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Schreibprozess

«Mein Inneres schreit sich nach aussen»

Schreibprozess Surprise-Verkäufer*innen schreiben seit diesem Jahr Kolumnen fürs Heft. Wir haben nachgefragt: Was macht das Schreiben mit ihnen?

«Den Zeichen auf dem Lebensweg folgen»

URS HABEGGER (64) VERKAUFT SURPRISE IN RAPPERSWIL.

«Und plötzlich geht das eine und das andere nicht mehr. Oder ich habe einfach keine Lust mehr. Oder es dauert länger. Mit dem Älterwerden. Soweit die schlechte Nachricht. Und die gute? Älterwerden ist spannend. Denn wenn man offenbleibt, kommt auch viel Neues dazu. Paulo Coelho hat im Buch ‹Der Alchimist› einen Gedanken thematisiert: den Zeichen auf dem Lebensweg folgen. Der Lebensweg aber endet erst mit dem Tod und nicht davor.

Ich wurde angefragt, ob ich Lust dazu hätte, eine Verkäuferkolumne im Surprise-Heft zu schreiben. Ich habe ohne zu zögern zugesagt. Ich erhebe den Anspruch, dass sich alle meine Texte ausschliesslich um den Strassenverkauf von Surprise drehen. Ich bekam so richtig Spass daran, habe viel zu viele Kolumnen geschrieben und darum kurzerhand ein eigenes Büchlein mit zwanzig von meinen Texten drucken lassen.»

«Die Dinge als Autist beschreiben»

MICHAEL HOFER (40) VERKAUFT SURPRISE IN ZÜRICH.

«Reden ist nicht immer so leicht für mich, Schreiben kann ich ziemlich gut. Es ist einfacher für mich, mich so mitzuteilen. Wenn ich allein einen Text verfassen kann, bin ich mehr bei mir. Ich bin es auch gewohnt, mich schriftlich auszudrücken, ich bin auf sozialen Medien sehr aktiv, wo ich meine Meinung formuliere.

Während dem Corona-Lockdown dachte ich, ich will ein Buch herausgeben. Ich habe sogar schon vorher daran geschrieben, bin aber bei den grossen Verlagen abgeblitzt. Ich wollte von den Dingen erzählen, die ich zu sagen habe. Ich bin Autist und wollte sie aus meiner Wahrnehmung heraus beschreiben. Nun habe ich für nichts an einem Buch gearbeitet, dafür schreibe ich jetzt Kolumnen.»

«Die Grenze zwischen verletzlich und heilsam»

HANS RHYNER (65) VERKAUFT SURPRISE IN ZUG UND SCHAFFHAUSEN.

«Ich will ehrlich sein. Ich will das schreiben, was mich bewegt. Aber die Frage ist, wie kommt das an? Ich gebe viel von mir preis. Das macht mich auch verletzlich. Geschrieben habe ich schon immer, ich tue das für mein Wohlbefinden. Aber ich mache es nur für mich selbst. Danach lese ich es durch und denke: Das darfst du nicht einem Publikum preisgeben. Richtig gut tun würde mir das Schreiben, wenn ich auch dann in die Tiefe gehen könnte, wenn den Text andere lesen. Aber das traue ich mich nicht. Manche Leute verurteilen einen viel zu schnell.

Ich versuche, die Grenze zwischen Verletzlichkeit und Heilsamkeit im Griff zu behalten. Ein Text hat eine grosse Wirkung. Viel Kraft und Macht. Für mich wie für andere.»

«Wie das Umstülpen einer Socke»

NICOLAS GABRIEL (55) VERKAUFT SURPRISE IN ZÜRICH.

Wie ist es für dich, Texte zu schreiben?

«Texte schreiben ist wie das Umstülpen einer Socke. Mein Inneres schreit sich nach aussen.»

Wie findest du den Schreibworkshop?

«Leitung und Teilnehmer*innen sind packend, alles andere Nebensache.»

Verändert es etwas für dich, dass im Surprise eigene Texte von dir erscheinen?

«Weil ich meine E-Mail-Adresse angab, hatte ich die Ehre, viele Antworten zu bekommen. Daraus entstanden: Manche Blumen und ein Baum.»

Wie fühlst du dich dabei?

«Nobelpreis-süchtig.»