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Moumouni

… denkt mal nach

Ich habe von einer kritischen Leserin eine Hausaufgabe bekommen. In einem Leser*innenbrief fragt sie mich sehr eindringlich, mit vier Fragezeichen, ob ich nicht ebenso viele gute wie schlechte Erfahrungen mit weissen Schweizer*innen** gemacht habe. Sie findet, dass ich praktisch allen weissen Schweizern und Schweizerinnen vorwerfe, dass sie Rassist*innen seien, und das sei wirklich zu kurz gedacht und ausserdem: rassistisch.

Da ich schon öfter gefragt wurde, ob ich mal darüber nachgedacht hätte, dass es auch weisse Menschen gibt, die keine Rassist*innen sind, dachte ich mir, jetzt, wo ich gerade kein anderes Thema für eine Kolumne finde, könnte ich endlich mal lang darüber nachdenken.

Ich muss zugeben, ich wollte mich erst verteidigen und der Leserin einfach antworten, dass ich nicht rassistisch sein kann, weil ich viele weisse Schweizer Freund*innen habe. Aber dann wäre ich in eine Falle getappt, in die viele Menschen vor mir schon getappt sind: Man ist nicht nicht-rassistisch, nur weil man mit Leuten befreundet ist, die eine andere Hautfarbe haben als man selbst.

Und tatsächlich: Als ich nachdachte und ganz weit zurückdachte, erinnerte ich mich an diesen einen weissen Schweizer Mann. Er war sogar alt. Ein alter weisser Mann, wenn man so will, aber das darf man heute ja gar nicht mehr sagen. Es muss vor ungefähr sieben Jahren gewesen sein, und er war wirklich sehr alt. Vielleicht lebt er heute gar nicht mehr, der Gute. Gott hab ihn selig!

Dann war da noch dieser andere Typ. Der war auch kein Rassist. Er sagte zu mir, als wir über Rassismus redeten: «Ich könnte wirklich mit jedem und jeder Bier trinken gehen und wir hätten es gut!» Er ist ein bisschen wütend geworden, als ich ihm sagte, dass ich kein Bier trinke, aber nicht rassistisch.

Und dann gab es da noch diesen Herrn, der mir schrieb, wenn es mir hier nicht gefalle, solle ich doch zurück ins Merkelland. Man könnte meinen, das sei rassistisch, war es aber keinesfalls: Wenn er rassistisch gewesen wäre, hätte er mich zurück nach Afrika schicken wollen. Dann hätte er wegen meiner Hautfarbe nicht geglaubt, dass ich aus Deutschland komme und hätte ausserdem Afrika als ein ganzes Land abgewertet.

Mir ist auch eingefallen, dass an den vielen Tagen, an denen Mohamed Wa Baile in rassistische Polizeikontrollen geriet, sehr viele weisse Schweizer*innen wohl gerade einkaufen waren. Das ist ganz und gar nicht rassistisch! Es sei denn, sie haben Güter gekauft, die die rassistische Weltordnung bestärken. Wenn sie aber Schweizer Äpfel und Schweizer Randen zur richtigen Saison gekauft haben, haben sie alles richtig gemacht.

Es ist beim Thema Rassismus ausserdem wichtig zu betonen, dass ich es liebe, mich im Rhein treiben zu lassen, das ist eine ganz und gar tolle Erfrischung. Ausserdem finde ich stichfesten Joghurt, der in der Schweiz viel häufiger ist als in Deutschland, etwas gewöhnungsbedürftig, aber oft auch sehr lecker, nachdem man ihn umgerührt hat.

** Um genau zu sein, fragte sie nach Erfahrungen mit «weissen Schweizern und Schweizerinnen». Ich beziehe die weissen queeren, non-binären und intersex Schweizer*innen jetzt einfach mal mit ein. Kam mir so beim Nachdenken.

Der Leserinnenbrief lässt sich auf S. 29 nachlesen.

FATIMA MOUMOUNI

denkt sonst nie darüber nach, was sie sagt, wenn sie über Rassismus redet.