Stadtanzeiger Olten Ausgabe 7 (14. Februar 2019)

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Olten, 14. Februar 2019 | Nr. 7 | 87. Jahrgang | Auflage 31 786 | Post CH AG

Rhaban Straumann Im grossen Kanton

RHABAN STRAUMANN, Schauspieler, Satiriker und Autor. (Bild: Anthony Troy)

E Tinu Heiniger mit dem Berner Bären beim Schloss in Schöftland: «Ich schätze das Persönliche im Dorf.» (Bild:

Franz Beidler)

Der Heimat entgegen TINU HEINIGER Am Freitag, 22. Februar spielt Tinu Heiniger sein Soloprogramm im Schwager Theater. Der Cantautore aus dem Emmental ist nicht nur ein zugänglicher Geschichtenerzähler, sondern auch ein minutiöser Beobachter.

FRANZ BEIDLER

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bwohl er nun schon über zehn Jahre im aargauischen Schöftland wohnt, «so lange, wie noch nirgends zuvor», sind ihm der emmentaler Dialekt und die typische gutmütige Art vom ländlichen Bern geblieben. Doch dann sagt Tinu Heiniger Sätze wie «Der Gemeinschaftssinn wurde dem Individualismus geopfert» oder «Polarisiertes Links-Rechts-Denken ist unangemessen» und es wird schnell klar, dass hinter der Identifikationsfigur vom Heimat-Heiniger ein wacher, heller Geist steckt. Einer, der seine Umwelt seit langem minutiös beobachtet, darüber nachdenkt und dabei in Niemandes Dienst steht. Diese Gedanken verdichtet Heiniger zu Liedern. Tinu Heiniger, 72 Jahre alt, Musiker, Texter und Gegenwartskritiker. Aufgewachsen ist er im emmentalischen Langnau. Auf Wunsch seiner Eltern, die ein Möbelgeschäft führten, machte er eine Lehre als Möbelschreiner. Dann wurde er Lehrer und schliesslich entschloss er sich, hauptberuflich Bühnenmensch zu sein. Landesweit bekannt wurde Heiniger mit dem Unterhaltungsbrunz-Skandal 1979, als er in einem Liedtext dem Trio Eugster sagte, dass dessen harmlose Unterhaltungsmusik die Menschen verblöden lasse. Heiniger wurde verklagt und musste seinen Text ändern. Seither wollte er in keine Schublade so recht passen: Er sagt, was er denkt, manchmal auch mit einem Fluch, poltert jedoch nicht. Die

Digitalisierung und Globalisierung der Welt verfolgt er skeptisch, aber Kommunikation per E-Mails findet er praktisch. Er besingt schon sein Leben lang die Heimat, kann aber nicht aufhören, sie zu hinterfragen. Und er kritisierte bereits in den 1970erJahren den gedankenlosen Unterhaltungsrausch, was ihn aber nicht daran hinderte, für seinen Schlittschuhklub Langnau im Meisterjahr 1976 die Hymne «Hopp Langnou» zu schreiben.

«Immer gerne im Schwager Theater»

Am Freitag, 22. Februar um 20 Uhr wird Tinu Heiniger in Olten zu erleben sein. «Ich komme immer gerne ins Schwager Theater», freut er sich auf den Auftritt. «Tinu Heiniger Solo» heisst das Programm, das er mit Gesang, Gitarre, Klarinette und Mundharmonika bestreiten wird. «Zwischendurch erzähle ich auch mal eine Geschichte.» Als Liedermacher möchte er sich nicht bezeichnen, «ein zusammengesetztes Substantiv, das tönt so deutsch», eher als Musiker und Texter oder als Cantautore. «Wenn der Sänger der Autor der Geschichte und der Musik ist, entsteht eine andere Intensität.» In den letzten zwei Jahren habe er viele neue Lieder geschrieben. Mit diesem neuen Programm ist er nun solo oder mit Hank Shizzoe unterwegs, so auch im Duo am Tag nach dem Konzert im Schwager Theater, am Samstag, 23. Februar im Härdöpfuchäuer in Schöftland. «Wenn wir die Lieder vor Publikum ausprobieren können, werden sie besser», sagt Heiniger, «sie reifen wie ein guter Emmentaler Käse.» Noch in diesem Jahr oder aber spätestens 2020 will er die ausgereiften Lieder aufnehmen und ein neues Album veröffentlichen.

Inspiration auf Spaziergängen

«Meine Lieder haben mit meiner Umgebung zu tun», sagt Heiniger. Für Titel wie «Im Waud» oder «Ds Tau zdüruus» fand er auf Spaziergängen Inspiration. «Ich habe die ganze Region um Schöftland zu Fuss erwan-

dert.» Wegen seiner Ehefrau Maja ist er hier gelandet, eine Rückkehr ins Dorf nennt er es. «Schöftland hat mit dem Schloss, der Kirche, dem Friedhof und den Restaurants Schlossgarten und Ochsen einen richtigen Dorfkern.» Das erinnere ihn an sein heimatliches Langnau. «Ich schätze das Lebensgefühl im Dorf, das Persönliche, dass ich in Geschäften und auf der Post mit «Grüessech Herr Heiniger» angesprochen werde.» Profitdenken und Individualismus lasse die Dörfer verschwinden und ohne die Dorfgemeinschaften würden die Menschen noch individueller und damit einsamer. «Das Wichtigste im Leben ist es, Anteil zu nehmen», sagt Heiniger. Eine Gemeinschaft brauche einen Ort, um sich zu treffen, da hätten unsere Vorfahren bessere Arbeit geleistet: «Wo begegnen sich die Leute am liebsten?», fragt Heiniger rhetorisch. «In der Altstadt, egal ob in Bern, Zürich oder Olten.» Früher sei nicht alles besser gewesen, aber manches eben schon. Dass die schönen Altstädte vom Ladensterben bedroht sind, darauf machte Heiniger schon 1978 im Lied «Shoppyland» aufmerksam.

«Die gueti, auti Zyt, es gitse nid»

Vordergründig mögen Heinigers Lieder eine längst vergangene Heimat besingen und damit auch naive Romantiker anziehen. Dahinter aber verbirgt sich immer noch der Tinu Heiniger, der als linker Protestsänger begonnen hat und das Geschehen in der Welt beobachtet. Nostalgikern warf er 2015 im Lied «Verbi isch nid verbi» die Zeile «Di gueti, auti Zyt, hör uf, es gitse nid» entgegen. Zur Heimat, die er in seiner Musik seit jeher auslotet, zieht er heute Bilanz: «Je globalisierter die Welt ist, umso grösser ist das Bedürfnis der Menschen nach Heimat.» TINU HEINIGER SOLO Freitag, 22. Februar, 20 Uhr Schwager Theater, Industriestr. 78, Olten

www.tinu-heiniger.ch

ssen kann man in Deutschland echt günstig. Und einkaufen liesse es sich vermutlich ebenso. Auch Kultur geniessen lässt es sich mit schmalem Portemonnaie. Für Schweizer Verhältnisse. Das Ticket im Kleintheater kriegt man für 18 Euro. Grossartig. Geht es um die Gage, wird offensichtlich weshalb. «Ich würde Strohmann-Kauz gerne wieder einladen», sagt uns der Veranstalter nach dem Gastspiel in Freiburg, «aber ich habe ein schlechtes Gewissen. Der Gage wegen.» Das brauche er nicht zu haben, sagen wir. Erstens hätten wir gewusst, worauf wir uns einliessen. Zweitens könnten wir uns dieses Abenteuer leisten. Wir spielten in der Schweiz sehr viel und verdienten dabei genug. «Dann ist die Deutschlandtour für euch das Hobby», grinst der kulturelle Hausherr. Ein schönes Hobby, denken wir. Verkehrte Welt. Während deutsche Veranstalter uns gegenüber ein schlechtes Gewissen haben, werden wir in der Schweiz stets noch gefragt, wovon wir leben würden. Oder ob wir davon leben könnten. Wir tun es damit und trotz solcher Fragen. Daran wird sich so schnell vermutlich nichts ändern. Dazu müssten die Medien anders mitspielen. Neugieriger. Mutiger. Ansonsten sind die Unterschiede diesund jenseits der Grenze dünn. Ähnlich der Humor, die Lacher. Da die Reaktion vereinzelt schneller, stärker, betroffener. Hier zurückhaltender. Manchmal umgekehrt. Je nach Szene, je nach Pointe. Das deutsche Publikum zeigt sich einzig zwischen den Szenen applausfreudiger. Kurz, Deutschland hat gerufen und wir nahmen die Herausforderung lustvoll an. Dabei lernen wir viel. Spielend. Über uns. Über Deutschland. Und die Schweiz. Vor allem aber haben wir endlich wieder ein Hobby.


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