Stadtanzeiger Olten Ausgabe 3 (17. Januar 2019)

Page 1

Heute m it Hilari Rückblic k

Olten, 17. Januar 2019 | Nr. 3 | 87. Jahrgang | Auflage 35 001 | Post CH AG

Rhaban Straumann Das Los der Heimat

Unsere Stärke sind der sofortige Batteriewechsel wie auch Uhrenreparaturen und Armbänder.

N EU

N EU

Rosmarie Grünig lebt heute ihre Passion für das Ballett als Pädagogin. Einst (Fotografie von ca. 1988) stand sie selbst als Tänzerin auf der Bühne. (Bild: Videoporträt von «jump productions» / Archiv HR. Aeschbacher)

«Es ist wichtig, eine Passion zu haben» *

ROSMARIE GRÜNIG lädt am Samstag, 19. und Sonntag, 20. Januar zur getanzten Zeitreise durch 350 Jahre Ballettgeschichte in den Mühlemattsaal in Trimbach ein und feiert damit ihre 40-jährige Unterrichtstätigkeit. MIRJAM MEIER

ss *exkl. Sc hlü

elpag e 24 /7

Zu tri tt

M

ohana tanzt mit schmerzverzerrtem Gesichtsausdruck. Sie ist die Auserwählte aus «Le Sacré du Printemps», die tanzen muss bis zum Tode. Die 18-Jährige besucht den Ballettunterricht von Rosmarie Grünig und trainiert seit vergangenem Sommer als «Auserwählte» neben 100 weiteren Schülerinnen der Ballettabteilung des Dance Studios Olten für die Aufführung «Ballett - vom Sonnenkönig bis heute - 350 Jahre Ballettgeschichte, eine getanzte Zeitreise». Darin zeigt Tanzpädagogin Rosmarie Grünig, die im vergangenen November mit dem kantonalen Fachpreis für Tanz ausgezeichnet wurde, Ballettgeschichte, getanzt von der vierjährigen Ballerina bis zur Tänzerin in vorprofessioneller Ballett-Ausbildung.

Eine persönliche Zeitreise

«Es war eine riesige Herausforderung», bestätigt Grünig. Während eines Jahres hat sie am Stück gearbeitet, passende Musik gesucht und ausgewählt, was spannend und machbar für die Bühne ist. Der zweistündige Blick auf 350 Jahre Ballettgeschichte beginnt mit dem Sonnenkönig Louis XIV, der den Tanz institutionalisiert und professionalisiert hatte. Das Stück thematisiert beispielsweise den ersten Vorläufer des Spitzenschuhs, die italienische Tänzerin Marie Taglioni, die als erste auf Spitzen tanzte, die Ballettkompanie «Ballets Russes» und die Emanzipation im Tanz mit Tänzerinnen wie Isodora Duncan. «Ich will jedoch nicht nur das romantische Ballett zeigen, sondern auch

den coolen Tanz, weshalb beispielsweise eine Sequenz mit Alphorn und Hackbrett zu sehen sein wird.» Das Stück sei ein sehr persönliches Werk, das viele für sie prägende Choreografien und Tanzschaffende thematisiere. «Ich habe als Jugendliche alles von Balletttänzer Vaslav Nijinsky verschlungen», erzählt Grünig, die als kleines Mädchen von ihrer kunstaffinen Mutter, die selbst gerne Ballett getanzt hätte, nach Olten zum Unterricht gebracht wurde. «Ich war damals die Einzige in Däniken, die Ballettstunden besuchte», erzählt die 60Jährige. Das sei aber keinesfalls ein auf sie projizierter Traum ihrer Mutter gewesen. «In den Ballettstunden war ich immer glücklich», erzählt die Wangnerin lächelnd, die durch die Oltner Ballettlehrerin Evelyne Licht geprägt wurde.

Den Wissensrucksack füllen

Neben ihrem vierzigjährigen Unterrichtsjubiläum sei das Stück auch eine Art Abschiedsgeschenk für einige ihrer Schülerinnen, die sich während vier Jahren auf ihr Tanzstudium oder die Ausbildung zur Ballettlehrerin vorbereiteten und diese vorprofessionelle Ausbildung im Sommer abschliessen würden. «Geschichtliche Zusammenhänge sowie der Support fehlten mir damals als junge Tänzerin», erklärt Grünig, die auf Drängen ihrer Eltern das Lehrerseminar besuchte, jedoch nicht abschloss. Stattdessen absolvierte Grünig gegen den Willen ihrer Eltern in Zürich an der «Colombo Dance Factory» in klassischem Ballett, Modern und Jazz Dance ihre Ausbildung und arbeitete im Service. Nach ihrem Abschluss folgten neben ihrer Tätigkeit als Tänzerin und Tanzlehrerin zahlreiche Weiterbildungen in den unterschiedlichsten Bereichen wie Ballettpädagogik, Schwangerschaftsgymnastik sowie zur diplomierten medizinischen Masseurin. Ausserdem sammelte Grünig im Laufe der Jahre mit Ballett-Studienaufenthalten in Paris, Schauspiel- und klassischem Gesangsunterricht sowie Weiterbildungen in Bewegungsentwicklung allerlei Rüstzeug für ihren persönlichen Wissensrucksack. «Als unser inzwischen

erwachsener Sohn geboren wurde, setzte ich ganz auf das Ballett und gab aus zeitlichen Gründen meine therapeutische Tätigkeit sowie meine Agentur für Kunst und Mode auf», so die vielseitig Interessierte. 2006 erwarb die Tänzerin ihren Abschluss und eine Registrierung bei der Royal Academy of Dance als Ballettlehrerin. «Der Lehrplan der Royal Academy of Dance ist in über hundert Jahren entwickelt worden und bietet eine wichtige Orientierung, denn mit dem vorgegebenen Lehrplan und den Prüfungen können Ziele fokussiert werden.»

Raum schaffen

«Ballett kann man nicht nur halb machen. Perfektion gehört dazu», betont die feingliedrige 60-Jährige in ihrer aufrechten, eleganten Haltung. Auf die dem Ballett nachgesagte Schinderei angesprochen meint Grünig: «Das Ausdrehen der Beine ist nicht natürlich und deshalb sehr anstrengend, manchmal auch eine Qual.» Eine saubere Technik und passende Spitzenschuhe würden helfen. «Dabei ist auch die regelmässige Kontrolle von Technik und Haltung eine wichtige Präventionsmassnahme.» Grünig will wissen, wie der Körper auf möglichst gesunde Weise optimiert werden kann. Dabei hilft ihr therapeutisches Wissen. «Ich versuche, stets neue Wege zu finden, um die Entwicklung der Schülerinnen zu unterstützen», erzählt die Tänzerin, die bis zu ihrem 43. Lebensjahr auf der Bühne stand. Als einstiger «Bühnentiger», der in verschiedenen Gruppen mitwirkte und von Jazz bis Flamenco über Hip Hop alles ausprobierte, könne sie die Musikalität und die Ausdrucksfähigkeit weitergeben. «Ich hoffe ausserdem, dass ich allenfalls eine meiner Schülerinnen, die ihr Studium im Sommer beginnt, als zusätzliche Ballettlehrerin verpflichten kann. Dies würde mir Zeit verschaffen für weitere Beschäftigungen neben dem Ballett, wie dem schönen Wohnen, dem Garten, einem guten Essen oder dem Reisen. Doch auch der Besuch eines Theaters ist für mich das Salz in der Suppe.»

www.dancestudio-olten.ch

RHABAN STRAUMANN, Schauspieler, Satiriker und Autor. (Bild: Anthony Troy)

H

eimat ist zeitlos. Das lehrt viel Liedgut. Oft leidlich gut, das Lied, manchmal weniger. Inhaltlich mehrheitlich einseitig. Es werden derart viel Berge, frische Luft und andere Klischees kitschig besungen, dass ich mich zuweilen frage, ob dereinst heimatlos wird, wer heute bei diesem Schönwetterpop nicht mit einstimmen will? Der Begriff Heimat darf nicht engspurig von guten Geschäftsleuten oder einseitigen Parteien für sich beansprucht werden. Drum tut es gut, sich damit auseinanderzusetzen. Es ist simpel. Heimat ist emotional. Das macht es kompliziert. Meine Heimat ist z.B. dort, wo ich gerne Steuern zahle. Auch mehr. Dort, wo ich mich im gleichen Masse über die Pakete mit Logo von Zalando ärgere wie ich mich über die Standhaftigkeit oder Neueröffnungen von kleinen Läden freue. Da, wo ich Lust habe, mich in drei Vereinen zu engagieren und gleichzeitig rasend werde, ob all dem illegal auf Stadtgebiet deponiertem Abfall. Daheim fühle ich mich da, wo es möglich ist, leidenschaftlich über Politik zu streiten, wo es mir die Sprache verschlägt, wenn jemand eine wachsende Stadt als tote Stadt bezeichnet und ich auf dem Heimweg in dieser mutmasslich toten Stadt denken kann, hier bewegen sich unglaublich viele vife Geister. Heimat ist dort, wo ich den Barbesitzer einen Freund nennen darf. Heimisch, fühle ich mich da, wo unaufgeregte, ehrliche Begegnungen stattfinden. Wo ich mich frei fühle. Aufgehoben fühle ich mich dort, wo Menschen nie aufhören sich zu bilden, neugierig bleiben, sich herausfordern lassen, weil ihnen die Zukunft über das eigene Sein hinaus am Herzen liegt. Das macht Heimat zeitlos. Zerbrechlich heimatlos. Das Los der Heimat.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.