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Der Old Course –das Werk der Natur

Arbeiter hantieren an Stahlrohrtribünen, beladen Trucks – der einzige sichtbare Hinweis darauf, dass hier das wichtigste Golfturnier des Jahres stattgefunden hat. 50000 Zuschauer pro Tag streunten während des Open auf dem Old Course von St. Andrews herum. Sie waren alle, genauso wie Millionen an den TV-Bildschirmen, fasziniert vom simplen Design dieses Platzes. Design? Eigentlich falsch – die Natur zeichnete verantwortlich, nicht ein Architekt. Jacques Houriet, Redaktor von Golf Suisse, kennt diesen Golfplatz aus eigener Erfahrung.

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Selten berichten Journalisten von eigenen Erlebnissen – ihr Job ist es ja, zu beobachten und die Leser zu informieren. Sie sind Boten und nicht Akteure. Im Falle des Old Course und meiner Wenigkeit ist das allerdings für einmal etwas anders; denn wenn ich als «Journi» schon auf dem absoluten Heiligtum, dem Mekka unseres Sports, habe spielen können und jetzt die Open Championship hier ausgetragen wurden, so fühle ich mich auch persönlich ein wenig dabei.

Für gute Runden bekommt der Spieler ein Erinnerungsdiplom mit seinem Score.

Immerhin: St. Andrews, der Old Course. Magische Worte, und in der Tat ein einzigartiges Erlebnis. Wie Tiger Woods nach 2000 jetzt schon zum zweiten Mal mit einer unglaublichen Leichtigkeit hier siegte, mit welchem Geschick er den überall lauernden Fallen auswich, das musste verblüffen. Aber es war schliesslich ein Zufall, der zu diesem Artikel geführt hat. Zwei junge Golfspieler aus einem ebenso jungen Golfclub meinten, nachdem sie eine Runde des 134. Open am TV gesehen hatten, das sei ja gar kein richtiger Golfplatz, hier möchten sie lieber nicht spielen...

Kein Architekten, sondern das Meer und der Wind haben diesen Golfplatz gestaltet. Vor den Toren der pittoresken Universitätsstadt St. Andrews in der schottischen Provinz Fife dehnt sich das Linksland gegen die Nordsee. Man weiss, dass hier seit rund 400 Jahren mit Krummstock und Ball gespielt wurde, und dass 1865 ein gewisser Old Tom Morris hier als Greenkeeper eingestellt wurde. Ihm schreibt man gewisse kleinere Änderungen auf dem Golfplatz zu; mehr nicht.

Die Geschichte dieses Platzes, auf dem unser Sport recht eigentlich entstanden ist, hängt sehr eng zusammen mit dem «R&A», dem Royal and Ancient Golf Club of St. Andrews, der 1754 gegründet worden ist. Und noch immer gehört dieser Golfplatz der Stadt und wird als Public Course betrieben, wobei die Einwohner zu Recht die grossen Nutzniesser sind. Sie bezahlen den Preis von rund drei Greenfees für ein Jahresabonnement!

27 mal The Open

Der R&A ist bekanntlich die Weltbehörde im Golf, zusammen mit dem amerikanischen Verband. Als erstes Turnier überhaupt wurden 1860 die Open Championship gespielt, in Prestwick an der schottischen Westküste, wo das Wetter noch garstiger ist. 1873 war erstmals der Old Course Austragungsort, und seither 27 mal in Intervallen, die selten länger als sechs Jahre dauerten. Die Nachbarschaft mit dem Clubhaus des R&A hat da sicherlich auch eine Rolle gespielt. Aus der Siegerliste des Open in St. Andrews: J.H. Taylor (1895, 1900), Bobby Jones (1927), Sam Snead (1946), Peter Thomson (1955), Bobby Locke (1957), Jack Nicklaus (1970, 1978), Severiano Ballesteros (1984), Nick Faldo (1990), John Daly (1995) oder Tiger Woods (2000, 2005).

Keiner dieser Champions würde irgend einen anderen Erfolg gegen diesen Titel eintauschen. Denn so langweilig sich der Old Course dem uneingeweihten Auge präsentieren mag, so sehr ist erfolgreiches Spiel hier nicht bloss eine Sache solider Technik, sondern es ist ein erstrangiger Intelligenztest und eine Frage einer intakten mentalen Verfassung.

Wieso ich das weiss, ich, Jacques Houriet, Journalist, Handicap 0? Weil ich genau sechs mal hier eine Runde gespielt habe. Jede dieser Runden ist zu einem einmaligen, unvergesslichen Erlebnis geworden, wie wenn man jedesmal die Erinnerung löschen könnte, um wieder zu einem neuen ersten Mal zu starten und die Begeisterung wieder neu zu erleben.

Weil ich viel reise und einen Hang zum Methodischen habe, führe ich in einem Ordner Buch über alle Golfplätze, die ich auf den fünf Kontinenten gespielt habe. Es sind mittlerweile über 400, und sie werden mit einem bis fünf Sternen bewertet. Der Old Course hat sechs Sterne bekommen...

Mein erstes Mal

Ein guter Freund, Serge Galley, der heutige Präsident des GC Neuchâtel, organisierte für uns Golf-Fans 1996 diese «Pilgerreise» nach St. Andrews. Mein nostalgischer Blick zurück wird hoffentlich die oben zitierten Impressionen, welche zwei junge Neugolfer vom Old Course am Fernsehen gewonnen haben, umkrempeln! Wir waren acht passable Golfspieler und begierig, Schottland, St. Andrews und den Old Course endlich kennen zu lernen. Um hier zu einer Startzeit zu kommen, bieten sich verschiedene Möglichkeiten an. Zuerst einmal kann man sich zur täglichen Lotterie melden; jeden Tag nämlich werden in St. Andrews eine gewisse Anzahl freie Startzeiten verlost. Das Greenfee ko- stet dann immer noch weit über 100 Pfund; aber man ist auf dem Platz. Oder man kann natürlich auch versuchen, dem Glück etwas nachzuhelfen, sofern man einen Cousin des Neffen der Putzfrau desjenigen Funktionärs kennt, der die Lose zieht...

Und wissen Sie was? Serge kannte diese Person! Im Austausch gegen eine Handvoll Banknoten waren wir so also zu den notwendigen Tee-Times an einem sonnigen Herbsttag mit bloss mässigem Wind gekommen. Weil meine eigene Startzeit mitten im Nachmittag lag, nutzte ich die Zeit für eine Exkursion in die Proshops der Stadt und ins Golfmuseum. Immerhin kauft man nicht jeden Tag einen Pullover bei Auchterlonies, dem ältesten Golfshop der Welt, oder in der Boutique, die schon Old Tom Morris geführt hatte.

Je näher die Startzeit rückte, desto nervöser wurde ich. Damals gab es da auch noch keine Driving Range, so den ersten Abschlag etwas heikel machte. Mein Caddie hiess Bob, und ich werde ihn nie vergessen. Er war zahnlos, und in seinem kaum verständlichem, gutturalen Slang erklärte er mir, wieso er selber nicht mehr Golf spielte. Ein Ball hatte ihn im Genick getroffen! Seither widmete er sich seinem Job als Caddie und ausreichenden Mengen Stout.

Weiche Knie

Breiter könnte kein Fairway sein als derjenige, der sich vor dem Spieler auf dem ersten Abschlag ausbreitet; zusammen mit dem entgegenkommenden 18. Loch ist das ein richtiges Stadion – selbstverständlich mit OB auf beiden Seiten. Das erste Loch heisst «Burn», gleich wie der Bach, der es durchquert. Trotz der enormen Breite sieht der Neuling vor allem die Gefahren links und rechts – zum Glück toppe ich meinen Abschlag, für den ich sicherheitshalber ein Holz 3 spiele. So ist er im Spiel; meine Erleichterung könnte nicht grösser sein, als ich endlich losmarschieren kann. Das Adrenalin jedenfalls fliesst reichlich, und vielleicht hat das mitgeholfen, um aus dieser Golfrunde eine meiner persönlichen Sternstunden zu machen. Getragen von der geschichtsschweren Atmosphäre und von der Schönheit des Ortes, gelingt mir nahezu jeder Schlag; einer reiht sich ohne jede Schwierigkeit an den anderen, ich spiele Golf auf diesem wunderbaren Platz mit einer Meisterschaft, von der bereits am nächsten

Tag in Carnoustie nichts mehr zu sehen sein sollte. Am Schluss zeigt die Bilanz, dass ich mit Hilfe des zahnlosen Bob alle 18 Greens in Regulation getroffen habe. Das – muss ich ehrlicherweise zugeben – tönt etwas besser, als es ist, weil die meisten Greens Doppelgreens sind. Und in der Tat habe ich denn auch mehrere Putts von 40 Metern. Zweimal drei Putts und einmal gar vier – auf dem 7. Green – stehen so gegen drei Birdies (5., 9. und 18. Loch), was aber 73 Schläge und eine meiner allerbesten Golfrunden ergibt. Ich bin an diesem Abend extrem zufrieden mit mir selber, und wenn Sie jetzt denken, ich nähme das alles doch ein bisschen zu wichtig, dann muss ich Ihnen nicht recht geben. Alles schien leicht zu gehen – also ein einfacher Golfplatz? Meine Freunde indessen haben andere Geschichten erzählt! Wenn das mit dem langen Spiel nicht klappt, beisst man sich hier im Kurzspiel definitiv die Zähne aus. Nicht immer erlaubt es der Boden zu chippen, und Putts von 30 Meter ausserhalb des Greens sind keine einfache Sache. Abenteuer in den Pot-Bunkern, aus welchen man oft nach rückwärts hinaus spielen muss, oder im «Gorce», diesen stacheligen, dichten Ginsterbüschen, werden erbarmungslos bestraft. So ist ein gutes Score schnell dahin. Gegen den Wind sind die Approaches eher leicht, aber mit Rückenwind muss der Ball Dutzende von Metern vor dem Green aufsetzen und ausrollen, und das ist oftmals auch Glückssache.

Scheibe zu Bruch

Aber das war noch nicht alles. Marc hat vom 17. Abschlag aus die Mauer des Old Course Hotel getroffen, Franco hat dort eine Fensterscheibe zu

Bruch geschlagen, und Michel hat auf dem letzten Loch, entlang dessen Fairway eine öffentliche Strasse verläuft, ein Taxi getroffen. Tatsache!

Meine eigenen Abschläge dagegen waren präzis wie kaum jemals zuvor, was auf den harten Fairways relativ kurze zweite Schläge bedeutete. Auf dem berühmten Road Hole (Nr. 17) hatte ich ein Eisen 8 zum Green; der Ball rollte allerdings 20 Meter zu weit, was drei Putts bedeutete, um dieses Monster zu bezwingen. Dafür erntete ich nach dem letzten Green spontanen Applaus von einigen Zufalls-Passanten, nachdem ich einen Birdie-Putt eingelocht hatte. Meine Freude steigerte sich noch mehr, als Serge beim Apéro mit einem Diplom des Managers zurückkam, dass meine 73-Runde offiziell bestätigte. Die Erlebnisse der acht Freunde auf dem Old Course hätten also nicht unterschiedlicher sein können. Stundenlang wurde bei einer biederen Portion Fish & Chips erzählt, gejammert und geschwärmt. So oder so, ganz unabhängig unserer individuellen Scores, hat sich dieser Tag aber als unvergessliches Erlebnis in der Erinnerung eingraviert. Ich bin überzeugt, dass hier auch die allerbesten Cracks manchmal weiche Knie haben und ein Turnier hier, auf dem Old Course, immer wieder als persönlichen Höhepunkt empfinden. Die ganze Spannweite der Emotionen wird vom Fernsehen sicher nicht in alle Stuben gebracht! Auch die fünf späteren Runden, die ich hier seither gespielt habe, wurden zu gleichermassen markanten Erlebnissen. Allerdings lief da bezüglich Score nicht mehr alles so rund wie beim ersten Mal. Möchten Sie, dass ich Sie Ihnen ebenfalls erzähle?

■ Jacques Houriet

Youngsters dominierten dieses Jahr am Evian Masters der Ladies. Hätte Michel Wie nicht eine eher diskrete erste Runde hinnehmen müssen, wäre sie vielleicht zu ihrem ersten Sieg auf der Tour gekommen –sie ist immer noch Amateur! So fiel der Titel mit grossem Vorsprung an Paula Creamer, die sich offensichtlich sehr wohl fühlte auf dem «Royal» vis-à-vis von Lausanne; trotz des mürrischen Blicks ihres Caddies…

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