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SO LÄUFT’S 039

KOMMUNIKATION

DIREKTER GEHT’S NICHT Online ist erfolgreich, keine Frage, und wächst weiterhin. Lässt das den stationären Handel chancenlos zurück? Eher im Gegenteil. Denn niemand kann besser, was ohnehin dessen Königsdisziplin ist: nämlich persönliches Stammkundenmarketing. Und das hat sich, nicht zuletzt dem Internet sei Dank, neue Wege erschlossen. Text: Nicoletta Schaper. Illustration: Claudia Meitert@Caroline Seidler

Es schüttet wie aus Kübeln bei ungemütlichen Temperaturen um null Grad. Ein Wetter, bei dem man keinen Hund vor die Tür jagt, geschweige denn shoppen geht. Dennoch: Im Regensburger Store Bella Donna herrscht reger Betrieb. Man trifft sich. Zum letzten Sale-Aufruf zum Abschluss der Wintersaison haben sich die Stammkundinnen miteinander auf einen Prosecco im Store verabredet. Bei angeregtem Plaudern werden neueste Trends anprobiert, die ohnehin viel mehr locken als der Sale. Dazu gibt’s Grissini und frischen Parmesan, wie bei einer Party. Gegen Abend verlassen die Frauen den Laden, glücklich und mit vollen Einkaufstüten. „Wir hatten einen Bombenumsatz“, freut sich Storeinhaberin Katrin Koller-van-Eersel. „Dabei haben wir gedacht, bei dem Wetter kommt kein Mensch.“ Der Laden als Treffpunkt

Dass die Kunden gekommen sind, haben sich Ulrike Koller und ihre Tochter Katrin Koller-van-Eersel im wahrsten Sinne des Wortes erarbeitet. Bella Donna ist ihr zweiter Store, neben einer Filiale im oberpfälzischen Weiden. Das Konzept gibt es seit 30 Jahren und einige Kunden kaufen seit Beginn. Die beiden Frauen haben verinnerlicht, wie wichtig es ist, mit dem Geschäft im Gespräch zu bleiben. Denn kaum ein Händler kann sich noch darauf verlassen, dass die Kunden einfach so

kommen. „Es ist wichtig, sich immer wieder in Erinnerung zu bringen“, sagt Koller-van-Eersel. „Dabei hat sich allerdings die Kundenansprache vor allem in den letzten zwei Jahren extrem gewandelt. Früher haben wir die Kundin angerufen, um ihr von den neuesten Trends zu erzählen. Heute hat sich das stark auf Facebook und Whatsapp verlagert.“ So kam auch der Sale-Aufruf als Post auf Facebook, als unverbindliches Angebot. Gezielter sind die Angebote, die auf die jeweiligen Kunden speziell zugeschnitten sind. „Wenn neue Ware kommt, ist es die Aufgabe einer jeden Verkäuferin, ihr Tablet zur Hand zu nehmen und an die Kundin zu schreiben“, so Katrin Koller-van-Eersel. „Zum Beispiel fotografiert sie sich selbst in dem neuen Acne Studios Outfit und schickt das Bild per Whatsapp an die Kundin, die Fan der Marke ist.“ Auch Andrea Reimann, Inhaberin von Lillas, postet täglich auf Facebook – zum Beispiel die neuen Arrivals im Laden oder auch Bilder von den Messen als Preview. „Dabei geht es gar nicht um viele Klicks und Likes, denn selbst ein Bild ohne Likes hat zum Erfolg, dass die Ware auf jeden Fall am nächsten Tag verkauft ist“, sagt die Dortmunder Händlerin. „Und diese Akzeptanz wächst, auch bei denjenigen, die noch vor zwei Jahren gesagt haben, dass sie online nicht aktiv seien.“ Zusätzlich textet Andrea

Diana Sponsel, Inhaberin Maingold: „Alles, was nah am Kunden ist, ist gut. Persönlich ist unsere einzige Chance, um gegen online zu bestehen.“

Helmut Eder, Inhaber Helmut Eder Kitzbühel: „Wir merken, dass der Kunde vielfach zurückkommt zum stationären Handel.“

Reimann an ihre Kundinnen persönlich auf Whatsapp. „Allerdings nicht ohne vorher die Einwilligung eingeholt zu haben“, betont Andrea Reimann, „denn natürlich darf es nie aufdringlich sein.“ Dass auch der richtige Zeitpunkt eine sensible Sache ist, weiß Sue Giers, Geschäftsführerin von Linette in Hamburg. Vor allem tritt sie über Instagram, Facebook und ihren Blog auf Gala.de mit ihren Kundinnen in Kontakt und postet zweimal pro Woche Outfits und Neuigkeiten aus der Boutique. „Es ist unglaublich schwer, mit der Kundin in Kontakt zu treten, weil sie im hochpreisigen Segment schon alles hat“, sagt Sue Giers. „Man sollte es aber früh tun, wenn gerade neue Sachen ankommen und die Kundin persönlich und exklusiv ansprechen.“ Der richtige Moment ist aber oftmals von der Stimmung der Kundin und vom Wetter abhängig. Sich in der Sales-Phase in Erinnerung zu bringen, macht für Sue Giers allerdings wenig Sinn. „Zu dem Zeitpunkt hat die Kundin gerade einen Haufen Sachen gekauft, die sie nicht braucht und vielleicht gar nicht wollte. Deshalb habe ich mich auch vom Valentins-Newsletter im

Yasemin Demirci, Inhaberin Schneeweiss und Rosenrot: „Es geht darum, aufmerksam zu sein, wie in einer Freundschaft. Und darum, dass Frauen, die unsicher sind, mit einem sicheren Gefühl den Laden verlassen. Dieses Gefühl können wir ihnen vermitteln. Das kann man nicht verkaufen.“

Februar verabschiedet, weil der komplett untergeht.“ Diana Sponsel, Inhaberin Maingold in Würzburg, hat mit ihren Mitarbeiterinnen bereits vor vier Jahren begonnen, über Instagram zu kommunizieren. „Es geht um Bilder, die nicht nur Produkt zeigen, sondern eine Geschichte erzählen, wie die Highheels auf dem Acapulco Chair“, so Diana Sponsel. „Anfangs hatte ich befürchtet, dass die Bilderflut zu viel wird, aber je mehr desto besser. Wir verkaufen mittlerweile sehr gut darüber.“ Und das erhöht auch die Frequenz im Laden: Für einen geposteten Schal kommen am Tag 15 Kundinnen, die explizit danach fragen. Aber auch wenn die Ansprache online sehr gut funktioniert: Einen Onlineshop zu führen, hat Diana Sponsel style in progress 216


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