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Olten, 6. September 2018 | Nr. 36 | 86. Jahrgang | Auflage 35 001 | Post CH AG
Irène Dietschi Sinnentleerte Altstadt
IRÈNE DIETSCHI, Journalistin.
Pfarrer Kai Fehringer freut sich über die neu renovierte Stadtkirche und die innovativen Veränderungen. (Bild: mim)
«Der Altar ist der verlängerte Küchentisch» PFARRER KAI FEHRINGER Am kommenden Wochenende wird die Wiedereröffnung der Stadtkirche gefeiert. Wir haben mit Pfarrer Kai Fehringer über dessen langen Weg zum Pfarrer, sein Rebellentum und die neue, alte Stadtkirche gesprochen. MIRJAM MEIER
R
und eineinhalb Wochen vor der Wiedereröffnung der Oltner Stadtkirche sperren rot-weisse Plastikbänder den neu gestalteten Altarbereich ab und die Restauratoren und Handwerker sind mit den letzten Arbeiten beschäftigt. In den vergangenen zwei Jahren wurde die Kirche nicht nur renoviert, sondern auch sichtbare Veränderungen vorgenommen, wie der Einbau der Glas-Holz-Konstruktion auf der vorderen, rechten Seite des Schiffs. Die einstige Werktagskapelle wurde zum Sekretariat umgebaut, von welchem eine neue Wendeltreppe auf die Chorempore ins Pfarrbüro führt. Im Weiteren wurde unter den Treppen, die hinauf auf das Podest und zur Orgel führen je eine Toilette und eine kleine Küche eingebaut.
Einmalige Gelegenheit
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«Es konnten innovative Veränderungen vorgenommen werden, die jedoch die Bausubstanz nicht schmälern. Auch das neu gestaltete Gemeinschaftsgrab und der Altar sehen super aus», freut sich Pfarrer Kai Fehringer. Die Idee, dass sich sein Büro zukünftig in der Kirche und nicht mehr im Kirchgemeindehaus befindet, habe er vorangetrieben. «Nicht unbedingt zu meinem Wohl, aber um die Finanzen der Kirchgemeinde zu schonen und
die Diskussion wegen der Öffnung der Kirche zu beenden», erzählt Fehringer. «Als Pfarrer erhält man wahrscheinlich nur ein Mal die Gelegenheit, eine Kirchensanierung hautnah zu begleiten und sich einzubringen, was mir als kreativer Mensch viel Freude bereitet hat», hält der 45-Jährige fest und sinniert, dass die Kirche deshalb, auch falls er mal weggehe, immer ein bisschen seine Kirche bleiben werde.
Ein langer Weg
Seit er mit neun Jahren als Ministrant begonnen habe sei die Kirche sein zweites Zuhause gewesen. So stand für den in der Nähe von Koblenz aufgewachsenen Jüngling schnell fest, dass er einmal Pfarrer werden wolle. «Es ist einer der vielfältigsten Berufe, den es gibt, in dem man mit Musik und Kunst sowie Personen jeglichen Alters zu tun hat und grosse Freiheiten geniesst», ist Fehringer nach wie vor begeistert. Noch heute schätze er die Freiheit, seine Arbeiten selbst planen zu können. Hingegen lasse er alles stehen und liegen, wenn jemand seine Hilfe benötige. «Ich habe mir einst vorgenommen, kein Pfarrer zu sein, der keine Zeit hat.» Trotzdem liess sich Fehringer seinen Eltern zuliebe zuerst zum Elektromonteur ausbilden, um anschliessend das Abitur nachzuholen und danach das Priesterseminar anzutreten, wo er sich vieles hart erkämpfen musste. Nachdem ihm die Obrigkeit den Lektoratsjob verwehrte, zog Fehringer aus und mit seinem heutigen Ehemann zusammen, was ihm zusätzliche Steine bescherte. Nach einem Jahr im Aussenstudium im Vatikan in Rom, liess ihn die Obrigkeit sogar durch eine Prüfung fallen und verwehrte ihm die Priesterweihe. «Ich habe mich exmatrikuliert und an einer anderen Fakultät wieder neu eingeschrieben, um schliesslich die Prüfung erfolgreich abzulegen», erzählt Fehringer. Es folgte eine An-
stellung in einem Jugendhaus in Trier und schliesslich als Jugendseelsorger der Umzug ins baselländliche Allschwil. Im Jahr 2009 entschied sich Fehringer, dass, wenn es in der römisch-katholischen Kirche keinen Platz für ihn gäbe, er zur christkatholischen Kirche wechsle. Dafür hängte Fehringer nochmals zwei zusätzliche Jahre Studium an. 2012 wurde er schliesslich zum Priester geweiht. «Obwohl es beschwerlich war, gab es für mich nie einen anderen Weg. Durch die verschiedenen Tätigkeiten während des Priesterseminars, als ich in der Psychiatrie arbeitete, erhielt ich jedoch die wichtige Bestätigung, dass ich auch etwas anderes machen könnte.»
Gewisse Heimatlosigkeit
«Das schöne an der christlichen Religion ist die enge Verbindung zu unserem Leben, schliesslich ist auch der sonntägliche Gottesdienst, respektive der Altar eine Art verlängerter Küchentisch, an dem symbolisch Brot und Wein, aber auch die Sorgen und das Schöne geteilt werden», betont der Pfarrer der Stadtkirche. Angesprochen auf die drei geschlossenen Kirchen in Trimbach, Starrkirch-Wil und Hägendorf meint Fehringer: «Ich sehe diesen Schritt weniger als Sparentscheidung, mehr als eine Konzentration einer Gemeinde, die einen gemeinsamen Gottesdienst in Olten abhält. Es ist wichtig, dass die Kirchgemeinde zusammenwächst.» Auf die Frage, ob er in Olten angekommen sei meint der 45 Jährige: «Ich fühle mich hier zu Hause, aber als Pfarrer spürt man wohl immer eine gewisse Heimatlosigkeit und als deutscher Pfarrer noch etwas mehr.» Er wünsche sich für die Stadtkirche, dass sie noch mehr die spirituelle Mitte von Olten und von vielen Leuten geschätzt und besucht wird. Infos zum Festprogramm: siehe Agenda
www.christkatholisch.ch
V
or ein paar Tagen bin ich unverrichteter Dinge nach Hause gekommen. Ich wollte in der Oltner Altstadt in den Apple-Laden. Der Händler meines Vertrauens an der Hauptgasse hat letztes Jahr den Laden leider dichtgemacht (jetzt werden dort Shisha-Pfeifen verkauft) also habe ich den Heiniger am Kaplaneiplatz angesteuert. Aber auch dieser Apple-Verkäufer hat die Altstadt verlassen. Hinter den Schaufenstern gähnt die Leere. «Dafür steht da am Platz jetzt dieser Kater», erzähle ich meinem Gatten. Dieser hebt fragend die Augenbrauen. «Der Toulouse», erkläre ich, «der berühmte Altstadt-Kater: Dem hat die Stadt ein Denkmal gesetzt. Mit Krone und Sockel und Inschrift, ‹König von Olten’.» «Das ist nicht dein Ernst!», platzt mein Gatte heraus. Nein, ganz ernst nehmen kann ich das tatsächlich nicht. Denkmäler, die in meinen Augen diesen Namen verdienen, erinnern an bedeutende Ereignisse (1918!), verdiente Persönlichkeiten (Munzinger, Disteli) oder die Entstehung der Eisenbahn, die für Olten wesentlich ist. Aber ein Katerleben, in Bronze gegossen? Zumal dieser Kater ja literarisch schon wunderbar verewigt ist? Auf mich wirkt dieses jüngste Oltner Denkmal sinnbildlich für die Sinnentleerung der Altstadt. Die Fachgeschäfte räumen das Feld, weil wir Laptops und Kleider längst im Internet kaufen. Zurück bleiben die letzten Kämpfer sowie Dampfwaren und anderer Tralala. Und Toulouse, das Stein gewordene Katzenvideo. Es hat etwas Tragi-Komisches, Verzweifeltes. «Weisst du, zum Einkaufen oder Konsumieren wird die Altstadt immer unwichtiger», sage ich zu meinem Gatten. «Sie braucht als öffentlicher Raum andere Aufgaben, muss neu bespielt werden.» Und ja: Das ist mein Ernst.