Bürgerschaftliche Mitverantwortung

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AFTLICHE H C S R E G R Ü B ORTUNG MITVERANTW N EREITUNG VO B R O V R E D IN UND PLANUNGSOZESSEN R P S G N U ID E ENTSCH 1


INHALTSVERZEICHNIS

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Einf端hrung - Von der Beteiligung zur Mitverantwortung

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Die f端nf Grunds辰tze zur B端rgerschaftlichen Mitverantwortung

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Der Arbeitsprozess

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Dank

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EINFÜHRUNG – VON DER BETEILIGUNG ZUR MITVERANTWORTUNG In unserer parlamentarischen Demokratie hat sich eine Vertrauenslücke aufgetan zwischen den Repräsentierten – dem Volk, von dem nach Artikel 20 des Grundgesetzes alle Staatsgewalt ausgeht – und den politischen Repräsentanten in Parlamenten und Regierungen. Wahlbeteiligungen gehen zurück, und in gleichem Maß nehmen Misstrauen und Proteste gegen Planungen und Entscheidungen von Politik und Verwaltung zu. Mögen sie auch nach geltenden Regeln legitimiert sein – das Misstrauen ist da. Doch Bürger können mehr als wählen, abstimmen oder protestieren. Wenn sie Mitverantwortung übernehmen, gewinnen Planungen und Entscheidungen schon im Vorfeld an Qualität, Transparenz, Verbindlichkeit und Verlässlichkeit. Es geht um eine neue Kultur der Zusammenarbeit zwischen Bürgern und Entscheidern. Ernsthafte und wirksame bürgerschaftliche Mitverantwortung verlangt frühzeitige Zusammenarbeit zwischen Entscheidern und Bürgern. Sie dient der Vorbereitung von Entscheidungen und ist strikt zu trennen vom Ablauf der Entscheidungen selbst; für diese sind die Verantwortlichkeiten nach Recht und Gesetz festgelegt.

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Bürgerschaftliche Mitverantwortung fordert Entscheidungen heraus und will sie ermöglichen, nicht verhindern. Kooperative Verfahren erfordern Aufwand, ersparen jedoch die Zeit sowie die finanziellen und politischen Kosten konfrontativer Strategien. Entscheider und Bürger tragen und verantworten sie gemeinsam. Es gibt keine Vorrechte, weder für Entscheider noch für Bürger. Unter dem Dach der Stiftung Zukunft Berlin wurden fünf Grundsätze für diese neue Kultur der Zusammenarbeit formuliert, die wir Ihnen in dieser Broschüre vorstellen. Ergänzend beschreiben wir Ihnen ein Modell, wie diese Grundsätze operativ umgesetzt werden können. Im Zentrum dieses Arbeitsmodells steht ein Forum, in dem Politik / Verwaltung und Bürgerinnen und Bürger gemeinsam die Entscheidungen vorbereiten.

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1. Bürgerschaftliche Mitverantwortung muss man ernsthaft wollen. 2. Es muss klar sein, worum es geht. 3. Die Auswahl der Mitwirkenden muss begründet sein. 4. Das Verfahren muss angemessen und transparent, seine Steuerung neutral sein. 5. Die Bürger müssen nach Abschluss des Vorhabens beteiligt bleiben. 6

UNDSÄTZE DIE FÜNF GR FTLICHER A H C S R E G R BÜ O RT U N G MITVERANTW

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BÜRGERSCHAFTLICHE MITVERANTWORTUNG MUSS MAN ERNSTHAFT WOLLEN. Das gilt für beide Seiten, Bürger wie Entscheider. Das Mitwirkungsverfahren lebt vom gleichberechtigten, von Hierarchien und Mehrheiten unabhängigen Austausch von Argumenten. Es muss darauf angelegt sein, gemeinsam Lösungen eines Problems vorzubereiten und so der später zu treffenden Entscheidung Anerkennung zu verschaffen.

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Dies ist das Prinzip der in jeder Hinsicht notwendigen Gleichberechtigung zwischen Entscheidern und Bürgern. Eine Gleichberechtigung, die in dieser Phase der Entscheidungsvorbereitung zulässig ist und die nötig ist, wenn der Bürger sich nicht in eine nur beitragende Rolle gesetzt sehen soll. Im Verfahren zählen Argumente, keine Mehrheiten oder Zuständigkeiten. Nach einem solchen Verständnis wird der Bürger auch nicht lediglich von den eigentlich Zuständigen »beteiligt«, er wirkt nicht lediglich mit. Beide Seiten agieren aus ihrer spezifischen Verantwortung heraus. Deshalb sollte auch das gesamte Verfahren gleichberechtigt von beiden Seiten getragen werden. Das alle fünf Grundsätze durchziehende Prinzip der Gemeinsamkeit sollte sich auch in einer gemeinsamen Trägerschaft des Verfahrens niederschlagen. Bürger und Entscheider setzen sich zur Vorbereitung einer sie alle betreffenden Entscheidung an einen Tisch.

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ES MUSS KLAR SEIN, WORUM ES GEHT.

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Die am Verfahren Beteiligten müssen sich vorab über die relevanten Daten und Fakten verständigen, notfalls unter Beteiligung von Gutachtern oder Mediatoren. Der Stand der Vorentscheidungen wie ggf. bereits laufender Verfahren muss einvernehmlich festgestellt werden. Das »Versprechen« des Verfahrens muss realistisch sein. Gegenstand und Wirkung der danach fälligen Entscheidung müssen einvernehmlich beschrieben werden.

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Die gemeinsame Arbeit ist mehr als ein Gedankenaustausch. Sie ist auch mehr als eine Problemerörterung. Sie ist zielgerichtet. Sie findet statt im Hinblick auf eine Entscheidung beziehungsweise eine in anderer Weise zu beschreibende konkrete Konsequenz. Die Orientierung auf solch eine Schlussfolgerung bestimmt die Ernsthaftigkeit und die Bedeutung des Verfahrens. Von dieser am Schluss stehenden und von der Entscheidungsvorbereitung zu trennenden Entscheidung hängt auch ab, zu welchen Ausgangsfakten man ein gemeinsames Verständnis erarbeiten muss. Ebenso hängt davon ab, welche bereits getroffenen Vorentscheidungen zu beachten sind. Wie also der Spielraum aussieht, den die am Ende stehende Entscheidung hat. Zu all dem müssen die Partner ein gemeinsames Verständnis herstellen.

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DIE AUSWAHL DER MITWIRKENDEN MUSS BEGRÜNDET SEIN. Wer zu beteiligen ist, richtet sich nach Anlass und Art des Verfahrens. Die Zusammensetzung des Kreises der Mitwirkenden muss begründet sein, um Exklusivität zu vermeiden. Jeder soll sich vertreten sehen. Die Kompetenz der Akteure kann auf Fachkunde ebenso wie auf spezifischer Erfahrung oder Betroffenheit beruhen, und sie sollte offengelegt werden. Ebenso wie die Bürger müssen auch die politisch und administrativ zuständigen Entscheider persönlich, verbindlich und vollzählig mitwirken. Vorab muss gemeinsam festgestellt werden, wer in Politik und Verwaltung – sowie gegebenenfalls auf privater Seite – die zuständigen Entscheider sind. 12

Nicht jeder Bürger kann an dem Verfahren mit den Entscheidern teilnehmen. Es ist eine qualitative und deshalb um so mehr mit aller Sorgfalt zu erörternde Entscheidung, welche Bürger angesichts ihrer Erfahrung, ihrer Kompetenz, ihrer Betroffenheit zusammengeführt werden müssen. Jeder zu viel erschwert den Prozess, jeder zu wenig verfälscht ihn. Das gilt in gleicher Weise auch für die Seite der Entscheider. Die Zuständigkeiten für solche Entscheidungen sind oft sehr vielfältig und die notwendigen Mitwirkungsformen entsprechend heterogen. Auch hier muss deshalb eine »gültige« Zusammensetzung gefunden werden. Und, besonders wichtig: Wie die Bürger, so müssen auch die Entscheider persönlich im Verfahren vertreten sein.

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DAS VERFAHREN MUSS ANGEMESSEN UND TRANSPARENT, SEINE STEUERUNG NEUTRAL SEIN. Vorab muss gemeinsam ein Verfahrensablauf festgelegt werden, der dem konkreten Fall angemessen ist. Das ist eine Frage von Technik und »gutem Handwerk«, einschließlich neuer Formen der Kommunikation. Es muss festgelegt werden, in welcher Weise das Verfahren vor aller Öffentlichkeit stattfinden bzw. über die Medien, das Internet eingeschlossen, öffentlich gemacht werden soll. Über die Steuerung des Verfahrens muss Einvernehmen hergestellt werden.

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Ein einheitliches Standardverfahren ist nicht vorstellbar. Die Wahl der für den Einzelfall zweckmäßigen Verfahrensform ist »Technik«. Über sie muss man sich unter Beachtung der Grundsätze verständigen. Man muss auch die sich entwickelnden technischen Formen und Methoden, die zum Beispiel das Internet anbietet, einvernehmlich ins Auge fassen. Diese sind nicht Selbstzweck. Sie sind Instrumente mit der einzigen Aufgabe, eine möglichst effektive und inhaltsreiche Interaktion zwischen Entscheidern und Bürgern zu erleichtern und die Kommunikation mit der Öffentlichkeit sicherzustellen.

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DIE BÜRGER MÜSSEN NACH ABSCHLUSS DES VORHABENS BETEILIGT BLEIBEN. Es muss festgelegt werden, wie die Bürger, wenn das Vorhaben zu einer Entscheidung gebracht worden ist, auch nachträglich einbezogen bleiben. Zumindest sollten die Entscheider über den Entscheidungsprozess Rechenschaft ablegen.

So sehr der gesamte Vorbereitungsprozess auf die Entscheidung abzielt, so strikt ist die Kompetenzverteilung im Entscheidungsvorgang zu beachten. Geschieht dies nicht, wird der Entschiedenheit und der Zulässigkeit der Gleichberechtigung in der Phase der Entscheidungsvorbereitung der Boden entzogen. Gleichwohl muss die Fairness des Vorbereitungsprozesses auch die Zeit nach der Entscheidung bestimmen. Deshalb ist die Verständigung darüber, wozu die gemeinsame Entscheidungsvorbereitung beide Seiten berechtigt und verpflichtet, von großer Bedeutung. Wird sie vernachlässigt, ist die befriedende Wirkung der gemeinsamen Arbeit gefährdet.

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DER ARBEITSPROZESS DAS ZIEL

Das Ziel ist die Organisation eines ergebnisoffenen und öffentlichen Arbeits- und Dialogprozesses als gemeinsame Entscheidungsvorbereitung in einer konkreten Thematik. Politik, Verwaltung und Stadtgesellschaft verschaffen gleichberechtigt und auf Augenhöhe in einem miteinander abgestimmten Verfahren den besten Argumenten Gehör. Den Kern der Arbeit bildet das Forum. Hier treffen sich Politik und Verwaltung sowie Bürgerinnen und Bürger mit ihrer durch Erfahrung, Fachkenntniss und Betroffenheit begründeten Kompetenz in einem festgelegten Prozess, um Antworten auf die jeweilige Thematik zu entwickeln. KONSTITUIERUNG UND ARBEITSWEISE

Der Dialogprozess gliedert sich in die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Foren. Das gesamte Verfahren wird gemeinsam verantwortet. Dazu gehören sowohl die Festlegung der Forumsmitglieder als auch die Inhalte, Ablauf und Moderation der Foren. Die Foren bilden dabei den Kern eines öffentlichen Dialogprozesses. Hier werden die Ergebnisse zusammengeführt, die Argumente öffentlich abgewogen und bewertet.

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Politik / Verwaltung

Stadtgesellschaft

benennen

benennen

Forumsmitglieder aus Politik / Verwaltung

Forumsmitglieder aus Stadtgesellschaft

Gemeinsame Entscheidungsvorbereitung Inhaltlicher Diskurs

FORUM Öffentlicher Dialog / Diskurs (on- und offline)

Zusammenfassender Bericht

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DANK AN DIE PARTNER

STIFTUNG ZUKUNFT BERLIN

Die Fünf Grundsätze sind unter dem Dach der Stiftung Zukunft Berlin mit dem Stadtgespräch Berlin erarbeitet worden. Wir danken unseren Partnern Herbert Quandt-Stiftung, Infratest dimap, SNPC GmbH sowie der Lenkungsgruppe des Stadtgesprächs für die Zusammenarbeit.

Die Stiftung Zukunft Berlin ist ein unabhängiges Forum für bürgerschaftliche Mitverantwortung. Uns geht es um die Zukunft Berlins. Wichtige Entscheidungen für die Stadt wollen wir nicht allein der Politik überlassen.

Bei unserer gemeinsamen Konferenz »Was Bürger können« am 7.2.2012 haben wir diese Grundsätze mit Politikern (u. a. die damalige Bundesministerin Schavan und Senator Heilmann), Wissenschaftlern und Praktikern erörtert. Bei unserer Nachfolgekonferenz »Bürger und

Bürgerinnen und Bürger Berlins treiben mit der Stiftung Themen voran. Sie bringen ihre Erfahrungen, Netzwerke und Ideen im Vorfeld von politischen Entscheidungen und gegenüber der Öffentlichkeit ein. Ohne die Verantwortung der Politik in Frage zu stellen, wollen sie ihre eigenen Beiträge zur Zukunft Berlins leisten.

Parlamente – Bürger gegen Parlamente?« am 25.2.2013 wurden die Positionen der Parlamente und der Abgeordneten zur bürgerschaftlichen Mitverantwortung diskutiert. Wir danken der Präsidentin des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern, Sylvia Bretschneider, dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin, Ralf Wieland, und dem damaligen Präsidenten des Landtags von Brandenburg, Gunter Fritsch, der Staatssekretärin bei der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz Berlin, Sabine Toepfer-Kataw sowie allen Konferenzteilnehmern für ihre Beiträge.

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orsitzender), r Hassemer (V lke Vo : nd ta rs Vo r Stefan Richte Karin Kohler, nz ra Rosenk er), Stifter: Dieter ter (Vorsitzend arkus Schäch M t: ra Bergmann, gs e un tin Stift ende), Chris itz rs Vo . llv te (s e, Christina Rau , Thomas Rühl Si Rosenkranz Thomas Risse, arz Stephan Schw Peter Schiwy,

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Impressum Stiftung Zukunft Berlin, Klingelhöferstraße 7, 10785 Berlin Tel.: +49 (0)30 263 92 29-0, Fax: +49 (0)30 263 92 29-22 E-Mail: mail@stiftungzukunftberlin.eu www.stiftungzukunftberlin.eu www.facebook.com/StiftungZukunftBerlin Verantwortlich für den Inhalt: Stiftung Zukunft Berlin, Dr. Volker Hassemer, 2015, 4. Auflage

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en rlamentarisch In unserer pa rauenssich eine Vert t a h tie a kr o Dem em Volk n zwischen d ta e fg u a e ck n. lü Repräsentante n e ch is lit o p und den iben eine sätze beschre d n ru G f n fü Die arbeit er Zusammen neue Kultur d rn. nd Entscheide u rn e rg ü B n zwische 24


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