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Olten, 5. Dezember 2019 | Nr. 49 | 87. Jahrgang | Auflage 34 402 | Post CH AG
Daniel Kissling Aufhören
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Daniel Kissling, Kulturschaffender und Barkeeper. (Bild: M. Isler)
«Eigentlich bin ich ein ganz ruhiger Mensch – bis es um Musik geht», so der Sänger Marc Sway. (Bild: Jonathan Heyer)
«Zwischen Euphorie und Verzweiflung» MARC SWAY Der 40-jährige Sänger über seine Tournee und sein im Frühling erschienenes Album «Way Back Home», die Reise zu seinen brasilianischen Wurzeln und seine Achterbahnfahrt der Gefühle. Sway wird am Samstag, 14. Dezember um 21 Uhr für ein Konzert die Oltner Schützi beehren. REINHOLD HÖNLE
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ie hoch ist Ihr Ruhepuls? Marc Sway: Ich glaube, je älter ich werde, umso tiefer wird er. Eigentlich bin ich ein ganz ruhiger Mensch – bis es um Musik geht. Dann bin ich es nicht mehr! Wenn es auf den grossen Bühnen stürmisch wird, hilft mir jedoch die zunehmende Erfahrung, cool zu bleiben und die Übersicht zu bewahren, obwohl alles in dir sagt: Du musst noch mehr Gas geben. Der Videoclip zu «Beat Of My Heart» zeigt Sie, wie Sie müde ins Bett fallen und von einer wilden Party in Ihrem Hotelzimmer träumen. Was entspricht der Realität, wenn Sie auf Tour sind? Wenn man als Musiker ein paar Stunden nach dem Konzert ins Hotelzimmer kommt, ist der Adrenalinspiegel oft noch so hoch, dass man nicht schlafen kann. Wenn es anderen auch so geht und man Pech hat, wird das eigene Zimmer zum Partyzimmer. Dann kann man definitiv nicht schlafen! (Lacht) Wie schwierig ist es für Sie, Beruf und Privates zu vereinbaren? Manchmal gelingt es sehr gut, manchmal weniger. Vor allem im Prozess des Songschreibens bin ich oft nur physisch anwesend, aber in
Gedanken woanders. Meine Frau sagt den Kindern dann: «Jetzt flüügt de Papi.» Severine war schon vor der Hochzeit klar, dass ich auch mit der Musik verheiratet bin. Sie haben im Juni Ihren 40. Geburtstag gefeiert. Wie geht es Ihnen mit dem Älter werden? Ich freue mich auf die Zeit, die kommt. Als ich für dieses Album mit Nemo zusammenarbeitete, habe ich mich über die Jugendlichkeit und Leichtigkeit gefreut, mit der er die Sachen anpackt. Das hat mir ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert und mich inspiriert. Ich finde das Älterwerden aber genauso spannend und habe keine Angst davor. Ausserdem ist alles eine Frage der Perspektive. Ich denke wie die 80-jährige Brasilianerin, die mir gesagt hat, alte Menschen wären für sie Menschen, die 20 Jahre älter sind als sie. Sie waren zweimal Coach bei The Voice of Switzerland. An welche Ratschläge, die Sie den Kandidaten gegeben haben, erinnerten Sie sich, als Sie dieses Album machten? Sei geduldig, wenn du an einem Album arbeitest. Es ist normal, dass man Ehrenrunden dreht, dass man leidet und an den Anschlag kommt. Es ist immer eine Achterbahnfahrt der Gefühle zwischen absoluter Euphorie und völliger Verzweiflung. Das sind dann die Momente, wo die Familie sicher denkt: «Wow, wen haben wir denn da zu Hause!?» Woher kam das Bedürfnis, Ihre brasilianischen Wurzeln mehr in Ihre Musik einfliessen zu lassen? Den Traum habe ich, seitdem ich Musik mache. Was in der Theorie einfach schien, war in der Praxis jedoch sehr schwierig umzusetzen. Vielleicht hat es eine gewisse Erfahrung gebraucht. Wenn der Rhythmus noch mehr Teil der Musik werden soll, musst du noch mehr loszulassen lernen und gewisse Risiken auf dich nehmen.
Wie hat sich Brasilien textlich niedergeschlagen? Es gibt zwei Stücke, wo sich – wie man das von meiner früheren Single «Severina» kennt – Englisch und Portugiesisch abwechseln. Der Einfluss auf die Rhythmik ist jedoch grösser, wobei ich mich vor allem von der Energie und Kreativität des Landes inspirieren lassen und nicht das Klischee Brasilien bedienen wollte. Worum geht es in der Ballade «Color»? Sie handelt davon, dass es jemand nicht gut geht und der andere Farbe in dessen düstere Stimmung bringen möchte. Mir gefällt die Farbenvielfalt in der Schweiz, ob kulinarisch oder kulturell. Als Mischlingskind bin ich es gewohnt, Farben zusammenzumischen und stehe für eine bunte Gesellschaft ein. Marc Sway, vielen Dank für das Gespräch. Infos zum Konzert sowie eine Ticketverlosung finden Sie auf unserer Veranstaltungsseite.
>ZUR PERSON Sänger und Songschreiber Marc Sway wurde am 25. Juni 1979 als Stefan Marc Bachofen in Männedorf geboren. Der Sohn eines Schweizer Hobby-Musikers und einer brasilianischen Tanzlehrerin und Ex-Jimmy Cliff-Perkussionistin erhielt 2002 von BMG München seinen ersten Plattenvertrag. Ein Jahr später landete er mit der Single «Natural High» den ersten Hit. Mit seiner Rückkehr in die Schweiz setzte er auf eine selbstbestimmte Popkarriere. Mit seiner dunklen Soulstimme und Liedern wie «Severina» etablierte er sich und wurde durch die Berufung zum «The Voice Of Switzerland»-Coach auch dem breiten Publikum bekannt. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter. Sein Album «Way Back Home» (Sony Music) wurde am 12. April veröffentlicht. www.marcsway.ch
Manchmal hab ich das Gefühl, du willst gar nicht aufhören», seufzt meine Freundin. Mit dem Feuerzeug hab ich nicht nur meine Zigarette angezündet, sondern auch ihre Sorge um meine Gesundheit. Oder sie an letzte Nacht erinnert, an meinen Hustenanfall, der sie aus dem Schlaf gerissen hat. «Ganz aufhören nicht, aber reduzieren, weniger, das auf jeden Fall, wenn wir zusammengezogen sind», beteure ich, beschwichtige ich, hoffe ich. Ich bin im Aufhören etwa so gut wie in Pünktlichkeit. Ich nehm es mir vor, aufrichtig, setze mir Deadlines und Ultimaten und ... muss mich später doch entschuldigen, dass es wieder nicht ganz gereicht hat. Dementsprechend Respekt habe ich vor Kollege Straumann. Einfach aufhören, den Hut nehmen, wenn die Party noch in vollem Gange ist, anstatt warten, bis die Barkeeper die Stühle auf die Tische stellen. Das hat Applaus verdient, erst recht, wenn man(n) seinen Platz für junge Talente frei macht. Gerade das Scheinwerferlicht verlassen die Wenigsten freiwillig. Schlecht gealterte Musiker klammern sich ebenso an Mikrofone wie Politiker im Pensionsalter sich an ihre Sessel. Wobei das biologische Alter manchmal weniger aussagt als die Dauer eines Engagements. Das Wort «amtsmüde» steht nicht umsonst im Duden. Das Lenken eines Fahrzeuges im übermüdeten Zustand ist übrigens eine Straftat. Für das Lenken von Ländern und Städten gilt das leider nicht. «Aufhören, wenn es am Schönsten ist», rief mir ein Gast nach, als ich letzthin kurz vor 23 Uhr aus dem Coq eilte. Ich verriet ihm nicht, dass der Kiosk um 11 schliesst und ich nur ging, um auf dem Heimweg noch Zigaretten kaufen zu können. «Zwei Päckchen wie immer?», fragte der Verkäufer. «Heute nur eins», antwortete ich.