obschon: unkonzentrierte Langweiler gab's auch dort.

Oder er, an der Ampel, der erst dann das Nägelkauen unterbricht, um den Motor zu starten, wenn seine Hintermänner hupen. Auch er spielt Golf, auch er meist allein. Auch er ein Langweiler.

Szene zwei: Siegerehrung

«Liebe Golffreunde, meine sehr geehrten Damen und Herren. Bevor wir zur Rangverkündigung kommen, erlauben Sie mir bitte einige Bemerkungen zum Spielfluss unseres heutigen Turniers. Nicht zum ersten Mal muss ich feststellen, dass es einige Spieler gibt, die für eine Golfrunde sage und schreibe vierdreiviertel Stunden benötigen, während andere beweisen, dass es auch in dreieinhalb Stunden geht, wie beispielsweise heute die ersten drei oder vier Gruppen...»

Es folgen dann gebetsmühlenhaft die unvermeidlichen Ratschläge, die auch diesen Aufsatz prägen. Eines aber vergisst der Captain geflissentlich zu erwähnen. 8-Minuten-Abstände für Dreiergruppen führen zu Verstopfung, zumal jeder weiss, dass schon nur das dritte Loch – oder vielleicht ist es auch das siebente – ein Par 3 von über 200 Metern Länge, gespickt mit Schikanen, noch gar nie unter neuneinhalb Minuten gespielt worden ist. Aber eben, es ist das Privileg der Chargenträger, als erste abzuschlagen.

Nächstes Beispiel: man fragt sich, was ausgewachsene Menschen, die im richtigen Leben Verantwortung tragen und Prioritäten zu setzen wissen, dazu bringt, auf dem Platz im Freundschaftsspiel einen Ball zehn Zentimeter vom Loch entfernt zu markieren. Einlochen muss man im Strokeplay; aber man darf einen kurzen Putt auch sofort spielen oder schenken. Wenn's um weniger geht als den Gewinn der Clubmeisterschaften, lässt sich das erst recht verantworten.

Drei Spieler schauen wartend dem vierten zu, alle am rechten Rand des Fairways, bis dessen Ball in der Ferne ausrollt, worauf sich die Gruppe in einer Prozession hinüber zum linken Rand begibt, wo der nächste an die Reihe kommt. Golf ist schliesslich ein Gesellschaftsspiel, bei welchem man die Mitspieler weder allein noch im Stiche lässt, und in Ruhe schon gar nicht. Oft ist es ein gemischter Flight, vier sind's fast immer.

Slow Play ist eine Plage. Langsame Spieler sind eine kleine Minderheit, meistens höfliche und anständige Leute. Es ist in der Regel auch nicht Rücksichtslosigkeit oder böser Wille, die sie zu Bremsklötzen werden lassen, sondern schlicht und einfach Mangel an golferischer Erfahrung oder Erziehung. Es ist an Ihnen, liebe Golfer beiderlei Geschlechts, Ihren Mitmenschen, die es noch nicht gelernt oder begriffen haben, auf die Sprünge zu helfen. Aber auf eine nette und freundliche Art bitte! Nicht so wie ich.

■ H.-J. Künzi

Als junger Schweizer an einem amerikanischen College

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