WAS UNTERNEHMERN NÜTZT _KRISENVERKÄUFE
DEM TOD VON DER SCHIPPE GESPRUNGEN Was bringt der Verkauf eines Unternehmens, dem das Ende droht? Erst einmal haufenweise Probleme. Aber mit den richtigen Partnern ist ein Comeback drin. Denn wer zerdeppert schon gern schönes, altes Porzellan?
Text: Astrid Funck Foto: Michael Hudler
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Diese Geschichte könnte ebenso gut woanders beginnen als ausgerechnet in der Porzellan- und Keramikindustrie. Scherben liegen schließlich überall herum. Doch eine Konstellation wie diese kommt nicht alle Tage vor: dass handwerkliche Tradition und modernes Investment zueinanderfinden, als einem uralten Unternehmen die Zerschlagung droht und ein Retter auftaucht, der sich „Nie wieder Porzellan!“ geschworen hatte. Das ist Turpin Rosenthal, ein Mann Mitte 40. Sein Großvater hat 1879 im oberfränkischen Schloss Erkersreuth bei Selb eine Porzellanmalerei gegründet und Rosenthal zur weltbekannten Marke gemacht. 1934 vertrieben ihn die Nazis, wegen seiner jüdischen Herkunft. Nach dem Krieg erhielt die Familie ihre Anteile
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an der Aktiengesellschaft zurück, und Turpins Vater, Philip Rosenthal, wurde erst Werbeleiter, dann Vorstandsvorsitzender. Wie selbstverständlich trat später auch der Sohn in die Firma ein und stieg zum Geschäftsführer für die USA auf. Die Familie und feines Porzellan: Für ihn werde es nie etwas anderes geben, habe er gedacht, sagt Turpin Rosenthal. Dann das jähe Ende. Sein Vater, der als SPD-Abgeordneter im Bundestag saß und für eine gerechtere Verteilung von Besitz und Gewinn eintrat, hatte über die Jahre immer mehr Firmenanteile abgegeben, vor allem an die Mitarbeiter. „Er glaubte, dass es möglich sei, ein Unternehmen auch ohne Kapitalanteile zu führen“, sagt der Sohn. Als Philip Rosenthal 1989 aus dem Aufsichtsrat der Muttergesellschaft ge-
drängt wurde – die Familie hielt nur noch wenige Anteile –, ging der Sohn ebenfalls. Während einer Zwischenstation bei der US-Tochter von Ikea reifte der Wunsch, sich selbstständig zu machen. Er kehrte nach Europa zurück und forschte bei Banken und Beteiligungsgesellschaften, wo sich eine Chance bot. Er sei, sagte er, für alle Branchen offen – außer Porzellan. Doch einer, der Rosenthal heißt, kommt offenbar nicht so leicht davon: Ständig wurden ihm Porzellanhersteller angeboten. 1992 griff er zu. Im thüringischen Könitz entdeckte er eine alte Fabrik, die auf Kaffeetassen spezialisiert und zu DDR-Zeiten Teil des Kombinats Feinkameramik war. Turpin Rosenthal wurde Investor und Firmensanierer. Er kaufte die Könitz Porzellan GmbH von der Treuhandanstalt und BRAND EINS 07/07