Stadtgeflüster April 2019

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1DEINS! | Ausgabe 04 | -Season 14 im april 2019 Das Interviewmagazin vom

COUCHGEFLÜSTER – EIN SOFAGESPRÄCH

Thorsten Kambach und Ralf Pachaly über Sitzkultur.


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Fast Forwort

Christoph

Thorsten

Inhaltsverzeichnis COUCHGEFLÜSTER – EIN SOFAGESPRÄCH ................................. Seite 04 Ralf Pachaly

UNTERWEGS FÜR DIE GUTE SACHE ................................................ Seite 16 Eva Luise Köhler Liebste Leserin, lieber Leser, auf „einfachen Wunsch“ widme ich die ersten Zeilen des heutigen Vorwortes unserem Stammleser Christoph Dammann, muss auch mal sein. Auf vielfachen Wunsch wäre schön gewesen, aber dafür hätten sich dann doch mindestens mehrere Leute melden müssen und nicht nur der eine. Einer! Aber auch der zählt bei uns. Gut, ich könnte noch so einiges zum Leser Chris erzählen, aber das würde ein verzerrtes Bild dieses Mannes abgeben. Wer sich also ein genaueres Bild machen möchte, was durchaus geht, denn er ist ein normaler Mensch, sollte sich ab April am Aasee tummeln. Dort ist er geradezu immer zu entdecken – mal vor der Segelschule Overschmidt, mal darin, mal auf dem Wasser, mal darin. Je nach Wetterlage und Wind und je nachdem. Ein weiterer Leser, den ich hier hervorheben muss, ist ein anderer. Aber den Namen verrate ich nicht. Falls du aber eine Idee hast, wer das sein könnte, kannst du was Tolles gewinnen: eine unterhaltsame Stunde auf dem Aasee in einem Segelboot mit Segeln obendrauf. Beantworte uns dafür mit einer Mail folgende Frage: Wer ist der weitere Leser oder die weitere Leserin, die wir suchen? Der Vorname genügt. Sollten mehrere richtige Antworten eingehen, entscheidet der Umfang, also die Länge der Mail. Bitte schicke die Mail mit der korrekten Lösung an kambach@dachboden.de Ich wünsche einen schwungvollen April! Thorsten

MISSION MOBILITÄT ................................. Seite 22 Till Amman & Rebecca Bracht

EIN KERL WIE MÜNSTER .......................... Seite 30 Steven Goldstein

UND TÄGLICH GRÜSST DAS PHRASENSCHWEIN .................................... Seite 36 Oliver Georgi

SCHIMPFEN UND SCHIMPFEN LASSEN .................................. Seite 44 Hasan Sicim

MOBILISIERUNG IM KAPFSPORT ........... Seite 48 Robert Claus

SIR VIVAL ...................................................... Seite 54 Rüdiger Nehberg

GESUNDHEIT ............................................... Seite 62 UMWELT ........................................................ Seite 63 TIPPS & TERMINE ....................................... Seite 64


Fotos: Maren Kuiter

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Thorsten Kambach sitzt mit Ralf Pachaly auf Sofas, die Handys aufladen. Ich höre häufig, die Geschäftsleute klagen über Amazon und Co, und das nicht nur in Münster. Für uns Grund genug, alle Betroffenen zu fragen, ob das stimmt. Nachdem letztens Pitti und Erkan in unserem Magazin für den innerstädtischen Erhalt von Gastro, Einkauf und den Duft von Wein eintraten, kommt heute Ralf Pachaly zu Wort. Ralf stammt aus einer ganz anderen Branche, er ist der Geschäftsleiter von UNI POLSTER, einem Familienbetrieb, der seit über vierzig Jahren in Münster zuhause ist. Wir sprechen über Sofas mit Internetanschluss, aber auch über das Glück, heutzutage etwas verkaufen zu können, das die Leute – bisher zumindest – ungern online kaufen.

COUCHGEFLÜSTER – EIN SOFAGESPRÄCH

Hier stehen sagenhaft viele Sofas rum. Müsst ihr die alle verkaufen oder ist das Kommissionsware? Das sind alles unsere Sofas. Wer entscheidet, welches Sofa hier verkauft werden darf? Ich. Mit dem Einkauf. Hmm, nicht ganz so einfach. Wenn ihr ein T-Shirt einkauft, riskiert ihr fünf Euro – das ist bei Sofas sicher anders, wenn die sich nicht verkaufen … Dann hast du ein Problem. Allein schon, was die Sofas an Platz benötigen! Gehört der Laden euch oder ist der gemietet? Der ist gemietet. Wie viel Fläche?

Für ein Möbelhaus recht wenig, um die zweitausend. Dieses Haus war eines unserer ersten, es wurde vor gut vierzig Jahren gebaut, extra für uns, aber das waren andere Zeiten – unsere anderen Häuser sind deutlich größer; zwischen drei- und sechstausend Quadratmeter. Was aber wichtiger ist, das Persönliche. Wenn das stimmt, kommen Menschen gerne und dann kommen sie wieder. Gerade heutzutage. Ich weiß nicht, ‚ne Sofalandschaft kauft man ja nicht jede Woche zwei Mal. Richtig. Aber ich bin jetzt fast zwanzig Jahre dabei und in dieser Zeit gab es so einige, die das zweite oder sogar dritte Mal bei mir kaufen. Hat sich die Sofakultur geändert? Sehr, vor allem in den letzten fünfzehn Jahren. Heute ist es so, dass Besuch bei einem


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zuhause am Esstisch sitzt oder in der großen Küche. Früher saßen meistens alle um den Couchtisch rum, haben sich noch Stühle dazu geholt. Ich weiß das noch genau, das war, als ich noch ein Bengel war. Doch heute, ja heute ist das der Esstisch.

zu riesengroßen Sofas zu gehen. Ja. Allerdings wirkt das hier noch extremer, es ist so, dass wir die hier nämlich immer in voller Größe aufbauen. Die Käufer stellen sich aber oft andere Kombis zusammen.

Und was macht heute das Sofa? Das ist heute eher privat, für mich selbst, meine Wohlfühlzone; da ziehe ich mich zurück.

Kannst du am Design eines Sofas erkennen, aus welcher Zeit es stammt? Ich kann etwa die Richtung sagen, aber das genaue Jahr nicht, ist ja kein Wein. Aber die Zeitspanne, die kann ich schon nennen.

Wenn ich mich so umsehe, scheint der Trend

Woran machst du die fest?



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Ganz einfach: Häufig ist es die Farbe. Daran kannst du erkennen, von wann das gute Stück ist? Ja, genau. Anfang der Zweitausender waren nahezu alle Sofas blau! Dann kam der nächste Schritt: Terracotta. Weiter ging es mit Erdtönen: beige, braun. Im Moment ist alles grau, von Hellgrau über Dunkelgrau, Schlammgrau. Und, noch ganz, ganz aktuell: Grün. Moosgrün. Wenn man beim Sofa nach Trendfarben geht, sollte einem klar sein, diese Farbe muss man vermutlich jahrelang ertragen. Das ist unterschiedlich. Beim Jungen Wohnen geht man von acht bis zehn Jahren aus, dann geht das. Wir haben aber auch Kunden, deren gutes Stück dreißig oder mehr Jahre zählt. Aber ansonsten kann man das Sofa einfach in ein Nebenzimmer stellen, das machen auch viele. (Lacht)

» Tja wenn du‘s bei mir kaufen willst, ist es halt teurer. « Wo steht euer ältestes Stück? Oh, das weiß ich echt nicht, aber ich bin sicher, irgendwo in Münster stehen noch Sofas vom Eröffnungstag. Heute passiert mehr denn je online. Leidet ihr darunter? Einfache Antwort? Ich begreife das eher als Chance. Das klingt mir zu perfekt. Nein, wirklich. Damit mache ich eigentlich keine Werbung, aber wenn zu uns jemand kommt und sagt, ich habe dieses oder jenes im Internet gesehen, möchte das aber nicht im Internet kaufen. Da könnte ich sagen: Tja wenn du‘s bei mir kaufen willst, ist es halt teurer. Aber wir leben heute alle in einer Zeit des Umbruchs, da nehme ich lieber mal einen

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Internetauftrag mit, sach‘, pass auf, kriegste bei mir fürs gleiche Geld. Da muss ich halt mal bluten, aber ich halte diesen neuen Kunden, habe eine Bindung. Die Leute sind bequem, immer weniger bereit, irgendwo hinzugehen, außer es gibt viel drumherum. Da muss es mindestens `n Café sein, am besten noch ‚ne Hüpfburg, alles, um Leute zu locken. Aber uns geht es da anders, Menschen schauen rein, weil Freunde oder Kollegen

gesagt haben, wenn du ein Sofa suchst, geh‘ da mal hin. Wir erfüllen Wünsche. Sagen wir, du möchtest einen Sessel vom einen Designer und das Sofa vom anderen. So. Du willst aber beides im gleichen Leder bezogen haben. Nun kannst du die im Netz kaufen und abändern lassen – oder du kommst und sagst uns das, wir kümmern uns, komplett. Das ist toll und gefällt mir deutlich besser als die dritte Hüpfburg. Zu uns kommen sie aber auch einfach deshalb, weil wir Polstermöbel verkaufen. Die Leute wollen ja probesitzen und wissen, wie


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es sich anfühlt. Auf einem Foto siehst du bloß die Optik, das ist nicht leicht. Sind Sofas heutzutage komplizierter als früher? Im Grunde nicht, das Untergestell, die Federn, das Leder, aber bei den Details, da auf jeden Fall, auch Sofas machen vor der heutigen Zeit nicht halt. Die haben inzwischen oft Motoren … jede zweite Couch hat einen Stecker.

Damit kannst du Lehnen verstellen, Flächen vergrößern, Handy aufladen – ach, ganz unterschiedlich. Kannst du das auch mit ‚ner App steuern? Ja, das geht. Hier, warte mal. Ich muss eben schauen … (Ralf fummelt am Sofa rum) … ob das Sofa online ist.

Wozu das?

So.


(Das Sofa ist nun offenbar online, denn während Ralf auf seinem Handy wischt, ändert sich gleichzeitig meine Sitzposition).

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Kann ich die unter eigenen Namen speichern? Klar, unter „Netflix“ beispielsweise. Ganz wie du willst.

r 2014 Seit FebruaWäre rt!prominente Sofapoes S nicht neinedoIdee, ta n e r e ß ö r g n sitionen anzubieten? Da könnte ich probieam neue ren, ob ich wie Jack Nicholson oder lieber 99 - HöltenwwieegMarkus Lewe sitzen will. Wie Markus Lewe sitzen … nun ja, du kannst auf jeden Fall von unterwegs per Smartwatch dem Sofa deine baldige Ankunft durchgeben – und ihm sagen, es soll sich schon mal auf dich einstellen.

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Die Alexianer Waschküche ist ein Inklusionsbetrieb. Bei uns arbeiten Mitarbeiter mit und ohne Behinderung gemeinsam im Team. Unser Motto:

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» diese Position kann ich nun speichern, beim nächsten Mal weiß das Sofa deine Lieblingshaltung. « Wer möchte darauf schon verzichten, wenn man‘s einmal erlebt hat. Was gibt es an weiteren Entwicklungen auf dem Sofamarkt? Dieses hier. (Ralf zeigt mir einen Zweisitzer, dessen Sitze sich jeweils per Handy drehen lassen, so kann man sich gegenübersitzen und … wir setzen uns)

4 1 0 2 r a u r b e F t i Se ! t r o d n a t S n e r e am neuen größ - Höltenweg 99 Wow – das hätte ich gerne im Büro. Was kostet es? Das kostet um die viereinhalb. Und ohne Internetanschluss?


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(Lacht) Der ist inklusive. (Während wir reden, drehe ich mich langsam mit dem Sessel im Kreis herum – der Sound ist sanft, leise …) Locken Sofas wie dieses neue Kunden in den Laden? Ja, solche Ideen sind schon etwas, das Leute live erleben wollen. Die müssen‘s natürlich nur wissen. Ich weiß es nun. Und bin überrascht, was aus dem piefigen Omasofa von einst geworden ist. Was wiegt eine gute Couch? Oh, heutzutage ist da ja viel Technik drin. Leder wiegt auch was, der Unterbau, die Spiralen – pro Teil um die achtzig Kilo.

» Wir versuchen es ja auch, geben uns Mühe Dinge so anzubieten, wie es das Internet eben nicht kann. « Was für ein Leder wird bei Sofas hauptsächlich eingesetzt? Bei Polstermöbeln wird immer mit Rindsleder gearbeitet. Anderes Leder wellt sich zu doll. Rindsleder zwar auch, aber eben nicht so stark, hält Jahre. Bezieht ihr die Sofas selber – hinten im Hof? Nein, das machen Profis für uns.

Ich habe ein Lieblingssofa, das möchte ich neu beziehen, macht ihr sowas auch? Nö. Aber wir vermitteln das gerne. Kommen wir zum Anfang und Grund unseres Treffens, viele Geschäftsleute klagen über die Konkurrenz aus dem Internet. Du auch? Ich muss es hinnehmen. Und damit arbeiten. Klagen nützt da wenig. Wie kann man es denn nutzen, sollten alle einen Onlineshop betreiben – und gegen Amazon verlieren? Wenn du da so rangehst, kannst du nur verlieren. Wir versuchen es ja auch, geben uns Mühe Dinge so anzubieten, wie es das Internet eben nicht kann. Wie bei unseren technischen Entwicklungen: Da wir nicht nur ein einziges Sofa mit Internetanschluss haben, sondern nahezu jedes zweite, kann der Kunde hierher kommen und sich inspirieren lassen. Du warst doch auch gerade wirklich überrascht – und das ist Absicht. Du hast recht, ihr habt mich erstaunt. Danke für deine Zeit – das Interview werde ich auf meiner Couch schreiben, darüber müssen wir uns auch mal unterhalten, die ist echt alt. Jederzeit. Aber dann kriegst du eine mit Soundsystem und Internet. ◊◊◊

INFO

Ralf Pachaly Müssen die dann zunächst ein bezogenes Sofa wieder abziehen? Das klingt nach arger Verschwendung, man könnte fast sagen: Die armen Tiere! Nein, da haben wir Absprachen mit den Herstellern; da gibt es extra für uns sogenannte Weißpolster. Die kaufen wir und die werden frisch bezogen.

Der stolze UNI-Polsteraner meint: Qualität sollte man fühlen, nicht im Internet kaufen. Die Mission des 41jährigen ist es, Räume auszustatten und seinen Kunden persönlich zu zeigen, dass echtes Erleben zählt. Gerade In Zeiten des Internetshoppings ein guter Ansatz. uni-polster.de uni-polster.de/filialen/uni-polster-munster



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DOMINIK IRTENKAUF UND EVA LUISE KÖHLER ÜBERLEGEN, WIE SELTENE ERKRANKUNGEN BEKANNTER WERDEN KÖNNTEN Ein Fünftel der Bevölkerung ist von einer Seltenen Krankheit betroffen. Wie der Name bereits ausdrückt, treten diese Erkrankungen alles andere als häufig auf und befinden sich daher oftmals unter dem Radar der Öffentlichkeit. Die Tom Wahlig Stiftung in Münster veranstaltete im November in der Bezirksregierung eine Fotoausstellung, um das Bewusstsein zum Thema zu erhöhen. Eva Luise Köhler war als Rednerin geladen. Im Interview sprechen wir über das ehrenamtliche Engagement der früheren First Lady und darüber, wie weit die Inklusion in Deutschland vorangeschritten ist.

UNTERWEGS FÜR DIE GUTE SACHE Viele unserer Leser werden kaum wissen, was Seltene Erkrankungen sind. Können Sie uns da aufklären? Wenn in einer Bevölkerung von 10.000 Menschen weniger als fünf diese Krankheit haben, dann wird sie als selten definiert. Heute Abend werde ich bei der Vernissage der Tom Wahlig Stiftung sprechen. Diese Institution kümmert sich zum Beispiel um die seltene „Hereditäre Spastische Spinalparalyse“. Wie viele Seltene Erkrankungen sind denn bekannt? Experten schätzen, dass es derzeit bis zu achttausend dieser Gebrechen gibt. Manche sind so rar, dass sie vielleicht vier Personen in Deutschland betreffen. Dennoch ist das Gesamtphänomen durch die Vielzahl verschiedener Krankheitsbilder alles andere als aus dem Rahmen fallend. Allein hierzulande sind vier Millionen Menschen betroffen. Wieso ist das Thema trotzdem unbekannt? Angesichts der jeweils geringen Fallzahlen wurden seltene Erkrankungen lange von Forschung und Pharmaindustrie vernachlässigt. Deshalb bezeichnet man die Betroffenen auch als „Waisen der Medizin“. Dass seit etwa zehn

Jahren das medizinische, politische und mediale Interesse an dem Thema steigt, ist vor allem dem unermüdlichen Einsatz einiger Ärztinnen, Wissenschaftler und der ACHSE zu verdanken. Was genau macht die ACHSE? Das ist ein Dachverband der Patienten-Selbsthilfegruppen, der die Interessen der Betroffenen bündelt und vertritt, insbesondere in politischen Kontexten. Etwa, indem er Gesetze, die Menschen mit Seltenen Erkrankungen betreffen, prüft und – ganz wichtig – die Patientenseite im Nationalen Aktionsbündnis für Menschen mit seltenen Erkrankungen, kurz NAMSE, vertritt. Die ACHSE berät und vernetzt zudem Betroffene und Ärzte, wenn sie Informationen zu verschiedenen Leiden benötigen. Sie hilft allgemein, das Wissen um Seltene Erkrankungen in der Öffentlichkeit ständig zu erweitern. Geschieht das auch auf europäischer Ebene? Ja, denn die Europäische Union hat ihre Mitgliedsstaaten 2009 aufgefordert, jedes Land solle einen Plan erarbeiten, wie die medizinische Versorgung von Patienten mit Seltenen Erkrankungen verbessert werden kann. Schon ein Jahr später wurde daraufhin ein Nationaler Aktionsplan verabschiedet. Dieser sieht ins-


Fotos: Presse

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Jeder hat das gleiche Recht auf Zukunft besondere die Etablierung von untereinander vernetzten Zentren an den Universitätskliniken vor. Aber natürlich muss zu diesen relativ unbekannten Erkrankungen mehr geforscht werden, damit Therapien entwickelt werden können. Es gibt viel aufzuholen! Ich kann mir vorstellen, dass das enorme Kosten verursacht! Hohe Kosten fallen vor allem dann an, wenn Patienten mit komplexen Erkrankungen jahrelang schlecht betreut durchs System irren, weil sie niemanden finden, der eine Diagnose stellen kann. So verstreicht wertvolle Zeit und es kommt nicht selten zu Fehldiagnosen, Doppeluntersuchungen und überflüssigen Eingriffen. Besser ist es, diese Odyssee zu vermeiden und dadurch nicht nur Geld, sondern auch viel Leid zu sparen. Aber die Forschung kostet Zeit. Ein Arzt muss sich spezialisieren und hat vielleicht,

wenn es hochkommt, sechs Patienten, weil diese Gebrechen so selten sind! Die Forschung ist auf jeden Fall Detektivarbeit. Von einem niedergelassenen Mediziner kann man nicht erwarten, dass er jede Seltene Erkrankung kennt. Da ist es gut, wenn er mit den üblichen Krankheiten vertraut ist und sich bei unklarer Befundlage Unterstützung holt. Was sollte er also machen, wenn er nicht mehr weiterweiß? Recherchieren und sich fachkundige Hilfe holen, beispielsweise bei der ACHSE. Er kann dann seine Patienten zudem an eines der Zentren für Seltene Erkrankungen überweisen. Was hat es mit diesen Zentren auf sich? In den letzten Jahren wurden an fast allen Universitätskliniken spezialisierte Einrichtungen angesiedelt, die sich Seltenen Erkrankungen sowohl in der Forschung als auch klinisch widmen.


Gibt es ein solches Zentrum in Münster? Ja, am UKM gibt es das Centrum für Seltene Erkrankungen (CSE). Professor Omran arbeitet dort. Er hat den von unserer Stiftung verliehenen Forschungspreis vor ein paar Jahren erhalten. Gut. Lassen Sie uns über Inklusion reden. So wie ich die Fotoausstellung verstehe, geht es um eine Art Einschluss in den Alltag? Wie weit ist man hier in Deutschland? Also, Seltene Erkrankungen gehen häufig mit einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung einher: Die Betroffenen entwickeln sich zum Beispiel verzögert, sitzen im Rollstuhl oder jemand erblindet. Insofern betrifft das Thema Inklusion gerade diese Menschen. Und hat sich da etwas verändert? Die UN-Behindertenrechtskonvention bildet seit 2007 die gesetzliche Grundlage dafür, dass Menschen mit Behinderung das Recht auf eine gleichberechtigte Teilhabe an unserer Gesellschaft haben und wir in der Verantwortung stehen, ihnen diese zu ermöglichen. Die Umsetzung im Alltag steht auf einem anderen Blatt …

» Experten schätzen, dass es derzeit bis zu achttausend Seltene Erkrankungen gibt. « Ist das trotzdem ein positives Zeichen? Natürlich, doch wir sind noch lange nicht da, wo wir sein müssten. Mein Traum wäre eine echt inklusive Gesellschaft, in der niemand um Akzeptanz und Teilhabe ringen muss und jeder das gleiche Recht auf Zukunft genießt. Lassen Sie uns einen anderen Aspekt der Inklusion ansprechen: Inklusion im Unterricht an Gesamtschulen. Das ist ein wichtiges Thema für mich. Leider dient es manchen Schulen nur als

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Je länger Patienten schlecht betreut durch das System irren, desto höher werden die Kosten sein Aushängeschild, im Sinne von: Seht her! Wir unterrichten Kinder mit und ohne Behinderung! In Wahrheit fehlen die Ressourcen, um das angemessen umzusetzen. Sie sehen da Probleme? Es müssen ausreichend Lehrkräfte zur Verfügung stehen. Inklusion erfordert eine ausgearbeitete Methode. Es ist viel Arbeit, um an einer Schule Inklusion für alle Seiten zufriedenstellend umzusetzen! Die Landesregierungen müssen sich teilweise vorwerfen lassen, dass sie die Sonderschulen einsparen. Was sie da einbehalten, geben sie nicht an anderer Stelle aus. Da fallen beispielsweise Stunden von Sonderpädagogen einfach weg! Statt in wichtige Projekte zu investieren, nutzt die Politik Inklusion für Sparmaßnahmen. Ich denke, dass es eine zusätzliche Herausforderung ist, alle Kinder in den Unterricht

einzubringen. Eine nichtbehinderte Klasse zu unterrichten, ist ja schon schwer genug. Da muss ich einwerfen, dass es heute nicht das Ziel ist, alle Kinder auf das gleiche Niveau zu bringen. „Innere Differenzierung“ ist das Zauberwort. Es gibt durchaus Möglichkeiten, wie man Kinder mit verschiedener Begabung gemeinsam unterrichten kann. Da muss der Leistungsgedanke nicht wegfallen, aber individuell verstanden werden. Wie dann? Jedes Kind soll möglichst nach seinen Fähigkeiten gefördert werden. Ich sehe im inklusiven Unterricht Möglichkeiten und Erziehungsstile, die erreicht werden können: ein soziales Miteinander und gegenseitige Hilfestellung zu fördern. Warum soll es schwierig sein, wenn sich ein Kind, das gut in Mathe ist, mit einem Kind, das sie noch nicht begriffen hat, gemeinsam an die Matheaufgabe setzt?


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Das fordert eine entsprechende Didaktik. Sicher. Ich habe das in einer Gehörlosenschule in Äthiopien miterlebt, dass sich die Kinder gegenseitig unterstützt haben. Auf beiden Seiten gibt es da Möglichkeiten, wo sich beide Menschen ergänzen können. Eine besondere Herausforderung wird es bleiben! Es ist Fantasie gefragt, wie man das zusammenbringt. Ich will nicht behaupten, dass es leicht ist. Und es geht nicht, wenn ich zu große Klassen habe. Eine Voraussetzung ist, dass genügend Lehrerinnen und Sonderpädagogen in den Klassen sind.

» Inklusion erfordert eine ausgearbeitete Methode. « Denken Sie, dass Sie als frühere First Lady mehr Aufmerksamkeit für das Thema erhalten? Das hoffe ich! Es ist ja nur ein Vehikel. Die Aufmerksamkeit für ein Thema steigt sicher, wenn die Leute mich bereits kennen. Ist die Arbeit für Sie mehr oder weniger geworden, seit Ihr Mann kein Bundespräsident mehr ist? Es ist natürlich nicht mehr so viel, wie zu

der Zeit, als mein Mann im Amt war. Da das Interesse an Seltenen Erkrankungen jedoch endlich steigt, nehmen auch die Projekte in diesem Bereich zu, was meinen Terminkalender wieder füllt. Sie müssen dann Schwerpunkte setzen? Ich konzentriere mich auf meine Engagements: Bei der ACHSE; in Chaim Sheba (Eine Klinik in Tel Hashomer in Israel – die Redaktion) und bei einer Einrichtung in meiner Heimatstadt Ludwigsburg. Vor allem bin ich aktiv in Sachen Seltene Erkrankungen. Das ist mein Hauptthema, da bin ich zum Teil oft unterwegs. Vor allem im Rahmen unserer Stiftung, die Forschung in dem Bereich fördert. Aber es lässt sich nicht vergleichen mit dem früheren Leben. Vielen Dank. Bitte. ◊◊◊

INFO

Eva Luise Köhler

Studierte Geschichte, Deutsch und Religion an der PH Ludwigsburg. Arbeitete mehrere Jahre als Lehrerin. 1969 heiratete sie Horst Köhler. Übernahm in ihrer Rolle als First Lady zahlreiche Schirmherrschaften. 2006 initiierte sie gemeinsam mit ihrem Mann eine Stiftung, die sich für die bessere medizinische Versorgung von Menschen mit Seltenen Erkrankungen einsetzt. elhks.de


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David spricht mit Till und Rebecca über Gesellschaftsspalten, intelligente Mobilität und die Macht der Gewohnheit Back to Nature! Meint zumindest Till, der Geschäftsführer von Stadtteilauto. Und das von einem, der Karren verleiht? Merkwürdig. Aber das passte dann doch, er hat mir ja erklärt, warum. Auch, wohin es geht mit der Gesellschaft und ihren Trends. Dass das keine leichte Nummer ist, in Zeiten der Verkehrsexpansion schlau über Umwelt und Nachhaltigkeit zu reden, ist klar. Wir haben es trotzdem geschafft.

Mission Mobilität Hallo, ihr zwei. Einen Riesen-Bambus habt ihr da vor der Tür. Till: Moin. Jo. Die Dinger wachsen echt flott. Und man kann sie für alles verwenden. Das ist schön. Ich sage: Münster Fahrradstadt. Du sagst? Till: Kann besser. (Lacht) Ich sage: Auto – das Statussymbol. Till: Muss nicht sein. Warum nicht? Till: Na ja, inzwischen ist das Rad ein besseres Statussymbol. Habt ihr mal über BikeSharing nachgedacht? Till: Ja. Lastenrad-Sharing, keine normalen Fahrräder. Weil jeder Münsteraner hat im Schnitt zwei bis drei Leezen. Mhm. Werden ja auch ganz schön viele abgezogen. Till: Tja, dafür hat man ja seine Drittleeze. Wurde bei euch schon mal ein Auto geklaut? Till: Hmm. Ist lange her. So 1995. Da waren wir schon dabei!

Kundenerfahrungen: Was waren die merkwürdigsten? Rebecca: Mein Lieblingsanruf. Eine Kundin wollte mit einem Stadtteilauto abschleppen. Mit der Stoßstange – Zack! Abgerissen. Dann hat sie am Auspuff einen kleinen Haken entdeckt, wo eigentlich das Kondenswasser ablaufen soll. Drei Mal darfst du raten … Wir haben gar nichts mehr verstanden. Das ist ja wie im Film! Bekommt ihr auch witzige Blitzfotos? Rebecca: Nee, das nicht so richtig. Aber ist immer schön, wenn einer von uns drauf ist. Stadtteilauto in drei Sätzen. Till: Anfang der 90er Jahre aus einer Umweltbewegung hervorgegangen. Inzwischen in der Mitte der Gesellschaft angekommen und zukünftig hoffentlich der wichtigste Bestandteil der Verkehrswende. Ihr seid stationsbasiertes CarSharing. Sind die Leute zu faul, zu euren Stationen zu laufen? Till: Jede Station sollte maximal 500 Meter entfernt sein, sonst wird es unbequem. Und das ist ja das Wichtigste, wenn man nachhal-


tig denken will, die Bequemlichkeit nicht zu beachten. Aber wenn man beispielsweise mit seinem eigenen Auto eine halbe Stunde einen Parkplatz suchen muss, wird CarSharing auf einmal komfortabel. Die Macht der Gewohnheit. Till: Auf jeden Fall! Weiteres Beispiel: Wenn neben unseren Elektrofahrzeugen ein normaler Verbrenner steht, wird der genommen. Alter Steinweg 41 | Tel.: 56524 | buvo.de

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Ach krass. Trotz Alternative? Till: Das Elektrofahrzeug reicht für die meisten Fahrten wunderbar aus. Aber die Leute nehmen lieber den Verbrenner, weil sie es so kennen. Obwohl der Nutzer, der das Elektrofahrzeug ausprobiert hat, sagt: „Es hat super funktioniert!“ Es ist verrückt. Haben die Leute Angst? Till: Vielleicht auch Angst, ja. Rebecca: Hemmschwellen. Eine ganz große Hürde.

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» Teil dir die Welt, teil dir die Autos! « Apropos Hürden: Städtische versus ländliche Mobilität? Die Vorteile und Nachteile von CarSharing? Till: Im ländlichen Bereich ist das Statussymbol Auto verbreiteter als innerstädtisch, denn auf dem Lande ist man auf ein Auto angewiesen. Ländlicher Raum und Carsharing passen nicht wirklich zusammen, solange der ÖPNV nicht genug ausgebaut ist. Also fehlt dort oft die Alternative? Rebecca: Ja. Und die Sorge ist stets da: „Wenn ich das Auto mal brauche, dann ist es nicht da.“ Das passiert aber in der Regel nicht. In neun von zehn Fällen ist ein Fahrzeug abrufbar.


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Und neben der Hemmschwelle wäre da noch die Automobilindustrie … Till: Also, ich habe sechs Jahre lang einen Lupo vom Stadtteilauto gefahren, mit 3 Liter Verbrauch. Und die sind 1998 vom Band gelaufen. Bis heute gibt es quasi kein Auto, was das kann. Wie kann das sein? Die Fahrzeuge werden immer größer. Selbst in Münster erhalten mehr Fahrzeuge die Zulassung, als je zuvor. Ich sage: Riesige Geländewagen im Kreuzviertel … Till: Spielt natürlich eine Rolle, klar. Der Nachbar guckt und vergleicht und man kann sich darüber identifizieren. Autofahren ist immer auch Emotion. Das ist nicht nur oberflächlich ein Auto. Rebecca: Ich glaube, da ist unsere Gesellschaft ähnlich gespalten wie in vielen anderen Themen. Die eine Hälfte möchte nachhaltiger sein. Da fehlen aber noch die Möglichkeiten. Die andere hat es gerne bequem. Sharing drückt Umweltbewusstsein aus? Rebecca: Das ist der Gedanke der jüngeren Generation. Vor fünf Jahren hieß es noch in

Unternehmen: Ein Stadtteilauto bei Geschäftsterminen – geht gar nicht! Das wandelt sich mittlerweile. Viele Kunden sagen, das sei die beste Werbung schlechthin. Unter anderem beim Stadtgeflüster. Till: Ein schöner Name. So würde ich gerne unsere Elektromobilflotte nennen – Stadtgeflüster! Aber da wart ihr schneller als wir. (Alle lachen) Ich habe gehört: 40 Prozent des Stromes werden in Kohlekraftwerken erzeugt … Till: Emissionswerte. Wenn da der Strom im Elektroauto aus Kohlestrom generiert wird, ist das von der Bilanz her schlechter als ein guter Verbrenner. Rebecca: Deswegen kommt aus unseren Ladesäulen Ökostrom. Im Allgemeinen geht es bei Elektromobilität vielmehr darum, dass weniger Mist und Lärm in die Luft gepustet wird. Emissionsarm, nicht -frei. Muss der Geist ein autoarmer sein, um bei euch arbeiten zu können?


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Das Stadtteilauto ist mittlerweile aus Münster nicht mehr wegzudenken Till: Nicht zwingend. Aber schöner, wenn die Mitarbeiter das leben. Besser, als einen tiefergelegten GTI zu fahren. (Lacht) Unsere Fuhrparkmitarbeiter fahren zum Beispiel mit Lastenfahrrädern zu den Stationen zur Wartung. Das drückt ein wenig unsere Unternehmensphilosophie aus. Teilt die Stadt Münster diese Philosophie? Till: Münster war früher wirklich Pionier in vielen Dingen. Beispielsweise das Mobilstationskonzept, was hier Ende der 90er aufgebaut wurde. Oder Deutschlands zweite Fahrradstraße, die Schillerstraße. Inzwischen ruht sich die Stadt aber ein bisschen auf den Lorbeeren aus, was Fahrradmobilität angeht. Achso. Da geht noch mehr? Till: Die Stadt müsste viel mehr Mut haben, die Dinge voranzutreiben. Sich weiterzuentwickeln, gerade weil die Gegebenheiten hier sind. Das fehlt mir manchmal. Ohne städtische Förderung ist eine intelligente Mobilitätsvernetzung verloren! Der bürokratische Aufwand stellt bisweilen das größte Hindernis dar, um weiter zu wachsen. Alles wird kaputt verwaltet.

Rebecca: Wenn die Stadt eine autofreie Innenstadt machen würde, wo niemand mehr reinkommt, außer vielleicht Busse und dann sagt: Damit müsst ihr jetzt leben! Dann würden viele erstmal meckern. Aber Menschen gewöhnen sich an neue Situationen. Mit der Zeit käme die Akzeptanz. Das haben wir in anderen Städten bereits gesehen. Die Münsteraner tun sich damit trotz allem schwer. Wie könnte man den Bürgern denn entgegenkommen? Till: Wenn das Mobilitätsnetz gut ausgebaut ist, unter anderem durch ÖPNV und Sharing-Fahrzeuge. Bus, Bahn, Sharing-Mobile. Eine Straßenbahn für Münster wäre wunderbar. Ein CarSharing-Fahrzeug ersetzt bis zu zwanzig private PKW, das heißt wir haben schon jetzt ca. 4.000 Fahrzeuge von der Straße geholt. Rebecca: Ich sehe auch das Problem des Preis-Leistungs-Verhältnisses. Es ist schlichtweg teurer, zu zweit mit dem Bus in die Stadt, als mit einem Auto ins Parkhaus zu fahren. Natürlich greift da die Bequemlichkeit. Die Alternativen zum Pkw sollten so günstig sein,


dass er sich innerstädtisch nicht mehr rentiert. Ich glaube, das ist ein enorm wichtiger Schritt. Heißt, was kann die Stadt tun? Till: Das Netz ausbauen und zugänglich machen. Das muss im öffentlichen Raum so sichtbar und markiert sein, dass jeder Bürger erkennt: Okay, da ist das Leihrad, dort die Mitfahrgelegenheit und dort das CarSharing-Mobil. Weniger Autos gleich bessere Lebensqualität? Till: Stell dir einmal vor, ab dem Promenadenring sei die Stadt autofrei … Man könnte auf der Straße laufen, Fahrrad fahren, Inlineskates, Skateboard, neue Scooter-Systeme, was auch immer … Das wäre ein ganz anderes Leben – und was für ein Tourismusmagnet! Zurzeit stehen die meisten bloß im Stau und alle sind genervt.

» Autofahren ist immer auch Emotion. « Ouh, ja. Und dann schauen alle auf ihr Handy. Wir leben in einer digitalen Welt. Till: Die digitalen Möglichkeiten sind da. Wir müssen sie nutzen. Dazu bedarf es aber wiederum der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und den Verbrauchern. Nur gemeinsam können wir was auf der Welt verändern. Teil dir die Welt, teil dir die Autos! Klingt nach einer Mission! Betreibt ihr denn Online-Marketing? Till: Wir nutzen es, aber wir sind eher kritisch gegenüber den neuen Medien, vor allem der Plastikwelt, die da gelebt wird. Es gibt viele Influencer, die bloß Geld machen wollen. Die stehen nicht hinter der eigentlichen Idee. Aber es hat trotzdem einen Effekt. Till: Ich finde, das ist keine ehrliche Werbung. Das ist eine ethische Gesellschaftsfrage.

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Einfach mal wieder zurück zur Natur Wir sind zumindest bei Facebook und Twitter, versuchen aber, das stets im informellen Bereich zu halten. Keine Belanglosigkeiten. Das beste Informationsmedium ist die klassische Mund-zu-Mund Propaganda. Nach meiner Heimkehr fällt mir in Münster auf, wie viel durch Hörensagen passiert. Rebecca: Ja. Stichwort Swapfiets. Das spricht sich rum und man sieht die Leihfahrräder überall. Ich glaube, Trend spielt oft eine entscheidende Rolle. Wo geht der denn gerade hin? Gen Nachhaltigkeit oder Richtung Verschwendung? Oder beides? Rebecca: B-Side, Teilbar, Natürlich Unverpackt, um ein paar Institutionen in Münster zu nennen. Da merkt man, der Trend ist da. Aber: Die eine Hälfte möchte, die andere nicht. Scheidepunkt der Gesellschaft: Wo

wollen wir hin, alle miteinander? Oder: Wo müssen wir hin? Wir sind ja der Ansicht, dass wir zur Nachhaltigkeit müssen, weil es anders nicht mehr geht! Also lange. Das sehen aber viele auch anders. Der amerikanische Präsident ist das beste Beispiel dafür. Das ist natürlich plakativ. So nach dem Motto: Nach mir die Sintflut. Und nur ich. Till: Besser an das große Ganze denken! Und aufklären! Zum Beispiel Stichwort vegetarisch: Ein Kilo Rindfleisch, da kann man 3000 Kilometer mit fahren, wenn man das einmal gegenrechnet. Oder nimm einen Atlantikflug. Ist gleich zehn Jahre rumgurken mit einem alten Diesel und man hat noch lange nicht die Emission, die da verbraten wird! Krass! Heftig … das ist politisch! Kamen die Grünen schon auf euch zu?


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Till: Die saßen bis gerade eben vor euch hier. Rebecca: Dann haben wir sie rausgeschmissen. (Lacht).

Das müssen wir mit der Natur machen. Und das kann auch im urbanen Raum funktionieren. Was sollen denn alle Leute machen, wenn Roboter für uns arbeiten? Rebecca: Urlaub! (Alle lachen)

Till: Nee, im Ernst, das ist nicht zu verheimlichen, dass die Grünen damals die Basis für unsere Bewegung mit gelegt haben. Meine Eltern waren politisch aktiv. Aber wir sind nicht parteiisch. Wir sind froh, über jeden, der sich für Sharing interessiert. Rebecca: Irgendwo muss man anfangen. Vielleicht durch das CarSharing-Gesetz, was jetzt auch auf kommunaler Ebene greifen soll, darunter das Stellplatzgesetz. Aber auch da mahlen die Mühlen langsam.

» Es wäre schön, wenn alle ein Jahres-Co2-Kontingent hätten. « Der Mensch muss anscheinend auf die Schnauze fallen, um zu gucken, was passiert, wa? Till: Definitiv.

Till: Das ist doch so langweilig, da gehen wir alle vor die Hunde! Oder an den Strand. Till: Ach so, da fällt mir noch was ein. Es wäre schön, wenn alle ein Jahres-CO2-Kontingent hätten. Ganz egal wofür, ob für Rindfleisch oder für einen Atlantikflug … Alles darüber hinaus kostet viel Geld. Da würde jeder sehen, wie er seinen Alltag und seine Mobilität abdeckt. Das als Währung einzuführen, würde vieles einfacher machen, was den Klimaschutz angeht. Weil dann würde es gerecht verteilt. Und selbst der Manager, der 100.000 Kilometer im Jahr fliegt, da müsste der Betrieb ordentlich was für ausgeben. Das wäre direkter Klimaschutz. Also ähnlich wie höhere Steuern für höheren Verdienst? Till: Ja. Steuer betrifft ja auch jeden. Genau wie die Atmosphäre, in der wir leben. Vielen Dank! Das war sehr charmant und informativ! ◊◊◊

Rebecca: Das ist in diesem Fall das Worst-Case-Szenario. Das können wir uns ja gar nicht leisten. Till: Also, wenn man in die Vergangenheit guckt, sieht man, dass der Mensch sowieso auf die Schnauze fällt, die Frage ist nur, wann.

INFO

Till Amman & Rebecca Bracht

Rebecca: Huiuiui, das ist düster. Till: Das ist absolut realistisch. Das sagen doch Realisten immer. Was ist eure Wunschvision? Till: Zurück zur Natur! Ohne geht’s nicht.

Zwei Pioniere der Sharing-Community in Münster. Das aus einer Umweltbewegung entstandene Unternehmen „Stadtteilauto“ bietet seit langem Auto- und seit neuestem demnächst auch Lastenbike-Verleih an. Sie sind jung, sie sind dynamisch. Also relativ. Und sie haben Bock auf mehr – mehr Zusammenarbeit und Rücksicht auf den Straßen in Münster, der sogenannten Fahrradstadt.



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ARNDT ZINKANT LÄSST SICH VON STEVEN GOLDSTEIN ERZÄHLEN, WARUM ER ZUM KIEPENKERL WURDE Der aktuelle Monat bringt Münster einen traurigen Gedenktag. Am 7. April letzten Jahres fuhr ein offenbar psychisch labiler Mann mit einem Kleinbus in die Menschenmenge am Kiepenkerl-Denkmal. Sein eigenes Leben wollte er nehmen, Unschuldige mit sich in den Tod reißen. Vier Menschen starben, über 20 weitere wurden verletzt, Münster trauerte. Steven Goldstein trauerte mit – und besann sich darauf, dass er bereits als Schüler die Kiepenkerl-Montur im Mühlenhof-Museum getragen hatte. Nun trägt Goldstein sie dort wieder. Und er hat über Münsters traditionelle Symbolfigur viel zu erzählen.

EIN KERL WIE MÜNSTER Herr Goldstein, ich habe mich das öfter gefragt: Wie wird man Kiepenkerl? In meinem Fall steckt eine Geschichte dahinter. Ich bin ja in Münster aufgewachsen, an der Sentruper Höhe, und besuchte die Erich-Klausener-Realschule. Es muss so um 1984 gewesen sein, da arbeitete ich bereits im Mühlenhof-Museum.

Münster war also ein Heimat-Anker für Sie… Genau. Das Zurückkommen war immer schön, und ich habe, wenn ich in Münster war, auch stets Bekannte getroffen. Im März letzten Jahres habe ich eine schöne neue Wohnung in Gremmendorf gefunden und bin zum Glück wieder nach Münster zurückgezogen.

Als Kiepenkerl? Nein, im Bienenhaus; damals konnte ich viel über die Bienen erklären und den Besuchern zeigen. In Kiepenkerl-Montur lief ich damals durchaus übers Museumsgelände, allerdings nicht, um Führungen zu machen – nur als „Fotomodell“. (Lacht)

Und kurz darauf kam dieser furchtbare Tag im April. Wie haben Sie den erlebt? Ich war vormittags wie so oft wegen des Wochenmarktes in der Stadt. Weil das Wetter so schön war, beschloss ich, einen Balkon-Tag einzulegen – mit Zeitunglesen und einem kühlen Weizenbier, nebenher Radio hören. Da fiel mir dieser spezielle Ton im Lautsprecher auf, der mir anzeigte, dass etwas Schlimmes passiert sein musste. Auch die Einsatzfahrzeuge nahe den Loddenbüschen konnte ich hören.

Ihre aktuelle Tätigkeit auf dem Mühlenhofgelände hängt aber mit dem tödlichen Anschlag von vor einem Jahr am Kiepenkerl-Denkmal zusammen, oder? Ja – dazu komme ich gleich. Wie die Geschichte so spielte, zog ich als Erwachsener aus Münster weg, „schwirrte“ jedoch im Umland um meine alte Heimatstadt herum. Einige Zeit habe ich in Sendenhorst gelebt, später in Greven. Im letzten Jahr habe mich beruflich neu orientiert – vom Business Coaching hin zum Bereich transkulturelles Coaching.

Und dann? Obwohl der Anschlag natürlich ganz Münster aufwühlte, fragte ich mich: Warum bist du davon eigentlich so betroffen? Plötzlich dämmerte es mir: Ich war ja früher selber einmal Kiepenkerl! Den Platz besuchte ich dann wie viele andere Menschen auch, zündete eine Kerze an.


Ist der Ort für Sie seit dem Anschlag ein anderer, „blutiger“ Platz geworden? Nein, vom Gefühl her nicht. Vor allem tat mir die Mannschaft des Restaurants leid – und natürlich alle Betroffenen, klar. Ich gucke zur Statue seitdem immer herauf, weil es eben eine Symbolfigur ist. Und ich möchte der Stadt einfach etwas zurückgeben. Eine Zeitlang gab es ja die – wie sagt man? – „Erlebnistouristen“, die den Ort des Anschlags aus Sensationslust begutachten wollten. Da sagte ich zu den Besuchergruppen im Mühlenhof immer: „Macht das nicht, aus Anstand!“ Seit einiger Zeit ist dort eine Gedenkplakette am Boden angebracht. Ich finde die Plakette dezent und gelungen. Übrigens habe ich bei einer Fortbildung eine junge Frau aus Syrien kennengelernt – ich bin ja ausgebildeter Coach. Sie sagte mir, dass sie große Probleme hätte, die Eindrücke des Anschlags zu verarbeiten, weil ihre Kriegserlebnisse hochkamen. Sie saß zwar damals nicht direkt auf dem Platz, hat aber alles mitbekommen.

» Der älteste Kollege ist weit über 80, ich bin mit 45 der Jüngste. «

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Wie war es denn nun, die alte Kiepe wieder auf die Schultern zu nehmen? Das Anzünden der Kerze löste in mir seinerzeit den Impuls aus, den Mühlenhof wieder einmal zu besuchen. Mein Weg führte mich auf dem Gelände auch in das Mühlenhaus, das in diesem Jahr 400 Jahre alt wird. Dort war gerade zufällig ein Kiepenkerl anwesend. Mit dem kam ich ins Gespräch – nach dem Motto: „Wie geht es so? Seid ihr zufrieden?“ Zuvor hatte der Mühlenhof nämlich für viele negative Schlagzeilen gesorgt. Wegen der dramatischen Finanzsituation, die sich aber inzwischen gebessert hat.


Fotos: Presse

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In dem Sommermonaten kommt Steven Goldstein locker auf 3-4 Führungen in der Woche Das habe ich gelesen. Ich erzählte dem Kiepenkerl also, dass ich früher als Schüler bereits mitgearbeitet hätte. Sofort kam die Frage, ob ich nicht wieder einsteigen wolle. Und das, obwohl ich ja seinerzeit nur als Symbolfigur fungierte. Jetzt sind Sie ein „richtiger“ Kollege, der auch Führungen machen darf. Ganz genau. Mir gefiel besonders die Einarbeitung, das Mitgehen mit den Älteren: Was erzählen die zu den einzelnen Gebäuden? Welche Geschichten gibt es? Es sind vor allem viele Sprichwörter oder Redewendungen, die sich bei den Führungen schön visualisieren lassen. Zum Beispiel? „Leg mal einen Zahn zu!“ – Die Redewendung zeige ich immer im Gräftenhof an der Feuerstelle. Da hängen so zwei Kessel an Apparaturen, die wie Sägeblätter aussehen. Damit kann man die Kessel rauf und runter fahren. Wenn in den alten Zeiten der Bauer Punkt zwölf vom Feld kam und sich alle zum Mittagessen versammelten, war der Appetit natürlich groß. Wenn dann das Essen noch nicht

auf dem Tisch stand, rief der Bauer seiner Frau zu: „Mensch, leg mal ´nen Zahn zu – ich hab Hunger!“ Das bedeutete, dass der Kessel einen Zahn näher zum Feuer runtergefahren wurde. Wie viel Arbeitszeit fällt für Sie im Monat an? In den Wintermonaten ist es ruhig. Das zeigt sich jetzt gerade wieder. Morgen hätte ich zwei Schulklassen gehabt – die leider wieder abgesagt haben. In den Sommermonaten hingegen sind durchaus so bis zu drei, vier Mal in der Woche Führungen. Die müssen Interessierte vorab buchen, viele Vereine sind dabei. Donnerstag kommt zum Beispiel die Polizeigewerkschaft, so vielfältig ist das Publikum – und das ist das Schöne: Ich treffe viele unterschiedliche Menschen. Da müssen Sie bestimmt flexibel „switchen“ … Ja – bei Schulklassen versuche ich zum Beispiel immer, einen Vergleich zu ziehen: Wie lebten die Kinder im Gegensatz zu heute? Ich sage dann: „Versetzt euch mal 300 bis 400 Jahre zurück – kein Strom, kein fließend Wasser, keine PlayStation!“ Mir geht es darum, dass die merken: Es gab mal eine andere Zeit.


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Als Kiepenkerl wirkst du magisch auf das weibliche Geschlecht Die meisten Menschen lebten hier im Münsterland als Bauern, und die erste Kinderpflicht war zu helfen. Deshalb gibt es ja auch noch den Begriff „Kartoffelferien“: Sobald die Ernte anstand, musste die Schule ausfallen. Ihr Job ist also nur für Leute geeignet, die bereits in Rente sind oder einen flexiblen „Brot-Job“ haben, oder? Ja. Der Mühlenhof hat sich deshalb auch gefreut, dass ich mich gemeldet habe. Diese Flexibilität habe ich mir geschaffen, die bestand vor zwei, drei Jahren noch nicht. Das bedeutet auch öfters Wochenendarbeit, klar … Wie viele Kerle sind denn im Mühlenhof-Pool? Im Kern nur zehn. Es gibt kaum Nachwuchs, deshalb werde ich auch öfters gefragt: „Kennst du vielleicht noch jemanden?“ Der älteste Kollege ist weit über 80, ich bin mit 45 der Jüngste. Zwei haben aus Altersgründen im letzten Jahr aufgehört. Manchmal mussten wir schon Wochenendtermine absagen.

Welche Art Kiepenkerle sind denn außerhalb des Mühlenhofs unterwegs? Mir ist bekannt, dass man solche Kollegen im Stadtgebiet buchen kann. Genaueres weiß ich aber nicht – allerdings habe ich neulich bei einer Recherche „Die singenden Kiepenkerle“ aus Nottuln entdeckt; ein Duo, das vorwiegend plattdeutsche Lieder singt. Wann war eigentlich der letzte „echte“ Kiepenkerl in Münster unterwegs? Oh, zufällig letzte Woche hatten wir einen Vortrag von einer WWU-Professorin, in dem diese Frage aufkam: Wann und wo taucht der Kiepenkerl nachweislich auf? Das ist schwer rauszufinden. Aus der Mitte des 19. Jahrhunderts datieren die ersten Fotos und Dokumente. Es waren in jedem Fall bodenständige Menschen mit wenig Geld. Wanderhändler eben. … und die hatten einen harten Job. Die große Kiepe war sehr schwer.


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Wie weit sind die denn pro Tag gelaufen? Ich denke, so fünf bis fünfzehn Kilometer waren keine Seltenheit. Und die Kiepe war voll, sonst lohnte sich das nicht. Daher der Stock zum Abstützen. Der Handel war jedoch nur ein Aspekt von vielen. … denn außerdem ging es ums Weitererzählen von wichtigen Neuigkeiten oder Tratsch! Eben. So ein Kiepenkerl hat für Unterhaltung gesorgt, durfte manchmal über Nacht bleiben. Und dem wurden Löcher in den Bauch gefragt: Was passiert denn so im Dorf? Die Bauern hatten ja keine Freizeit. So fungierte er wie eine Zeitung. Er berichtete auch von anderen Höfen – Wer hat geheiratet, etc. Die Kiepenkerle waren jedoch keine angesehenen Leute wie der Lehrer oder Pfarrer. Aber zu ihren Aufgaben gehörte auch die Heiratsvermittlung. Da sage ich der Jugend immer: „Bauer sucht Frau gab’s damals schon!“ (Lacht). Denn welche Möglichkeiten zum Kennenlernen gab es denn sonst?

» Bauer sucht Frau gab’s damals schon! « Wann endete diese Tradition? Das hat die erwähnte Professorin nicht so konkret gesagt. Irgendwann gab’s einfach einen Punkt, da wurde das Ganze nicht mehr nachgefragt, das hatte auch mit den frühen Tante-Emma-Läden zu tun, sowie mit stärker aufkommenden Kutschen. So ab den späten 1950er Jahren hat es sich nicht mehr rentiert … Der Kiepenkerl ist ja ein Symbol für unsere Stadt. Im Krieg mutierte er sogar zum Durchhaltesymbol, weil er zwischen den zerbombten Häusern lange Zeit einsam und „heldenhaft“ stehenblieb. So wurde die Statue sofort zur Propaganda missbraucht.

Das hat die Professorin auch erzählt. Am Ende hat es ihn dann doch noch getroffen. Beim Stichwort Propaganda landen wir ja – zynisch gesprochen – auch beim Thema Marketing. Schon unter OB Tillmanns Ägide sagten die Stadtoberen: „Wir wollen weg von Münsters Kiepenkerl-Image – zu altmodisch!“ Vielleicht war das zu dieser Zeit so. Wenn ich aktuell aber so durch die Marketing-Brille auf die Stadt gucke, bemerke ich, dass die Figur sehr wohl genutzt wird. Natürlich durch die beiden Restaurants, aber es gibt auch eine Immobilienfirma, die den Namen verwendet, zudem die Kiepenkerl-Bäckerei. Sogar neue Start-up-Firmen – zum Beispiel ein junges Unternehmen für Lastentransporte („Leezen-Kiepe“), das sich entschieden hat, die Figur zu nutzen. Auch war just unser aktueller Oberbürgermeister Markus Lewe am Rosenmontag als Kiepenkerl verkleidet. Also: So angestaubt kann die Figur doch nicht wirken! Es gab auch mal eine Firma, die mit T-Shirts und dergleichen eine „Kiepenkaline“ etabliert hat. Genau, von denen habe ich ein Shirt und ein Poster gekauft. Eine Comicfigur als Kiepenkaline auf den Markt zu bringen – diese Modernisierung fand ich toll. Ich hab bei meinen Führungen übrigens noch nie erlebt, dass ein Gast sagte: „Das war aber dröge …“ (Lacht). ◊◊◊

INFO

Steven Goldstein

Wer die Begriffe „Key Account Manager“ oder „Marketingmanager“ hört, denkt sicher nicht an einen, der sich die Kiepe umhängt und im Mühlenhof-Museum Führungen macht. Doch genau das tut Steven Goldstein, der das Bodenständige und die Finanzwelt in sich vereint. Der 45-Jährige ist gelernter Bankkaufmann und Business Coach. Außerdem arbeitet er als Nebendarsteller in Filmproduktionen von filmpool entertainment GmbH, Köln-Hürth. Ehrenamtlich arbeitet er als Museumsführer (Kiepenkerl) im Mühlenhof-Museum.


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ARNDT ZINKANT FRAGT DEN FAZ-JOURNALISTEN OLIVER GEORGI NACH POLITIKERPHRASEN Wer Politikern und ihren Standard-Sätzen über Jahre lauschen muss, kann darüber schwermütig werden. Oder sarkastisch. Oder ein Buch schreiben, welches das Phänomen von allen Seiten beleuchtet und nach dessen Ursachen fragt. Das hat Oliver Georgi gemacht („Und täglich grüßt das Phrasenschwein“). Der Politik-Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung spürt dort regelmäßig in der Kolumne „Fraktur“ sprachlichen oder intellektuellen Fehlleistungen nach. Und er kam zu dem Schluss, dass ein gerüttet Maß an Schuld auch bei uns, den Wählern liegt.

UND TÄGLICH GRÜSST DAS PHRASENSCHWEIN Herr Georgi, Sie sagen, dass die Phrasenhaftigkeit der Politiker auch unsere Schuld als Wähler sei. Warum? Natürlich tragen auch die Politiker eine Schuld, aber nicht alleine. Weil wir als Wähler ambivalente Erwartungen an sie richten. Welche wären das? Wir sagen oft, dass wir „kantige“ Politiker wollen – Sigmar Gabriel ist so ein Beispiel: Einer, der auch mal auf die Pauke haut. Aber wenn das dann tatsächlich passiert, erhebt sich oft rasch eine allgemeine Empörung. Die führt dazu, dass Politiker oft zurückzucken – aus Angst, mit einer zu pointierten Meinung anzuecken. So verfallen sie lieber in ungefährliche, belanglose Phrasen. Sigmar Gabriel durfte in der Verlagswerbung ja auch Ihr Buch loben. Stellt er die lobenswerte Ausnahme dar? Nicht in dem Sinne, dass ich jede seiner Aussagen unterstützen würde, beileibe nicht. Es ist aber in der Tat so, dass er die erwähnte Ambivalenz verkörpert – auch als eine polarisierende Figur in der SPD. Man merkt das daran, dass in der Partei, als sie nach der Bundestagswahl eine heftige Personaldebatte

führte, bei manchen plötzlich wieder eine Sehnsucht nach Sigmar Gabriel hochkam. Er ist also ein gutes Beispiel für das Phänomen, das ich meine. Welche Politiker fallen Ihnen noch ein? Viele – zum Beispiel Gerhard Schröder mit seiner „Flasche Bier“. Auch die aktuelle Debatte über Kramp-Karrenbauer: Unabhängig davon, ob man ihre Aussagen zur Toilette fürs dritte Geschlecht nun diskriminierend findet, könnte man fragen, ob sich eine Büttenrede wirklich an denselben Maßstäben messen lassen muss wie eine Bundestagsrede. Wo wir bei konkreten Beispielen sind: Der bekannte Karikaturist Horst Haitzinger sagte mir im Interview vor der letzten Wahl: „Früher war alles noch viel schlimmer!“ Man nehme das berühmte Strauß-Wehner-Gepöbel. Oder Joschka Fischers: „Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch“. Trauern Sie dieser Vergangenheit nach? Ich glaube keineswegs, dass früher alles besser war. Es gab auch damals phrasenhafte Sprache, die allerdings in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Aber man schaue nur mal eines der alten Videos von Schmidt


Foto: indeedous/Wikimedia Commons

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Auch die Bundeskanzlerin kommt nicht umher das Phrasenschwein zu schlachten und Kohl, wie sie in einer Talkshow sitzen und sich gegenseitig beharken – auch unter der Gürtellinie, was ich nicht schönreden will. Aber die Offenheit der Auseinandersetzung war eindeutig größer als heute. Diese Entwicklung kommt vermutlich auch durch die fortgesetzten Großen Koalitionen – man hat heute oft den Eindruck, dass Konsens über alles geht. Nehmen Sie aktuell Umweltministerin Svenja Schulze… … aus Münster. Ja, genau (Lacht). Sie wurde vor ein paar Wochen im ZDF gefragt, wie sie zum Tempolimit steht – und schien nicht in der Lage zu sein, einfach nur zu sagen: „Es gibt einen Parteitagsbeschluss der SPD für ein Tempolimit, und dabei bleiben wir, auch wenn das unbequem für den Koalitionspartner ist und nicht jedem gefällt.“ Das hat sie aber nicht gesagt. Obwohl diese Aussage nicht mal sehr gewagt gewesen wäre. Dieses Herumdrucksen finde ich symptomatisch. Gerade bei der SPD ein erkennbares Problem – das war früher anders.

Was sind die häufigsten Phrasen – gibt es Klassiker? Viele. Zum Beispiel die „schonungslose Aufklärung“, die nach Wahlniederlagen oder Verfehlungen einzelner Politiker oft versprochen wird. Da steckt sprachlich viel drin: Damit wird suggeriert, dass ohne jede Rücksicht aufgeklärt würde, auch gegen sich selbst. Gleichzeitig fragt man sich: „Wurde der politische Gegner in anderen Fällen denn quasi in ritterlicher Manier geschont?“ Perfide. Oder auch: „Wir wollen die Zukunft gestalten“ – an Banalität kaum zu überbieten. Was soll man als Politiker denn sonst machen? Es geht bei Phrasen oft darum, Tatkraft zu suggerieren. Das trägt dazu bei, dass die Entfremdung zwischen Politik und Wählern immer größer wird. Nehmen wir als Beispiel die Mietpreise – bei Ihnen in Münster sicher auch ein Thema.


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Das kann man wohl sagen! Da würden sich die Wähler bestimmt handfeste Aussagen wünschen, wie denn bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden könnte – anstatt blumige Phrasen über die „Gestaltung der Zukunft“ zu hören. Solche konkreten Wohnungskonzepte könnte man dann später an der Realität messen. Sie sagten, dass die Phrasenhaftigkeit uns von der Politik entfremde. Aber ist denn nicht Angela Merkel das genaue Gegenbeispiel? Ihre Strategie, sich möglichst nie festzulegen, war stets ein Erfolgsrezept, oder? Merkel ist ein gutes Beispiel, wie zwei Bewegungen aufeinander zulaufen. Da ist zum einen der Wunsch nach Stabilität, den sie vor etwa acht Jahren mit dem Wahlkampfsatz bediente: „Sie kennen mich.“ Das hatte früher auch Kohl ähnlich formuliert. … und sie hat es noch „in extenso“ gesteigert. Sie steht für stabiles „Weiter so“, für unaufgeregtes, pragmatisches Regierungshandeln – ein Grund dafür, dass sie so oft wiedergewählt wurde. Gleichzeitig wurde durch Merkel-Begriffe wie „alternativlos“ aber der politische Diskurs ausgehebelt, was meiner Ansicht nach Wasser auf die Mühlen der AfD war. Sie trägt also eine Mitschuld am Erstarken der AfD? Ich bin weit davon entfernt zu behaupten, Frau Merkel habe diese Partei erschaffen – das stimmt nicht. Aber je inhaltsleerer die Sprache wird und die Wähler das Gefühl bekommen, alles würde bloß noch verwaltet, desto leichter macht man es rechtspopulistischen Parteien wie der AfD. Dabei, die Illusion zu erzeugen, sie seien die Einzigen, die „Klartext“ sprechen. Man könnte also sagen: Angela Merkel ist nicht wegen, sondern trotz ihrer Sprache wiedergewählt worden. Wie sind Sie eigentlich auf Ihr Thema gekommen? Gab es so eine Art Ur-Phrasenschwein, das Sie geärgert hat? Als politischer Redakteur und Interviewer

werde ich damit stets aufs Neue konfrontiert. Ich schreibe ja auch die FAZ-Kolumne „Fraktur“, wo ich all dies ebenso aufs Korn nehme. Diese technokratische Phrasensprache hat mich schon immer gefuchst, bei allen Parteien, besonders aber bei der SPD. Immerhin haben die Sozialdemokraten das mittlerweile erkannt und die Gründe für ihr Scheitern nach der Bundestagswahl von einer Kommission aufarbeiten lassen, um ihre Politik wieder besser zu verkaufen. Es ist natürlich als Autor leicht, mit dem Finger auf Politiker zu zeigen: „Die bekommen es einfach nicht besser hin.“ Aber mit dieser Häme macht man es sich eben auch zu einfach. Das wollten Sie also ausdrücklich nicht. Nein. Ich glaube, wir als Medien tragen ebenfalls eine Verantwortung. Wir haben ja gesehen, wie schnell Aussagen in manchen Medien aus dem Zusammenhang gerissen werden und sich eine Debatte binnen kürzester Zeit vom eigentlichen Thema entfernen kann.

» Es geht bei Phrasen oft darum, Tatkraft zu suggerieren. « Zum Beispiel? Man sieht es gut an der Kontroverse um Mesut Özil und Erdogan. Es war sicherlich sehr ungeschickt von Özil, sich mit dem türkischen Autokraten fotografieren zu lassen – das muss man scharf kritisieren. Aber daraus wurde im Nu eine Generaldebatte über Integration, den Islam in Deutschland, über Arm und Reich. Diese Art Skandal kocht in den sozialen Medien unverzüglich sehr stark hoch. Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen bezeichnet das zu Recht als „Empörungsdemokratie“. Die macht es den Politikern noch schwerer als früher, klar und auch mal zugespitzt zu formulieren.


Man denke an Robert Habeck, der sich öffentlich von Twitter zurückgezogen hat. Was ich falsch finde. Ich kann zwar nachvollziehen, dass er das Medium als gefährlich und kompliziert für Politiker bezeichnet – aber dann muss man sich als solcher überlegen, wie man damit in Zukunft besser umgehen kann.

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Es ist eben bequemer zu sagen: „Twitter ist gefährlich“, statt: „Ich habe Unsinn getwittert“. Genau. Politik und Wahlkampf finden aber heute eben auch in den sozialen Medien statt – ob wir das gut finden oder nicht. Aber natürlich sollte man Verständnis für die schwierige Lage der Politiker haben: Ihnen bleibt heute viel weniger Zeit zum Nachdenken als früher, sie müssen manchmal binnen Minuten auf diffizile Themen von Brexit-Backstop über Syrien-Konflikt bis hin zu Rentenbeiträgen reagieren. Das ist eine Überforderung – verständlich, dass manche dann einfach sagen: „Wir wollen die Zukunft gestalten.“ (Lacht)

» wir als Medien tragen ebenfalls eine Verantwortung. « Sie haben in Ihrer „Fraktur“-Kolumne das Thema der „Politik-Verkaufe“ angesprochen. Da sind wir ganz dicht am Thema „Framing“, das gerade durch das umstrittene ARD-Manual hochkocht. Ist Framing die höchste Kunst der Phrase? Da ist es wie bei den sozialen Medien: Man kann es gut oder schlecht finden – aber es geschieht. Die Autorin Elisabeth Wehling hat zu Recht beschrieben, dass wir alle uns ständig in solchen Rahmen bewegen und selbst welche setzen. Aus Gründen der Komplexitätsreduktion und Aufmerksamkeitsökonomie stellen wir Dinge sprachlich unbewusst in einen Kontext oder übernehmen einen gängigen Rahmen. Etwa, wenn wir Begriffe wie


Foto: Schwarzwälder

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Politische Zuwendung durch Handarbeit „soziale Hängematte“ im Alltag gedankenlos selbst verwenden. Aber hier hat ja die ARD ihren Journalisten das gewünschte Framing vorgeben wollen – was viele Mitarbeiter entsetzt. Wie beurteilen Sie das? Ich finde, dass die ARD sehr ungeschickt vorgegangen ist, indem sie so eine Heimlichtuerei veranstaltet und das Papier nicht viel früher selbst öffentlich gemacht hat. Grundsätzlich halte ich es nicht für verwerflich, als öffentlich-rechtliche Anstalt, die sich erheblichen Anfeindungen ausgesetzt sieht, darüber nachzudenken, wie man sich Attacken kommunikativ erwehren kann. Immerhin beschimpfen Pegida- und AfD-Vertreter die ARD und andere Medien regelmäßig als „Lügenpresse“.

Aber das Framing-Manual scheint doch diese Vorwürfe gerade zu bestätigen. Trotzdem darf man sich angesichts solcher Vorwürfe doch Gedanken darüber machen, wie man Vertrauen zurückgewinnt, und mit welcher Sprache man das tun kann. Das würde jedes andere Unternehmen auch machen. Aber die Art und Weise, wie in dem Leitfaden etwa der private Rundfunk diskreditiert wurde, ist in der Tat mehr als ungeschickt und kritikwürdig. Damit hat sich die ARD einen Bärendienst erwiesen. Sie haben gerade AfD und Pegida angesprochen. In Ihrem Buch beschreiben Sie ja einen Unterschied zwischen „normalen“ Politikerphrasen und Populistensprache. Wo genau verläuft der?


Foto: Olaf Kosinsky

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„Bätschi“ als Phrase sorgte sicherlich für jede Menge Irritationen Um diesen Unterschied ging es mir weniger. Ich wollte vielmehr kritisch darauf hinweisen, dass man die verständliche Forderung nach einer offeneren Sprache nicht mit der Diktion der AfD verwechseln darf. Das wäre fatal. Man hat das beim Asylstreit im vergangenen Sommer in der Union beobachten können, als CSU-Vertreter vor der Landtagswahl in Bayern plötzlich selber mit Begriffen

wie „Asyltourismus“ hantierten. Das hat mit einer offeneren Kommunikation nichts zu tun, sondern kopiert die diskriminierende, pauschalisierende Sprache der AfD. Klare Sprache darf nicht bedeuten, dass man solche Vokabeln einfach übernimmt. Würden Sie mir zum Schluss Politiker auf einer Phrasenskala von eins bis fünf bewerten?


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Fünf als schlimmste Phrasennote? Können wir gern machen. Wie bewerten Sie zum Beispiel Andrea Nahles? Ich würde sagen: eine Vier. Robert Habeck? Dem gebe ich eine Zwei. Christian Lindner? Der bekommt eine solide Drei. Seinen „German Mut“ finde ich allerdings doch sehr phrasenhaft.

» Damit hat sich die ARD einen Bärendienst erwiesen. «

öfter: Mitleid oder Wut? Nein, keine Wut, manchmal eher Genervtheit. Im Großen und Ganzen hält sich beides aber die Waage. Denn ich glaube, dass viele die Härte des Politikbetriebs unterschätzen. Auch deshalb habe ich das Buch explizit nicht als Politiker-Bashing angelegt. Durch die sozialen Medien und die höhere Geschwindigkeit der Berichterstattung sind die Anforderungen an Politiker noch einmal gestiegen. Trotzdem muss man als Wähler mehr Mut erwarten dürfen – das bedeutet, dass man in der Politik klar für die eigene Haltung einstehen sollte. Auch auf das Risiko hin, abgewählt zu werden. ◊◊◊

INFO

Oliver Georgi Dabei gilt Lindner als guter Redner im Parlament. Aber auch gute Rhetoriker kommen nicht ohne Phrasen aus. Auch bei den Jamaika-Verhandlungen, als Lindner so viel über das Thema Verantwortung geredet hat – da fand ich ihn ebenfalls sehr phrasenverliebt. Was empfinden Sie für die politische Klasse

Wurde 1977 in Hamburg geboren, ist Journalist und arbeitet seit 2008 für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, zunächst als Redakteur vom Dienst bei FAZ.NET, seit 2015 als politischer Redakteur bei der FAZ. Regelmäßig schreibt er dort die Sprachglosse „Fraktur“ in der Samstagsausgabe. Sein Buch „Und täglich grüßt das Phrasenschwein. Warum Politiker kei-nen Klartext reden – und wieso das auch an uns liegt“ ist just im Dudenverlag erschienen.

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Theresa spricht mit Hasan Sicim – Münsters großem Bruder Wie nennt man die männliche Version einer Politesse – Politesserich? Laut Duden: Politeur! Und so einen treffen wir heute. Sein Name ist Hasan Sicim, bekannter ist er unter seinem Spitznamen Abi. Der stadtbekannte Ordnungshüter ist Anfang Fünfzig, begeisterter Musiker und bezeichnet sich selbst als „professionellen Verkehrsüberwacher“. Wir sitzen im Pausenraum des Münsteraner Rathauses und unser Thema ist nicht nur die Ordnung in unser Stadt.

SCHIMPFEN UND SCHIMPFEN LASSEN


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Herr Sicim, Ihre Kollegen nennen Sie …? … „Abi“, das ist mein Spitzname. Ursprünglich komme ich aus der Türkei und daher der Name. Im Türkischen ist das die Bezeichnung für den großen Bruder. Und das passt? Das passt, denn ich bin einer von vier Gruppenleitern hier in der Verkehrsüberwachung und wir sind wie eine Familie; ich bin der Vorgesetzte, gleichzeitig der große Bruder. (Mit einem Schmunzeln auf den Lippen schnellt Herr Sicim von seinem Stuhl auf und zeigt mir stolz den Vermerk im Teamplan: »Hassan Abi«.) Mittlerweile hat sich das rumgesprochen. Wenn die Bürger mich sehen, werde ich oft mit „Herr Abi“ angesprochen. Ich bin bekannt! Nicht nur aus dem Beruf – ich habe auch eine Band. Wir spielen auf Hochzeiten. Ich bin also für alle Abi. Sie sind schon eine Weile in Deutschland. Wie alt waren Sie, als Sie hierher kamen? Sechzehn! Da habe ich zunächst ein Berufsvorbereitungsjahr in Essen gemacht, verschiedene Werkstätten besucht, einen Sprachkurs absolviert. Also sechzehn Jahre Türkei, ein Jahr Essen und direkt nach Münster? Genau, danach bin ich hierher gekommen, habe meine Ausbildung zum Koch angefangen, bei Pinkus Müller. Das Schönste war: Ich war der einzige Muslim bei der IHK, der ohne Probleme in die deutsche Küche gegangen ist. Ich habe alles probiert, was zu probieren war – wenn du Koch bist, musst du wissen, wie´s schmeckt. Und es hat gut geschmeckt? Abgesehen vom Schweinefleisch – sehr gut. Nach der Lehre war ich noch zwei Jahre als Schichtführer da und wollte dann zurück in die Türkei: Ein Restaurant mit westfälischer Küche aufmachen; anstelle von Schweinefleisch aber Rindfleisch verwenden. Die westfälische Küche besteht ja zu neunzig Prozent aus Schweinefleisch. Aber Sie sind immer noch hier.

Ja, ich hab‘ mich erst mal als Versicherungskaufmann selbstständig gemacht. Durch die Selbstständigkeit bekam ich ein Jobangebot in Hannover, da war ich als Bezirksleiter tätig! Mit zwanzig Jahren hatte ich bereits dreißig Mitarbeiter, drei Büros und ein Auto. Nebenbei hab´ ich noch als Kreditberater für eine Bank gearbeitet. Es lief richtig gut. Eine Erfolgsgeschichte. Dann habe ich einen Fehler gemacht: Ich wechselte die Firma. Die haben mich dort in die Pfanne gehauen – die ersten paar Monate gab´s kein Gehalt. Dadurch bin ich pleitegegangen. Aber ich hab´mir gesagt »Das Leben geht weiter!«. Es ging zurück nach Münster – ich liebe Münster.

» Ich will meine Familie ernähren. Egal wie. « Zurück zu Pinkus Müller? Nein, bei AWM habe ich kurzum als Straßenreiniger angefangen. Kennen Sie die? Ja, die Jungs in Orange! Richtig! Die haben meine Unterlagen angeguckt und gesehen, was ich bisher gemacht hatte. Deren Frage war: „Sind Sie sicher, dass Sie hier anfangen wollen?“ Da meinte ich: „Ja, ich will meine Familie ernähren. Egal wie. Hauptsache ehrlich und ohne Kopfschmerzen.“ Sieben Jahre lang bin ich mit der Kehrmaschine gefahren. In der Zeit wurde ich Vertrauensperson von der Gewerkschaft, kam später in den Betriebsrat und zum Personalamt. Da bot sich mir die Möglichkeit, für das Verkehrsamt zu arbeiten. Eine Chance? Ja, denn ich muss immer raus und mit den Leuten reden. Das ist meine Philosophie, meine Art, mit Menschen umzugehen.


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Hasan Sicim und unsere Autorin Theresa Zum Thema „Schimpfen und schimpfen lassen“: Gibt es eine Beleidigung, die Ihnen in Erinnerung geblieben ist? Ja, das war in der Ramadan-Zeit: Da habe ich ein Fahrzeug verwarnt, das den Gehweg voll versperrt hatte. In dem Moment kam der Fahrer. Der hat losgelegt, mich persönlich beleidigt und verletzende Worte gesagt. Wie haben Sie reagiert? Meine Einstellung zu den Menschen ist: Erst mal reden lassen. Zusammen mit der Polizei habe ich seine Personalien aufgenommen. Der war unberechenbar, richtig sauer. Naja … und gerade, als ich wieder an meinem Schreibtisch sitze, und eine Anzeige wegen Beleidigung stellen wollte, bekam ich einen Anruf: Derjenige wollte unbedingt mit mir reden. Wir haben uns getroffen, er sagte: „Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen – nicht wegen des Autos, wegen Ramadan. Wenn ich mich nicht mit Ihnen versöhne, ist der Tag für mich verloren. Ich faste

nämlich. Aber eine Anzeige habe ich verdient. Schreiben Sie bitte eine Anzeige.“ Wow! Einen Tag später habe ich einen kleinen Jungen auf der Straße liegen sehen. Der war mit dem Fahrrad umgekippt. Den habe ich zum Krankenhaus gefahren, privat. Und wer kommt zum Klinikum? Der Mann! Die Welt ist klein – wenn man die Leute erst mal ausreden lässt und ihnen erklärt, warum man das Fahrzeug verwarnen musste, wegen der Kinder und der Sicherheit, sagen sie meistens: „So weit hab´ ich nicht gedacht, tut mir leid.“ Da brauchen Sie viel Geduld, vermute ich. Dieses Ziel ist schwer zu erreichen. Da benötigt man Erfahrung, Menschenkenntnis, Geduld. Man muss Mensch sein, nicht Uniformträger. Aber diese Geschichte vergesse ich nie, ansonsten habe ich selten Probleme. Ich komme mit den Bürgern gut klar.


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Münster, Stadt der Radfahrer. Welche drei Begriffe fallen Ihnen dazu ein? Sportlich. Gefährlich. Unordentlich. Die stellen die Fahrräder überall hin! Verteilen Sie mehr Protokolle, wenn Sie schlechtgelaunt sind? Das ist situationsabhängig. Das richtet sich nach dem Verkehr. Nicht nach meiner Laune. Haben Sie schon einmal ein Protokoll bekommen? Ja, also meine Frau. Und ich hab‘s geschrieben.

» Das ist mein Auto? Schreib es trotzdem auf! « Au wei. Ich bin gleichzeitig auch Ausbilder. Wir haben eine Verkehrskontrolle gemacht und eine lange Reihe von Falschparkern gefunden. In der Mitte stand mein Auto. Der Auszubildende kannte den Wagen. Guckt der mich an und ich sag‘: »Schreib‘ auf.«. Ich hab‘ drauf bestanden. Also hat er die Verwarnung an die Scheibe geklemmt und wir sind weitergelaufen. Gleichbehandlung ist mir wichtig.

uns nicht ernstnehmen, bekommen sie eine Verwarnung. Das ist fair, denke ich. Was bereitet Ihnen am meisten Freude an Ihrem Beruf? Menschenkontakt! Sind Sie schon mal so richtig wütend geworden? Ja, wenn ich ungesicherte Baustellen in der Nähe einer Schule sehe. Weil ich Kinder habe. So geht‘s nicht! Jeden Moment kann da was runterfallen. Wenn ich so etwas sehe, lasse ich sofort die Arbeit einstellen. Egal, wie groß die Firma ist. Da reagiere ich empfindlich. Sie haben Ihren Arbeitstag fast hinter sich. Worauf freuen Sie sich nach der Arbeit? Auf meinen Tee. Ich kann sehr gut ein- und ausschalten. Wenn ich auf der Arbeit bin, beschäftigt mich nur die Arbeit, wenn ich zu Hause bin, widme ich mich meiner Familie. Wenn ich nach Hause komme, fragen meine Kinder „Na, wie war‘s?“. Da freu‘ ich mich immer drauf. Sind alle Kinder noch zu Hause? Fünf von sechs wohnen noch bei uns. Jetzt wollte ich gerne noch ein Foto machen! Ok, dann ziehe ich meine Dienstjacke an. Offiziell. Und das Funkgerät brauch‘ ich. ◊◊◊

Wie sähe Ihre Berufskleidung aus, wenn Sie diese selbst entwerfen dürften? Wir haben gerade neue Uniformen bekommen. Die finde ich gut, schick, nicht so aggressiv. Dunkelblau. Gefällt mir. Wie würden Sie einem Kind Ihren Beruf erklären? Ordnungshüter! Und einem Erwachsenen? Wir helfen den Bürgern. Wir sind Stadthelfer, normalerweise. Natürlich müssen wir auch für die Ordnung sorgen. Wenn die Leute

INFO

Hasan Sicim

Hasan Sicim ist sechsfacher Papa und einfacher Opa. Dennoch ist er den meisten eher als „großer Bruder“ ein Begriff und sorgt als dieser für Ordnung – wie große Brüder das nun einmal machen sollten.


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ROBERT CLAUS UND ANDREAS PILTZ ZEICHNEN DEN EINFLUSS VON KAMPFSPORT IN DER RECHTEN SZENE NACH Bislang ist die Verbindung Kampfsport und Neonazi-Szene kaum bekannt. Auf Festivals trifft sich die Szene, richtet Wettkämpfe aus. Martialische Namen wie „Schild und Schwert“ oder „Der Kampf der Nibelungen“ machen deutlich, dass es hierbei nicht um Sport geht. Es wird für den Straßenkampf trainiert. Für eine Zeit der Eskalation und offenen Gewalt. Robert Claus recherchiert zu dem Thema. Er nahm sich ein paar Minuten Zeit fürs Stadtgeflüster.

MOBILISIERUNG IM KAMPFSPORT Ihr Thema ist Kampfsport im Rechtsextremismus. Ich kenne solche Strukturen in Bezug auf Rechtsrock. Gibt es da Überschneidungen? ja, im Grunde auf zwei Ebenen. Einerseits auf der Geschäftsebene – Rechtsmusik und der Kampfsport treffen sich oft auf denselben Veranstaltungen. Die Werbung und verwaltungsrechtliche Fragen betreffen beide Bereiche. Die andere Ebene ist eine ideologische, eine Frage der Rekrutierung. Musik und Kampfsport dienen dazu, Neonazi-Ideologie unterschwellig zu vermitteln. Haben Sie Beispiele? Ja. Das Schild-und-Schwert-Festival, das 2018 das erste Mal stattfand. Die Abkürzung ist SS und es findet am 20. April, Hitlers Geburtstag, statt. Alles keine Zufälle. Der „Kampf der Nibelungen“ veranstaltet neben den Turnieren Seminare zur sogenannten Selbstverteidigung, dabei geht es jedoch um den politischen Straßenkampf. Sind bei diesen rechtsextremen Festivals Profi-Kampfsportler dabei? Da muss man unterscheiden: Das eine sind extrem rechte Sportveranstaltungen,

wie der „Kampf der Nibelungen“, an denen nur Neonazis beteiligt sind. Auch das Publikum besteht nur aus Neonazis. Da herrscht kaum soziale Durchlässigkeit. Zugleich gibt es eine ganze Reihe von rechtsoffenen Veranstaltungen, die anscheinend kein Problem haben, wenn rechte Hooligans und Neonazis bei ihren Fights mitspielen. Profis finden Sie eher auf den rechtsoffenen Mainstreamevents. Fights, ok. Gibt es da auch eine Liga? Es gibt keine Liga, sondern eine bundesweit recht unübersichtliche Landschaft mit Veranstaltern und Gyms. Viele Veranstalter loben ihre eigenen Titel aus, es gibt da wenig Zentralisierung. Der „Kampf der Nibelungen“ ist der äußerste rechte Rand dessen. Wer kämpft dort? International vernetzte extrem rechte Hooligans und Neonazis. Manche, die dort antreten, arbeiten selber als Trainer. Gerade für junge Männer ist das attraktiv. Wenn wir über Hooligans sprechen, dürfen wir nicht nur über die Fußballszene reden. Die ist zwar wichtig, aber ein Teil rekrutiert sich eben aus dem Kampfsport.


Ist der Kampfsport auch militant organisiert? Der extrem rechte Kampfsport ist es. Das hat verschiedene Auswirkungen. Es gibt immer mehr rechte Gewalttäter, die trainieren. Die müssen gar nicht auf Wettkampfniveau üben, sondern die gehen in irgendein Gym, eignen sich dort Gewaltkompetenz an. Das „Endziel“ des extrem rechten Kampfsports bleibt stets der Umsturz zu einer völkischen Gewaltherrschaft. Beginengasse 12 | Tel.: 4840000 | ideal-muenster.de

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In den 80ern gab es in Westdeutschland sogenannte „Wehrsportgruppen“, die sich für den rechtsextremen Umsturz bewaffnet hatten. Der Kampfsport steht in einer gewissen Tradition dieser Wehrsportübungen. Die gibt es ja immer noch. Neonazis fahren nach Tschechien, führen dort Schießsportübungen durch. Der Kampfsport findet natürlich erstmal ohne Schusswaffen statt, aber die Funktion ist eine ähnliche. Nicht ohne Grund werden Seminare in Messerkampf angeboten. Es geht um taktisches und körperliches Training für den gewaltsamen Machtwechsel.

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» Es gibt immer mehr rechte Gewalttäter, die im Kampfsport trainieren. «

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Wie groß ist der rechte Kampfsport? Die NPD soll ja an Stimmen verlieren. Andererseits nehmen neonazistische Strukturen an Umfang zu? Genaue Zahlen zur rechten Kampfsportszene gibt es leider nicht. Es gibt keinen Überblick, wie groß die Gruppen sind. Das ist ein riesiges Feld, noch viel zu wenig beackert. Zum letzten Kampf der Nibelungen kamen rund 800 militante Neonazis. Das ist die Spitze des Eisbergs. Bei den Kampfsportveranstaltungen sah man in einer Doku auch den jetzt parteilo-


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Armes Kind, dummes Kind… heut stolperst du mit im braunen Wind (Quelle U. Lindenberg) sen Udo Voigt, früher wichtiger Funktionär der NPD. Bei vielen Festivals sind auch NPD-Vertreter anwesend, die sich wahrscheinlich dort neues Publikum erhoffen. Das ist gerade die Funktion dieser Events. Da werden Menschen rekrutiert, es wird direkt eine extrem rechte Erlebniswelt aufgebaut, wo Zusammengehörigkeit, Hass, Gewalt und Männlichkeit eine zentrale Rolle spielen. Diese Funktion haben Hooliganismus und Musik für die Szene seit vier Jahrzehnten gehabt. Der extrem rechte Kampfsport kam in den letzten Jahren zu dieser Eventkultur hinzu. Wird diese Kampfsportbewegung im rechtsextremen Raum von den Sicherheitsbehörden verfolgt? Der Verfassungsschutz und andere Behörden haben das jahrelang zu wenig beachtet. Nach der medialen Diskussion haben sie die Beobachtung intensiviert und folgen der Analyse, dass es sich hier um die Professionalisierung extrem rechter Gewalt handelt. Mittlerweile beäugen sie das Geschehen sehr genau. In manchen Ortschaften, in denen solche Festivals und Events stattfinden, halten

sich die Einwohner zurück. Sie dulden diese rechtsextremen Veranstaltungen, da sie sagen: Die machen halt ihr Ding und solange sie uns in Ruhe lassen, ist es okay! Vor solchen Lesarten kann man nur warnen! Es ist ja bekannt, dass sich das rechte Terrornetzwerk Blood and Honour oft am Rande von Konzerten getroffen und organisiert hat. Gerade bei KampfsportEvents geht es nicht nur um die Ausübung des Sports, sondern um die Vorbereitung für den sogenannten Tag X. Das ist das zentrale Element dabei. Das kann man politisch kaum unterschätzen. Ist denn der Verfassungsschutz mit V-Männern dort aktiv? Im Bereich Kampfsport kann ich da wenig zu sagen. Viel wichtiger ist mir die Prävention: Die Frage ist ja, warum gibt es bislang kein bundesweites Programm zur Rechtsextremismus-Prävention im Bereich Kampfsport, wenn es doch auf der Hand liegt, dass dieser Bereich für Neonazirekrutierung so beliebt ist? Gängige Gyms und Veranstalter müssten stärker sensibilisiert und durch Beratungsangebote unterstützt werden.


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Jeder kann ein Kampsportzentrum eröffnen. Das wird von staatlicher Seite nicht kontrolliert. Kampfsport ist für Jugendliche ein attraktives Freizeitangebot und da stellt sich die Frage, in welchen Regionen die Kampfsportverbände bereits von neonazistischen Strukturen unterwandert sind? Es sind weniger die Verbände unterwandert, denn vielmehr agieren z. B. Kickboxen und Mixed Martial Arts auf dem freien Markt. Das Problem ist hier ein anderes: Der Sport genießt Autonomie in Deutschland. Das hat aufgrund der Erfahrungen aus dem Nationalsozialismus auch eine große Berechtigung, aber das führt gerade im Kampfsport dazu, dass Willkür herrscht. Was heißt das? Es gibt in Deutschland keine staatlichen Zertifizierungen oder Lizenzierungen. Es ist nicht kontrolliert, wer ein Kampfsportzentrum errichten, wer unterrichten und wer Veranstaltungen durchführen darf! Letztendlich führt das dazu, dass selbst verurteilte faschistische Gewalttäter als Veranstalter, Trainer und

Kämpfer auftauchen. Das ist ein Problem, weil es dort überhaupt keine Regularien gibt. Da fehlt anscheinend die Sensibilität für das Thema. Es gibt doch im Kampfsport wie Judo und Karate ein umfangreiches Regelwerk und offizielle Wettkämpfe. Aber das ist dann sicher keine Disziplin für die Neonazis? Gerade Judo ist für Neonazis nicht besonders interessant, weil es dem Straßenkampf technisch nicht sehr nahekommt. Es gibt Ausnahmen, aber reizvoll für die Szene sind vor allem Kickboxen und Mixed-Martial-Arts. Da gibt es zwar Regeln, wie man das im Ring kämpft, aber trotzdem sind die erworbenen Kampffähigkeiten ja auch auf der Straße nutzbar. Wichtig wäre da, ob es irgendwann staatliche Regularien geben wird zur Frage, wer Funktionen übernehmen und Organisationen gründen kann. Wie könnten die aussehen?


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Bei normalen Sportvereinen müssen Jugendtrainer inzwischen ein Führungszeugnis vorlegen. Diese Entscheidung ist damals vor allem deshalb getroffen worden, um zu verhindern, dass Menschen, die wegen sexuellen Missbrauchs vorbestraft sind, in verantwortliche Positionen im Jugendtraining kommen. Aus Ihrer Antwort höre ich heraus, dass das für Kickboxen und Ähnliches nicht gilt? Kickboxen und Mixed-Martial-Arts sind auf dem freien Markt organisiert, deshalb hat das offizielle Verbandswesen für diese beiden Sportarten relativ überschaubare Auswirkungen. Natürlich gibt es in diesen Sportarten nicht nur Neonazis. Die Szenen sind sehr heterogen, aber ich sehe, dass in diesen Kampfsportarten die Neonazis eine wichtige Strömung sind, die noch viel zu wenig Gegenwehr erfährt. Abschließend noch die Frage: Ist Ihre Recherche gefährlich?

Es besteht immer ein Bedrohungspotenzial, wenn man zur extremen Rechten arbeitet und ich habe entsprechende Zuschriften per E-Mail oder Facebook erhalten. Das zeigt nur, wie wichtig das Thema ist. Vielen Dank für diese wichtigen Einblicke. Gerne. ◊◊◊

INFO

ROBERT CLAUS

Arbeitet zu den Themen extrem rechter Hooliganismus und rechte Gewalt. Magister der Europäischen Ethnologie und Gender Studies, studierte in Berlin, Istanbul und Buenos Aires. Arbeitet für die Kompetenzgruppe Fankulturen & Sport bezogene Soziale Arbeit (KOFAS). Hat kürzlich ein Buch zu Hooligans veröffentlicht. kofas-ggmbh.de

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Tom und Rüdiger Nehberg und der Drang zu Überleben Na klar, schon seit ich ein Junge war, wollte ich ein Abenteurer sein. Doch daraus ist nichts geworden; weder habe ich meinen wunderschönen Körper aus der Stratosphäre zu Boden gestürzt, noch in einer zwei Meter langen Zigarre die Salzwüste in Schallgeschwindigkeit durchquert. Berge habe ich wenige bestiegen. Ich bin also zu Hause geblieben. Denn letztendlich muss sich jeder entscheiden, auf welches Abenteuer er sich einlässt. Bei einigen wird aus jugendlichen Träumereien mehr als Neugier und Begeisterung, sie werden zu einer Passion. So wie bei meinem Gesprächspartner, der einiges hat, mit dem sich nicht nur Berge versetzen lassen.

sir vival Ich bin ein Kind der Generation Yps, war experimentierfreudig und hatte das Abenteurer-Gen in mir. Aber du! Was braucht es, um ein Nehberg zu sein? Veranlagung, Eigeninitiative, Kreativität bis zum Abwinken und Spaß am Risiko. Das ist alles? Okay, noch `ne Portion Neugier auf die Welt. So wie bei mir: Ich bin meiner Mutter schon mit vier das erste Mal davongelaufen. Ich wollte meine Oma besuchen. Warum? Wegen ihrer tollen Trockenäpfel Klar. Natürlich habe ich mich verlaufen. Hat man dich lange gesucht? Na ja, schon am nächsten Tag fand mich die Polizei. Mit vier Jahren; neugierig, eine Nacht unterwegs ... ein typischer Nehberg? Nein, meine Mutter war da anders, sie passte dann höllisch auf mich auf. Hat‘s funktioniert? Das klappte dreizehn Jahre ganz gut.

Zack – dreizehn Jahre waren rum und was machst du als Erstes? Du radelst nach Marokko. Hast du deinen Eltern davon erzählt? Nein. Die wähnten mich bei einem Freund in Paris. Der hat jede Woche eine vorgefertigte Ansichtskarte an meine Eltern geschickt. Währenddessen war ich auf dem Weg nach Marrakesch, um dort die Kunst der Schlangenbeschwörung zu erlernen. Ich war schon immer ein Schlangenfan. Das ist ja abenteuerlich, deine armen Eltern. Tja, das war in mir veranlagt. Irgendwann kam das Survival dazu, die Kunst, unter extremen Bedingungen zu überleben. Survival – in welcher Form kommt so was dazu? Ich wollte weg von der Straße, weg von der Zivilisation. In den USA hörte ich von diesem Trend und das war das, was ich unterbewusst vermisst hatte. Damals, zu deinen YPS-Zeiten, war das nicht einmal ein Thema bei der Bundeswehr. Also habe ich dieses Survival, dieses Überleben, nach Deutschland importiert. Ich habe es mit Eigenversuchen immer weiter ausgeweitet; um mich bestmöglich unabhängig zu machen von allem Luxus. Um im Notfall wie


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Rüdiger Nehberg – auch bekannt als „Sir Vival“ ein Tier klarzukommen, reduziert auf Instinkte und Urfertigkeiten.

ich die Angst aber nie, sie ist ein wichtiges Alarmsignal.

Das ist Survival! Warum willst du in der Natur überleben können wie ein Tier? Weil ich oft überfallen worden bin, ausgeraubt bis aufs Hemd und heimkommen wollte. Am Blauen Nil wurde mein Freund vor meinen Augen erschossen. Nach solch prägenden Erlebnissen lernt man, vor jeder Reise Gefahren bestmöglich zu analysieren und sich auf sie vorzubereiten, um sie zu minimieren.

Genau wie Ekel? Genau wie Ekel! Ich habe gelernt, begründeten Ekel von unbegründetem zu unterscheiden. Eine Abneigung gegen Verwesendes ist durchaus begründet. Insekten hingegen kann man essen. 40 Jahre lang wurde ich als „Würmerfresser der Nation“ ausgelacht. Vor zwei Jahren hat die Weltgesundheitsorganisation Insekten zur empfehlenswerten Nahrung der Zukunft erklärt. Somit war ich rehabilitiert – ein Vorreiter.

Wie kommt man abseits der Straße und ohne Zivilisation zurecht? Tiere können das auch. Vieles kann man sich bei ihnen abschauen. Hast du keine Angst? Ich muss wissen, ob die Angst begründet ist, wie man unbekannte Pflanzen auf Genießbarkeit testet, wie man Ekel überwindet und mit Insekten als Nahrung vorlieb nimmt. Das Wissen erhöht das Selbstbewusstsein, es minimiert die Angst. Ganz abtrainiert habe

Muss ich ja noch viel lernen. Kommen wir zu den wilden Weiten des Meeres. Also zu meinen drei Atlantiküberquerungen. Die waren mit dem Tretboot, einem Bambusfloß und einem massiven Baumstamm. Heute anzuschauen im Technik-Museum zu Speyer. Die waren spektakulär. Immer allein?


Nein, beim Bambusfloß wurde ich von Christina Haverkamp begleitet, einer Ozean-Survivalistin. Aber das erste Mal, mit dem Tretboot, das stellte mich vor fast unüberwindbare Probleme. Ich hatte fürchterliche Angst vor Wasser! Außerdem wurde ich immer seekrank. Was am schwersten wog, war meine Null-Ahnung von Navigation. Der Reiz lag darin, dem vorzeitigen Tod ein Schnippchen zu schlagen. Wie verlief das? Zunächst habe ich einen alten Kapitän gesucht und gefunden, der mich mit Navigation vertraut machte; ich lernte den Umgang mit Karte, Kompass und Sextant. Die Angst vor dem Wasser habe ich mir bei den Kampfschwimmern in Eckernförde abtrainieren lassen. Was die Seekrankheit betraf, halfen nur Tabletten.

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» Der Reiz lag darin, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen. « Warum fährt man mit dem Tretboot über den Atlantik? Um einen Brief von Greenpeace an den Staatspräsidenten Brasiliens ins Gespräch zu bringen. Er betraf die Yanomami-Indianer. Sie wurden durch eine Armee von Goldsuchern fast ausgerottet. Das war ein Drama. Wenn ich von einer Armee spreche, meine ich 65.000 bewaffnete Männer, vierhundert Flugzeuge und hundert illegale Landebahnen. Die haben jeden Indianer umgelegt, der sich ihnen in den Weg stellte. Ich war Augenzeuge. Es war eine Pflicht für mich, zu reagieren. Was hast du getan? 20 Jahre lang mit verschiedenen Aktionen dieses Anliegen bekanntgemacht. Undercover als Goldsucher und Malariahelfer gearbeitet, die Weltbank konsultiert und

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über Filme, Bücher und Vorträge eine ausreichend große Lobby geschaffen. Beeindruckend! Du hast also versucht, Politiker und Würdenträger unter Druck zu setzen. Selbst der Papst bekam deinen Willen zu spüren. Ihn wollte ich einbinden, weil fast alle Brasilianer Katholiken sind. Der Papst wollte mir keine Audienz gewähren. Ich sei ja nicht einmal Katholik, hieß es von seiner Nuntiatur in Bonn. Ich bin zu Fuß über die Alpen nach Rom. Das Medieninteresse sorgte dafür, dass ich doch Gehör fand. Er versprach zu helfen. Aber das war‘s. Frustrierend. Na ja, es gab viele solcher Rückschläge. Sie dürfen einen niemals aufhalten und zweifeln lassen. Es hat zwanzig Jahre gedauert, bis die Yanomami ihren Frieden erhalten haben. Das war im Jahre 2000. Hast du deinen Frieden gefunden?

Nein. Es gibt immer neue Aufgaben, die bewältigt werden wollen; bei mir ist es seit über sechzehn Jahren das Thema weibliche Genitalverstümmelung. Eine titanische Aufgabe. Wo nimmst du die Energie her – in deinem Alter? Aus der Kraft und Verpflichtung des Augenzeugen. Das motiviert total. Es bleibt einem nicht einmal Zeit, zu altern. Man muss vielseitig, ausdauernd und couragiert sein, um den Problememachern zu trotzen. Gerade beim Kampf gegen die weibliche Genitalverstümmelung. Das ist eine fünftausend Jahre alte Tradition, die in fünfunddreißig Ländern praktiziert wird; mit über achttausend Opfern täglich. Davon sind die meisten Muslimas. Um der Genitalverstümmelung ein Ende zu setzen, hast du die Organisation „Target“ gegründet. Was möchtest du erreichen? Dass Menschen diesen Brauch beenden. Es gibt aber auch Christen in Ägypten und

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Seine Reisen führten Rüdiger Nehberg durch die Wüste … Äthiopien, die diese Tradition bei ihren Töchtern anwenden. Das stimmt. Aber Christen und Moslems bekommt man nur schwerlich in ein Boot. Also haben meine Frau Annette und ich uns entschieden, die Kraft und Ethik des Islam zu nutzen, um das Drama zu beenden. Warum gerade Islam? Weil ich damit gute Erfahrungen gemacht habe und ihm diese Kraft zutraue. Vor vierzig Jahren habe ich mit zwei Freunden auf Kamelen eine Wüste in Äthiopien durchquert, was vier lange Monate gedauert hat. Dort herrschte Krieg zwischen Eritrea und Äthiopien. Wir wurden ausgeraubt, sollten zweimal erschossen werden. Aber unsere Stammesbegleiter haben uns davor bewahrt. Mit ihren Körpern als lebende Schilde. Das prägt, das schafft Vertrauen. Zu dieser Zeit begegnete ich einer Frau, die pharaonisch

verstümmelt war. Das ist übelste Form der Verstümmelung. Zudem wollte man sie zwangsverheiraten mit einem Ekel von Mann. Sie floh und fand Schutz bei den eritreischen Freiheitskämpfern. Sie erzählte uns von den vollkommen tabuisierten Misshandlungen. Damals war ich zu jung und kam nicht auf die Idee, dass man sich in eine so alte Tradition einmischen könnte. Wann kam der Sinneswandel? Durch die Erfolge bei den Yanomami. Da habe ich gemerkt, dass niemand zu gering ist, um etwas zu verändern. Es braucht nur Fantasie und Unternehmungsgeist. Dann ist vieles machbar. Durch das Buch „Wüstenblume“ wurde ich an diese grässliche Problematik erinnert. Ich informierte mich durch Recherche. Am Ende stand die Frage, wie eine Weltreligion wie der Islam neben all dem Terror außerdem noch so etwas zulassen kann.


… und aufs Eis Hattest du eine konkrete Idee, wie du dagegen angehen wolltest? Ganz einfach: Ich musste die höchsten Geistlichen davon überzeugen, den Brauch zur Sünde zu erklären!

geschafft, die allerhöchsten Geistlichen der Welt zu einer Konferenz in die Azhar Universität von Kairo zu laden. Sie ist vergleichbar mit dem Vatikan. Der höchste Rechtsgelehrte, Großmufti Ali Gom‘a, hatte dafür sogar die Schirmherrschaft übernommen. Da geschehen Wunder, wenn man seinen Gesprächspartnern auf Augenhöhe begegnet.

Und das geht so einfach? Ich suchte zunächst Partner bei deutschen Organisationen. Die fand ich nicht. Ich wurde verhöhnt. Man sagte mir, der Islam sei nicht dialogfähig und man würde mir die Kehle durchschneiden. Um meine restliche Lebenszeit nicht mit solchen Angsthasen und Sesselpupsern zu vergeuden, habe ich den Rat von Amnesty International angenommen und mit Annette und Freunden meine eigene Organisation gegründet.

Wurde der Bitte entsprochen? Ja. Einstimmig wurde die Tradition zur Sünde erklärt, zu einem strafbaren Verbrechen, das höchste Werte des Islam verletzt. Das war ein historisches Novum. Dennoch ist der Brauch noch lange nicht beendet. Der Beschluss, die Fatwa, geht nicht in die Köpfe der Leute.

Verzeichnet ihr Erfolge? Wir haben es bereits nach sechs Jahren

Das wirst du aber so nicht hinnehmen? Nein. Uns kommen ständig Ideen. Beispiels-


weise haben wir die Konferenz im sogenannten „Goldenen Buch“ dokumentiert. Es ist eine Predigtvorlage für die Imame. Ali Gom‘a hat das Buch sogar mit einem Prolog geehrt. Aber meine größte Vision ist, dass diese Botschaft von Mekka aus verkündet wird. Unübersehbar, unüberhörbar. Auf dem Heiligen Platz an der Kaaba. Das bedarf der Zustimmung des saudischen Königs. Alles Gute dabei und halte uns bitte auf dem Laufenden. Das werde ich. Danke für euer Interesse. ◊◊◊

INFO

Rüdiger Nehberg

Der 83-jährige Deutsche ist der Inbegriff eines Survivors – und noch weit mehr. Er ist Nativist für Menschenrechte: Er rettete das Volk der Yanomami und kämpft gegen weibliche Genitalverstümmelung. ruediger-nehberg.de

Stadtgeflüster Münster – Das Interviewmagazin wird herausgegeben von der Stadtgeflüster GmbH & Co. KG Rothenburg 14-16, 48143 Münster Telefon 0251 48168-30, Telefax 0251 48168-40 stadtgefluester-muenster.de info@stadtgefluester-muenster.de Herausgeber, Chef- und Schlussredakteur: Thorsten Kambach Redaktion: Jana Nimz, Stefan Reimer, Tom Feuerstacke, Arndt Zinkant, Claudia Maschner, Jonas Wintermantel, Chiara Kucharski, Dominik Irtenkauf, Julia Körtke Editorial Design: Buschy

Lektorat: Bernhard Trecksel Verteilung: Flyerwehr UG (haftungsbeschränkt) flyerwehr.net Fotografie: Thomas Schmitz – FXcommunication.com, Buschy Buschmeyer, Maren Kuiter www.shutterstock.com, Pressefotos Anzeigenvertrieb: Ekki Kurz, Horst Stronk Veranstaltungen und Kleinanzeigen: Jana Nimz Büro: Irene Kötter Druck: Lensing Druck Ahaus Webseite: Mark Grotegerd Stadtgeflüster liegt zur kostenlosen Mitnahme an über 300 Stellen in Münster aus. Sie haben Interesse an unseren Mediamöglichkeiten? Dann rufen Sie uns an oder schreiben Sie eine Mail, wir freuen uns!


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Schlafen, Erzählen oder Schmusen.

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den ganzen Abend lang gebraucht? Als Faustregel gilt:

aktiv beim Klimaschutz im Alltag mitzuwirken. See-

Licht ausschalten, wenn man aus dem Raum geht. Bis

ger, Kalinen und Koten, die Leeze fahren, ihre Funzeln

zu 270 kg CO2 pro Jahr sitzen hier an Einsparung

ausmachen, ihr Gedöns reparieren, Plastik vermeiden

drin. Auch der Einsatz von LEDs lohnt sich gleich dop-

und und und … Mach mit bei der Klima-Mischpoke.

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Mit Münster Klimaschutz 2050 haben wir ehrgeizige

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Sic

Waterort 5 48336 Sassenberg

Motoren zu bewundern sein. Spannung und Spektakel! Neben mehrstufig aufgeladenen Turbo-Methanol-Motoren und großvolumigen Kolbenmotoren aus Panzern oder Rennbooten werden auch hochgetunte V12-Al-

Eine der größten Tractor-Pulling-Veranstaltungen in

lison-Flugzeugmotoren, Dragster-V8-Motoren sowie

Europa. Am letzten April-Wochenende in Füchtorf!

Hubschrauberturbinen zeigen, was in ihnen steckt.

Kleine und große PS-Monster gehen an den Start.

Die Stars des Tages kommen direkt aus Füchtorf!

Das Ziel aller Traktoren ist das Gleiche: Gewonnen

Das Green Monster Stage V Mitas Edition und der

hat am Ende, wer einen tonnenschweren Brems-

Green Fighter wurden im Herbst 2018 Europamei-

schlitten mit einem „Full Pull“ über die 100 Meter

ster. Beide Traktoren kommen vom Green Monster

lange Rennstrecke zieht.

Team und gelten auch beim heimischen Rennen als Favoriten. Samstagabend steigt ab 20 Uhr die große

Am Samstag sind das die Garden- und Farm-Puller

„Power-Party“ in der Festscheune.

sowie die Mini-Puller. Die Teams kommen aus ganz Europa. Am Sonntag wird es richtig spektakulär.

Kostenlose Parkplätze und ein bewachter Camping-

In mehreren Klassen duellieren sich deutsche und

platz mit Sanitäranlagen neben dem Wettkampfgelände!

internationale Top-Teams. Traktoren mit bis zu 8000 PS kämpfen um den Tagessieg. In den Freien Klassen

Samstag, 27.04. + Sonntag, 28.04.19

von 2,5 bis 4,2 Tonnen sowie im Superstock und

Mehr Infos unter:

Supersport wird eine große Vielfalt leistungsstarker

greenmonster.de


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