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Olten, Donnerstag, 17. Juni 2021 | Nr. 24 | 89. Jahrgang | Auflage 34 383 | Post CH AG
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Daniel Kissling, Kulturschaffender und Barkeeper. (Bild: M. Isler)
D Gabriela Schenker zieht derzeit die beiden Lämmchen Judith und Maja mit der Flasche auf. (Bild: Achim Günter)
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STADTSCHAFE Sie gehören inzwischen in Olten fest zum Stadtbild: Gabriela Schenkers Schafe. Diese sind ein ganz schön zeitintensives Hobby. ACHIM GÜNTER
D
ie Sonne steht noch tief am Horizont. Letzte Nebelschwaden lösen sich auf. Am Vorabend hat es geregnet, das Gras ist noch nass. Sie aber fühlen sich pudelwohl und mampfen, als gäbe es kein Morgen. Sie, das sind die Stadtschafe Olten, eine kleine Herde mit üblicherweise zehn bis zwanzig Tieren. Momentan sind es deren zwölf: fünf ausgewachsene Schafe, sieben Lämmer. Die aktuell ausschliesslich weibliche Herde grast an diesem Morgen im Meierhof. Die Stadtschafe haben es in Olten längst zu einiger Berühmtheit gebracht. Auf einer eigens eingerichteten Facebookseite kann ihr Tun seit 2018 verfolgt werden: Wo weiden sie derzeit? Wie entwickelt sich der Nachwuchs? Die Seite erfreut sich grosser Beliebtheit. Entsprechend häufig kriegen die Schafe Besuch, etwa von Familien oder Kindertagesstätten. Besitzerin der Schafe und Betreiberin der Facebookseite ist Gabriela Schenker. Die 32-Jährige, aufgewachsen im Gäu, hält seit ihrem 20. Geburtstag Schafe. Ihr damaliger Freund hatte ihr zwei geschenkt. Die beiden Tiere sollten eigentlich bei einem benachbarten Landwirt ein Plätzchen finden. Doch Schenker, seit frühester Kindheit in alle möglichen Tiere vernarrt, machte sich kundig und erwarb alle nötigen Utensilien – und hält seither selbst Schafe. Als sie 2016 nach Olten zog, wurde sie bei der Stadt vorstellig. Auf Streifzügen durch die Stadt hatte sie zuvor diverse potenzielle Weidegründe für ihre Herde ausgemacht. Schenker und die Verantwortlichen der städtischen Grünflächen
wurden sich einig. So befreien nun seit 2017 Schenkers Stadtschafe diverse städtische Grundstücke von allerlei Grünzeug – ganz natürlich und ohne jeden Motorenlärm. Die Schafe haben ein abwechslungsreiches Leben und genügend frisches Futter, die Stadt Olten spart sich einen Grossteil der Kosten fürs Mähen und Entsorgen der Grasschnitte – man kann von einer Win-Win-Situation sprechen. In diesem Sommer grasen die Stadtschafe auf sieben verschiedenen Flächen in Olten. Über die letzten Jahre umfasste Schenkers Herde jeweils neun oder zehn ausgewachsene Tiere und einige Lämmer. Im Hinblick auf diese Sommersaison allerdings reduzierte sie die Anzahl Tiere ganz bewusst. Die grosse Trockenheit des Frühlings 2020 zwang Schenker damals dazu, mit ihren Schafen alle vier
«Grundsätzlich verkaufe ich immer jene Schafe, die nicht anständig oder zahm sind.» GABRIELA SCHENKER, BESITZERIN STADTSCHAFE
Tage den Weidegrund zu wechseln. Mit einer kleineren Herde ist das nur noch rund alle zehn Tage nötig – ein vertretbarer Aufwand für die 32-Jährige, die als Biologin eine eigene Firma betreibt. Die Oltner Stadtschafe sind stets von März bis Mitte Dezember in ihrer Obhut. Den Winter verbringen sie in einer riesigen Wanderherde mit über 1000 Tieren und streifen durch den Kanton Luzern.
Schafe suchten auch schon das Weite
Längere Ferien im Sommer sind für Schenker unmöglich, auch wenn Kolleginnen und Freunde ihr immer mal wieder unterstützend unter die Arme greifen. Täglich mindestens einmal gilt es frisches Wasser bereitzustellen, die Gesundheit aller Tiere zu prüfen und den Elektrozaun zu kontrollieren. Dieser dient nicht etwa dem Schutz vor tierischen Fressfeinden. «Der Elektrozaun ist
in erster Linie dazu da, dass niemand die Tiere freilässt oder sie gar stiehlt.» Mehrmals büxten – einmal nach einer mutwilligen Sabotage – einzelne Schafe von Schenkers Herde bereits aus. Momentan sucht Schenker ihre Schäfchen sogar dreimal täglich auf, alle acht Stunden. Eines der Muttertiere gibt keine Milch. Deswegen zieht Gabriela Schenker deren Töchter Judith und Maja mit der Flasche auf. Von der Geburt der beiden herzigen Lämmchen am 16. Mai an bis Mitte Juli handhabt sie das so – auch an diesem Morgen. Die drei mitgebrachten Fläschchen mit dem begehrten weissen Nass sind im Nu ausgetrunken. Nach wenigen Minuten trotten die Lämmchen mit einem milchverschmierten Maul zufrieden von dannen. Die Stadtschafe sind primär Schenkers Haustiere. Dennoch werden sie wirtschaftlich «genutzt». Am Ende des Winters werden die Schafe jeweils geschoren. Die Wolle wird zu Dämmmaterial für Häuserbau verarbeitet. Die hohen Auslagen für den Tierarzt finanziert Gabriela Schenker einerseits mittels der Entschädigung, die sie von der Stadt für die Beweidung erhält. Andererseits und vor allem durch den Verkauf von ausgewachsenen Schafen oder den Verkauf von (männlichem) Lammfleisch. «Grundsätzlich verkaufe ich immer jene Schafe, die nicht anständig oder zahm sind.» Mit einem Schmunzeln fügt sie hinzu: «Ich mache Verhaltensselektion.» Die Bocklämmer, erklärt sie, müssten im Herbst wegen drohender Inzucht aber eigentlich immer den Gang in die Metzgerei antreten. Dieses Schicksal droht den aktuellen Herdenmitgliedern nicht. Sie müssen dieser Tage bloss einen neuen Weidegrund in Beschlag nehmen. Vom Meierhof geht’s per Anhängerfahrt an den Gheidweg. Auch dort werden die Oltner Stadtschafe wie ein Mähdrescher futtern, hin und wieder ein wenig blöken, herumtollen und alleine durch ihre Präsenz zahlreiche Passantinnen und Passanten erfreuen.
er erste Abend der letzten Woche und die Polizei schaut vorbei. Sie kommen in der grauen Limousine, aber die Uniformen tragen sie. Ein Nachbar habe angerufen, sagen sie, es sei zu laut. Es ist halb elf. Ich sage ihnen, dass im Sommer in Olten die Nachtruhe erst um 23 Uhr beginnt. Das wissen sie nicht. Ebenso wenig, dass es das Coq d’Or nächste Woche nicht mehr geben wird. Sie notieren sich beides. Sie seien halt nicht von hier. Ich kann nicht genau sagen, wie viele Lärm-Bussen wir in den letzten elf Jahren gesammelt haben. Sie reichen dafür, dass ein paar Polizisten mich mit Namen grüssen, wenn ich auf der Strasse ihren Weg kreuze. Ungewöhnlich ist das nicht. Im Nachtleben kommt man zwangsläufig mit der Staatsgewalt in Kontakt. Lärmklagen, aber auch Menschen, die nach ein paar Bier nicht mehr wissen, wie sie sich verhalten sollen. Oder Vandalismus, eingeschlagene Fensterscheiben. Die Nummer des Glasers habe ich abgespeichert. Laut, ausschweifend, nicht immer ganz kontrollierbar und das alles bis spät in die Nacht – was für die einen den Reiz ausmacht, ist für die anderen vor allem eines: störend. Und dann nennen die das alles auch noch Kultur!? Als ich als Teenager begann, mit langen Haaren und schwarzen Heavy Metal-Shirts rumzulaufen, hoffte meine Grossmutter darauf, das wäre nur eine Phase. Manchmal hab ich das Gefühl, beim Nachtleben verhält sich die Gesellschaft ähnlich. Das geht dann schon vorbei, hofft sie, und will nicht verstehen, dass bei Rock, Rap oder Techno Lautstärke und Rausch nicht einfach ein Nebenprodukt, sondern Teil dessen sind, was diese Kultur ausmacht. Und das Nachtleben ein Teil davon, was eine Stadt ausmacht. Nicht für alle, aber doch für viele und mit denen feiern wir dieses Wochenende noch ein letztes Mal, denn für die nehmen wir das alles in Kauf.