Spielzeitvoraussicht

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uns schließlich gelungen – auf neuen Spielstätten, mit umgebauten Zuschauer­ räumen und neu inszenierten Stücken. Ich bin sehr stolz und dankbar, dass die Kolleg*innen hier im Haus mit einem unglaublichen Engagement und großer Kompetenz diesen Weg mit­ gegangen sind. Zugleich waren wir entsetzt, weil so spät von uns die Rede war, als es um die Lockerungen ging. Weil die Gesellschaft nicht sofort laut nach uns gerufen hat, sondern andere Dinge relevanter schienen. Und es gehört zum Spielen unter neuen Vorzeichen dazu, dass wir uns selbstkritisch fragen müssen, ob es uns in der jüngeren Vergangenheit immer gelungen ist, unsere politische, unsere gesellschaftliche Relevanz zu beweisen. Haben wir zu viele Kompromisse gemacht, nicht genug Kontur gezeigt? Das klingt abstrakter als es ist, denn diese Frage stellte sich sofort ganz konkret mit Blick auf unseren Sonderspielplan, mit dem wir in die letzten Wochen vor

der Spielzeitpause gegangen sind, und sie stellt sich mit Blick auf die Stücke der kommenden Monate. Ist es vertretbar, Produktionen nach Coronaregeln umzuinszenieren? Verraten wir die Kunst, die Ästhetik durch Eingriffe, die im schlimmsten Fall mehr einem Hygienekonzept als einer Regieidee folgen? Undenkbar! Viel Stoff für Diskussionen also. Und dann geschah etwas Ungewöhn­ liches, das uns verblüfft und zugleich motiviert hat, den Weg weiterzugehen: Ähnlich wie in unseren Tischszenen nahm sich die Kunst ihr Recht mit, im Wortsinne, Selbstbewusstsein. Stück für Stück kehrten wir in die Theaterwirklichkeit zurück. In Brit Bartkowiaks Inszenierung von Werther gibt es einen sehr starken Moment, wenn Lotte, Werther und Albert die Vision einer Liebe zu dritt leben, einander sehr nah sind und andeuten, dass es gar nicht zur Katastrophe kommen müsste. 27


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