style in progress 1/2019 – Deutsche Ausgabe

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SO LÄUFT’S

b e s s e r m ac h e n – G r e e n ovat i o n

„ES BRAUCHT MENSCHEN, DIE HANDELN“ Er ist der Gerd und Karl-Heinz MĂŒller Bangladeschs in Personalunion: Mostafiz Uddin produziert mit seiner Firma Denim Expert Ltd. Jeans – und engagiert sich leidenschaftlich fĂŒr Ansehen und Entwicklung seiner Heimat. Dazu hat er sowohl eine Denimmesse gegrĂŒndet, als auch einen Nachhaltigkeitsgipfel ins Leben gerufen und reist um die ganze Welt, um ĂŒber Bangladesch zu sprechen. style in progress im GesprĂ€ch mit einem, der weiß, dass VerĂ€nderung nur aus eigener Initiative möglich ist. Interview: Martina MĂŒllner-Seybold. Foto: Mostafiz Uddin

Sie sind ein unermĂŒdlicher KĂ€mpfer fĂŒr Nachhaltigkeit und das Image Ihres Heimatlandes als Produktionsstandort. Was treibt Sie an? Der einzelne, der aufsteht und etwas tut, bringt VerĂ€nderung. Es gab nicht viele Ghandis, es gab einen Ghandi. Es braucht Menschen, die handeln. Ich bin dieser ganzen Diskussion mĂŒde: Die Produzenten sagen, es seien die EinkĂ€ufer, die EinkĂ€ufer sagen, es seien die Konsumenten, die nach billigen Preisen schreien. Die Schuld von einem zum anderen zu schieben, bringt uns doch nicht weiter – nur Handeln hilft. Nun hat Bangladesch gehandelt. FĂŒnf Jahre nach Rana Plaza ist es – und das ist ein Zitat des Accord-CEOs* Rob Wyass – das sicherste Entwicklungsland, in dem man produzieren kann. Hut ab, das ist verrĂŒckt schnell! In nur fĂŒnf Jahren. Der SchlĂŒssel ist das Wollen. Wenn Sie einem Bangladescher sagen, dass Ihr Unternehmen davon abhĂ€ngt, dass er pĂŒnkt­ lich liefert, wird er alles tun, um den Termin zu halten. Die Menschen in Bangladesch sind unglaublich verbindlich und anpackend. Sie selbst haben ihre Fabrik, in der Sie 2.000 Menschen beschĂ€ftigen, komplett nachhaltig ausgerichtet. Ist Nachhaltigkeit auch etwas, was von den Menschen vor Ort mitgetragen wird? Den Fabrikarbeiter interessiert zunĂ€chst, dass er einen guten Arbeitsplatz hat, fair bezahlt wird und sein Geld bekommt. Ob er das nun mit Billigjeans verdient oder mit hochwerti­ gen, nachhaltigen Produkten, ist ihm vordergrĂŒndig egal. Da sehe ich den Fabrikarbeiter auch nicht in der Verantwortung – da mĂŒssen die, die Verantwortung tragen, dafĂŒr sorgen, dass er eben keine Billigjeans mehr herstellt. Was ja theoretisch lĂ€ngst nicht so kompliziert wĂ€re, wie alle immer tun. Trendforscherin Lee Edelkoort hat erneut gefordert, dass die EU ein Importverbot fĂŒr Billigjeans ausgibt. Ein Strafzoll auf unter ausbeuterischen UmstĂ€nden gemachte Textilien erscheint dem Laien ja mindestens so machbar wie ein Strafzoll auf US-Jeans. Genau! So lange Jeans fĂŒr 15 Euro angeboten werden, werden sie auch produziert. Warum sagt man nicht: Jeans fĂŒr unter 29 Euro sind in der EU verboten? 084

style in progress

Gerade machen Sie sich wohl noch ein paar Feinde mehr in Ihrer Heimat 
 Ja, das bringt Engagement mit sich. War es fĂŒr meine Firma positiv, dass ich auf der ganzen Welt auf Kongressen, Messen und in JournalistengesprĂ€chen versuche, das Image von Bang­ ladesch zu verbessern? Nein, im Gegenteil. Aber ich mache das auch nicht aus unternehmerischem KalkĂŒl. Ich sage immer: Willst du Business machen, mach Business, willst du Charity machen, mach Charity. Beides zusammen geht nicht. Klappt Nachhaltigkeit also auch erst, wenn es kein Akt der Barmherzigkeit mehr ist, sondern ein GeschĂ€ftsmodell? Ja, langfristig sicher. Aber im Moment muss man auch verzichten können, teilen können: WĂ€hrend sich in Bangla­ desch die Löhne um 263 Prozent verteuert haben, sind die Sourcing-Preise aus der EU um 7,33 Prozent gefallen. Das MĂ€rchen, dass die Konsumenten oder EinkĂ€ufer fĂŒr bessere Arbeitsbedingungen und Nachhaltigkeit bezahlen wĂŒrden, können Sie also direkt vergessen. Was also tun? Meinen Garn­ lieferanten im Preis drĂŒcken, meine Leute ausbeuten? Nein, mit der verminderten Marge muss ich als Unternehmer auch mal leben können. Zumindest wenn ich es mit der Nachhal­ tigkeit ernst meine. Auf wen hoffen Sie also? Auf die nĂ€chste Generation. Wir werden das nicht mehr Ă€ndern, wir sind von Gier und Geiz so zerfressen. Aber auf vielen Konferenzen habe ich junge Leute kennen gelernt, die mir unglaublich viel Hoffnung machen. Glauben Sie mir, fĂŒr diese Generation ist Nachhaltigkeit nicht mehr diskutierbar! Und bis dahin? Werde ich weiter kĂ€mpfen und versuchen, Sichtbarkeit zu schaffen. Ich habe mit mehr als 300 Journalisten auf der Welt gesprochen, kein einziger davon war je in Bangladesch. Das Bild unseres Landes ist ein veraltetes. Die Fabriken, die Sie auf Archivbildern sehen, die in europĂ€ischen und amerikani­ schen Zeitungen noch immer verwendet werden, die gibt es gar nicht mehr. Aber die neuen, sauberen und sicheren Fab­ riken passen eben nicht ins Bild, das sich die westliche Welt von Bangladesch gemacht hat. Daher auch meine Initiativen wie die Denimmesse und der Nachhaltigkeitsgipfel in Bang­ ladesch. Ich will, dass neue Bilder und Stimmen aus meinem Land zu sehen und zu hören sind. *Accord ist die Initiative, die nach Rana Plaza zur GebĂ€ude- und Feuersicherheit gegrĂŒndet wurde.

Er produziert nachhaltige Jeans in Bangladesch und reist um die ganze Welt, um das Image seiner Heimat zu korrigieren: Aktivist Mostafiz Uddin.


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