Stadtanzeiger Olten Ausgabe 35 (29. August 2019)

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Olten, 29. August 2019 | Nr. 35 | 87. Jahrgang | Auflage 34 402 | Post CH AG

Irène Dietschi Es brennt Unsere Stärke sind der sofortige Batteriewechsel wie auch Uhrenreparaturen und Armbänder.

IRÈNE DIETSCHI, Journalistin. (Bild: Daniela Friedli)

Patti Basler ist am Montag, 2. September bei «Knapp Live» in der Schützi in Olten zu erleben. (Bild:

Die Unverblümte KNAPP LIVE Mit schnellem Kopf, vorlautem Mundwerk und der Bereitschaft, ein Publikum auch mal zu spalten, begeistert Patti Basler. Am Montag, 2. September tritt sie im Rahmen von «Knapp Live» in der Schützi in Olten auf.

FRANZ BEIDLER

A

ls Kind habe sie geglaubt, das Wort Olten beschreibe einen Zustand wie geöffnet oder geschlossen. Über dem Ventil eines Radiators auf der Toilette im Elternhaus war «auf, zu, Olten» eingraviert. «Schon als Kind las ich gerne und wenn es auf der Toilette nichts anderes gab, las ich eben, was auf dem Radiator stand», erzählt Patti Basler. In ihrer kindlichen Vorstellung konnte etwas also geöffnet, geschlossen oder eben Olten sein. Die Aargauer Kabarettistin, Slam Poetin und Autorin kam spätestens als Instant-Protokollantin der SRF-Polit-Sendung «Arena» zu breiter Bekanntheit. Nachdem sie im vergangenen Frühling die Turmrede der 32. Oltner Kabarett-Tage hielt, kommt die diesjährige Preisträgerin des Salzburger Stiers bald wieder in die Dreitannenstadt: Im Rahmen von «Knapp Live» wird sie am Montag, 2. September zusammen mit Christoph Simon, Res Wepfer und Axel Pätz in der Schützi auftreten. Der Titel des Abends lautet «Slam meets Song». «Die Welt ist froh darüber, dass ich keine Sängerin bin», kommentiert Basler. Einzig in ihrem aktuellen Programm «Nachsitzen» singt sie drei Lieder, «aber nur im Dienste der Komik.» Von ihr dürfen Worte erwartet werden. «Texte, manche politisch, alle satirisch, und Reime», so Basler. Sie reime gerne. «So haben die Texte wenigstens formal eine Qualität», sagt sie lachend.

«Prokrastinieren ist mein Hobby»

Als wacher Geist, der mit blitzschnellem Kombinieren und vorlautem Posaunen das Publikum begeistert, werden auch ein paar Instant-, wenn nicht -Protokolle, dann -Gedan-

ken zu hören sein. «Zudem nehme ich mein Repertoire mit.» Aus ihren abendfüllenden Programmen habe sie viel Spielmaterial zur Hand. Im Detail sei der Abend noch nicht entworfen. «Prokrastinieren ist mein Hobby», kennt sich Basler. Von da komme auch das Konzept der Instant-Protokolle: «Die ganze Vorbereitung passiert auf der Bühne, das ist Aufschieben als Programm», sagt sie und erzählt, wie sie ihre Lizentiatsarbeit zur Erziehungswissenschaftlerin in nur zwei Monaten geschrieben habe, obwohl ihr die damalige Mentorin das nicht zutraute. «Jetzt erst recht», war Baslers trotzige Reaktion. Beweise muss sie inzwischen eigentlich keine mehr antreten. «Einen bäuerlichen Minderwertigkeitskomplex habe ich nicht», sagt sie über ihre Kindheit auf dem Land. Aufgewachsen als Bauerntochter im aargauischen Zeihen, «genau je 44 Kilometer von Zürich und Basel entfernt», half sie melken, heuen, säen und ernten. «Und Kirschen pflücken», fügt Basler mit gereizter Stimme an. «Das ist die monotonste und repetitivste Arbeit auf dem Bauernhof, die es gibt.» Würden ihr Kirschen angeboten, esse sie gerne ein paar. «Aber selber welche kaufen, nie und nimmer.» Der rote Saft der Kirschen hätte sich aber hervorragend dazu geeignet, die Strasse zu bemalen. «Und weisse Autos», hängt Basler an. Die kindliche Rebellion mit zerquetschten Kirschen sei von ihrem Bedürfnis nach kreativem Ausdruck angestachelt worden. Als Bauernkind habe man viel Platz, resumiert Basler, aber kein Geld. Und nach 23 Lebensjahren habe ihr die Kultur gefehlt. Also wurde sie Lehrerin. «Als Lehrerin hatte ich nach vier Jahren Studium einen Beruf und konnte Geld verdienen.» Die pragmatische Berufswahl hatte einen Grund: Sie wollte in die Stadt, wo sie ihr Bedürfnis nach Literatur und Schauspiel stillen konnte.

Zwanzig Semester Erziehungswissen

Als sie nach der Ausbildung als Oberstufenlehrerin arbeitete, fehlte ihr die intellektuelle Herausforderung. «Ich brauchte noch einmal einen Hirnfigg», nennt es Basler gewohnt unverblümt. Daher folgte ein langes Studium der Erziehungs-

Tibor Nad)

wissenschaften, insgesamt zwanzig Semester, das mit ebenjener Lizentiatsarbeit über Erziehungskonzepte im Werk von Johanna Spyri, der Autorin von «Heidi», endete. «Das war die letzte Lizentiatsarbeit, die je geschrieben wurde», betont Basler. Danach wälzte die Bolognareform das Schweizer Bildungssystem um. Neben Arbeit und Studium begann Basler ihre Karriere als Slam Poetin und Kabarettistin. Seit rund fünf Jahren lebt sie hauptberuflich davon.

Nur wer denkt, lacht

«Klar versuche ich, gewisse Gedanken in manche sperrige Hirnrinde zu ritzen», sagt Basler. «Zum Denken anregen, wie man es so schön nennt», fügt sie spitzbübisch an und resümiert ernsthaft: «Mein Humor kommt fast nie ohne Nachdenken aus.» Das merke sie immer dann, wenn sie nicht gefalle. «Manche Leute schreiben mir böse E-Mails, ich sei unter der Gürtellinie und nicht lustig.» Frage sie nach, falle ihr auf, dass jene Leute auch nur die Witze unter der Gürtellinie verstanden hätten, nicht aber den doppelten Boden, von dem Satire lebt. «Wenn ich allen gefallen möchte, würde ich «Divertimento» heissen und das Zürcher Hallenstadion füllen», sagt Basler bestimmt. «Aber ich arbeite daran, die Arschloch-Quote unter Frauen zu erhöhen.» Als Frau sei sie oft mit Schubladendenken konfrontiert, das zu überwinden Energie koste. «Ich kämpfe für die Gleichstellung der Frau», sagt Basler, und findet das egoistisch. «Frauenrechte sind ja meine Rechte.» Eigentlich sei sie bodenständig und eine katholische Atheistin: «Ich mag Schnupftabak und bin keine Asketin: Fressen, Saufen, Herumhuren und dann beichten, und alles ist vergeben.» Knapp live «Slam meets Song» Montag, 2. September Mit Patti Basler, Christoph Simon, Axel Pätz, Res Wepfer «Liederlich» Dienstag, 3. September Mit Uta Köbernick, Reto Zeller, Markus Schönholzer, Axel Pätz, Res Wepfer Jeweils um 20 Uhr in der Schützi, Schützenmattweg 15, Olten

www.knapp-verlag.ch

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igentlich wollte ich heute über die Kirchgasse schreiben. Über die fragliche Absicht des Stadtrats, die Liegenschaft des ehemaligen Naturmuseums zu verkaufen. Doch dann wurde mein Thema von der viel brennenderen Aktualität verdrängt: «Die armen Tiere, die hier jämmerlich sterben», schluchzt die Jüngste und starrt mit tränenüberströmtem Gesicht in ihren Laptop. «Und erst die Indianer, die ihr Zuhause verlieren!» Auf ihrem Monitor flackern Bilder und Videos vom brennenden Amazonas-Regenwald. 75’000 Feuer seit Anfang Jahr, ein Grossteil davon sind illegale Brandrodungen. «Die Lunge der Welt geht zugrunde», schluchzt die Jüngste, «was sollen wir nur tun?» Gute Frage. Was soll man tun, wo doch Brasilien weit weg und der eigene Einfluss aufs Weltgeschehen gering ist? «Wir könnten Bäume pflanzen», schlägt mein Gatte vor. Bäume, die beim Wachsen CO2 binden. Eine ETH-Studie rechnete vor kurzem vor, dass für massives Aufforsten weltweit genügend Flächen zur Verfügung stehen. Auch auf unserem Grundstück hat es noch Platz. «Wir könnten konsequent nur noch Biofleisch essen», werfe ich in die Familienrunde. Der Älteste schüttelt den Kopf. «Auch Biobetriebe beziehen Sojafutter aus Brasilien», sagt er. Sojafutter, das auf Landflächen produziert wird, wo früher Regenwald stand. «Wir sollten unseren Fleischkonsum noch weiter reduzieren», findet der Älteste, «oder ganz auf Fleisch verzichten.» Ich selbst bin skeptisch, ob ich das so radikal kann oder will. Fleisch schmeckt mir. Ausser Frage jedoch steht, dass jeder, jede Einzelne Verantwortung trägt, besonders jetzt, wo’s brennt. Wie ein Bekannter es ausdrückte: «Wir werden auf Vieles verzichten müssen – die Komfortzonen sind gross.»


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