Stadtanzeiger Olten Ausgabe 43 (25. Oktober 2018)

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Olten, 25. Oktober 2018 | Nr. 43 | 86. Jahrgang | Auflage 35 001 | Post CH AG

Urs Bloch Tiere in der Stadt

URS BLOCH, Mediensprecher.

D Das altern macht dem Oltner Künstler Werner Nydegger nichts aus, denn er ist überzeugt, dass er durch die Fülle an Ideen in seinem Kopf niemals eine Leere in sich spüren wird. (Bild: mim)

«Ich muss den Kopf nicht füllen, sondern leeren»

Konradstrasse 23, 4600 Olten

WERNER NYDEGGER hat das Plakat für die diesjährigen Oltner Tanztage gestaltet und stellt die dafür entstandenen Arbeiten - die Tanz Kunst-Serie - am Samstag, 24. und Sonntag, 25. November an der Ringstrasse 39 in Olten aus. MIRJAM MEIER

I

nterviews möchte der Grafiker, Cartoonist, Illustrator und Designer Werner Nydegger eigentlich keine mehr geben, denn es seien immer wieder dieselben Fragen, die gestellt würden. Doch beim Besuch in seinem Wohnhaus und Atelier, einer einstigen Schreinerei, hat der 73-Jährige trotzdem viel zu erzählen. Kein Wunder, beheimatet doch das dreistöckige Gebäude viele seiner Kunstwerke aus der ganzen Palette seines breiten Schaffens sowie Antiquitäten, über welche es meist eine Geschichte zu erzählen gibt.

Freiheit und Kreativität erhalten

Aufgewachsen ist Nydegger, der einst die Grafikfachklasse an der Kunstgewerbeschule Basel besuchte, in Olten. Noch vor seinem Abschluss übernahm er verschiedenste Auftragsarbeiten und eröffnete bereits mit 23 Jahren sein erstes Atelier in Olten. Der Durchbruch gelang dem Querdenker schliesslich mit seinen satirischen Cartoons und Illustrationen für verschiedenste namhafte Zeitungen und Zeitschriften in über 20 Ländern. Nachdem der Erfolg zunehmend seine Tätigkeit beeinflusste hörte Nydegger auf - von einem auf den anderen Tag. «Ich wollte mir meine Freiheit und Kreativität erhalten.»

Vor 15 Jahren hat der Künstler ausserdem mit dem Einrichten und Designen von Möbeln für Geschäfts- und Wohnhäuser begonnen.

Tüfteln und ausprobieren

«Dieser Stuhl schien einer meiner Zeichnungen aus «Phantasia» nachempfunden, weshalb ich ihn unbedingt kaufen und die entsprechende Figur dazu anfertigen musste», erklärt der Künstler, während er auf einen königlichen Stuhl unter der Treppe zeigt, auf dem die Figur aus Phantasia lebensgross thront. Bei vielen Werken und Möbeln, die im Atelier zu sehen sind, handelt es sich um Prototypen, bei denen Nydegger ausprobierte, wie und mit welchen Materialien seine Ideen umgesetzt werden können. Dabei tüftelt der Perfektionist so lange, bis er mit dem Endergebnis zufrieden ist. «Sobald ich jedoch ein Werk beendet habe, interessiert es mich nicht mehr», hält er fest. Der Weg ist für ihn das Ziel. So hat sich Nydegger über die Jahrzehnte ein immenses Wissen über die Verwendbarkeit und Beschaffenheit der verschiedenen Materialien angeeignet. «Eigentlich bin ich dankbar, wenn auch mal etwas in die Brüche geht», meint der Designer schmunzelnd und fügt erklärend an: «Aus Fehlern kann man am besten lernen.» Lernen ist ein zentrales Thema für den ruhelosen Geist. Deshalb schleppt der Künstler regelmässig Bücherstapel aus der Hammer-Brocki zu sich nach Hause. Er werde oft gefragt, woher er seine Ideen nehme. «Ich kann denken», meint Nydegger achselzuckend. Er müsse denn auch nicht reisen, um neue Inspiration zu gewinnen, dies würde ihn nur überschütten: «Ich muss den Kopf nicht füllen, sondern leeren.»

Umwege können reizvoll sein

Seit Jahrzehnten sammelt Nydegger

Antiquitäten, die er manchmal auch restauriert. Dabei interessiert er sich speziell für Asiatika und deren filigrane Handarbeiten. «Nachdem ich alles verkaufte, hat sich in den vergangenen eineinhalb Jahren wieder das eine oder andere angesammelt», erzählt Nydegger lächelnd während er die Treppen zum ersten Stock hochsteigt. Ein sofortiger Blickfang ist das wuchtige chinesische Hochzeitsbett mit seinen detailreichen Holzverzierungen. Daneben hängen japanische Nohmasken und ein farbenprächtiger Furisode-Kimono. Nicht nur mittels der gesammelten Asiatika hat sich Nydegger mit der asiatischen Kultur auseinandergesetzt. Vor bald zehn Jahren hat der Illustrator damit begonnen, die chinesische und japanische Schrift zu studieren. 2012 zeigte er seine «Tuschspuren», die aussehen wie asiatische Schriftzeichen, tatsächlich jedoch in deutscher Sprache geschrieben sind, an einer Ausstellung. Diese Technik hat Nydegger nun auch bei der Fertigung der 58 Tanzbilder angewandt: Einmal ansetzen und in einem Fluss das Bild, welches er im Kopf hat, aufs Papier bringen. Das passende Sujet für die diesjährigen Oltner Tanztage fand Nydegger jedoch nicht in den Tusch-Arbeiten, sondern auf seinem im Jahr 2000 gefertigten Leuchtschrank mit Relieftafeln. «Das markante quadratische Format der Tafeln und die dynamische Bewegung der Figur verkörpern genau mein Grundbild für das diesjährige Thema Feeling and Form», erklärt Nydegger. Er malte das Sujet neu mit Öl auf Leinwand und entwarf zwei weitere Bilder im selben Stil. «Gegen Zielsetzungen ist nichts einzuwenden, sofern man sich dadurch nicht von interessanten Umwegen abhalten lässt», so Nydegger lächelnd.

www.werner-nydegger.ch

ie Marmorierte Baumwanze ist ein anschauliches Beispiel für eine Kolonialisierung im 21. Jahrhundert. Die Wanze kam, so lautet die mittlerweile weitgehend erhärtete These, als Geschenk aus China in die Schweiz. In Holzkisten mit Dachziegeln für den Chinagarten in Zürich trat sie vor 20 Jahren die Reise aus Asien in die Schweiz an, um sich danach munter zu vermehren und ihren Lebensraum stetig zu erweitern. Den Bauern geht sie ans Obst, und wir Städter haben sie in den letzten Wochen kennen gelernt, weil sie sich zum Überwintern ein warmes Plätzchen im Haus sucht. Will man sie nach draussen oder gar in die Ewigen Jagdgründe spedieren, so dankt das kleine Viech mit einem stinkenden Sekret, das es absondert. Penetrant gerochen hat auch der Ziegenbock, der am Samstagmorgen seelenruhig durch die Oltner Innenstadt Richtung Stadthaus trottete. Das Rätsel seiner Herkunft war bald gelöst. Er gehörte zur Herde, die ein Wiesenbord am Stadtrand abweidete. Nebst den Ziegen ist derzeit auch eine Schafherde auf verschiedenen grünen Flächen in der Stadt anzutreffen. Noch lächeln wir wohlwollend über die Bauernhoftiere mitten im Städtchen. Doch schon bald könnten sie zum Stadtbild gehören wie die Marmorierte Baumwanze. Dann nämlich, wenn wir in der Steuerhölle angelangt sind, vor der die Regionalzeitung unlängst warnte. Nach meiner naiven Vorstellung ist es in der Hölle nicht so toll, und der Zehnte, den wir der Stadt abliefern, dürfte dort so hoch sein, dass daneben kaum mehr Geld für Lebensmittel bleibt. Dann werden wir alle zu Selbstversorgern, lassen Kühe in den Vorgärten grasen und bauen im Stadtpark nach der Anleitung des Stadtrats Kartoffeln an. Es wäre gewissermassen die «Anbauschlacht Wahlen 2.0».


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