Nationaler Aktionsplan Stahl

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Stahl stärken. Transformation gestalten.

GRÜNER STAHL MADE IN GERMANY AND EUROPE

JETZT GEMEINSAM FÜR RESILIENZ, SICHERE ARBEITSPLÄTZE UND EINE WETTBEWERBSFÄHIGE GRÜNE TRANSFORMATION!

Eine innovative und wettbewerbsfähige heimische Stahlindustrie ist essenziell für wirtschaftliche Resilienz, industrielle Wertschöpfungsnetze, Wohlstand, Beschäftigung und eine grüne Transformation in Deutschland und Europa. Stahl ist als Werkstoff für die deutsche und europäische Industrie von großer Bedeutung.

Zahlreiche Initiativen der letzten Jahre – vom Handlungskonzept Stahl der Bundesregierung (Juli 2020) über die Stahlgipfel, die Resolution der Allianz der Stahlländer (Januar 2024) und das Positionspapier zum Erhalt der mittelständischen Stahlindustrie in Deutschland (Mai 2024) bis hin zu den Programmen der verschiedenen Akteure auf Länder-, Bundes- und EU-Ebene – beschreiben die zentralen politischen Handlungsfelder sowie erforderlichen Maßnahmen und unterstreichen die Bedeutung, einen international wettbewerbsfähigen und klimaneutralen Stahlstandort Deutschland und Europa zu sichern.

Entscheidend ist jetzt, bei der konkreten Umsetzung schnell und sichtbar voranzukommen, dabei auch partiell unterschiedlich gelagerte Interessen und Bedarfe der Hochofenstahlroute und der Sekundärstahlroute in den Blick zu nehmen und entsprechend bei Bedarf bereits bestehende Instrumente anzupassen. Denn die grüne Transformation zur Erreichung der Klimaziele erfordert von Stahlproduzenten, Ländern und Bund Milliardeninvestitionen in eine schrittweise Dekarbonisierung der Stahlindustrie, einen Umbau der Energie- und einen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft. Das Gelingen dieser Transfor mation ist entscheidend für das gesamte Wertschöpfungsnetz Stahl und darf nicht an Dynamik verlieren.

Gleichzeitig hat die Stahlindustrie in Deutschland erheblich an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Die wesentlichen Ursachen dafür sind auch volatile politische Rahmenbedingungen, wie hohe Energiepreise sowie teilweise unzureichende Maßnahmen zur Unterbindung von Carbon Leakage und unfairem internationalem Wettbewerb. Hinzu kommt eine in der EU und insbesondere in Deutschland erheblich eingebrochene Stahlnachfrage. In Deutschland liegt das Marktvolumen aktuell rund 30 Prozent unter dem Niveau von 2018.

Die Verbindung von schwacher Konjunktur und unsicheren Rahmenbedingungen trifft Unternehmen mitten in einer Phase transformationsbedingt hoher Vulnerabilität und führt gegenwärtig zu teils existentiellen Herausforderungen:

 Strompreise und Netzentgelte sind in Deutschland selbst im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn nicht konkurrenzfähig, wodurch die heimische Stahlindustrie international erheblich an Wettbewerbsfähigkeit verloren hat und wichtige Investitionen im Inland verhindert werden. Ein wettbewerbsfähiger Strompreis für die energieintensive Industrie ist nicht nur im globalen, sondern auch im europäischen Markt unerlässlich.

 Die Nachfrage nach CO2-reduziertem Stahl ist deutlich zu schwach. Es müssen die in Deutschland für öffentliche Aufträge bzw. Aufträge von Unternehmen in öffentlicher Hand verpflichtenden Regeln zur Verwendung von rohstoffschonend und energiesparend erzeugtem Stahl (vergleiche §45 KrWG) konsequent Beachtung und CO2-arme Erzeugnisse bei Vergabeverfahren stärker Berücksichtigung finden.

 Wachsende globale und zumeist CO2-intensive Überkapazitäten, insbesondere in Asien, bedrohen Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Deutschland und der EU. Der steigende Importdruck droht die Transformation der Stahlindustrie in Deutschland und der EU zu gefährden. Zudem braucht es eine Antwort auf die offensive Industrie- und Investitionspolitik anderer Länder, wie beispielsweise den Inflation Reduction Act der USA.

 Mit dem zunehmenden Wegfall kostenloser Emissionszertifikate und voraussichtlich kontinuierlich steigenden CO2-Kosten ist ein effektiver Grenzausgleichsmechanismus für die Stahlindustrie von existenzieller Bedeutung. Der von der EU geschaffene Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung schützt die Stahlindustrie nicht ausreichend vor Carbon-Leakage.

WETTBEWERBSFÄHIGE STROMPREISE UND HOCHLAUF DER WASSERSTOFFWIRTSCHAFT:

DIE LÄNDER DER STAHLALLIANZ,

DIE WIRTSCHAFTSVEREINIGUNG STAHL

UND DIE IG METALL („DIE UNTERZEICHNENDEN“)

FORDERN IN BERLIN UND BRÜSSEL WIRKSAME

MASSNAHMEN EIN, DIE DIE ZUKUNFT DES STAHLSTANDORTES DEUTSCHLAND UND EUROPA SICHERN.

1. Die Unterzeichnenden begrüßen die Anstrengungen der Bundesregierung beim Ausbau der Erneuerbaren Energien und dem Hochlauf des europäischen Wasserstoffmarktes, einschließlich der jüngst vom BMWK veröffentlichten Importstrategie für Wasserstoff. Eine belastbare Folgeabschätzung zu den eingeleiteten Maßnahmen bei diesen Punkten sowie beim Strommarktdesign ist dennoch unbedingt erforderlich.

2. Die Bundesregierung wird gebeten, Maßnahmen zu ergreifen, die für energieintensive Industrien wettbewerbsfähige Energie- und insbesondere Strompreise sicherstellen. Neben der Fortführung der Strompreiskompensation über 2030 hinaus ist es notwendig, bereits jetzt auf nationaler Ebene weitere preis- und mengenseitige Lösungen zu entwickeln, um die Grundlast der betroffenen Unternehmen abzusichern.

3. Darüber hinaus sollte die Bundesregierung zeitnah Lösungen zur Begrenzung der Stromnetzentgelte einführen. Hierbei könnten eine Wiedereinführung des staatlichen Zuschusses zur Stabilisierung der Übertragungsnetzentgelte oder andere kostendämpfende Maßnahmen in Betracht gezogen werden. Parallel dazu wird eine schnelle Veröffentlichung und Umsetzung der angekündigten Kraftwerksstrategie gefordert, die durch flankierende Maßnahmen, wie die Einführung eines Kapazitätsmechanismus, unterstützt werden sollte. Diese Maßnahmen sollen den notwendigen Zubau gesicherter Leistung ermöglichen – ohne dass zusätzliche Kostenbelastungen für die Unternehmen entstehen. Bei der Reform der individuellen Netzentgelte sollten die spezifischen technischen Anforderungen der energieintensiven Industrien, wie der Stahlindustrie, berücksichtigt werden, um faire Produktionsbedingungen zu schaffen.

4. Um den Einsatz von klimafreundlichem Wasserstoff in ausreichenden Mengen und zu international wettbewerbsfähigen Preisen zu ermöglichen, müssen die infrastrukturellen Voraussetzungen für mittelständische und große Stahlunternehmen geschaffen werden. Bis dahin sollte die Nutzung von Erdgas als Zwischenlösung erlaubt bleiben. Die Netzentgelte für Wasserstoff sollten so gestaltet werden, dass sie die wirtschaftliche Nutzung im internationalen Wettbewerb nicht gefährden.

5. Förderinstrumente wie die Klimaschutzverträge sollten den Ersatz von Erdgas und Kohle durch Wasserstoff unterstützen. Die Bundesregierung wird gebeten, die Voraussetzungen für eine Nutzung dieser Förderinstrumente durch die Stahlindustrie zu verbessern – durch Übergangslösungen, pragmatische Antragsprozesse, ausreichende Umsetzungsfristen und eine bessere Vereinbarkeit der Programme.

Einige Stahlunternehmen auf der Kokskohle- und Hochofenroute verfügen bereits über Förderbescheide für ihre Umstellung auf Elektrostahl und Wasserstoffmetallurgie. Diese Bescheide müssen zuverlässig unterstützt werden. Im Interesse einer mittelstandsgerechten Anwendung der Förderinstrumente – insbesondere Klimaschutzverträge und Bundesförderung Industrie und Klimaschutz – bitten die Unterzeichnenden das BMWK, die besonderen Herausforderungen in einzelnen industriellen Prozessen, wie der Hochtemperaturerzeugung bei der Elektrostahlindustrie, bei der Weiterentwicklung der Richtlinien in Form von praxistauglichen Maßnahmen und realistischen Anforderungen zu berücksichtigen.

Besonders mit Blick auf mittelständische Betriebe sollte das BMWK sich bei der EU-Kommission für eine Genehmigung einer OPEX-Förderung auch im Rahmen der BIK einsetzen und sie ermöglichen. Die Bewilligungs- und Antragszeiten sollten praxisorientiert gestaltet werden.

GRÜNE LEITMÄRKTE:

6. Die Länder der Stahlallianz sprechen sich für eine zeitnahe Schaffung grüner Leitmärkte aus. Mit Hilfe öffentlicher Aufträge wird die Nachfrage an CO2-reduziertem Stahl angereizt. Wir werden uns dafür einsetzen, nichtpreisliche Vergabekriterien zu etablieren. Hierzu wird das gemeinsam von der Stahlbranche und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Rahmen eines Stakeholderprozesses entwickelte Kennzeichnungssystem Low Emission Steel Standard (LESS) als Benchmark und Referenz herangezogen. Das Ziel muss sein, dass grüner Stahl nur dann leitmarktfähig sein darf, wenn er auf der Basis von robusten Standards, wie beispielsweise LESS, zertifiziert worden ist.

7. Die Unterzeichnenden fordern die Bundesregierung sowie Unternehmen in öffentlicher Hand dazu auf, diesem Beispiel der Länder der Stahlallianz zu folgen. Die Bundesregierung wird daher gebeten, zu prüfen, ob und auf welche Weise (beispielsweise mit Quoten, Nachhaltigkeitskriterien oder Steuer- und Prämienmodellen für CO2-reduzierten Stahl aus Europa) die öffentliche Auftrags- und Vergabepraxis so angepasst werden kann, dass eine Nachfrage in den stahlverarbeitenden Branchen (z.B. Bau-, Energie-, Automobilsektor) nach in der EU produzierten und LESS-zertifizierten Stahlprodukten entsteht.

8. Die Unterzeichnenden sehen die Bundesregierung und die Europäische Kommission in der Mitverantwortung, die Gründung freiwilliger B2B-Leitmarktinitiativen in Schlüsselsektoren mit hoher transformativer Wirkung, wie z.B. Energie und Verkehr, aktiv zu unterstützen, damit auch in anderen Sektoren Anreize für den Einsatz von CO2-reduziertem Stahl geschaffen werden.

9. Die Unterzeichnenden fordern die Bundesregierung auf, unverzüglich auf die Europäische Kommission einzuwirken und das Problem der globalen Überkapazitäten mit wirksamen handelspolitischen Maßnahmen zu adressieren. Dazu zählt insbesondere, dass eine WTO-verträgliche Nachfolgeregelung für die 2026 auslaufenden EU-Safeguards gefunden wird. Die Antidumpingund Antisubventionsmaßnahmen der EU müssen konsequent angewandt und einer regelmäßigen Überprüfung ihrer Wirksamkeit unterzogen werden. Dabei sind die Spielräume des WTO-Rechts auszuschöpfen. Die Bundesregierung muss mit konkreten Vorschlägen und mit Allianzen anderer europäischer Länder ihren Einfluss auf die neue Kommission zielstrebig ausüben.

10. Zugleich bleibt es dringend erforderlich, die Wirksamkeit des CBAM sicherzustellen. Neben der notwendigen Entlastung bei den Exporten durch eine Rückgewährung der ETS-Kosten muss sich die Bundesregierung mit Nachdruck für die Behebung der weiteren Schwachstellen beim CBAM einsetzen, etwa für eine Ausweitung des CBAM-Anwendungsbereichs auf weiterverarbeitete Stahlprodukte und die Verhinderung von Umgehungsstrategien und gezielter Umlenkung von Handelsströmen in die EU.

11. Im Zuge der Transformation wird der Bedarf an hochwertigem und preisgünstigem Stahlschrott als Rohstoff für die Stahlindustrie steigen. Ansätze für ein nachhaltiges Schrottrecycling im Rahmen der Kreislaufwirtschaft werden daher eine zunehmende Rolle spielen. Die Bundesregierung wird zudem angehalten, zu prüfen, inwieweit die Verbringung von Schrott in außereuropäische Länder mit geringeren Technologiestandards als die in der EU vorherrschend beispielsweise im Rahmen der Abfallverbringungsverordnung zu Gunsten inländischer Bedarfe geregelt werden kann.

DIE UNTERZEICHNENDEN

Stahlallianz

DIE NÄCHSTEN SCHRITTE:

1. Aus den Punkten dieses Nationalen Aktionsplans Stahl muss aus Sicht der Unterzeichnenden ein Sofortprogramm der Bundesregierung resultieren, das

• die weitere Umsetzung des Handlungskonzepts Stahl vorantreibt,

• die genannten konkreten Schritte zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Finanzierung der Transformation unmittelbar einleitet und in der Folge rechtlich belastbar absichert und

• bestehende und geplante Unterstützungs- und Förderinstrumente mittelstandsfreundlich optimiert, d.h. bürokratiearm und flexibel handhabbar ausgestaltet.

Die Unterzeichnenden fordern gemeinsam mit der Bundesregierung eine Initiative zur Ausgestaltung und Umsetzung eines europäischen

Aktionsplans für wettbewerbsfähigen Stahl made in Germany and Europe. Dieser Europäische Aktionsplan Stahl soll Teil des New Clean Industrial Deal werden und konkrete sowie verbindliche Maßnahmen und Meilensteine zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Sicherung der Transformation der europäischen Stahlindustrie enthalten.

Baden-Württemberg

Niedersachsen

Nordrhein-Westfalen Saarland

Metall

Freistaat Bayern
Brandenburg
Freie Hansestadt Bremen
Freie Hansestadt Hamburg
Freistaat Sachsen
Sachsen-Anhalt
Freistaat Thüringen

Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen

Berger Allee 25 40213 Düsseldorf

Tel.: +49 211 61772-0

E-Mail: poststelle@mwike.nrw.de

Internet: www.wirtschaft.nrw

Bildquellen: Titel: Adobe Stock

Seiten 3, 6, 8, 9, 12: Adobe Stock

Seite 2 + 14: IG Metall, Thomas Range

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