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2 Dürfen Verträge aufgelöst werden?
from Recht 11 - LV
Aufgabe 1 Offerten und Bestellungen – hin und zurück
Claudia Gubser, Inhaberin der Einzelfirma Gemüsehandel Gubser, richtet derzeit ihre Büro- und Ladenräumlichkeiten neu ein. Auf der Suche nach günstigem Mobiliar hat sie einiges erlebt. Beurteilen Sie die folgenden Sachverhalte aus rechtlicher Sicht. Berücksichtigen Sie dabei Art. 3 bis Art. 9 OR.
a) Claudia Gubser hatte auf ein Zeitungsinserat hin einen PC-Schreibtisch zum Preis von
CHF 499.– bestellt. Der Verkäufer teilte ihr am Telefon mit, dass sie schon alle Modelle verkauft hätten. Kann sich Frau Gubser auf das Zeitungsinserat berufen und Schadenersatz (Mehrpreis von CHF 100.– bei einem anderen Lieferanten) verlangen?
Nein. Ein Zeitungsinserat ist rechtlich kein Antrag. Die Bestellung von Frau Gubser bedeutet rechtlich eine Offerte, die vom Verkäufer nicht angenommen werden muss (Art. 7 Abs. 2 OR).
b) Im Schaufenster des Office Store war ein Fitnessdrehstuhl mit integrierter Body-
Balance-Technologie, verstellbarer Rückenlehne, lastabhängig gebremsten Rollen sowie höhenverstellbaren Armlehnen (Katalogpreis CHF 529.–) zum Aktionspreis von
CHF 429.– ausgestellt. Als Frau Gubser das günstige Modell im Laden kaufen wollte, sagte ihr die Verkäuferin, das Sonderangebot sei vor zwei Tagen abgelaufen; sie habe vergessen, das Preisschild auszuwechseln. Kann Frau Gubser auf dem Verkaufspreis von CHF 429.– bestehen?
Ja. Schaufensterauslagen mit Preisangaben gelten als verbindliche Anträge (Art. 7 Abs. 3 OR). Mit dem Antrag von Frau Gubser, den Bürostuhl zu kaufen, liegt eine übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung und damit ein gültiger Vertrag vor.
c) Frau Gubser erkundigte sich bei der Office-Line nach einem Aktenschrank.
Am Telefon bot ihr der Verkäufer einen Rollo-Aktenschrank mit verstellbarer Jalousiefront für CHF 349.– an. Als sie nach zwei Wochen den Schrank bestellen will, sagt ihr der Verkäufer, dass aufgrund einer Preiserhöhung des Lieferanten der Verkaufspreis auf CHF 389.– gestiegen sei. Kann Frau Gubser auf dem alten Angebot bestehen?
Nein. Angebote am Telefon gelten rechtlich als Anträge unter Anwesenden. Falls keine Frist gesetzt und das Angebot nicht sofort angenommen wurde, ist der Antragsteller nicht länger an sein Angebot gebunden (Art. 4 OR).
d) Angebot auf einem Flyer mit QR-Code: «Fachbodengrundregal exklusive Kreuzverstrebung. Sehr stabil bei einfachster Montage, einfaches Stecksystem, schnelle werkzeuglose Montage, 6 Tablare/Fachböden mit einer Tragkraft von 200 kg (Höhe 2500, Breite 850, Tiefe 300) zum Preis von CHF 116.–.» Dieses Modell bestellt Frau Gubser um 17
Uhr mit dem QR-Code online über die Website der Unternehmung. Am nächsten Tag erscheint in der Zeitung ein noch attraktiveres Angebot. Da Frau Gubser noch keine
Auftragsbestätigung erhalten hat, widerruft sie sofort ihre Bestellung (wiederum per
Mail). Ist Frau Gubser damit von ihrer ersten Bestellung wieder frei und kann stattdessen das günstigere Modell bestellen?
In der Schweiz besteht das Widerrufsrecht nur, wenn der Verkäufer es aus eigenem Antrieb gewährt. In diesem Fall muss der Webshop seine Bedingungen explizit nennen. Die Gesetzgebung der Schweiz sichert dem Kunden kein Recht zu, sich umzuentscheiden. Der Betreiber eines Webshops kann dieses Recht gewähren, ist aber nicht dazu verpflichtet.