Recht 11 - LV

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Brennpunkt Recht / Gesellschaft

Aufgabe 1

11

Allgemeine Vertragslehre (Ausgabe für Lehrperson)

Seite 22

Offerten und Bestellungen – hin und zurück

Claudia Gubser, Inhaberin der Einzelfirma Gemüsehandel Gubser, richtet derzeit ihre Büround Ladenräumlichkeiten neu ein. Auf der Suche nach günstigem Mobiliar hat sie einiges ­erlebt. Beurteilen Sie die folgenden Sachverhalte aus rechtlicher Sicht. Berücksichtigen Sie dabei Art. 3 bis Art. 9 OR. a) Claudia Gubser hatte auf ein Zeitungsinserat hin einen PC-Schreibtisch zum Preis von CHF 499.– bestellt. Der Verkäufer teilte ihr am Telefon mit, dass sie schon alle Modelle verkauft hätten. Kann sich Frau Gubser auf das Zeitungsinserat berufen und Schaden­ ersatz (Mehrpreis von CHF 100.– bei einem anderen Lieferanten) verlangen?

c) Frau Gubser erkundigte sich bei der Office-Line nach einem Aktenschrank. Am Telefon bot ihr der Verkäufer einen Rollo-Aktenschrank mit verstellbarer Jalousie­ front für CHF 349.– an. Als sie nach zwei Wochen den Schrank bestellen will, sagt ihr der ­Verkäufer, dass aufgrund einer Preiserhöhung des Lieferanten der Verkaufspreis auf CHF 389.– gestiegen sei. Kann Frau Gubser auf dem alten Angebot bestehen?

Nein. Angebote am Telefon gelten rechtlich als Anträge unter Anwesenden. Falls keine Frist gesetzt und das Angebot

Nein. Ein Zeitungsinserat ist rechtlich kein Antrag.

nicht sofort angenommen wurde, ist der Antragsteller nicht

Die Bestellung von Frau Gubser bedeutet rechtlich eine Offerte,

länger an sein Angebot gebunden (Art. 4 OR).

die vom Verkäufer nicht angenommen werden muss (Art. 7 Abs. 2 OR).

b) Im Schaufenster des Office Store war ein Fitnessdrehstuhl mit integrierter Body-­ Balance-Technologie, verstellbarer Rückenlehne, lastabhängig gebremsten Rollen sowie höhenverstellbaren Armlehnen (Katalogpreis CHF 529.–) zum Aktionspreis von CHF 429.– ausgestellt. Als Frau Gubser das günstige Modell im Laden kaufen wollte, sagte ihr die Verkäuferin, das Sonderangebot sei vor zwei Tagen abgelaufen; sie habe vergessen, das Preisschild auszuwechseln. Kann Frau Gubser auf dem Verkaufspreis von CHF 429.– ­bestehen?

d) Angebot auf einem Flyer mit QR-Code: «Fachbodengrundregal exklusive Kreuzverstrebung. Sehr stabil bei einfachster Montage, einfaches Stecksystem, schnelle werkzeuglose Montage, 6 Tablare / Fachböden mit einer Tragkraft von 200 kg (Höhe 2500, Breite 850, Tiefe 300) zum Preis von CHF 116.–.» Dieses Modell bestellt Frau Gubser um 17 Uhr mit dem QR-Code online über die Website der Unternehmung. Am nächsten Tag erscheint in der Zeitung ein noch attraktiveres Angebot. Da Frau Gubser noch keine Auftragsbestätigung erhalten hat, widerruft sie sofort ihre Bestellung (wiederum per Mail). Ist Frau Gubser damit von ihrer ersten Bestellung wieder frei und kann stattdessen das günstigere Modell bestellen?

In der Schweiz besteht das Widerrufsrecht nur, wenn der

Ja. Schaufensterauslagen mit Preisangaben gelten als verbindliche

Verkäufer es aus eigenem Antrieb gewährt. In diesem Fall muss

Anträge (Art. 7 Abs. 3 OR).

der Webshop seine Bedingungen explizit nennen.

Mit dem Antrag von Frau Gubser, den Bürostuhl zu kaufen,

Die Gesetzgebung der Schweiz sichert dem Kunden kein Recht zu,

liegt eine übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung und

sich umzuentscheiden. Der Betreiber eines Webshops kann dieses

damit ein gültiger Vertrag vor.

Recht gewähren, ist aber nicht dazu verpflichtet.


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