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US Masters in Augusta National Der Tiger ist gezähmt

Tiger Woods ist zurück! Das ist die Erkenntnis, die sich den Millionen von Golffans aufgedrängt hat, welche das erste Major des Jahres 2005, das US Masters, am TV verfolgt haben. Die Durststrecke scheint vorbei, der Angriff von Tiger auf die Rekorde von Jack Nicklaus kann weitergehen.

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Schon bald seit Jahren beschwört Woods nun seine Kritiker, er stecke nicht in einer Krise. Zwar hat jedermann gesehen, dass es alles andere als rund lief beim besten Golfer der Welt – so unrund, dass er schliesslich sogar diese Position verlor, nämlich an Vijay Singh. Dieser, ein phantastischer Golfer mit einem Pass von den Fidschi-Inseln, trainierte sich halb tot, um endlich die Nummer 1 zu sein. Das hat Singh im letzten Winter geschafft, als die Spatzen es aus den Bäumen entlang der Fairways pfiffen: Tiger Woods trifft nur noch daneben.

Doch da waren die Wegweiser schon längst neu gesteckt; nur, dass das noch nicht zu erkennen war. Im Schwung des besten Athleten unter allen Golfern der PGA Tour (Tiger Woods läuft die 100 Meter deutlich unter 11 Sekunden) hatten sich Abnützungserscheinungen eingeschlichen. Um es etwas vereinfacht auszudrücken, litt Woods unter dem gleichen Übel, das alle guten Golfer zwischendurch befällt; speziell, wenn sie grossgewachsen sind. Er hatte die Kontrolle über seine Schwungebene und seinen Club nicht mehr zu hundert Prozent, was ihn mit dem Körper zu aggressiv auslösen liess, so dass er es nicht mehr schaffte, den Ball square zu treffen. Nach rechts driftende Abschläge waren das Resultat. Immerhin hatte er in dieser Phase auch Runden abgeliefert, wo er keinen Fairway traf, trotzdem aber unter Par spielte! Und er schaffte nach wie vor jeden Cut –am Masters 2005 überstand er den 140. Cut in Serie. Was einsamer Weltrekord ist...

Gleichzeitig hatten auch die Gegner aufgerüstet, so dass die Golfwelt das Jahr 2005 mit der Aussicht in Angriff nahm, den Els, Singh, Mickelson und Goosen zuzuschauen, wie sie den Tiger weiterhin zur Weissglut treiben würden. Alles anders, ab Sonntag, 10. April 2005. Tiger is back. Aber in einer gezähmten Version. Letzten Herbst wechselte er seinen Pro, lässt sich seither von Hank Haney beraten, dem er offensichtlich mehr glaubt als dessen Vorgänger

Butch Harmon. Haney hat auch viel eher die Statur von Woods als der stämmige, eher gedrungene und nicht allzu grosse Harmon – das spielt vielleicht auch mit.

Jedenfalls hat Woods seinerseits die gesamte Gegnerschaft zur Schnecke gemacht; mit der einsamen Ausnahme des wackeren Chris DiMarco, der die Sensation nur extrem knapp verpasst hat. Als Einziger konnte er mithalten; und wenn er die Backnine seiner dritten Runde nicht in 41 Schlägen bewältigt hätte, wurden wir jetzt DiMarco als Überraschungssieger feiern.

Doch er hat Flatternerven, ist kein guter Front Runner. Erst, als er sich vier Schläge hinter Woods auf dem zweiten Zwischenrang wiederfand, nachdem er diesen kurz vorher noch fünf Schläge hinter sich gehabt hatte, war ihm wohler. Von hinten schloss er bis zum Schlussloch wieder auf, verlor dann aber planmässig im Playoff.

Das passt uns allen auch viel besser. DiMarco müsste zuerst noch vorgestellt werden, ist eigentlich ein eher langweiliger Durchschnittstyp, während Tiger Woods, na ja, eben Tiger Woods ist. Sein viertes grünes Jacket – mehr hat nur einer geschafft. Nicklaus. Sechs Mal. Woods ist jetzt mit Arnold Palmer zweiter in der Rekordliste – aber er hat noch ein paar Jahre Zeit. Er ist erst 29 Jahre alt. Und auf die Nicklaus'sche Rekordmarke von 18 Majors insgesamt hat er sich jetzt auch wieder eingeschossen: neun Siege, und Nicklaus hat sein letztes Masters mit 46 gewonnen.

Das ist alles trockene Statistik. Echt und zum Anfassen ist dagegen, dass es seit dem 10. April nur noch einen Anwärter auf den Grand Slam gibt. Das ist mit Sicherheit das Ziel des Chefs: alle vier Majors im gleichen Jahr. Das hat in der modernen Ära noch niemand geschafft, aber Tiger ist 2005 wieder im Rennen. Mal schauen, was herauskommt – das nächste Stelldichein der Weltklasse ist Mitte Juni das US Open. Dann gehören zum Grand Slam das British Open Mitte Juli, das dieses Jahr auf dem Old Course von St. Andrews stattfindet, wo Woods schon einmal gewonnen hat, und die PGA Championship der USA im August. Spannender könnte es gar nicht sein!

■ Urs Bretscher

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