Methodenlabor Religion

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Religionspädagogische Zeitschrift für Praxis & Forschung SONDERAUSGABE

66 kreative Ideen für Religionsunterricht und Elementarpädagogik

plus: Elementar-pädagogik
Methodenlabor Religion

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Religionspädagogische Zeitschrift für Praxis & Forschung

09–10|2013

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» StunDEnbEGInn Der Anfang einer Unterrichtseinheit in der Spannung von Machbarkeit und geschenktem Kairos als dynamischer Prozess. Seiten 4 bis 7

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» InItIAtIVEn Ein Neubeginn geht zumeist von Menschen aus, die sagen: So kann es nicht mehr weitergehen! Seiten 12 bis 15

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Der Anfang des Kosmos in der Spannung von mythologischer Erzählung und naturwissenschaftlicher Erklärung. Seiten 16 bis 22

Mit folgenden Kirchenzeitungen gibt es Kombi-Abos: SONNTAGSBLATT für Steiermark, Tiroler Sonntag, KirchenBlatt

» ScHulbEGInn Gebetstexte und Lieder für den Eröffnungsgottesdienst, um den Anfang des Schuljahres bewusst zu gestalten. Seiten 8 bis 11

Vorarlberg, martinus: Fragen Sie bei Ihrer Kirchenzeitung nach!

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Eigentümer und Herausgeber: Kompetenzzentrum für Religionspädagogische Schulbuchentwicklung an der Privaten Pädagogischen Hochschule Augustinum, Lange Gasse 2, 8010 Graz | Friedrich Rinnhofer, Vizerektor.

Redaktion: Eva Bacher, Heinz Finster, Verena Krenn, Simone Rieser-Kurzmann, Herbert Stiegler, Magdalena Wünscher, Friedrich Rinnhofer (CR), Andrea Kern (CvD).

Rezension: Irene Prenner-Walzl

Cartoon: Ivan Rajic

Layout und Satz: Peter Kandlbauer

AboService: SONNTAGSBLATT für Steiermark, Bischofplatz 2, 8010 Graz.

T: 0316/8041-225 | aboservice@reliplus.at

Reli+Plus ist die religionspädagogische Zeitschrift für Praxis & Forschung der PPH Augustinum. Reli+Plus ist ein Praxisbehelf für Religionspädagog*innen aller Schulstufen und für Elementarpädagog*innen. Er erscheint fünf Mal jährlich. Der Jahresbeitrag (ab 1.1.2024) beträgt € 15,– | Einzelpreis: € 4,–

Mit einigen österreichischen Kirchenzeitungen gibt es Komi-Abos. Bitte informieren Sie sich bei Ihrer Kirchenzeitung. www.reliplus.at

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P.b.b. | Erscheinungsort Graz | Verlagspostamt 8010 Graz
Religionspäd--SchulischeFeierkultur religiöserVielfalt Gemeinsam vor Gott 03–04|2018 plus-trösten
09–10|2023 plus P.b.b. Verlagsort 801 Graz 13Z039791 plus: Elementarpädagogik anfangen plusReligions beten plusentdecken pädagogi plus ankommen plus –e –gestaltenwartenplusfliehen plus - ändernForschung plus ­ wünschen chung plus fasten lachen essen plus--- stolpern plus feiern –plus lieben –plus- atmenplusspielen 10|2017 plus glaubenReligionspäd 11–12|20 plus träumen-Religionspädagog Zeitschrift 01–02|201 plus wachsen-Religion plussterben jubeln
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Methodenlabor Religion

66 kreative Ideen für Religionsunterricht und Elementarpädagogik

Friedrich Rinnhofer (Hg.)
FinsterVerlag 2023

Methodenlabor Religion. 66 kreative Ideen für Religionsunterricht und Elementarpädagogik

Herausgeber: Kompetenzzentrum für Religionspädagogische Schulbuchentwicklung an der Privaten Pädagogischen Hochschule Augustinum, Lange Gasse 2, 8010 Graz | Friedrich Rinnhofer, Vizerektor.

Redaktion: Eva Bacher, Heinz Finster, Verena Krenn, Simone Rieser-Kurzmann, Andrea Scheer, Monika Prettenthaler, Herbert Stiegler, Magdalena Wünscher, Friedrich Rinnhofer (CR), Andrea Kern (CvD).

Layout und Satz: Peter Kandlbauer, Ingrid Hohl, Heinz Finster.

© FinsterVerlag 2023 | ISBN: 978-3-9503664-7-2

Vertrieb: finsterverlag.at

INHALT

EIN SAMMELBANd VOLLER IdEEN

Ende August 2013 erschien die erste Nummer der Zeitschrift Reli+Plus. Es war der Beginn einer Publikationsreihe, die in Österreich einzigartig ist. Die Grundidee war einfach: Die Religions- und Elementarpädagog*innen Österreichs sollen in ihrer beruflichen Tätigkeit durch eine Zeitschrift unterstützt werden, die wissenschaftlich fundierte Beiträge für die konkrete Gestaltung des Religionsunterrichts und für die Arbeit im elementarpädagogischen Bereich bietet. Seit 2013 wurden nun 50 Nummern gestaltet. Aus Anlass des zehnjährigen Bestehens veröffentlichen wir die bisherigen Artikel zum Methoden-

labor und die Infografiken gesammelt in einer Gesamtpublikation. Sie wurden nach Kategorien geordnet und liegen nun allen Interessierten als praktischer Sammelband vor. Mein Dank als Herausgeber geht vor allem an alle Redakteurinnen und Redakteure, welche die Beiträge im Laufe von zehn Jahren so vielfältig, engagiert und kreativ gestaltet haben sowie an Heinz Finster, der mit seinem Verlag das Erscheinen dieser Publikation ermöglicht hat.

friedrich.rinnhofer@reliplus.at

3 SEHEN u N d HÖREN Arbeit mit Filmen 4 Kunstbilder im Religionsunterricht 6 Hör-Spiele 10 WAHRNEHMEN u N d ERLEBEN Stille- und Sinnesübungen 14 Atem und Geist wahrnehmen 16 Mit allen Sinnen genießen 18 Die innere Ruhe finden 22 Traum- und Fantasiereisen im RU 26 Vision Board: Zukunft visualisieren 28 LESEN u N d ERZÄHLEN Geschichten (er-)finden und erzählen 32 (Vor-)Lesen + erzählen 36 VERSTEHEN u N d INTERPRETIEREN Der hermeneutische Zirkel 38 Arbeit mit Literatur im RU 40 Mit Kart(ei)en lernen 42 Bibel & Leichte Sprache 44 Mit Symbolen arbeiten 48 PHILOSOPHIEREN u N d THEOLOGISIEREN Theologisieren/Philosophieren mit Kindern und Jugendlichen 50 Arbeit mit einem Dilemma 52 Argumentieren lernen 54 SCHREIBEN u N d GESTALTEN Kreatives Schreiben 56 Hoffnungstexte schreiben 58 Kreatives Gestalten 62 Standbilder im RU 64 Kreative Bibelarbeit 68 HAN d ELN u N d BEWERKSTELLIGEN Merk-Würdig lernen 72 Generation Games? Computer – Spiel – (Religions-)Unterricht 76 Lernen an Stationen 78 Projektorientiertes Lernen 80 Erlebnispädagogisches im RU 82 Lernen an außerschulischen Orten 86 Bewegter Religionsunterricht 88 Soziale Bildung – Soziales Lernen 92 INTERAGIEREN u N d KOMM u NIZIEREN Wenn Schüler*Innen Fragen … 96 Arbeit mit Biografien 98 Verstehen, wie andere denken 102 Interkulturelles, interreligiöses Lernen als Chance 106 Globales Lernen 110 Feedback als Geschenk 112 SYMBOLISIEREN u N d FEIERN Feste und Feiern gestalten 116 Brauchtum im Jahreskreis 118 Advent – Zeit des Schmückens 122 Übergänge gestalten 126 Die Kultur des Beginnens 128 Die Kultur des Beendens 132 ÜBEN u N d WIE d ERHOLEN Üben und wiederholen im RU 136 I NFOGRAFIKEN Bilder unserer Welt 138 Weihnachten feiern in Europa 139 Der weite Weg der drei Könige 140 Fastentraditionen 141 FEIER-LICHE RÄUME 142 Ein Glas wasser, bitte! 143 Lebensbeginn des Menschen mit ... 144 Sterberituale 145 HERZ-lich ... 146 Mit dem ganzen Körper beten 147 Advent – Wartezeit gestalten 148 Die Welt verändern 149 Die Orgel, die Königin 150 Fremde/s entdecken und verstehen 151 60 Millionen Fluchtgeschichten 152 Auf Erden ist Frieden 153 Aufstehen für den Frieden … 154 Spielen wie früher 155 Dimensionen von Religion 156 Von Träumen und Wünschen 157 Wachsende Religiosität? 158
Friedrich Rinnhofer Vizerektor PPH Augustinumw

ARBEIT MIT FILMEN

In der Schule ist es sinnvoll, Kinder und Jugendliche nicht als passive KonsumentInnen der Medienkultur zu verstehen, sondern sie als aktiv-konstruierende MedienuserInnen herauszufordern. Die Arbeit mit Filmen im Religionsunterricht bietet die Möglichkeit, für Inhalte zu sensibilisieren, die im Unterricht über andere Wege „schwerer erreichbar“ sind.

Andrea Scheer

durch die emotionalisierende Komponente, die nicht nur bei Spielfilmen, sondern auch bei qualitätsvollen Dokumentarfilmen gegeben ist, sind meist auch jene SchülerInnen bereit und in der Lage, sich auf ein Thema einzulassen, die über abstraktere Methoden keinen Zugang finden würden.

Aus dem Methodenlabor

Neben diesem inhaltsbezogenen Aspekt fördert die Arbeit mit Filmen auch die Weiterentwicklung der Medienkompetenz auf Seite der SchülerInnen: Sie lernen – durch altersgemäße Erarbeitung und auch die Metakognition anregende Impulse –, Filme nachzuerzählen, zusammenzufassen, zu analysieren und zu deuten; sie können filmische Stilmittel und dramaturgische Gestaltungselemente erkennen sowie deren Funktion und Wirkung erklären und sie finden auf diese Weise zu einer bewussteren persönlichen, reflektierten Filmrezeption. Zudem liegt die Bedeutung der Förderung medialer Kompetenz auch im Vorbereiten von SchülerInnen für ein Leben in einer Medien- und Informationsgesellschaft, in der eigenständiges, lebenslanges und selbstverantwortliches Lernen bedeutsam ist – im besten Fall fächerübergreifend die gesamte Schullaufbahn entlang.

Ein Großteil der SchülerInnen ist es gewohnt, sich in der Freizeit über das Medium Film Informationen anzueignen. Somit kann durch die Arbeit mit Filmen in der Schule an ein vertrautes Lernmuster im Alltag angeknüpft werden. So gesehen ist Mediensozialisation immer auch eine Form der Selbstsozialisation, die für viele Beteiligte – z. B. durch biblisch orientierte Spiel- und Dokumentarfilme, Werbespots, … –auch eine Form religiöser Sozialisation inkludiert (vgl. Pirner 2012, 166).

Insgesamt geht damit der Einsatz von Filmen im Religionsunterricht weit über die Verwendung

als „Belohnung“, „Zeitvertreib“ oder „Lückenfüller“ hinaus.

Nicht nur, wenn „Sterben“ Thema im Religionsunterricht ist, sondern vor dem Einsatz eines jeden Filmes, ist es hilfreich, grundlegende Punkte in den Blick zu nehmen (vgl. Meier-Apolloni auf www.baobab.at).

Zu beachtende Voraussetzungen

Klassenkontext + Film

Vorwissen/Anknüpfungspunkte

– Zeitrahmen (Einführung, Film, Besprechung)

– Vorhandene technische Ausstattung

Kompetenzzugewinn: Medienkompetenz, Filmästhetik, Geschmacks- und Urteilsbildung.

Einstimmung

– Brainstorming über das Thema (Assoziationsbegriffe sammeln)

Vorwissen, Erwartungen zum Thema klären

– Braucht es eine erklärende Einleitung, um allen SchülerInnen ein Einsteigen zu ermöglichen?

Film anschauen …

– … mit (Beobachtungs-)Aufgaben

– Zeit zum Protokollieren bzw. Lösen von Arbeitsaufgaben einplanen

Film wird ohne Ton gezeigt (Bildeindruck)

– Film wird teilweise nur mit Ton visioniert

– wiederholtes Ansehen mit Arbeitsaufträgen

Nachbereitung

Analyse der Aussagekraft des Films

– kurze (schriftliche) Stellungnahme zum Gesehenen mit anschließender Diskussion

Arbeitsaufträge in Kleingruppen (Rollenverteilung, Themenvielfalt, etc.)

– Weiterarbeit …

Beispiele für die Praxis

 Primarstufe

– Arbeit mit Kurzfilmen zu den Themen: Sterben, Tod und das Leben danach (zu finden auf der unten angeführten rbb-homepage).

Jeder der drei preisgekrönten Filme beginnt mit einem kurzen „Anreißer“, in dem eine Figur namens Knietzsche Kinder altersgemäß zum jeweiligen Thema hinführt.

Weiters wird in diesem ARD-Medienpaket mit Unterrichtsmaterialien in drei Kurzfilmen der Umgang mit dem Tod in anderen Kulturen (Nepal, Ghana, Mexiko) vorgestellt. Als Vertiefung dazu sind jeweils Impulse zum Vorbereiten des Filmes beziehungsweise zum Weiterarbeiten mit ihm bereitgestellt.

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03–04|2015 SEHEN und HÖREN
Filme emotionalisieren ... Foto: Tom Bäcker

– Kinder sprechen über Leben, Sterben und Tod (Filmprojekt von Renate Pistorius in der Kindertagesstätte Christuskirche/Trier, vgl. den unten angeführten Youtube-Link).

Ausgehend von den jungen AkteurInnen in diesem Filmspot können SchülerInnen der Primarstufe zum eigenen Nachdenken über Sterben, Tod und das Leben danach motiviert werden. Herangehen an diese Filmsequenz mit einem Gruppenauftrag:

Was sagen die Kinder über das Sterben?

Wie stellen die Kinder sich den Tod vor?

– Wie wird über den Himmel gesprochen?

– Während des Interviews sind unterschiedliche Bilder zu sehen: Schreibt stichwortartig mit, welche Gegenstände, Stimmungen … zu sehen sind.

 Sekundarstufe

Für ältere SchülerInnen machen die im Folgenden angeführten Dokumentationen der österreichischen Filmemacherin und Psychotherapeutin Anita Natmeßnig virtuelle Besuche in einem Hospiz und das Kennenlernen der Geschichte einzelner PatientInnen in dieser herausfordernden Phase des Lebens und Sterbens möglich.

Zeit zu gehen (2006)

– Den Film aus einer besonderen (BeobachterInnen-)Perspektive ansehen: Nach einem ersten Kennenlernen des Films (Trailer oder 5–10-minütige Einstiegssequenz) wählen die SchülerInnen eine Filmrolle, aus deren Perspektive sie den Film ansehen. Sie protokollieren wesentliche Erfahrungen, Erkenntnisse und Entwicklungsschritte der gewählten Person und bringen diese in die Reflexionsgespräche ein.

– Beobachtungsaufgaben (vgl. Baatz Ursula: Materialien, in: www.zeitzugehen.at).

– Wie (re-)agieren Krankenschwestern, PflegerInnen, ÄrztInnen, wie die Angehörigen, wie die HospizpatientInnen?

Wie verändern sich die PatientInnen?

– Welche Themen werden in den Dialogen angesprochen?

Ein Augenblick Leben (2014)

– Vermächtnis bzw. Erkenntnisse aus der Perspektive eines Sterbenden (vgl. Unterrichtsmaterial: www.einaugenblickleben.at):

Die SchülerInnen sammeln und diskutieren – ausgehend vom Film/Dialog – mögliche „Vermächtnisse“ von Menschen aus der Perspektive des nahen Todes:

Anita Natmeßnig: Welche Botschaft möchten Sie der Nachwelt gerne vermitteln?

Internettipps

 www. kinomachtschule.at

 www.einaugenblickleben.at (Filmhomepage mit Materialien für den Unterricht als download)

 www.filmwerk.de

Quellen

 Feichtinger, Christian: Filmeinsatz im Religionsunterricht, Göttingen: Vandenhoeck & Rupprecht 2014.

 Pirner, Manfred L.: Medienweltorientierte Religionsdidaktik, in: Grümme, Bernhard / Lenhard, Hartmut / Pirner, Manfred L. (Hg.): Religionsunterricht neu denken. Innovative Ansätze und Perspektiven der Religionsdidaktik, Stuttgart: Kohlhammer 2012, 159–172.

 www. baobab.at

 www.a-point-of-view.de

 www.rbb-online.de/schulstunde-tod

 www.youtube.com/watch?v=4CvG1jtntBk

 www.zeitzugehen.at (Filmhomepage mit Materialien für den Unterricht als download)

Robert Linhart: Keine besondere. Ja, vielleicht, dass sie nicht rauchen sollen. Das ist sicher was sehr Unsinniges. Und speziell die Leute, die Probleme mit der Lunge haben, die sollten das bleiben lassen. Ja, … sonst, … die Leute sollten, … sollen sich mehr selber mögen, dann mögen sie auch die anderen mehr. Ich denke, Krebs ist ja eine Form von Autoaggression … Wenn man sich jahrzehntelang selber nicht mag, … zumindest unterbewusst, dann manifestiert sich das …

5 methodenlabor reli+plus
Im Himmel sind die anderen. Nadim (6 Jahre)
Zeit – zu gehen. Foto: Tom Bäcker
Und danach?
03–04|2015
Foto: Tom Bäcker SEHEN und HÖREN

KuNSTBILdER IM RELIGIONSuNTERRICHT

Auch wenn es anders angefangen hat: Heute ist das Christentum, wie viele andere Religionen auch, ohne Bilder nicht denkbar und auch nicht zu verstehen. Die Fähigkeit, Bilder und Kunstwerke erschließen zu können, ist daher eine Kompetenz von ChristInnen, die im Religionsunterricht eine wichtige Rolle einnimmt.

Monika Prettenthaler  nachdenklich machen und zu Diskussionen anregen,

SchülerInnen werden im Alltag von Bildern aus und in verschiedensten Medien überflutet. Die Zeit, um sie genau zu lesen, fehlt meistens. Dennoch: Bilder berühren und sie prägen sich stärker ein als Texte.

Genau hierin liegt auch die Chance der Arbeit mit Kunstbildern (und Kunstwerken wie Plastiken, Skulpturen …) im Religionsunterricht: Die Arbeit mit Bildern ermöglicht Lernen auf vielen Ebenen. Ästhetisches Lernen schult die Wahrnehmungs-, Urteils- und Gestaltungsfähigkeit der SchülerInnen, es schafft Raum für sinnliche und intensive Auseinandersetzung mit Sinn- und Glaubensfragen und räumt der Ausdrucks- und Handlungskompetenz hoffnungsvolle Chancen ein (Troue 2017, 9).

Bilder sind GlaubenslehrerInnen

Neben ihrer Selbstverständlichkeit, die uns oft zu einem nur oberflächlichen Hinsehen verführt, „können Bilder Horizonte eröffnen, ermöglichen Ein-Sicht und Erkenntnis, werfen Fragen auf und verstellen vorschnelle Antworten. Wer Bilder sieht, darf seinen Augen nicht trauen. Auf jeden Fall nicht nur“ (Fendrich 2007, 4). Und: Jedes Bild ist mehr als alle Beschreibungen und Interpretationen einfangen können. Kunst weist immer über sich hinaus, sie lädt zum Weiterdenken, zum Darüber-hinaus-Schauen ein – Kunst ist immer mehr, sie hat einen transzendenten Charakter. „Wer ein Bild verstehen will, lässt sich auf eine offene Suchbewegung ein. Die Bildinterpretation kann man sich als spiralförmigen Weg vorstellen, auf dem das Gespräch zwischen Bild und BetrachterIn stufenweise an Intensität und Sicherheit gewinnt, aber nicht an ein Ende kommt.“ (Niehl/ Thömmes 2014, 15) Damit liegt auch die enge Verwandtschaft von Sehen und Glauben auf der Hand – beide leben von der (sinnenhaften) Wahrnehmung, sind gekennzeichnet vom Fragen und Aneignen, von der Unabgeschlossenheit und von der Skepsis gegenüber endgültigen Antworten …

Bilder im Religionsunterricht

Bilder können mehr als einen Text zu illustrieren oder eine These zu bestätigen (vgl. zum Folgenden Niehl/Thömmes 2014, 15): Sie können…

 in der Einstiegsphase Problembewusstsein für ein Thema wecken,

 zu Identifikation und Auseinandersetzung einladen,

 das Wirklichkeitsverständnis und persönliche Sichtweisen erweitern,

 zu Glaubensinhalten hinführen,

 die Deutung einer biblischen Erzählung erleichtern,

 religiöse Vorstellungen irritieren und/oder vertiefen,

 einladen, Spuren der Transzendenz zu entdecken,

 SchülerInnen zu Kreativität und eigenen künstlerischen Versuchen motivieren,

 Ruhepunkte bieten und zu Meditation einladen.

Praktische Zugänge

In der RU-Praxis werden mit der bildimmanenten Interpretation, in der die Betrachterin/der Betrachter in eine dialogische Auseinandersetzung mit dem Bild tritt, und der kontextuellen Auslegung, die auch auf Informationen zurückgreift, die nicht dem Bild entnommen werden können, zwei unterschiedliche Zugänge unterschieden.

Kontextuelle Auslegungsweisen sind zum Beispiel Interpretationen, die das Bild mit biografischen Ereignissen aus dem Leben der KünstlerInnen verknüpfen, die den geistes- oder glaubensgeschichtlichen Hintergrund zur Entstehungszeit oder die politischen und sozial(geschichtlich)en Verhältnisse besonders berücksichtigen (vgl. Niehl/ Thömmes 2014, 17).

Für die Arbeit im Religionsunterricht gut geeignet sind bildimmanente Bildzugänge. Sie verlangen kein (kunsthistorisches) Vorwissen, sind diesbezüglich also niederschwelliger, die SchülerInnen können auf ihre kreativen Fähigkeiten zurückgreifen.

Schritte der Bilderschließung

1. Wahrnehmung oder WAS SEHE ICH?

Die SchülerInnen sollten zunächst Zeit haben, das Bild in Ruhe zu betrachten. Das Sehen nimmt also zeitlich einen breiten Raum ein. Jede Schülerin, jeder Schüler bekommt Gelegenheit (und alle haben die gleichen Chancen), ihre Beobachtungen zu machen bzw. das, was zu sehen ist, mit eigenen Worten „nachzuzeichnen“ und den anderen

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09–10|2019 SEHEN und HÖREN Aus dem Methodenlabor

mitzuteilen. Beschrieben werden die Farben, Formen, Gesten, der Bildaufbau, die Struktur, das Material, … ohne dass die SchülerInnen-Äußerungen erklärt oder bewertet werden. Methoden, für das Sehen bzw. die Bildbegegnung auf der Ebene des Faktischen (Harrassowitz 1998, 23–41):

 Stilles Betrachten (ev. mit leiser Musikuntermalung)

 Spontane Äußerungen – Brainstorming

 Methodische Hilfsmittel (je nach Präsentationsweise): Laserpointer, Zeigestab oder Taschenlampe zum Beleuchten.

2. Deutung oder WAS BEDEUTET DAS?

In dieser Phase geht es zuerst um die Klärung von einzelnen Fragen zum Bild. Darauf folgt die Beschäftigung mit dem Bildaufbau und dem Geschehen. Im Unterrichtsgespräch können die Komposition des Bildes, die Erzählstruktur ... nachvollzogen werden. Der/die LehrerIn kann Informationen – z. B. zur Entstehungsgeschichte des Bildes, zum Leben des Künstlers/der Künstlerin – geben oder die SchülerInnen mit der Recherche beauftragen.

Methoden:

 Gespräch mit Leitfragen: Worum geht es in diesem Bild? Wie hat die Künstlerin/der Künstler das Thema dargestellt und gesehen? Was ist hervorgehoben? Welche Gedanken, Probleme und Überzeugungen kommen dabei zum Ausdruck? …

 Interview mit dem Bild:

Die SchülerInnen richten Fragen an das Bild: Der/die LehrerIn ist Interviewpartner – das ist vor allem dann sinnvoll, wenn das Bild eine interessante Entstehungs- und Wirkungsgeschichte hat; oder:

Ein/e SchülerIn oder eine Gruppe hat sich auf das Interview vorbereitet.

3. Aneignen oder WAS BEDEUTET ES FÜR MICH?

Diese Phase gibt Raum zur Beantwortung von Fragen, wie diesen: Welche Gefühle weckt das Bild? Welche Assoziationen löst das Bild bei mir aus? Was beeindruckt mich an diesem Bild? Was zieht mich an? Was irritiert mich? Womit habe ich Schwierigkeiten? Wenn die Personen/Formen auf diesem Bild sprechen könnten, was würden sie sagen? …

Aus ihren Erfahrungen heraus können die SchülerInnen entscheiden, was mit dem Bild gemeint sein kann – auch hier können unterschiedliche Meinungen nebeneinander stehen bleiben. Methoden – hier vor allem solche, durch die SchülerInnen ihren Eindrücken kreativen Ausdruck verleihen können:

 Weitermalen: Die SchülerInnen werden angeregt, zum Bild ein Folgebild zu malen.

 Bildbearbeitung: In einem Bild werden durch Malen oder Kleben neue Bildelemente eingefügt, die die Bildaussage interpretieren, verändern ...

 Ergänzungscollage: Eine Kopie des Bildes wird auf ein weißes Blatt geklebt. Die SchülerInnen stellen durch Malen und Kleben eine neue, erweiterte Bildumgebung dar.

 Motive verfremden: Ein Kernstück oder auch ein Randstück des Bildes wird ausgeschnitten (Kopie) und in eine neue Bildumgebung eingefügt, die durch Malen oder Kleben entsteht.

 Bild nachstellen: Die Bedeutung der Körpersprache und der Konstellation der Gestalten wird erfahrbar, aus der Fläche wird Raum, die DarstellerInnen erzählen über ihre Empfindungen, Wahrnehmungen ...

 Jedes Bild, jedes Kunstwerk birgt auch eine Fülle von Teilaspekten, die – wenn „herausgenommen“ – einen tieferen Zugang zum Gesamtwerk ermöglichen können.

 Gegenstände, die im Bild zu sehen sind, können in ihrer oft vielschichtigen symbolischen Bedeutung begriffen werden, wenn SchülerInnen – besonders jüngere – mit ihnen „hantieren“ können (ein Buch ...).

 Farben wirken auf den/die BetrachterIn (warm, kalt, anregend, fröhlich, traurig ...), wenn sie gesondert erlebt werden können (farbige Tücher, Dias ...).

 Personen können zum Sprechen gebracht werden (Sprechblasen, Briefe ...) oder es kann bei Bildern, die zwei oder drei Personen in charakteristischen Konstellationen zeigen, ein fiktiver Dialog zwischen diesen Personen erarbeitet werden (Verfassen von Texten, szenische Darstellung, Audio- oder Videoaufnahme ...).

 Assoziatives Schreiben (mit/ohne Musik), Schreibmeditation.

 Bildmeditation: Fragen an das Bild als Denkanstöße, Interpretation(en), Lesen eines vorbereiteten Textes.

 Bildtitel suchen.

(Erst) auf dieser Stufe werden die Bedeutung und der Gehalt des Bildes erschlossen. Der Inhalt, die Szenenfolge des Bildes können zu Meditationen werden – im Versuch, einen Gleichklang zwischen dem Unsagbaren im Bild und den BetrachterInnen herzustellen: WAS ER-ÖFFNET SICH

HIER: für das eigene Leben, für den persönlichen Glauben, für die Weltsicht …?

„Man kann an Bildern und mit Bildern Glauben lernen! Und glauben lernen!“ (Fendrich 2007, 4).

drei praktische Beispiele

Aus Platzgründen wird hier jeweils nur eine Methode vorgestellt – Zugänge für die anderen Phasen der Bilderschließung können der Klassensituation entsprechend aus den oben vorgestellten Methoden vorbereitet werden.

Kurze Hintergrundinformationen zu den Künstlern bzw. den drei Werken und auch Kopiervorlagen der verwendeten Fotos finden sich – ebenfalls aus Platzgründen – auf www.reliplus.at

die Kunst ist die irdische Schwester der Religion.

7 methodenlabor reli+plus
09–10|2019 SEHEN
Adalbert Stifter
und HÖREN

Arbeit mit einem Detail aus dem Gemälde „Tod der Maria“ des sogenannten Meisters von Heiligenkreuz, entstanden um 1420/30.

 Version ohne Kontext:

Die SchülerInnen erhalten eine Farbkopie des Bilddetails und werden zuerst gebeten, zu überlegen, in welchem Buch der Mann liest, was er dabei nicht übersehen möchte, was so wichtig sein könnte, dass der Leser so genau hinsieht …? Anschließend erhalten die SchülerInnen den Auftrag, das Detail auf ein Blatt zu kleben und das Bild – entsprechend ihrer vorherigen Überlegungen – weiterzumalen. In einer Vernissage stellen sie ihre Werke vor.

 Version mit Gesamtkontext

Nachdem die SchülerInnen das Bild genau betrachtet und beschrieben haben, wird der Bildausschnitt mit dem in einem Gebetbuch Lesenden herausgezoomt, und die SchülerInnen werden eingeladen, darüber zu fantasieren und zu sprechen: Was hilft dem Lesenden/ Betenden in seiner Situation? Wo möchte oder muss er in der schweren Situation genau hinsehen? Welche Gedanken könnten ihm durch den Kopf gehen?

Der Künstler Manfred Erjautz hat in den Hof des Grazer Priesterseminars einen Schneemann gestellt. „Er schaut aus, als wäre er übrig geblieben. Dieses strahlend weiße Gebilde mit dem Kochtopf auf den Kopf, mit Kohleaugen, Karottennase und einem breit lächelnden Kohlemund […] Das erinnert an schöne Zeiten, an die Kindheit, an gemeinsame Unternehmungen von Kindern und Erwachsenen, an Winterabenteuer. Bei Tauwetter verwandeln sich die weißen Boten einer stillen Freundlichkeit in traurige Bilder des Vergänglichen. Und schließlich werden sie alle verschwunden sein. Bis auf einen, den von Manfred Erjautz. Der hält auch die größte Hitze aus. Er ist aus Stein. Im Winter kaum von den anderen zu unterscheiden, bleibt er im Frühjahr, wenn aller Schnee geschmolzen ist, fremd und allein zurück. Ein dauerhafter Rest Vergangenheit. Im Sommer steht er völlig deplatziert, als hätte ihn jemand, der kühle Zeiten herbeisehnt, geträumt. Im Herbst scheint er verfrüht, ein Stück Zukunft, das versehentlich jetzt eingetroffen ist. Erst im Winter findet er wieder die ihm entsprechende Gegenwart.“ (Schörghofer 2004, 84)

Könnten Klimaveränderungen den Schneemann hart gemacht haben?

Die SchülerInnen formulieren in Denk- oder Sprechblasen, was der zu Stein gewordene Schneemann erzählt, oder sie verfassen einen Dialog zwischen ihm und einem „echten“ Schneemann …

8 methodenlabor reli+plus 09–10|2019
Manfred Erjautz, Das Erforschen der Dauer, 2005, Brunnenskulptur im Hof des Grazer Priesterseminars.Foto: Monika Prettenthaler Meister v. Heiligenkreuz, Tod der Maria, um 1420/30. Ausstellung im KHM Wien. Foto: Monika Prettenthaler
 Stein gewordener Mahner der Vergänglichkeit  Der schaut aber ganz genau …
SEHEN und HÖREN

In den 1950er und 1960er-Jahren gestaltet Mark Rothko seine Bilder durch wenige rechteckige Farbflächen oder Farbstreifen, die er nicht exakt abgrenzt. Die Farben verschwimmen, vibrieren –die Unmöglichkeit, sie zu fixieren, lässt die Werke immateriell erscheinen und führt die BetrachterInnen in einen Grenzbereich (vgl. Fendrich 2007, 133).

die SchülerInnen werden gebeten, ihre Assoziationen und Deutungsideen zum hier abgebildeten Werk – das Original ist 252,2 x 207cm groß – zu notieren.

Anschließend schreiben sie ihre Gedanken zur folgenden Notiz eines Gesprächs von Selden Rodman mit Mark Rothko (zitiert nach: Haag/Sharp 2019, 166) auf. Sie kommen auf diese Weise mit dem Künstler „ins Gespräch“:

„Dann möchte ich doch eins klarstellen“, sagte er (Rothko) etwas entspannter, „ich bin kein Abstrakter.“

„Für mich sind Sie ein Abstrakter“, sagte ich. „Sie sind ein Meister von Farbharmonien und Beziehungen auf großer Leinwand. Wollen Sie das leugnen?“

„Das will ich in der Tat. Ich interessiere mich nicht für Beziehungen von Farben und Formen oder dergleichen.“

„Was wollen Sie denn dann ausdrücken?“

„Mein einziges Interesse besteht darin, grundlegende menschliche Gefühle auszudrücken – Tragik, Ekstase, Untergang und so weiter – und die Tatsache, dass viele Menschen in Tränen ausbrechen, wenn sie meine Bilder sehen, zeigt doch, dass ich diese menschlichen Gefühle vermittle. (…) Die Menschen, die beim Anblick meiner Bilder in Tränen ausbrechen, haben die gleiche religiöse Erfahrung, die ich hatte, als ich sie malte. Und wenn Sie, wie Sie sagen, allein von den Beziehungen der Farben untereinander angerührt sind, dann haben Sie die Bilder nicht verstanden!“

Überlegungen und Impulse zu Transzendenz und Synkretismus in Gegenwartskunst am Beispiel der Werke von Mark Rothko finden sich in Burrichter/Gärtner 2014, 164–167. 

Kompetenzen, die durch die Arbeit mit den vorgestellten Anregungen gefördert werden:

Die Lernenden …

 können miteinander in einen Dialog treten, indem sie einander zuhören, eigene Gedanken zum Thema „Sehen“ einbringen, sich in ihren Beiträgen aufeinander beziehen und respektvoll mit den Überzeugungen der anderen umgehen.

 können sich in einer persönlichen Auseinandersetzung auf biografische Fallbeispiele einlassen.

 können sich in die Lage von betroffenen Personen einfühlen und bringen dies im Schreiben eines Briefes zum Ausdruck.

 machen sich bewusst, welche fatalen Folgen Rechtsextremismus, Fremdenhass und Antisemitismus mit sich bringen.

 bringen ihre Eindrücke, Erkenntnisse und Überzeugungen durch das Erstellen einer Collage auf kreative Weise zum Ausdruck.

Quellen und Literaturtipps

 Burrichter, Rita/Gärtner, Claudia: Mit Bildern lernen: Eine Bilddidaktik für den Religionsunterricht, München: Kösel 2014.

 Burrichter, Rita: „Tradition heuten“. Einige Hinweise zum Kompetenzerwerb im Religionsunterricht durch den Umgang mit Bildern der Kunst, in: RelliS. Zeitschrift für den katholischen Religionsunterricht 1 (2016) 4–7.

 Fendrich, Herbert: Glauben. Und Sehen: von der Fragwürdigkeit der Bilder, Münster: Aschendorff Verlag 32007.

 Haag, Sabine/Sharp, Jasper (Hg.): Mark Rothko. Katalog zur Ausstellung im Kunsthistorischen Museum Wien, Berlin: Hatje Cantz 2019.

 Harrassowitz, Gabriele: Bilder sehen und erleben in: Degen, Roland/Hansen, Inge (Hg.): Lernort Kirchenraum. Erfahrungen – Einsichten – Anregungen, Münster: Waxmann 1998, 23–41.

 Niehl, Franz/Thömmes Arthur: Damit uns die Augen aufgehen. Bilder im Religionsunterricht, in: 212 Methoden für den Religionsunterricht, München: Kösel 2014, 13–50.

 Schörghofer, Gustav: Schau-Stücke aus der „Galerie“ der Welt der Frau, Linz: Welt der Frau 2004.

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 Gefühle – in Farben und Formen
Rothko_No. 16 (red, white and brown), 1957_Ausstellung im KHM Wien. Foto: Monika Prettenthaler
SEHEN und HÖREN

HÖR-SPIELE

Hörspiele, Hörbücher, Podcasts, Musikvideos ... sind heute fixer Bestandteil im Medienalltag von Kindern und Jugendlichen. In der gegenwärtigen Wahrnehmung steht das Visuelle eindeutig im Vordergrund. Das Hören in den Mittelpunkt zu stellen, kann einen Kontrapunkt setzen, weil das Gehörte eigene Bilder schafft – Zeit für eine Renaissance der Hör-Spiele im Religionsunterricht.

Andrea Scheer

„Ich bin ganz Ohr“, sagt der eine, während die andere ihre „Ohren auf Durchzug stellt“ – unsere Sprache hat viele Begriffe für das Hören und wir verwenden diese auch oft im übertragenen Sinn: Ein ‚Ohrwurm‘ muss nicht unbedingt ein Kriechtier sein und wenn jemand ‚Bohnen in den Ohren hat‘, muss hoffentlich nicht die Rettung gerufen werden (vgl. Zimmer 2012, 83).

Hören und Zu-Hören sind die Basis für die Kommunikation im schulischen Kontext und tragen damit wesentlich dazu bei, gut mit anderen zu leben und den Lehrenden und Lernenden – im umfassenden Sinn – ‚Gehör zu schenken‘.

Aus dem Methodenlabor

„Im Unterschied zu den Augen können sich die Ohren nicht zurückziehen, nicht einfach ‚dichtmachen‘, um sich vor der Reizüberflutung zu schützen.“ (Zimmer 2012, 83) Über das auditive System nehmen wir Töne, Geräusche und Klänge wahr, es hat zentrale Bedeutung für die Kommunikation und Sprachentwicklung und schließlich können durch das Gehör die Entfernung und die Richtung von Reizen ausgemacht werden.

„Das Ohr ist eines der kompliziertesten Organe des Körpers. Es kann einerseits ganz leise Töne registrieren, andererseits sehr starken Schallwellen (z. B. Presslufthammer oder Rockkonzert) widerstehen. Außerdem kann es selektiv wahrnehmen, also z. B. aus einem Chor eine einzelne Stimme heraushören.“

(Zimmer 2012, 83–84)

In der auditiven Wahrnehmung lassen sich verschiedene Bereiche unterscheiden (Zimmer 2012):

1. Auditive Aufmerksamkeit

SchülerInnen konzentrieren sich auf das Gehörte und können sich den akustischen Reizen (Geräuschen, Stimmen ...) entsprechend einstellen.

2. Auditive Figur-Grund-Wahrnehmung

Kinder und Jugendliche sind in der Lage, Reize aus einem ‚Nebengeräusch-Kontext‘ herauszufiltern.

3. Auditive Lokalisation

SchülerInnen verfügen über das Vermögen, akustische Impulse räumlich einzuordnen bzw. die Richtung der Töne zu identifizieren.

4. Auditive Diskrimination

Kinder und Jugendliche können Laute und Töne voneinander abgrenzen und somit Unterschiede hören.

5. Auditive Merkfähigkeit

SchülerInnen sind in der Lage, Gehörtes abzuspeichern, es wiederzuerkennen und die Inhalte abzurufen.

6. Verstehen des Sinnbezuges

Zur auditiven Wahrnehmung gehört auch die Fähigkeit, Gehörtes inhaltlich einzuordnen und zu deuten.

Dieses Vermögen ist auch eine Schlüsselkompetenz für alle Beteiligten in Lernprozessen und es spielt in Bezug auf Glaubensentwicklungen eine wesentliche Rolle. Nicht zufällig werden viele Phänomene rund um das (Nicht-)Hören und (Nicht-)Verstehen in biblischen Texten reflektiert. So wird beispielsweise im Text von Gen 11,7ff die sogenannte babylonische Sprachverwirrung als Entwicklung beschrieben, die ein gegenseitiges Verstehen und Sich-verständlich-Machen unter Menschen verhindert. In anderen biblischen Texten wird das Hören überhaupt ins Zentrum gestellt und in engen Zusammenhang mit menschlicher Weisheit gebracht. „Organ des Hörens ist in der weisheitlichen Literatur nicht etwa allein das Ohr (vgl. Spr 15,31), sondern – in Übereinstimmung mit und wohl auch Abhängigkeit von Aussagen der ägyptischen Weisheit – das Herz, das zentrale Denkorgan des Menschen (vgl. Spr 2,2; Spr 4,4; Spr 10,8 sowie die ausdrückliche Rede vom hörenden Herzen in 1 Kön 3,9).“ (Wilke 2014)

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Monika Prettenthaler
01–02|2019
und HÖREN
Cochlea, Gehörschnecke, Haus der Musik. Foto: Monika Prettenthaler
SEHEN

Beispiele aus der Praxis

„Intensive Hörerlebnisse sind vor allem dann möglich, wenn das Sehen – der dominanteste aller Sinne – ausgeschaltet wird. Mit geschlossenen Augen gelingt die Konzentration auf das Gehörte sehr viel besser, als wenn die Augen verwirrende zusätzliche Informationen liefern.“ (Zimmer 2012, 89)

Hör-Spiele können vielfältig gefunden werden:

 Geräusche anbieten und Geräuschquellen identifizieren

 Geräusch und Klänge produzieren und kreieren (z. B. mit Alltagsgegenständen, Instrumenten, …) und in Bewegung umsetzen

 Klangexperimente mit der eigenen Stimme

Folgende Hör-Spielideen aus der Neuerscheinung

„Die 50 besten Hör-Spiele“ (Buneß 2018) wurden für Lerninhalte im Religionsunterrichts adaptiert:

Personen-Memospiel

Eine Schülerin/ein Schüler verlässt den Klassenraum, die anderen SchülerInnen suchen sich je einen Partner bzw. eine Partnerin. Beide suchen sich aus biblischen Texten, die das Hören aufgreifen, einen Text aus. Sie trennen sich und verteilen sich im Raum. Die Schülerin/der Schüler wird in den Klassenraum zurückgerufen. Er/sie tippt ein Kind an, das den vereinbarten Text zu Gehör bringt. Ziel des Spiels ist es, Paare zu finden, die eine Textgrundlage teilen.

 Die das Wort Gottes hören und tun, sind mir Mutter und Geschwister. (Lk 8,21)

 Die Ohren haben zu hören, sollen genau hinhören! (Mk 4,23)

 Wenn ihr mich ruft, wenn ihr kommt und zu mir betet, werde ich euch hören. (Jer 29,12)

 Und das ganze Volk machte sich frühmorgens auf zu ihm in den Tempel, um ihn zu hören. (Lk 21,38)

 Die Weisheit ruft laut auf der Straße, auf den Plätzen ist ihre Stimme zu hören. (Spr 1,20)

 Die waren gekommen, um ihn zu hören und um geheilt zu werden von ihren Krankheiten. (Lk 6,18)

 Wenn verständige Menschen ein weises Wort hören, loben sie es und fügen ein weiteres dazu. (Sir 21,15)

 Segnet, ihr Völker, unsere Gottheit! Lasst den Klang ihres Lobes hören. (Ps 66,8)

Löwe oder Schlange

Alle SchülerInnen bewegen sich frei im Raum. Biblische Tierstimmen werden eingespielt. Nach dem Erraten der Tiere nehmen SchülerInnen dann das Bewegungsmuster auf:

 Wie ein Frosch springen

 Wie ein Hahn stolzieren

 Wie ein Esel etwas tragen

 Wie ein Schaf nach Futter suchen

 Wie ein Löwe auf Angriff gehen

Im Anschluss kann zur Thematik der Tiere in der Bibel weitergearbeitet werden und ein eher ungewöhnlicher Zugang zu biblischen Texten angeboten werden.

Dazu zwei Literaturtipps:

Horn, Rudolf: Tschilp. Die wichtigsten Geschichten der Bibel von Tieren erzählt, Witten: SCM Brockhaus 2010. In diesem Buch werden biblische Erzählungen aus der Tierperspektive erzählt.

Delval, Marie-Helene/Fronty, Aurelia: Die Tiere der Bibel für Kinder, Düsseldorf: Patmos 2007. In diesem Buch werden die Tiere, die in den biblischen Geschichten Erwähnung finden, vorgestellt.

Geräusch-Spaziergang rund um die Osterzeit SchülerInnen bilden Zweierteams. In jedem Zweierteam werden einem Kind die Augen verbunden, das andere Kind führt. Die Gruppe macht einen Spaziergang in der näheren Schulumgebung. Dabei soll sich das Kind mit den verbundenen Augen gut auf Frühlings-Geräusche konzentrieren und diese einsammeln. Für den Rückweg werden die Rollen getauscht. Eine Variante könnte auch ein Osterspaziergang in der Morgendämmerung sein bzw. kann diese Idee auch in eine Liturgie integriert werden.

Zur Sicherung des Lernertrags kann die Aufgabe gestellt werden, Gehörtes thematisch im Religionsheft zu ordnen: Tiergeräusche/Geräusche von Menschen/Geräusche von Maschinen/„typische“ Frühlingsgeräusche/ ...

Dazu können Musikstücke Anregungen geben –z. B. Cotton, Katie/Courtney-Tickle: Antonio Vivaldi. Die vier Jahreszeiten: Ein Musik-Bilderbuch zum Hören, München: Prestel 2017.

Eine weitere Alternative dazu wäre das Anfertigen einer „Geräuschelandkarte“ (Kreis aufgezeichnet, eigener Standpunkt in der Mitte): Dazu kann das Zweierteam an einem Ort, an dem sich Geräusche verdichten, stehen bleiben

das Schöne am Hörspiel ist vielleicht, dass man sich die Figuren und die Landschaft selbst ausmalen kann. Man kann also ein bisschen mitmachen.

Martina Philipp

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01–02|2019 SEHEN und HÖREN
Ohr, Haus der Musik. Foto: Monika Prettenthaler

und mit offenen Augen noch einmal genauer

hinhören:

 Welche Geräusche sind nah?

 Welche Geräusche sind fern?

 Welche Geräusche sind kräftig?

 Welche Geräusche sind verhalten?

 Was höre ich vor mir?

 Was höre ich hinter mir?

All das kann auf der Geräuschelandkarte notiert werden.

Ein Hörspiel gestalten

Aufnahmemöglichkeiten sind heute ganz einfach zur Hand: Jedes Mobiltelefon verfügt über Funktionen, die es SchülerInnen ermöglichen, Stimmen, Geräusche und Töne aufzunehmen. Damit kann einerseits in verschiedenen Hör-Übungen experimentiert werden, andererseits können sie Ausgangspunkt für ein Hörspiel sein. So können z. B. Alltagsgeräusche wie das Ticken einer Uhr, ein Autohupen, das Öffnen/Schließen einer Tür, … den Ausgangspunkt für eine (biblische oder andere) Hör-Geschichte darstellen, zu der die SchülerInnen das Text- und Aufnahmebuch verfassen, dieses anschließend sprechen und aufnehmen.

Tipps

 „BIBEL – Hören. Lesen. Leben.“ Die österreichische Bischofskonferenz hat aus Anlass der Einführung der an der revidierten Einheitsübersetzung orientierten Lektionare

„Drei Jahre der Bibel“ ausgerufen. Vom 1. Dezember 2018 bis 29. Juni 2021 stellen österreichweit verschiedenste Initiativen die Bibel ins Zentrum.

Infos unter: http://bibel.bewegt.dsp.at oder www. bibelwerk.at

 PAMINA — MUSIKPRAXIS IN DER GRUNDSCHULE. Die Praxiszeitschrift für den Musikunterricht der 1. bis 4. Jahrgangsstufe.

 Methodenlabor „Stille- und Sinnesübungen“, in: Reli+Plus 09–10 (2015) 20–21.

 Methodenlabor „Vor-Lesen“, in: Reli+Plus 11–12 (2015) 20–21. 

Quellen und Literaturtipps

 Buneß, Juliane: Die 50 besten Hör-Spiele, München: Don Bosco 2018.

 Draxler-Zenz, Tanja: Töne sehen, Klänge fühlen, München: Don Bosco 2016.

 Grün, Anselm: Die große Herder Kinderbibel – Hörbuch, Dortmund: Igel Records 2015.

 Osuji, Wilma: Bibel-Klanggeschichten. Mit Liedern, Tänzen und Spielideen für Kinder von 4 bis 8, München: Don Bosco 2011.

 Osuji, Wilma: Neue Bibel-Klanggeschichten. Mit Liedern, Tänzen und Spielideen für Kinder von 4 bis 8, München: Don Bosco 2017.

 Wilke, Alexa: Hören, in: Wissenschaftliches Bibellexikon (WiBiLex), erstellt: Aug. 2014, abrufbar unter: www.bibelwissenschaft.de/stichwort/21406/

KLANGGESCHICHTE: dER BARMHERZIGE

(vgl. Osuji 2017, 72–75)

Einmal erzählte Jesus: Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho. Das war ein weiter Weg. Der Mann musste lange gehen. Es war heiß und der Weg war staubig.

Der Mann war in einer verlassenen Gegend unterwegs. Da – plötzlich wurde er von Räubern überfallen.

Die Räuber nahmen dem Mann alles weg, was er bei sich hatte: Münzen, Kleidung, Essbares ... – einfach alles!

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SEHEN und HÖREN

Dann liefen die Räuber mit den gestohlenen Sachen davon. Der Mann lag am Boden. Er war verletzt. Er war angewiesen auf Hilfe.

Da kam ein Priester auf demselben Weg daher.

Er sah den Mann am Weg liegen. Er blieb nicht stehen. Er ging rasch und verlegen weiter.

Kurze Zeit später kam ein Levit, ein Tempeldiener, vorbei.

Auch der Levit setzte mit raschen Schritten seinen Weg fort ...

Zuletzt kam ein Mann aus Samarien.

Die meisten Menschen aus Samarien und die aus Jerusalem mochten einander nicht. Sie lebten in Feindschaft. Sie hatten oft Streit und gingen sich lieber aus dem Weg.

Auch der Samariter sah den verletzten Mann am Weg liegen.

Der Samariter hatte Mitleid mit dem Mann. Er blieb bei ihm stehen. Er reinigte die Wunden des Verletzten und verband diese.

Der Samariter setzte den Verwundeten vorsichtig auf seinen Esel.

Schließlich kamen sie zu einem Gasthaus.

Dort gab der Samariter dem Wirt Geld und sagte zu ihm:

„Sorge für den Mann aus Jericho bis er wieder gesund ist. Auf meinem Rückweg komme ich wieder bei dir vorbei. Wenn du mehr Geld dafür brauchst, um den Mann gut zu pflegen, dann gebe ich es dir.“

Und der Wirt sorgte für den Mann aus Jericho. Er sorgte so lange für ihn, bis er wieder gesund war.

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SEHEN und HÖREN

STILLE- uNd SINNESÜBuNGEN

STILLE- UND SINNESÜBUNGEN

Das Ermöglichen von „Stille-Erfahrungen“ trägt nicht nur zu einer lebendigen Unterrichtsatmosphäre bei, sondern kann – als zentraler Inhalt des Religionsunterrichts – auch für Transzendenzbezüge offen machen.

Andrea Scheer

Aus dem Methodenlabor

die Schule ist manchmal für SchülerInnen u. a. auch ein Ort von großer (innerer und äußerer) Unruhe. JedeR kennt kaum auszuhaltende Pausen- oder Unterrichtssituationen, in denen Aggressionen frei werden. Stille wird dabei in den Klassenräumen leicht zum puren Luxus. Nicht nur aus diesem Grund kann der Religionsunterricht für die SchülerInnen Akzentuierungen setzen, die das Stillwerden und Zur-inneren-Ruhe-Finden fördern. Wenn Menschen darin Übung haben, können sie die Worte Jesu verstehen und Gebete aus ihrem Innersten sprechen. Und gerade auch durch Stille können Menschen sich selbst in ihrer momentanen Lebenssituation begreifen.

Die Schule ist manchmal für SchülerInnen u. a. auch ein Ort von großer (innerer und äußerer) Unruhe. JedeR kennt kaum auszuhaltende Pausen- oder Unterrichtssituationen, in denen Aggressionen frei werden. Stille wird dabei in den Klassenräumen leicht zum puren Luxus. Nicht nur aus diesem Grund kann der Religionsunterricht für die SchülerInnen Akzentuierungen setzen, die das Stillwerden und Zur-inneren-RuheFinden fördern. Wenn Menschen darin Übung haben, können sie die Worte Jesu verstehen und Gebete aus ihrem Innersten sprechen. Und gerade auch durch Stille können Menschen sich selbst in ihrer momentanen Lebenssituation begreifen. Ein so ausgerichteter (mystagogischer) Religionsunterricht trägt wesentlich zur Öffnung für die „Erfahrung des Heiligen“ bei (vgl. Kohler-Spiegel 2008, 153).

Ein so ausgerichteter (mystagogischer) Religionsunterricht trägt wesentlich zur Öffnung für die „Erfahrung des Heiligen“ bei (vgl. Kohler-Spiegel 2008, 153).

Auch viele reformpädagogische Ansätze bieten in ihren pädagogischen Konzepten neben den Elementen der Aktivität auch immer wieder kontemplative Elemente an.

Auch viele reformpädagogische Ansätze bieten in ihren pädagogischen Konzepten neben den Elementen der Aktivität auch immer wieder kontemplative Elemente an.

Stille-Übungen ...

Stille-Übungen ...

stärken Kompetenzen: Wahrnehmung, Eigenverantwortung, Selbstvertrauen, Fürsorge, Spiritualität, Resilienz …

– stärken Kompetenzen: Wahrnehmung, Eigenverantwortung, Selbstvertrauen, Fürsorge, Spiritualität, Resilienz …

– verhelfen den SchülerInnen (und LehrerInnen) zu innerem Gleichgewicht.

– verhelfen den SchülerInnen (und LehrerInnen) zu innerem Gleichgewicht.

schaffen eine lebendige, offene Unterrichtsatmosphäre.

schaffen eine lebendige, offene Unterrichtsatmosphäre.

– fördern gemeinschaftsbildende und -stiftende Unterrichtsformen.

– fördern gemeinschaftsbildende und -stiftende Unterrichtsformen.

schaffen einen Ausgleich; die SchülerInnen können sich in einer Balance entspannen und neue Kraft für weitere schulische Aktivitäten schöpfen.

– sind Unterbrechungen des Alltags.

schaffen einen Ausgleich; die SchülerInnen können sich in einer Balance entspannen und neue Kraft für weitere schulische Aktivitäten schöpfen.

sammeln.

Stille-Übungen in der Praxis

Eine angenehme Atmosphäre in der Klasse schaffen: Kerzen, ruhige Musik, gestaltete Mitte …

Stille-Übungen in der Praxis – Eine angenehme Atmosphäre in der Klasse schaffen: Kerzen, ruhige Musik, gestaltete Mitte …

– In der Einführungphase kann es hilfreich sein, in einer gemeinsamen Sammelphase mit den SchülerInnen gemeinsam zu klären, warum und wann Menschen die Stille guttut.

In der Einführungphase kann es hilfreich sein, in einer gemeinsamen Sammelphase mit den SchülerInnen gemeinsam zu klären, warum und wann Menschen die Stille guttut.

– Für SchülerInnen, die nicht mitmachen möchten oder können: Alternativen anbieten und vereinbaren, z. B. das Lesen einer Geschichte/ eines Textes oder das Ausmalen eines Mandalas (vgl. z. B. gotische Fensterrosette auf: www. reliplus.at).

Das Ermöglichen von „Stille-Erfahrungen“ trägt nicht nur zu einer lebendigen Unterrichtsatmosphäre bei, sondern kann – als zentraler Inhalt des Religionsunterrichts – auch für Transzendenzbezüge offen machen. Aus

– Für SchülerInnen, die nicht mitmachen möchten oder können: Alternativen anbieten und vereinbaren, z. B. das Lesen einer Geschichte/ eines Textes oder das Ausmalen eines Mandalas (vgl. z. B. gotische Fensterrosette auf: www. reliplus.at).

Bedeutsam sind der Einladungscharakter und die Abklärung der Freiwilligkeit (Stille lässt sich nie verordnen!).

Bedeutsam sind der Einladungscharakter und die Abklärung der Freiwilligkeit (Stille lässt sich nie verordnen!).

– Sesselkreis oder zumindest Auflösung der üblichen Sitzordnung.

– Sesselkreis oder zumindest Auflösung der üblichen Sitzordnung.

vereinbarungen unterstützen das Gelingen

Vereinbarungen unterstützen das Gelingen

Während der Stille-Übung wird nicht gesprochen.

Während der Stille-Übung wird nicht gesprochen. – JedeR konzentriert sich auf sich selbst.

– JedeR konzentriert sich auf sich selbst.

Die SchülerInnen werden gebeten, die Augen zu schließen.

– Die SchülerInnen werden gebeten, die Augen zu schließen.

Ausstiegsmöglichkeiten anbieten und besprechen, z. B.: Wer sich nicht mehr konzentrieren kann, braucht nicht weiterzumachen. Er/ sie verhält sich aber ruhig, damit die anderen nicht gestört sind.

Ausstiegsmöglichkeiten anbieten und besprechen, z. B.: Wer sich nicht mehr konzentrieren kann, braucht nicht weiterzumachen. Er/ sie verhält sich aber ruhig, damit die anderen nicht gestört sind.

– Übung einleiten – anleiten – abrunden.

Zum „Dazwischen“ vor der Weiterarbeit: Stille

Übung einleiten – anleiten – abrunden. Zum „Dazwischen“ vor der Weiterarbeit: Stille oder auch aufkeimende Unruhe vorerst zulassen.

sind Unterbrechungen des Alltags.

lassen SchülerInnen erfahren, wie Stille und intensive, konzentrierte Arbeit einander bedingen.

lassen SchülerInnen erfahren, wie Stille und intensive, konzentrierte Arbeit einander bedingen.

– ermöglichen zentrale Lernerfahrungen im emotionalen Bereich: Phantasie, Kreativität und Neugier werden freigesetzt.

ermöglichen zentrale Lernerfahrungen im emotionalen Bereich: Phantasie, Kreativität und Neugier werden freigesetzt.

können als tragende Kraft die Entwicklung einer Klasse in sozial- und lernpsychologischer Weise beeinflussen.

– können als tragende Kraft die Entwicklung einer Klasse in sozial- und lernpsychologischer Weise beeinflussen.

– stellen eine wichtige Vorbereitung und Voraussetzung für religiöse Übungen (Gottesdienste, Gebete …) im schulischen Kontext dar und können den SchülerInnen ermöglichen, entsprechende (performative) Erfahrungen zu sammeln.

– stellen eine wichtige Vorbereitung und Voraussetzung für religiöse Übungen (Gottesdienste, Gebete …) im schulischen Kontext dar und können den SchülerInnen ermöglichen, entsprechende (performative) Erfahrungen zu

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dem Methodenlabor
Stille-Bild Franziska (Kindergarten). Foto: Winfried Woisetschläger Stille­Bild Franziska (Kindergarten).
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Foto: Winfried Woisetschläger

– Verarbeitung: Gespräch (Erfahrungaustausch

oder auch aufkeimende Unruhe vorerst zulassen.

anbieten/ermöglichen: Wann tut mir die Stille gut? Wann halte ich sie gar nicht aus? …), Texte, kreativer Ausdruck …

– Verarbeitung: Gespräch (Erfahrungaustausch anbieten/ermöglichen: Wann tut mir die Stille gut? Wann halte ich sie gar nicht aus? …), Texte, kreativer Ausdruck …

Visionen für die Zukunft: Stilleraum, Entschleunigungsinseln in der Schule, stille Pause …

– Visionen für die Zukunft: Stilleraum, Entschleunigungsinseln in der Schule, stille Pause

Mögliche Herausforderungen

Ohne Freiwilligkeit keine Stilleübung!

Mögliche Herausforderungen

– Ohne Freiwilligkeit keine Stilleübung!

Manche SchülerInnen haben Sorge, die Augen zu schließen und tun sich schwer, eine entspannte Haltung einzunehmen. Für diese SchülerInnen kann es unterstützend sein, in die Mitte des Kreises eine Kerze, eine leere Schale, ein religiöses Symbol … zu stellen, worauf sie den Blick richten können, bzw. leise Hintergrundmusik einzuschalten.

– Für die meisten SchülerInnen sind angeleitete Stilleübungen anfangs ungewohnt.

– Manche SchülerInnen haben Sorge, die Augen zu schließen und tun sich schwer, eine entspannte Haltung einzunehmen. Für diese SchülerInnen kann es unterstützend sein, in die Mitte des Kreises eine Kerze, eine leere Schale, ein religiöses Symbol … zu stellen, worauf sie den Blick richten können, bzw. leise Hintergrundmusik einzuschalten.

– Für die meisten SchülerInnen sind angeleitete Stilleübungen anfangs ungewohnt.

Gründe dafür gibt es viele: Stille wird oft gleichgesetzt mit Leere oder Langeweile; viele sind auch nur an Außenreize, Aktion und Animation, … gewöhnt. Für manche SchülerInnen sind Stillemomente angstbesetzt – und manchmal peinlich. Das kann sich in Lachen ausdrücken. Dieses Lachen zuzulassen und „trotzdem“ weiter in der Übung zu bleiben, ermöglicht die langsame Entwicklung einer „Stille-Kompetenz“.

Praktische Übungen

Gründe dafür gibt es viele: Stille wird oft gleichgesetzt mit Leere oder Langeweile; viele sind auch nur an Außenreize, Aktion und Animation, … gewöhnt. Für manche SchülerInnen sind Stillemomente angstbesetzt – und manchmal peinlich. Das kann sich in Lachen ausdrücken. Dieses Lachen zuzulassen und „trotzdem“ weiter in der Übung zu bleiben, ermöglicht die langsame Entwicklung einer „Stille-Kompetenz“.

– Einen Klang zu Ende hören: Der/die LehrerIn schlägt auf einem Gong, einer Klangschale, einem Glockenspiel … einen Ton an. Die SchülerInnen schließen die Augen und öffnen sie erst wieder, wenn der Ton verklungen ist.

Praktische Übungen

Einen Klang zu Ende hören: Der/die LehrerIn schlägt auf einem Gong, einer Klangschale, einem Glockenspiel … einen Ton an. Die SchülerInnen schließen die Augen und öffnen sie erst wieder, wenn der Ton verklungen ist.

– Hören, was der Tag erzählt: Die SchülerInnen lauschen innerhalb einer vereinbarten Zeit (zwei bis drei Minuten) mit geschlossenen Augen den Alltagsgeräuschen in der Umgebung (drinnen und/oder draußen – geschlossenes oder geöffnetes Fenster), anschließend tauschen sich alle über das Gehörte aus.

Ins Innere hören: Die SchülerInnen werden gebeten, die Augen zu schließen, wahrzunehmen, wie sich ihr Körper anfühlt und ihre Aufmerksamkeit auf den Atem zu lenken (zwei bis drei Minuten): Gedanken, die da sind bzw. kommen, müssen nicht weitergedacht werden – sie dürfen, wie Wolken, weiterziehen.

Meditationsbild mit Mandala-ähnlichem Aufbau

– Hören, was der Tag erzählt: Die SchülerInnen lauschen innerhalb einer vereinbarten Zeit (zwei bis drei Minuten) mit geschlossenen Augen den Alltagsgeräuschen in der Umgebung (drinnen und/oder draußen – geschlossenes oder geöffnetes Fenster), anschließend tauschen sich alle über das Gehörte aus. – Ins Innere hören: Die SchülerInnen werden gebeten, die Augen zu schließen, wahrzunehmen, wie sich ihr Körper anfühlt und ihre Aufmerksamkeit auf den Atem zu lenken (zwei bis drei Minuten): Gedanken, die da sind bzw. kommen, müssen nicht weitergedacht werden – sie dürfen, wie Wolken, weiterziehen.

Kurze Sachinformation zum Thema des Mandalas.

Meditationsbild mit Mandala-ähnlichem Aufbau

Austausch über Grundlagen des Gestaltens: Punkt / Linie / Fläche / Raum / Zeit / Farbe.

– Kurze Sachinformation zum Thema des Mandalas.

Austausch über Grundlagen des Gestaltens: Punkt / Linie / Fläche / Raum / Zeit / Farbe.

Mit Seilen einen Kreis legen, mit Legeelementen Mandalas legen – mit Aufmerksamkeit auf die Mitte, auf Ordnungen …

– Mit Seilen einen Kreis legen, mit Legeelementen Mandalas legen – mit Aufmerksamkeit auf die Mitte, auf Ordnungen …

Ausgehend von einem Kreis oder einem Viereck als Grundstruktur mit einer Farbe ein Mandala gestalten.

Ausgehend von einem Kreis oder einem Viereck als Grundstruktur mit einer Farbe ein

Mandala gestalten.

– Das Mandala kann in einem stillen Malgespräch (Einzel- oder PartnerInnenübung) farbig gestaltet werden (siehe Fotos S. 20 und 21).

– Das Mandala kann in einem stillen Malgespräch (Einzel- oder PartnerInnenübung) farbig gestaltet werden (siehe Fotos S. 20 und 21).

Körper-(übung)-gebet (nach einer Idee von Gisela Matthiae)

Körper-(übung)-gebet (nach einer Idee von Gisela Matthiae)

– Einladung, die Hände vom Herzen aus dem Himmel entgegenzustrecken: Guten Morgen (Mittag / Nachmittag) Himmel!

Einladung, die Hände vom Herzen aus dem Himmel entgegenzustrecken: Guten Morgen (Mittag / Nachmittag) Himmel!

– Mit den Händen vom Herzen aus den Boden berühren: Guten Morgen (Mittag / Nachmittag) Erde!

Stille ist ein Schweigen, das den Menschen Augen und Ohren öffnet für diese und eine andere Welt.

Stille ist ein Schweigen, das den Menschen Augen und Ohren öffnet für diese und eine andere Welt.

Mit den Händen vom Herzen aus den Boden berühren: Guten Morgen (Mittag / Nachmittag) Erde!

– Mit den Händen vom Herzen aus die Arme nach rechts und nach links ausbreiten: Guten Morgen (Mittag / Nachmittag) DU!

– Mit den Händen vom Herzen aus die Arme nach rechts und nach links ausbreiten: Guten Morgen (Mittag / Nachmittag) DU!

– Mit den Händen vom Herzen aus sich selber in die Arme nehmen – Kopf in die Arme legen: Guten Morgen (Mittag / Nachmittag) ICH! 

– Mit den Händen vom Herzen aus sich selber in die Arme nehmen – Kopf in die Arme legen: Guten Morgen (Mittag / Nachmittag) ICH! 

Quellen und Literaturtipps

 Bläsius, Jutta: Entspannungsspiele für Jungs: Wohltuende Wahrnehmungsübungen und Fantasiereisen für Kita und Grundschule, München: Don Bosco 2015.

Quellen und Literaturtipps

 Bläsius, Jutta: Entspannungsspiele für Jungs: Wohltuende Wahrnehmungsübungen und Fantasiereisen für Kita und Grundschule, München: Don Bosco 2015.

 Bücken-Schaal, Monika: Meditationen und Stilleübungen für Kinder in Kindergarten, Grundschule und Kinderkirche, München: Don Bosco 2013.

 Bücken-Schaal, Monika: Meditationen und Stilleübungen für Kinder in Kindergarten, Grundschule und Kinderkirche, München: Don Bosco 2013.

 Fessler, Norbert / Knoll, Michaela: Achtsamkeitsübungen für Kinder: Konzentriert und entspannt in Kita & Grundschule mit fantasievollen Geschichten und Körper–Achtsamkeitsübungen, Münster: Ökotopia 2015.

 Fessler, Norbert / Knoll, Michaela: Achtsamkeitsübungen für Kinder: Konzentriert und entspannt in Kita & Grundschule mit fantasievollen Geschichten und Körper–Achtsamkeitsübungen, Münster: Ökotopia 2015.

 Jensen, Helle u. a.: Hellwach und ganz bei sich: Achtsamkeit und Empathie in der Schule, Landsberg: Beltz&Gelberg 2014.

 Jensen, Helle u. a.: Hellwach und ganz bei sich: Achtsamkeit und Empathie in der Schule, Landsberg: Beltz&Gelberg 2014.

 Kohler-Spiegel, Helga: Erfahrungen des Heiligen. Religion lernen und lehren, München: Kösel 2008.

 Kohler-Spiegel, Helga: Erfahrungen des Heiligen. Religion lernen und lehren, München: Kösel 2008.

 Rendle, Ludwig: Zur Mitte finden. Meditative Formen im Religionsunterricht, Donauwörth: Auer Verlag 2001.

 Rendle, Ludwig: Zur Mitte finden. Meditative Formen im Religionsunterricht, Donauwörth: Auer Verlag 2001.

 Sajak, Clauß Peter / Verburg, Winfried (Hg.): 5 Minuten Pause. Impulse zum Nachdenken für Lehrerinnen und Lehrer, München: Kösel 2015.

 Sajak, Clauß Peter / Verburg, Winfried (Hg.): 5 Minuten Pause. Impulse zum Nachdenken für Lehrerinnen und Lehrer, München: Kösel 2015.

 Simma, Christoph: 77 Impulse für Achtsamkeit und Stille, Mühlheim an der Ruhr: Verlag an der Ruhr 2014.

 Simma, Christoph: 77 Impulse für Achtsamkeit und Stille, Mühlheim an der Ruhr: Verlag an der Ruhr 2014.

nach Edith Stein

nach Edith Stein

15 methodenlabor reli+plus
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Stille-Bild Anastasia (1. Klasse). Foto: Winfried Woisetschläger
09–10|2015 WAHRNEHMEN und ERLEBEN
Stille­Bild Anastasia (1. Klasse). Foto: Winfried Woisetschläger

ATEM uNd GEIST WAHRNEHMEN

Atmen ist eine anthropologische und lebenserhaltende Dimension und zugleich ein wesentliches spirituelles Element vieler Religionen. Der Religionsunterricht kann besonders in einer zunehmend „atemlos“ werdenden Zeit so etwas wie eine „Atemschule“ sein, die den Fokus auf diese zentrale Größe legt.

Andrea Scheer Grundlegendes

Monika Prettenthaler

Im Buch Genesis wird erzählt, wie Gott dem geformten „Erdling“ (Adam) den Atem des Lebens in seine Nase einhaucht (Gen 2,7) – damit ist der Mensch über die Materie hinaus mit Gott verbunden.

Diese enge und „selbstverständliche“ Verbindung zwischen dem Göttlichen und dem Menschlichen, die der Atem darstellt, zeigt sich auch im Ursprung des Wortes Spiritualität („spirare“: lat. für atmen).

In fast allen Religionen ist Atmen ein Schlüssel zu inneren Kraftorten und spirituelle Basis. Gleichzeitig stellt der Atem als biologische Konstante immer einen Bezug zum Körper her. Nach einer langen Tradition der Leibund Körpervergessenheit in der Theologie und in der Folge auch im Religionsunterricht wurde in jüngerer Zeit, u. a. auch durch feministisch-theologische Ansätze, die Bedeutung der Leiblichkeit für die spirituelle Dimension des Menschseins wieder neu und positiv konnotiert ins Bewusstsein gebracht. Mit dem Wahrnehmen der spirituellen Dimension des Atmens wird zugleich auch die „Körperversessenheit“ – die übermäßige Fixierung auf das Körperliche (Schönheit, Fitness, …) als ein Phänomen der Gegenwartskultur – kontrastiert (vgl. Naurath 2014, 117–118). In der (Religions-)Pädagogik begegnen daher nicht umsonst zahlreiche entsprechende Ansätze: Durch Atemübungen, in Atempädagogik und Atemtherapie, Atemarbeit oder mit Achtsamkeitsmeditationen werden Menschen angeregt, sich als „inspiriert“ wahrzunehmen.

Atmen führt ins Hier und Jetzt und kann durch die Erfahrung von Ruhe, Entspannung, Zentrierung und in weiterer Folge durch Meditation und Gebet einen Transzendenzbezug ermöglichen und bietet eine Grundlage – bei entsprechender Weiterarbeit – für mystagogische Lernprozesse: „Erfahrungsdeutung als Dimension des mystagogischen Lernens meint eine Bewegung, die eigene Lebens-, Transzendenz- und Gotteserfahrungen in einen kritisch-produktiven Dialog mit den Erfahrungen des jüdisch-christlichen Glaubens zu bringen.“ (Schambeck 2006, 227).

Praktisches oder: eine kleine Atemschule

Diese angeleiteten Übungen ermöglichen SchülerInnen,

den eigenen Atem in unterschiedlichen Qualitäten (spielerisch) zu entdecken, – Ausdrucksformen für das zu finden, was anspannt und entspannt,

stärkende, tragende Anteile für das eigene Leben herauszufinden,

Atmen als Grundlage allen Lebens wahrzunehmen und als Basis spiritueller Erfahrung (an)zuerkennen, – Elemente christlicher Spiritualität anzuwenden und für sich einzuordnen.

den eigenen Atem wahrnehmen

Die SchülerInnen stellen sich ohne Schuhe aufrecht hin und spüren den Boden unter sich.

Dabei werden sie zur Atemübung angeleitet:

Nimm wahr, wie der Boden dich trägt und dir Halt gibt.

Atme ein und aus und beobachte deinen Atem: Spüre, wie die Luft durch die Nase ein- und ausströmt.

Versuche, den Atem nicht zu kontrollieren oder zu verändern.

Beobachte den Atem und achte darauf, wo du deinen Atem besonders gut spüren kannst.

Nimm wahr, welche Körperbereiche an der Atmung beteiligt sind.

Genieße, dass „es“ in dir atmet, dass du jetzt gar nichts tun musst und einfach da bist.

Diese Wahrnehmung verbindet uns mit dem Atmen der Menschen, der Tiere, der Pflanzen, mit dem ganzen Kosmos.

Jetzt stehen wir gut verwurzelt im Leben und in diesem Tag.

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05–06|2016
Einatmen. Foto: Winfried Woisetschläger
WAHRNEHMEN und ERLEBEN
Aus
dem Methodenlabor

Kindern in der Primarstufe können „Bilder“ (z. B. Frühlingsblume) bzw. die Vorstellung von „Gegenständen“ (z. B. Gummiband) angeboten werden, um für sich die Bewegung von Ein- und Ausatmen verdeutlichen zu können.

Stell dich fest verwurzelt mit deinen Füßen auf den Boden und richte deinen Körper gerade aus –du bist mit einem unsichtbaren goldenen Faden mit dem Himmel verbunden.

Beim Einatmen denk an deine Lieblingsfrühlingsblume und lass diese wachsen. Nimm deine Arme beim Einatmen mit, solange, bis du sie über deinem Kopf aneinanderlegen kannst.

Wenn du ausatmest, ziehe mit den Armen einen großen Kreis, bis sich deine Blume ganz geöffnet hat. Wiederhole die Übung einige Male für dich in deinem eigenen Tempo

Betendes Atmen

Ein Angebot aus der christlichen Spiritualität könnte eine einfache Form des Jesusgebetes sein: JedeR sucht sich ein Mantra, das seinem/ihrem Herzen gemäß ist (vgl. M. Gandhi), bestehend aus zwei Wörtern:

Jesus-Mutmacher

Jesus-Angstvertreiber

Jesus-Streitschlichter

Jesus-Glücksbringer

Anstelle des Bildes der Blume wird jetzt beim Einatmen das Mantra „mitgenommen“.

Weil diese Form des meditativen Gebetes eine Zeit der (Ein-)Übung braucht, ist es sinnvoll, zu Beginn eher kurze Einheiten zu planen und jeweils eine Austauschrunde anzubieten.

die nun folgende, ausdrücklich religiöse Wahrnehmungsübung regt an, Gott im eigenen Atem zu finden:

Schließe die Augen und werde dir deines Atems bewusst.

Bleibe einige Zeit bei dieser Wahrnehmung.

Bedenke nun, dass die Luft die du einatmest, mit der Kraft und der Gegenwart Gottes erfüllt ist … Stelle dir die Luft als ein riesiges Meer vor, das dich umgibt …

Ein Meer, ganz gefärbt von Gottes Gegenwart und Sein …

Die Luft, die du einatmest, ist Gott, du atmest Gott ein …

Sei dir bewusst, dass die Kraft und Gegenwart Gottes in dich einströmt, wenn du einatmest, jedesmal …

Bleibe einige Zeit in dieser Wahrnehmungsübung …

Was geht in dir vor, wenn du dir bewusst wirst:

„Mit jedem Atemzug strömt Gott (andere Varianten: Gottes Gegenwart/Gottes Geist) in mich hinein“ (vgl. De Mello 2000, 47–48).

Für das Beginnen einer Religionsstunde oder zum Abschließen dieser hier noch eine weitere Idee zum betenden Atmen:

Ich stehe gut verbunden mit dem Boden, der trägt.

Ich folge meinem Atmen beim Ein- und Ausatmen.

Ich nehme das Leichte und das Schwere, das jetzt bei mir da ist, wahr, mit den Armen ziehe ich einen großen Kreis, hole Leichtes und Schweres her, schaue es an.

Das, was für mich zu schwer ist, schicke ich mit einer unsichtbaren Feder in den Himmel, unterstützt durch ein langes Ausatmen macht die Feder sich auf den Weg in den Himmel. 

Atem ist das Element, das uns mit dem geistigen Kosmos verbindet. Er ist die Gabe des Himmels, der Geist, der in uns einströmt.

Quellen und Literaturtipps

 De Mello, Anthony: Meditieren mit Leib und Seele. Neue Wege der Gotteserfahrung, Freiburg/Basel/Wien: Herder-Spektrum 2000.

 Naurath, Elisabeth: Leiblichkeit. Eine Chance zur Selbstreflexion, in: Schlag, Thomas/Simojoki, Henrik (Hg.): Mensch – Religion – Bildung. Religionspädagogik in anthropologischen Spannungsfeldern, München: Gütersloher Verlagshaus 2014, 117–127.

 Schambeck, Mirjam: Mystagogisches Lernen. Zu einer Perspektive religiöser Bildung (=Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge 62), Würzburg: Echter 2006.

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Ausatmen. Foto: Winfried Woisetschläger Sein.
05–06|2016 WAHRNEHMEN und ERLEBEN
Foto: Winfried Woisetschläger

MIT ALLEN SINNEN GENIESSEN

Schule, Religionsunterricht und genießen – kann das zusammenpassen? Weil der christliche Glauben das menschliche Leben in seiner Vielfalt und Buntheit prägen möchte, spiegelt sich das auch in den methodischen Angeboten des RU wider. Das kann genussvoll gelingen, wenn die Schüler*innen mit ihren Sinnen, ihrer Fantasie, … angesprochen werden.

Daniela Fröhlich

Andrea Kern

Monika Prettenthaler

Magdalena Schalk

der klassische Ansatz, dass in einer Pädagogik, die sich am „ganzen Menschen“ orientiert, Kopf, Hand und Herz angesprochen wird, steht auch im Zentrum eines genussvollen Lernens mit allen Sinnen und damit einer Didaktik, die Schüler*innen „als glaubende, suchende, fragende oder zweifelnde junge Menschen ernst nimmt und sie inspiriert, originelle Zugänge zu finden.“ (Rendle 2010, 9) Ludwig Rendle schreibt in der Einleitung seines Klassikers zum ganzheitlichen Lernen treffend: „Setz dich ruhig hin!“, „Spiel nicht herum!“, Träum nicht so vor dich hin!“ – oft fühlen sich Lehrer*innen genötigt, Schüler*innen durch solche Aufforderungen auf eine „ordentliche“ Arbeitshaltung hinzuweisen.

Für die Schüler*innen „gehören derartige Hinweise zu ihrem Alltag, die ihnen vermitteln, was im Unterricht nicht gefragt ist, was als störend empfunden wird. Sie wissen, sie können Gedanken bewegen, aber nicht den Körper; sie sollen fantasievoll sein, aber nur beim Aufsatz oder beim Zeichenunterricht; sie können den Körper gebrauchen, aber bitte nur beim Sportunterricht. Wer Schüler*innen als Subjekte ernst nimmt, wird nicht ihre vorhandenen Bedürfnisse unterdrücken, sondern diese produktiv und positiv in die Lernprozesse einbinden.“ (Rendel 2010, 10)

Ausgehend von den Grundregeln für den Einsatz von ganzheitlichen Methoden (vgl. Rendle 2010, 13) werden hier ausgewählte Prinzipien formuliert:

Prinzipien für Übungen mit allen Sinnen:

Methoden, die unterschiedliche Sinne ansprechen, lassen sich nicht mit Druck oder gegen den Willen der Schüler*innen „anordnen“ – es sind vielmehr Geduld und Einladungscharakter gefragt.

Es geht bei „sinnlichen“ Methoden nicht um einen gelegentlichen „Unterrichtsgag“ zur Ab-

wechslung oder um Belohnung, sondern eher um ein Prinzip, das behutsam und schrittweise eingeübt werden will. Wie bei allen anderen Methoden, die im RU eingesetzt werden, ist auch hier der Blick auf die Inhalte genauso gefordert, wie der Bezug zu den Schüler*innen. – Ganzheitliche und verschiedene Sinne ansprechende Methoden stehen einer sogenannten Hochgeschwindigkeitsdidaktik entgegen und dienen bewusst einer Verlangsamung. Gerade dieser Aspekt kann zu genussvollen Lernsituationen beitragen.

Schüler*innen als Subjekte wahr und ernst zu nehmen, bedeutet jenseits von Normen in Bezug auf Ergebnisse und Erkenntnisse zu denken.

Die hier vorgestellten Methoden sollten von Lehrer*innen selbst erfahren und ausprobiert werden, bevor sie im RU eingesetzt werden. Nur so können mögliche Wirkungen – in Bezug auf Chancen genauso, wie im Hinblick auf Herausforderungen oder Grenzen – möglichst realistische eingeschätzt werden.

Ideen für die Praxis

Viele der folgenden Praxisideen sind für alle Altersgruppen und Schulstufen geeignet – wie meistens lohnt sich also auch diesmal im Methodenlabor über die eigene „Domäne“ hinaus zu lesen.

Sinnliches Lernen z. B. von Vokabeln oder anderen komplexen Begriffen gelingt – nicht nur aber besonders in der Primarstufe – leichter, wenn es mit Anschauen, Angreifen – wir sprechen in Lernzusammenhängen vom „Begreifen“ und „Benutzen“ – verknüpft wird. Wer mit allen Sinnen lernt, merkt sich Vieles leichter.

Spielideen aus der psychomotorischen Förderung rund um „visuelle Wahrnehmung“:

 Wer umgibt mich?

Material: Klangschale

+ visuelle Wahrnehmung

+ Sozialerfahrung

Spielbeschreibung: Die Kinder bewegen sich frei, aber langsam durch den Raum. Dabei achten sie darauf, wer sich um sie herum bewegt. Auf ein Signal hin schließen sie die Augen. Jedes Kind sagt nun mit geschlossenen Augen, welche Kinder sich vor, dahinter und

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WAHRNEHMEN und ERLEBEN
Lernen mit allen Sinnen erhöht die Merkgabe. Foto: colourbox
Aus dem Methodenlabor

daneben befinden.

 Luftbilder merken

Material: evtl. Tafel und Kreide, Blatt Papier und Stift

+visuelle Wahrnehmung

+Körpererfahrung

Spielbeschreibung: Der Erwachsene zeichnet mit dem Finger einfache Figuren in der Luft (die zuvor in der Natur entdeckt wurden oder bei einer Geschichte/in einem Gedicht beschrieben wurden). Der Erwachsene achtet bei der Auswahl seines Standplatzes darauf, dass er die Luftbilder seitenrichtig für die Kinder zeichnet. Die Kinder erraten die Figuren und zeichnen sie in der Luft nach. Variante: Die Kinder zeichnen sie auf der Tafel oder auf einem Blatt Papier nach.

 Sonnenblume

Material: Ball

+visuelle Wahrnehmung

+Körpererfahrung

Spielbeschreibung: Alle Kinder suchen sich einen Platz im Raum und bleiben dort stehen. Ein Kind spielt die Sonne, hält einen Ball über dem Kopf und geht durch den Raum. Die anderen Kinder wenden ihr Gesicht immer der Sonne zu, ohne sich vom Platz zu bewegen.

 Buchstaben schmecken

Im Rahmen eines Bibelschwerpunktes lohnt es sich, ein Stück weit mit den Schüler*innen in die biblischen Sprachen einzutauchen. Die Schüler*innen können dabei die hebräischen oder griechischen Buchstaben kennen lernen, ihren Namen auf Hebräisch/Griechisch stempeln oder kunstvoll schreiben. Ein besonderes Genusserlebnis sind die „Honigbuchstaben“. Dazu werden Kekse, in Form der hebräischen Buchstaben (mithilfe von Keksausstechern), gebacken. Im Unterricht darf sich jedes Kind einen Buchstaben (beispielsweise den Anfangsbuchstaben seines Namens) aussuchen, ihn in Honig tauchen und dann genießen. Dieser Buchstabengenuss geht auf einen Brauch der jüdischen Toraschulen zurück und passt auch hervorragend in eine Unterrichtssequenz zum Judentum. Zur Zeit Jesu war es üblich, dass die Schüler am ersten Schultag Honig von einem Holzbuchstaben lutschen durften. Dabei sprach der Toralehrer folgende Psalmverse aus Ps 19,9a.11: Die Befehle des Herrn sind richtig, sie erfreuen das Herz. Sie sind kostbarer als Gold, als Feingold in Menge. Sie sind süßer als Honig, als Honig aus Waben.

 Stationenbetrieb – Mit allen Sinnen … Zu den folgenden Anregungen wird ein Arbeitsblatt für die Schüler*innen erstellt:

1. Station: SEHEN

Vorbereitung: Ein farbintensives, für Schüler*innen nicht zu schwer erschließbares Bild –gut eignes sich dafür Werke von Sieger Köder,

z. B. Bilder zu Bibel/Schöpfungthematik – wird auf schwereres Papier (120g) kopiert und auf die Rückseite die Bildgeschreibung geklebt; je nach Klassengröße wird das Bild in drei bis fünf Ausführungen zur Verfügung gestellt. Aufgaben (jeweils mit Platz zur Bearbeitung) für das Schüler*innen-Arbeitsblatt zu Station 1:

– Schaue das Bild genau an – nimm dir dazu genügend Zeit.

– Welche Farben kannst du sehen?

– Welche Formen, Dinge, Lebewesen … siehst du?

– Was wollte der Künstler auf diesem Bild deiner Meinung nach darstellen?

– Lies dir die Bildbeschreibung auf der Rückseite des Bildes durch und vergleiche sie mit deinen Gedanken.

Genießen, tief durchatmen, an nichts denken müssen, frei sein, leben. Bis in die letzte Faser meines Herzens spüren, wie das Leben pulsiert, tief einatmen, aufnehmen, auftanken. danke!

2. Station: TASTEN

Vorbereitung: Drei bis fünf (je nach Klassengröße) Stoffsäckchen werden mit einigen kleinen und gut tastbaren Gegenständen befüllt – hier kann der Herausforderungsgrad auf die jeweilige Klasse abgestimmt werden. Aufgaben (jeweils mit Platz zur Bearbeitung) für das Schüler*innen-Arbeitsblatt zu Station 2:

– Verklebe deine Fingerkuppen mit Tixostreifen und greife in den Krabbelsack. Wie fühlt sich das an?

– Nimm nun die Tixostreifen von deinen Fingern und ertaste die Dinge im Krabbelsack. Welche Dinge sind darin versteckt?

– Notiere hier die Gegenstände, die du ertastet hast.

3. Station: RIECHEN

Vorbereitung: Fünf kleine Dosen werden von a) bis e) beschriftet und mit verschiedenen, intensiv duftenden Lebensmitteln oder Gewürzen befüllt. Als Alternative können auch Wattepads, die mit einfach zuordenbaren ätherischen Ölen getränkt sind, in die Dosen gelegt werden. In großen Klassen ist es günstig zwei bis drei Dosensets vorzubereiten (in unterschiedlichen Farben oder Aufkleber zur Unterscheidung).

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Christa Prior Sehen.
WAHRNEHMEN und ERLEBEN
Foto:Andrea Kern

WAHRNEHMEN und ERLEBEN

Aufgabe (jeweils mit Platz zur Bearbeitung) für das Schüler*innen-Arbeitsblatt zu Station 3:

– Öffne die Dosen der Reihe nach und versuche zu erkennen, welcher Duft sich darin versteckt. Trage deine Ergebnisse ein und überprüfe sie.

a) In dieser Dose duftet: Dieser Duft erinnert mich an:

b) In dieser Dose duftet: Dieser Duft erinnert mich an:

c) In dieser Dose duftet: Dieser Duft erinnert mich an:

d) In dieser Dose duftet: Dieser Duft erinnert mich an:

e) In dieser Dose duftet: Dieser Duft erinnert mich an:

– Setze die (deine) Kopfhörer auf und schalte den CD-Player ein (starte die Musik auf dem Tablet)

– und beginne zum Rhythmus der Musik zu malen.

– Betrachte dein Werk nach dem Ende des Musikstückes und gib dem Bild einen Titel.

 Genussvolles Ritual zum Stundenbeginn Der Beginn jeder Religionsstunde ist eine wichtige Phase und viele Religionslehrer*innen entwickeln im Lauf ihrer Unterrichtstätigkeit nicht umsonst Rituale, die sie nach der Begrüßung der Schüler*innen gestalten. Sie unterstützen die Schüler*innen dadurch, nach der Pause gut in den Unterricht wechseln zu können.

Eine Möglichkeit, den Schüler*innen in kurzer Zeit ein konzentriertes Ankommen im RU zu ermöglichen, ist die folgenden Zentrierungsübung, die zuerst den „Genuss“ von Klang und Stille im oft ziemlich lauten und bewegten Schulalltag anregt: Auf einer Klangschale wird ein Ton angeschlagen, die Schüler*innen werden gebeten diesen Klang „bis zum Ende“ zu hören.

Diese Grundritual kann wiederholt und/oder mit einer weiteren Übung vertieft werden, indem die Schüler*innen in der kurzen Zeit der Stille die Möglichkeit bekommen „dankbar zu sein“. Egal ob sie dazu die Augen schließen oder nicht, egal ob sie ihren Kopf entspannt auf die Arme am Tisch legen oder anders sitzen, egal ob es ein großer oder ein kleiner Dank ist – es geht nie um das Aussprechen, sondern darum, dass die jungen Menschen erleben, welche große Wirkung es hat, an das Danken zu denken.

4. Station: SCHMECKEN

Vorbereitung: In einem Brotkorb, der mit einem Tuch ausgelegt ist, das groß genug ist, um das Brot auch zudecken zu können, liegt für jede/n Schüler*in ein kleines Stück frisches Brot bereit.

Aufgaben (jeweils mit Platz zur Bearbeitung) für das Schüler*innen-Arbeitsblatt zu Station 4:

– Nimm ein Stück Brot und mache einen Bissen, kaue ein paar Mal. Wie schmeckt es?

– Nimm noch einen Bissen und kaue ihn mindestens 20 mal. Wie verändert sich der Geschmack des Brotes?

5. Station: HÖREN

Vorbereitung: CD-Player mit Kopfhörern, Musik-CD (alternativ: I-Pad/Tablet mit Kopfhörern und Musik-Playliste), Zeichenblätter und Wachsmalkreiden.

Aufgaben (jeweils mit Platz zur Bearbeitung) für das Schüler*innen-Arbeitsblatt zu Station 5:

– Nimm dir ein Blatt Papier und Ölkreiden.

„Nicht das Glück ist die Quelle der Lebensfreude, sondern die Haltung der Dankbarkeit“, sagt David Steindl-Rast – er weiß, wovon er spricht. Seit Jahrzehnten dankt er, der mit 90 Jahren viel Lebendigkeit und Freude ausstrahlt, für etwas, wofür er bisher noch nie gedankt hat und jeden Tag fällt ihm ein neuer Dank ein.

Das beschriebene Ritual macht deutlich, dass Dankbarkeit eine Haltung ist, die sich ganz einfach üben lässt und zu mehr Lebensfreude

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Welcher Duft versteckt sich darin? Foto: Andrea Kern

beiträgt. So beschreiben Schüler*innen einer zweiten AHS-Klasse ihre Erfahrungen mit dem Dankbarkeitsimpuls:

„Menschen, die dankbar sind, können leichter glücklich sein.“

–„Dann versteht man, dass nicht alles selbstverständlich ist.“

„Das Gute am Dankbar-Sein ist, dass man sich danach fröhlich und frei fühlt.“

– „Gut ist, dass ich nachher mit Freude ‚befüllt‘ bin.“

– „Danken stärkt das Bewusstsein.“

„Es ist gut, denn dann hat man eine bessere Verbindung zu Gott.“

Aussagen, die Lust machen, Dankbarkeit zu einem „Alltagsgenuss“ werden zu lassen und so in lebendiger Beziehung mit Welt, Menschen und Gott zu sein.

 Seifenblasen-Experimente

Seifenblasen begeistern Kinder, Jugendlichen, Menschen jeglichen Alters. Im Religionsunterricht kann diese Faszination mit einer Haltung des Staunes und der Lust im Freien zu experimentieren verbunden werden.

Die dazu benötigte Seifenblasenlösung kann gekauft oder selbst hergestellt werden. Verschiedene Rezepte für die Lösung z. B. aus Wasser, Spülmittel und etwas Glyzerin finden sich im Internet. Die Seifenlösung wird in ein Gefäß gegeben, Becher oder kleine Schalen zum Abfül-

Literatur und Internettipps:

 Eggert, Dietrich: Theorie und Praxis der psychomotorischen Förderung. Arbeitsbuch, Dortmund: Borgmann 52002, 119-123.

 Hendricks, Gay: Mit allen Sinnen leben. 365 Meditaionen, die uns jeden Tag genießen und bewusst erleben lassen, Bern-München-Wien: Scherz-Verlag 2000.

 Hoffmann, Beate & Olaf: Einfach raus! Wie Sie Kraft aus der Natur gewinnen, Ostfildern: Patmos 2017 (2. üa. Auflage).

 Rendle, Ludwig (Hg.): Ganzheitliche Methoden im Religionsunterricht, München: Kösel 2010 (Neuausgabe).

 Sajak, Clauß Peter/Verburg, Winfried: 5 Minuten Pause. Impulse zum Nachdenken für Lehrerinnen und Lehrer, München: Kösel 2015.

lenwerden vorbereitet sowie unterschiedliche Geräte, mit denen sich kleine und/oder große Seifenblasen machen lassen, werden zur Verfügung gestellt: Strohhalme, Siebe, Draht-/Plastikringe (Schüler*innen bitten, dass sie dazu auch aus ihrem Fundus Dinge mitbringen).

Oft werden Seifenblasen mit Sommer in Verbindung gebracht. Ein besonderer Genuss können Seifenblasen-Experimente auch im Herbst oder Winter sein, wenn die Natur nicht mehr so viele Farben bietet und Seifenblasen in ihrer Farbenpracht einen faszinierenden Kontrast darstellen.

 Einfach raus!

Mitten am Vormittag nach einer Schularbeit, am Ende eines anstrengenden Schultages oder in der Religionsstunde am Morgen: Eine kurze Runde im Freien, eine barfüßig Wahrnehmungsübung auf der Wiese, einige Male tief und frei durchatmen, … – solche kurze „Ausflüge“ können Schüler*innen einen wertvollen Ausgleich zur kognitiven Arbeit und der oft fordernden sozialen Interaktion im Schulalltag bieten. Sie können in diesen (R)aus-Zeiten Kraft und Energie tanken.

 Eine Meditations-/Reflexionsidee, die jeden Tag genießen und bewusst erleben lässt. Ausgehend vom Zitat des 7 Jahre alten Andrew Harper „Etwas Neues zu lernen ist das „Besteste“ auf der Welt“ (Hendricks 2000, 11) werden die Schüler*innen angeregt, sich auf ein WahrnehmungsProjekt einzulassen: Sie versuchen an einem ausgewählten Tag – egal ob in der Schul-/Ferien- oder Freizeit – während ihrer Tätigkeiten, Aktivitäten, … immer wieder zur Frage zurückzukehren: „Was kann ich in diesem Augenblick lernen?“ Es erleichtert die (abendliche) Zusammenschau, wenn sich die Schüler*innen dazu in einem kleinen Heft Notizen machen. Diese Übung, mit der nebenbei auch metakognitives Wissen aufgebaut wird, kann zur bewussten Wahrnehmung und der Erkenntnis beitragen, wie leicht und vielfältig sich unterschiedliche Lern- und Entwicklungsprozesse (manchmal) gestalten können. 

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WAHRNEHMEN und ERLEBEN

dIE INNERE RuHE FINdEN

Das Sprichwort „In der Ruhe liegt die Kraft“ beschreibt sehr gut den positiven Einfluss, den die Ruhe auf den Menschen hat. Doch so einfach, wie es klingt, ist es meist nicht. Heute kommt die Ruhe oft zu kurz, denn Lärm, Stress und Ablenkungen bringen uns aus dem Gleichgewicht und stören unseren inneren Frieden. Achtsamkeitsübungen können helfen, unser inneres Gleichgewicht wiederzufinden.

Simone RieserKurzmann

Verena Krenn

Magdalena Schalk

Herbert Stiegler

Eva Bacher

unsere Zeit ist sehr schnelllebig und der Alltag ist oft hektisch. Wir hetzen von einem Termin zum nächsten, checken schon am frühen Morgen die ersten Mails und sind nahezu rund um die Uhr erreichbar und im Einsatz. Da fällt es schwer, zur Ruhe zu kommen, zu entspannen, abzuschalten. Doch um gut und vor allem gesund leben zu können, braucht es diese „innere Ruhe“.

„Innere Ruhe“ – was ist das eigentlich? Eine allgemeingültige Definition, die für alle Menschen gilt, gibt es nicht. „Die Fähigkeit zur Ruhe ist eine Lebenskompetenz.“ (Augner 2021, 14) Ganz unterschiedliche Faktoren können dafür verantwortlich sein, dass wir in uns ruhen – Zufriedenheit, Gesundheit, Glück, ein geregeltes Leben, der Glaube (vgl. Morel 2021, 14). Ausgeglichen zu sein, loszulassen und nicht immer alles kontrollieren zu wollen, achtsam zu sein und auf den eigenen Körper und Geist zu hören, kann zu innerer Ruhe führen, ebenso wie ein gestärktes Selbstvertrauen und der Abbau von Selbstzweifeln (vgl. Digestio Community Team).

Jeder Mensch ist anders. Aus diesem Grund gibt es unterschiedliche Wege, innere Ruhe zu finden. Manchen Menschen gelingt dies durch Musik, Sport, Tanz, das Malen eines Bildes oder das Schreiben. Andere finden Ruhe in der Natur, bei Spaziergängen, beim Wandern oder am Meer. Auch Achtsamkeitsübungen können dabei unterstützen, die innere Balance wiederherzustellen.

INBALANCESEIN

Achtsam zu sein bedeutet, sich ganz auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren und darauf zu achten, welche Empfindungen dabei im Körper ausgelöst werden. Die Achtsamkeit verbindet mit dem eigenen Leben, mit dem eigenen Ich und ermöglicht dadurch, zur Ruhe zu kommen. Die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen heißt, gut darauf zu achten, mit sich selbst in Kontakt zu sein und den Moment bewusst zu nutzen. Der gute Rat aus Kindertagen: „Tu eins nach dem anderen und konzentriere dich auf das, was du tust“ (vgl. Brose/ Blanke), bringt das Konzept der Achtsamkeit, aber auch die innere Ruhe auf den Punkt: Nur wer bei sich und fokussiert ist, kann auch in sich ruhen.

Traditionen der Achtsamkeitspraxis

die Praxis der Achtsamkeit wird seit Jahrhunderten angewendet und hat ihren Ursprung in der buddhistischen Philosophie (vgl. Brose/Blanke). Sie ist in fast allen Kulturen in unterschiedlichen Formen zu finden. Im Laufe der Zeit haben sich zwei Traditionen entwickelt. Die eine Richtung betont die „Weisheit des Körpers“. Die Übungen sollen angenehm und leicht sein und werden beim Auftreten unangenehmer Empfindungen verändert oder abgebrochen. Die jüngere Richtung arbeitet mit festen und anspruchsvollen Vorgaben. Die Weisheit liegt hier eher im Geistigen, wobei auch unangenehme Empfindungen in die Übungen integriert und nicht verdrängt oder ausgeblendet werden (vgl. Huppertz 2015, 18).

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Ruhe ist … Foto: Simone Rieser-Kurzmann Ruhe ist … Foto: Simone Rieser-Kurzmann ACHTSAM SEIN
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dem Methodenlabor
Aus

Achtsamkeitspraxis in der Schule

der Schulalltag stellt sowohl Lehrer*innen als auch Schüler*innen immer wieder vor große Herausforderungen. Nicht nur der Leistungsdruck, sondern auch das soziale Miteinander sorgen oft für Unruhe und können dazu führen, den Kontakt zu sich selbst, aber auch zu den anderen zu verlieren. Die eigenen inneren Bedürfnisse und Interessen zu kennen und mit anderen in Resonanz zu gehen, gehört zum Menschsein dazu. Achtsamkeitsübungen können das Fühlen, Spüren und Wahrnehmen kultivieren, denn letztlich ist jeder Mensch für sein Leben, sein Wohlbefinden und seine Stimmungen selbst verantwortlich (vgl. Krämer 2019, 12ff).

Achtsamkeit unterscheidet nicht zwischen Ich und Du. Sie lebt von „Augenblick zu Augenblick“ und beinhaltet Gelassenheit und Urteilslosigkeit (vgl. Krämer 2019, 24ff). Für den schulischen Kontext heißt das (vgl. Valtl 2018, 5):

Literatur und Internettipps:

 Augner, Christoph: In der Ruhe liegt deine Kraft. Wirksame Wege zu mehr Gelassenheit in einer lauten Welt, Hannover: Humboldt 2021.

 Brose, Annette, Blanke, Elisabeth: Zufriedener durch Achtsamkeit, abrufbar unter: de.in-mind.org/article/ zufriedener-durch-achtsamkeit?gclid=CjwKCAiAprGRBhBgEiwANJEY7OLw9bYTXKuWNm2BIE_FERZW99LmeS8b5RXIqkguBK7uS4mYOEzVXRoC2lIQAvD_BwE

 Huppertz, Michael: Achtsamkeitsübungen. Experimente mit einem anderen Lebensgefühl. 99 Anleitungen für die Praxis, Paderborn: Junfermann Verlag 22015.

 Jensen, Helle: Hellwach und ganz bei sich. Achtsamkeit und Empathie in der Schule, Weinheim und Basel: Beltz 2014.

 Kaltwasser, Vera: Achtsamkeit in der Schule. Stille-Inseln im Unterricht: Entspannung und Konzentration, Weinheim und Basel: Beltz 2008.

 Kaltwasser, Vera: Praxisbuch Achtsamkeit in der Schule. Selbstregulation und Beziehungsfähigkeit als Basis von Bildung, Weinheim und Basel: Beltz 2016.

 Krämer, Susanne: Wache Schule. Mit Achtsamkeit zu Ruhe und Präsenz, Paderborn: Junfermann Verlag 2019.

Achtsamkeit führt, so Susanne Krämer, zu:

 mehr kognitiver Flexibilität

 höherer Selbstreflexion

 besserer Emotionsregulation

 weniger Schlafstörungen

 höherer Resilienz

 mehr Wohlbefinden

 weniger Aggressivität …

Achtsamkeitsübungen können innere Ruhe und Gelassenheit fördern und helfen, den Alltag entspannter, freier und auch kreativer zu genießen. Sie stärken die Präsenz, Aufmerksamkeit und Empathie und tragen so zu einem ruhigen und entspannten Geist in einem gesunden Körper bei, der in Kontakt mit sich und anderen bleibt (vgl. Krämer, 32ff). 

 Morel, Emilia: Der Wegweiser zum Ruhepol. Gelassenheit und innere Ruhe ist erlernbar, Hamburg: Books-World 22021.

 www.digestio.de/de/korper-und-geist/meditation/ meditation-innere-ruhe-5-uebungen

 Valtl, Karlheinz: Pädagogik der Achtsamkeit. Ein Literaturbericht, abrufbar unter: www.schule-im-aufbruch. at/wp-content/uploads/Schule%20im%20Aufbruch_ Publikation%203_Valtl_12%2006%2018.pdf

 28 einfache Achtsamkeitsübungen, abrufbar unter: cdn.website-editor.net/5c3e10d7c61c41138b541a6e1aa45fd0/files/uploaded/28%2520einfache%2520Achtsamkeits%25C3%25BCbungen.pdf

Auf den folgenden Seiten und auf der Homepage www.reliplus.at finden sich einige dieser Übungen zum Ausschneiden und Sammeln.

Ruhe im Innern, Ruhe im Äußern. Wieder Atem holen lernen, das ist es.

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Ruhe ist … Foto: Simone Rieser-Kurzmann Achtsamkeit. Grafik: Simone Rieser-Kurzmann
IN KONTAKT SEIN
Christian Morgenstern
WAHRNEHMEN und ERLEBEN

ACHTSAMKEITSSPAZIERGANG

ATEM SPÜREN

Ziel: Achtsame Körperwahrnehmung.

Vorbereitung : Ist überall möglich

Anleitung:

1. Die Schüler*innen erlernen/wiederholen das bewusste Einund Ausatmen.

2. Danach wird die Hand zu einer Schale geformt.

3. Die Schale wird auf Höhe des Kinns gehalten, so dass der Atem spürbar ist.

4. Danach wird bewusst eingeatmet. Anschließend wird in die Schale ausgeatmet und gleichzeitig sinkt diese hinunter (Vorstellung: Die Schale wird durch den Atem schwer).

5. Beim nächsten Einatmen hebt sich die Schale gleichmäßig mit dem Atmen und die Übung wird wiederholt.

d IGITALE ENTGIFT u NG ( d IGITAL d ETO x )

Ziel: Digitalen Medienkonsum reflektieren und Auszeiten einüben.

Vorbereitung : Smartphone, ein starker Wille, Commitment im Team .

Anleitung: Finden Sie gemeinsam mit den Schüler*innen die (wöchentliche) Nutzungsdauer im Einstellungsmenü des Smartphones heraus.

1. Die Schüler*innen sollen die gesamten Nutzungszeiten mithilfe eines anonym abgegebenen Postings darstellen.

2. Kleingruppendiskussion: Die Schülerinnen besprechen die digitalen Zeitfresser und „giftige“ digitale Erfahrungen und Erlebnisse.

3. Die Kleingruppe wählt ein diskutiertes Beispiel aus und entwickelt ein „Gegengift“.

4. Die Schüler*innen diskutieren die „Gegengiftvorschläge“ in der Gesamtgruppe. Sie wählen gemeinsam ein Beispiel aus und treffen eine Übereinkunft, diesen Vorschlag umzusetzen.

Ziel: Wahrnehmung schärfen, Empathie und Vertrauen stärken.

Vorbereitung : Eine*n Teampartner*in. Eine störungsarme Umgebung (Schulgarten, Wald …).

Anleitung:

1. Die Schüler*innen wählen eine*n vertrauenswürdige*n Teampartner*in aus.

2. Ein Teammitglied schließt die Augen, wenn das Umfeld passt (Ruhe, Abgeschiedenheit …).

3. Die Begleitperson führt den/die Partner*in, welche*r die Augen geschlossen hat und reicht Gegenstände aus der Natur.

4. Mit geschlossenen Augen Fühlen, Riechen und Ertasten der Gegenstände.

5. Rollentausch und neue Position suchen, sodass beide Personen anregende Sinneserfahrungen erleben.

6. Reflexion über das Erlebte und über die Erfahrungen.

BLÄTTERVIELFALT

Ziel: Sich auf die Suche machen und Einzigartigkeit entdecken.

Vorbereitung : Blätter von einem Baum (herbstlich), Tuch für die Mitte.

Anleitung:

1. Legen Sie die Blätter auf das Tuch in der Mitte und erzählen Sie

Ihren Schüler*innen, dass alle Blätter vom selben Baum stammen.

2. Die Schüler*innen sollen die Blätter ganz genau anschauen und versuchen, zwei identische Blätter zu finden.

3. Besprechen Sie mit den Schüler*innen anschließend, dass es keine zwei idente Blätter gibt. Auch wenn sie auf den ersten Blick alle gleich aussehen. Auch wir Menschen sind einzigartig von Gott gewollt.

4. Nach der Übung darf sich jede*Schüler*in ein Blatt aussuchen und mitnehmen oder aufkleben.

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IdEEN FÜR dIE PRAxIS
WAHRNEHMEN und ERLEBEN

FÜNF-FINGER-METHO d E

Ziel: Bewusstes Hinhören, Konzentration.

Vorbereitung : Eine Umgebung, in der unterschiedliche Geräusche hörbar sind (Wald, Garten, Klasse …), die aber nicht zu sehr ablenkt.

Anleitung:

1. Die Schüler*innen schließen die Augen.

2. Sie atmen bewusst ein und aus und konzentrieren sich nur auf sich selbst.

3. Sie sammeln nun die unterschiedlichen Geräusche und Töne, die an ihr Ohr dringen. Was haben sie gehört? Wie viele haben sie gezählt? Welche hätten sie vielleicht sonst „überhört“ (z. B. den eigenen Atem). Welche waren angenehm, welche nicht?

EINEM KLANG NACHLA u SCHEN

Ziel: Einen Klang bewusst wahrnehmen und zur Ruhe kommen.

Vorbereitung : Eine Klangschale .

Anleitung:

1. Die Schüler*innen schließen die Augen und senken den Kopf.

2. Auf einer Klangschale wird ein Ton angeschlagen. Alle lauschen dem Klang nach, solange sie ihn hören können.

3. Erst wenn er verklungen ist, öffnen sie die Augen und heben den Kopf. Für einige Augenblicke bewahren wir diese Ruhe weiter.

Ziel: Empowerment und Selbstreflexion.

Vorbereitung : Fünf Minuten Zeit. Ruhe zum Nachdenken. Bild einer Hand mit den beschriebenen Impulsen oder

Anleitung in der Gruppe.

Anleitung: Diese Methode kann entweder mündlich oder schriftlich umgesetzt werden.

1. Daumen: Das sind Stärken und Besonderheiten von mir.

2. Zeigefinger: Das gefällt mir in der Natur.

3. Mittelfinger: Heute möchte ich konkret Gutes tun.

4. Ringfinger: Dieser Mensch liegt mir besonders am Herzen und das schätze ich an ihm/ihr.

5. Kleiner Finger: Dafür bin ich besonders dankbar.

FÜSSE VERW u RZELN

Ziel: Achtsame Körperwahrnehmung.

Vorbereitung : Evtl. Sessel (wenn die Übung im Sitzen ausgeführt wird).

Anleitung:

1. Die Schüler*innen stellen beide Beine hüftbreit auf den Boden. Die Übung kann im Stehen oder Sitzen durchgeführt werden.

2. Sie sollen die Füße bewusst wahrnehmen und den Kontakt zwischen Füßen und Boden spüren.

3. Sprachliche Begleitung: Stell dir vor, aus deinem rechten Fuß wächst eine dicke Wurzel in die Erde. Die Wurzel wird immer länger und teilt sich in viele kleine Wurzeln. So, dass du mit dem Boden fest verwurzelt bist.

4. Wiederholung mit dem linken Fuß.

5. Sprachliche Begleitung: Spüre nun, wie deine Füße fest verwurzelt sind.

Weitere Karten und Anregungen finden sich auf www.reliplus.at

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A u F d IE STILLE ACHTEN
WAHRNEHMEN und ERLEBEN

TRAuM- uNd FANTASIEREISEN IM Ru

Die Fähigkeit, innere Bilder zu entwickeln, kann im Religionsunterricht zu einer lebendigen Lernatmosphäre beitragen. In gelenkten Traum- und Fantasiereisen wird angeregt, dass SchülerInnen diese Imaginationen wahrnehmen, sie sich bewusst machen und auf diese Weise beispielsweise biblische Texte neu sehen lernen.

Träumen im Ru – Überlegungen zum Begriff

Andrea Scheer

Fantasiereisen oder Traumreisen (Imaginationen, Gedankenübungen …) basieren darauf, dass in einem entspannten Zustand die Entwicklung von inneren Bildern bewusst angeregt wird. In der Anleitung einer solchen Reise wird zwar eine bestimmte Richtung vorgegeben, es bleibt aber dem/der „Reisenden“ vorbehalten, im Lebendig-Werden-Lassen der inneren Bilder der eigenen Kreativität Raum zu geben. Fantasiereisen haben das Potenzial, bis dahin unerschlossene Quellen unseres Denkens zugänglich zu machen.

Aus

Bei Kindern ist das Denken in Bildern grundsätzlich sehr intensiv ausgeprägt. Sie haben die natürliche Gabe, zu visualisieren bzw. zu imaginieren. In unserem Bildungssystem wird diese Fähigkeit kaum gefördert, weil primär linear-abstraktes Denken gefordert ist.

Diese Form des Visualisierens bietet sich im Religionsunterricht in mehrfacher Hinsicht an: (Biblische) Fantasiereisen, Meditationen (z. B. mit Psalmentexten oder Gebeten), Bewusstmachen bestimmter Orte oder Epochen …, die dann im Unterricht weiter bearbeitet werden können:

„Die Arbeit mit Fantasiereisen im Religionsunterricht nimmt biblische Motive und Geschichten auf oder auch seelische und geistliche Grundbilder.“ (Maschwitz 2010, 78)

Fünf Intensitätsstufen von Fantasiereisen lassen sich unterscheiden (vgl. Maschwitz 2010, 79–80):

 Fantasiegeschichten sind Geschichten, die in der eigenen Fantasie miterlebt werden können, indem die SchülerInnen die Inhalte mit ihrem inneren Auge sehen.

 Gelenkte Fantasiereisen regen innere Bilder an – allerdings in einem durch die präzise Anleitung klar gesetzten Rahmen.

 Halb offene Fantasiereisen geben durch längere Stillephasen während der Anleitung mehr Raum für eigene Imaginationen. Auch diese Form ist im RU gut einsetzbar – wichtig ist dabei ein ausreichender und bewertungsfreier Raum für die Bilder der SchülerInnen.

 Offene Fantasiereisen beschränken sich in der Anleitung auf einen dem Thema und Anlass entsprechenden Grundimpuls und überlassen es den SchülerInnen, welche Geschichte diese daraus entwickeln. Dieser Zugang eignet sich eher für religiöse Übungen.

 Aktive Imaginationen beziehen sich auf die Lebensgeschichte und kommen nur im therapeutischen Kontext, angeleitet von ausgebildeten ExpertInnen, zur Anwendung.

Rahmenbedingungen für Fantasiereisen

Es braucht ausreichend Zeit, um die Methode einführen zu können. Die SchülerInnen sollen eine möglichst bequeme Haltung einnehmen können – daher muss die Raumfrage gut überlegt werden (ev. Raumwechsel, Sitzordnung ändern, Blick auf möglichst reizarme Umgebung ...).

Besonders bedeutsam ist bei dieser Methode die Beachtung des Prinzips der Freiwilligkeit – für SchülerInnen, die aktuell eine Fantasiereise nicht mitmachen können oder wollen, sind Alternativen vorzuschlagen (Lesen, Malen, Mandalas …). Im Vorhinein soll auch noch überlegt werden, ob die jeweilige Übung mit oder ohne Musik im Hintergrund angeleitet wird.

Außerdem muss sich die Lehrperson mit der Textgrundlage der Fantasiereise gut vertraut machen, um Sprechtempo, Pausen … gut einschätzen zu können. Für das Gelingen einer Fantasiereise ist es wichtig, dass die (emotionale) Befindlichkeit sowohl der SchülerInnen als auch der LehrerInnen entsprechend beachtet wird.

Ablauf einer Fantasiereise

 1. Am Beginn steht die Hinführung, damit die SchülerInnen ihre Wahrnehmung nach innen richten und eigene innere Bilder entstehen lassen können – mit einfachen Atem-, Körper- oder Konzentrationsübungen wird eine gesammelte Ausgangssituation gefördert.

 2. Durchführung der Fantasiereise

Text im Präsens anlegen.

– Positive Suggestionen und Formulierungen.

Fragen offen formulieren.

Sinne des Sehens, Hörens, Spürens, Riechens und Schmeckens ansprechen.

– Einladung, die Augen zu schließen oder den Kopf auf die Arme zu legen oder sich auf einen bestimmten Punkt im Raum (gestaltete Mitte, Licht …) zu konzentrieren.

– Freies Erzählen, Vorlesen eines formulierten Textes oder einer biblischen Geschichte. Die SchülerInnen können dabei als BeobachterInnen an Ort und Stelle sein oder in eine Rolle schlüpfen.

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Monika Prettenthaler
11–12|2017 WAHRNEHMEN und ERLEBEN
dem
Methodenlabor

 3. Rückführung

– Zurückbegleiten in die Schulrealität.

– Augen öffnen, sich strecken und bewegen.

 4. Auswertung

Angebote setzen, um die Erfahrungen auszudrücken (Erzählen, kreatives Gestalten, Malen, Texte verfassen …).

Beispiel für eine biblische Fantasiereise: Jakobs Traum von der Himmelsleiter nach Gen 28,10–15 (vgl. Impulse auf S. 18)

 Hinführung

Ich bitte dich, auf deinen Atem zu achten: Nimm wahr wie sich dein Brustkorb und die Bauchdecke durch das Atmen bewegen. Bleibe einige Atemzüge lang bei dieser Beobachtung.

 Fantasiereise

Ich lade dich zu einer Reise ein – du verlässt den Klassenraum. Es wird immer wärmer und du kommst in das Land des Jakob, einem Enkel des alttestamentlichen Abraham. Wie sein Großvater ist auch Jakob unterwegs. Du begleitest Jakob und machst dich mit ihm auf den Weg nach Haran. Jakob kommt an einen Ort, wo er übernachten musste, weil die Sonne untergegangen war. Jakob nimmt einen Stein und legt ihn zum Schutz unter seinen Kopf und fällt in einen tiefen Schlaf.

Und er träumt: Eine Leiter steht auf der Erde wie eine Treppe nach oben. Ihre Spitze reicht bis zum Himmel. Und schau: Engel – Boten

Gottes – steigen auf und nieder. Und siehe: Er sieht Gott und hört die Stimme: Ich bin der Gott deiner Eltern und deiner Großeltern. ICH

BIN DA bei dir, ich werde dich behüten, wohin du auch gehst. Ja, ich verlasse dich nicht. Jakob träumt nicht irgendeinen Traum. In seinem Traum kommt ein Stück Himmel auf die Erde …

Schaue nun auch du in den Himmel … Was siehst du? ... Was fühlst du? … Was hörst du? … Jetzt ist es wieder Zeit, dass du dich von deinem Traum und auch von Jakob verabschiedest. In seinem Traum haben sich Himmel und Erde verbunden. Sieh dir die Szene noch einmal an – vielleicht siehst du die Leiter noch … und dann kommst du langsam wieder zurück in deine Klasse …  Verarbeitungsphase

In Bewegung kommen …  Auswertung

Malen (wer mag) und Gespräch darüber, was die SchülerInnen gesehen, gehört, gefühlt … haben.

Beispiel für eine halboffene Fantasiereise: Besuch im „Friedensland“ (vgl. Idee der Primarstufe)

Wir reisen heute gemeinsam auf einen noch nicht entdeckten Planeten. Auf diesem Planeten leben alle und alles in Frieden miteinander.

Mach es dir gemütlich, ich begleite dich auf eine Reise nach innen.

Begib dich in deiner Fantasie auf einen fliegenden Teppich, der dich auf einen noch unentdeckten Planeten bringen möchte – auf dem Friedensplaneten.

Du verlässt den Planeten Erde, bist mitten im All und landest am Friedensplaneten.

Du entdeckst Häuser, Menschen, Landschaften ... Nimm einen Atemzug und genieße die friedvolle Stimmung.

Du wirst eingeladen, die Friedenshäuser zu besuchen. Die Türen sind weit und einladend.

In einem Haus wohnen Familien in friedvoller Stimmung – geh hinein und schau dich um!

In einem anderen Haus leben Menschen in der Schule, sie atmen Friedensluft – geh hinein und schau dich um!

Wieder in einem anderen Haus arbeiten Menschen miteinander ...

[An dieser Stelle kann zu weiteren unterschiedlichen Häusern eingeladen werden.]

Begib dich nun auf die Heimreise mit dem fliegenden Teppich.

Die friedliche Stimmung begleitet dich.

Kehre langsam zurück vom Friedensplanet –atme ganz tief ein und aus – strecke Arme und Beine – räkle dich, wenn du magst – öffne die Augen – jetzt bist du wieder im Hier und Jetzt angekommen.

Quellen, Literatur- und Internettipps

unsere inneren Bilder, die uns in jeder Lebenslage begleiten. Sie sind unser Kino im Kopf.

 Denner, Gabriele: Himmlische Momente. Spirituelle Fantasiereisen und wie man mit ihnen arbeitet, Ostfildern: Schwabenverlag 2010.

 Maschwitz, Rüdiger: Fantasiereisen, in: Rendle, Ludwig (Hg.): Ganzheitliche Methoden im Religionsunterricht, München: Kösel 32010, 77–88.

 Maschwitz, Rüdiger: Gemeinsam Gott begegnen: Kinder geistlich begleiten – Das Praxisbuch für Schule, Gemeinde und Familie, München: Kösel 2011.

 Stein, Meike: Fantasiereisen für Schüler. Entspannungsangebote für die Sek. I, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2015.

 Wehrle, Martin: Fantasiereisen für den Unterricht, Weinheim: Beltz & Gelberg 2013.

 Wehrle, Martin: Handbuch Fantasiereisen: Für Training, Coaching, Beratung, Jugendarbeit und Therapie, Weinheim: Beltz & Gelberg 2011.

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Biennale di Venezia 2017, Swatch­Pavillon . Foto: Monika Prettenthaler nach Barbara Steckl
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VISION BOARd: ZuKuNFT VISuALISIEREN

Vielen Menschen fällt es aus den unterschiedlichsten Gründen oft sehr schwer, über ihre Wünsche, Ziele, Träume oder Sehnsüchte zu sprechen. Ein Vision Board ist eine Möglichkeit, Ideen und Gedanken über die eigene Zukunft durch Bilder, Zitate, inspirierende Motive und Texte zu visualisieren und auszudrücken.

Simone RieserKurzmann

die Suche nach dem Sinn des Lebens und die damit verbundene Frage nach den eigenen Wünschen, Träumen, Zielen und Zukunftsvorstellungen begleiten die Menschen egal welchen Alters. Diese Frage auf den Punkt und zum Ausdruck zu bringen ist nicht immer ganz einfach. Manchmal fehlt vielleicht eine klare Vorstellung von dem, was man möchte. Oder es ist schwierig, die eigenen Träume und Wünsche in Worte zu fassen. Das Sprechen über Ziele und Wünsche erfordert einen bewussten Blick auf das eigene Leben im Hier und Jetzt und auch Zeit, um sich damit auseinanderzusetzen. Eine Methode, die helfen kann, sich sehr intensiv und kreativ mit der eigenen Zukunft zu beschäftigen, ist das sogenannte Vision Board.

Was ist ein Vision Board?

Ein Vision Board ist eine selbst erstellte Sammlung von Bildern, Begriffen und Texten. Es veranschaulicht die eigenen Wünsche oder Ziele und soll inspirieren und motivieren (vgl. Vision Board – Der ultimative 6 Schritte Guide mit Vorlage, o. S.).

Welchen Zweck hat ein Vision Board?

Ein Vision Board hält Ziele und Wünsche visuell fest. So können berufliche/schulische und private Ziele und Träume leichter erkannt, konkretisiert und umgesetzt werden. Nur wer seine Vorstellungen von der Zukunft kennt, kann sie auch verwirklichen. Durch die Visualisierung geschieht eine explizite und aktive Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben. Das führt dazu, dass Zukunftsvorstellungen besser und schneller erreicht werden können, da unbewusst die nächsten Schritte oft nach den eigenen Visionen gesetzt werden (vgl. Seiler, o. S.).

Wo ist der richtige Platz für ein Vision Board?

Ein Vision Board sollte dort platziert werden, wo es regelmäßig gesehen und damit automatisch häufiger genutzt wird. Ist das Unterbewusstsein täglich damit konfrontiert, verankern sich die Ziele und Visionen mehr und mehr und sie werden nicht aus den Augen verloren. Wichtig ist auch, Gedanken und Ideen immer positiv zu formulieren, um den Tag mit der nötigen Motivation zu beginnen (vgl. Seiler, o. S.).

Aus welchem Material besteht ein Vision Board? Je nach Art des zu erstellenden Vision Boards können sehr unterschiedliche Materialien verwendet werden. Vision Boards können auf Papier, Holz, Whiteboards oder Pinnwänden, aber auch digital erstellt werden. Je nach Untergrund und ob analog oder digital, werden dann ausgeschnittene Zeitschriftenartikel, handschriftliche Notizen oder Post-its, Bilder und Illustrationen, Sticker etc. verwendet, um die eigene Traumcollage zu gestalten. Auch Wollfäden und Nägel zum Verbinden von Bildern, Glitzerfolien, Holzelemente oder Gips können benutzt werden. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt und viele Vision Boards sind oft echte Kunstwerke (vgl. Sailer, o. S.).

Wie wird ein Vision Board erstellt?

Für diese Traum- oder auch Zielcollagen werden zuerst alle Ziele, Träume, Wünsche und Aufgaben gesammelt. Danach werden sie mithilfe von Bildern, Texten und anderen Materialien dargestellt und strukturiert. Die Bilder und Texte werden meist in Form einer Collage oder Mindmap zusammengestellt. Es können unterschiedliche Bilder, Texte, Motivationssprüche, Illustrationen, aber auch Aufgaben miteinander verbunden werden. Auf diese Weise lassen sich selbst abstrakte und komplexe Inhalte und Themen anschaulich ausdrücken und greifbar machen (vgl. Vision Board – Der ultimative 6 Schritte Guide mit Vorlage, o. S.).

die Gestaltung der eigenen Zukunft in Form eines Vision Boards ist ein Projekt, das ausreichend Zeit und einen gewissen Aufbau erfordert.

 Brainstorming

Alle Wünsche, Ziele und Träume in einem ausführlichen Brainstorming aufschreiben. So wird sichtbar, was visualisiert werden soll.

 Ziele und Visionen definieren

Die geeignete Struktur finden. Ein Vision Board kann zum Beispiel in Lebensbereiche unterteilt

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Vision Board.
WAHRNEHMEN und ERLEBEN
dem Methodenlabor
Foto: pixabay
Aus

werden: Familie und Freundschaft, Beruf und Finanzen, Reisen und Aktivitäten, Gesundheit und Fitness, Freizeit und Hobbys, Leben und Wohnen. Einer oder mehrere dieser Bereiche können ausgewählt werden.

 Ziele und Visionen klar formulieren

Die Ziele spezifisch, messbar, erreichbar, realistisch und terminiert (SMART) formulieren.

 Material besorgen

Das entsprechende Gestaltungsmaterial organisieren.

Untergründe: White Board, Tafel, Karton, Pinnwand, alte Tischplatte, Spiegel, Bilderrahmen, Kork- oder Magnetwand (zum Verschieben und Neu-Organisieren ideal).

Gestaltungsmaterial: Pinnnadeln, Buntstifte, Edding, Textmarker, Filzstifte, Fineliner, Magnete, Schere, bunte Deko-Klebebänder, Sticker, Glitzer, Kleber, Fotoecken, Lineal, buntes Papier oder Motivpapier etc.

 Symbolfotos und Texte aussuchen

Bilder, Illustrationen, Sprüche, Texte aus alten Zeitschriften und Katalogen ausschneiden oder eigene Fotos, Postkarten, Texte verwenden. Auch selbst gezeichnete Bilder können benutzt werden.

 Vision Board erstellen

Die ausgeschnittenen Bilder mit den Texten, Sprüchen, Zitaten und anderen Materialien auf dem Untergrund anordnen. Quer- oder Hochformat, rund, oval oder quadratisch, Kleinformat (A5) oder Großformat (A2) sind sowohl bei analogen als auch digitalen Anwendungen möglich.

Literatur und Internettipps:

 Claasen, Sarah: Dein Vision Board: Lerne, wie du dein Vision Board erstellst, um genau das Leben zu bekommen, welches du immer wolltest, Independently Published 2022.

 Pom, Alina: Vision Board DREAM LIFE Manifestation: Bilder, Illustrationen, Zitate & Affirmationen. Vorlagen zum Ausschneiden und Beschriften: 500+ Bilder & Zitate ... Reisen, Haus & Kinder, Erfolg, Reichtum u. v. m.). Independently Published 2022.

 S & L Creative Collection: Mein Vision Board: Kreieren Sie ein einzigartiges Vision Board aus mehr als 480 Bildern, 150 Zitaten, Worten, 200 Rahmen und Dekoelementen auf 180 Seiten in wunderschönen Rosarot- und Blautönen, Independently published 2022.

 Seiler, Laura M.: In vier Schritten zu deinem TraumVisionboard, in: https://lauraseiler.com/4-schrittezu-deinem-visionboard/

 Mit Vision Boards deine Gedanken strukturieren? So klappt‘s! https://hochschulinitiative-deutschland.de/ blog/vision-boards-der-kreative-weg-deine-gedankenzu-strukturieren

 Vision Board digital erstellen, in: https://www.canva. com/de_de/erstellen/vision-boards/

 Vision Board – Der ultimative 6 Schritte Guide mit Vorlage, in: https://www.Vision Board – Der ultimative 6 Schritte Guide mit Vorlage.de/vision-board-der-absolute-guide-mit-vorlage-2020/

 https://www.aphorismen.de/zitat/10673

 Vision Board gut sichtbar aufstellen Platzieren des Boards an einem Ort, an dem man jeden Tag vorbeikommt (z. B. Kühlschrank, Schreibtisch, Spiegel, Tür oder Eingangsbereich). Ein analoges Traumboard kann etwa auch fotografiert und auf dem Handy oder dem Computer gespeichert und an verschiedenen Orten angebracht werden.

 Ziele und Wünsche im Blick behalten

Ein Vision Board ist nicht statisch. Wenn sich Träume und Ziele ändern, sollte das Vision Board angepasst werden. Ebenso können Ziele und Wünsche, die bereits erreicht wurden, abgehakt oder entfernt werden. Ein Vision Board spiegelt die Dynamik des Lebens wider, und manchmal ist es besser, sich dem Ziel in kleinen Schritten zu nähern, als alles auf einmal erreichen zu wollen und auf halbem Weg aufzugeben (vgl. Vision Board –Der ultimative 6 Schritte Guide mit Vorlage, o. S.).

Vision Boards im unterricht einsetzen?

Vision Boards können auch in der Schule auf unterschiedliche Art und Weise eingesetzt werden. Sie eignen sich sowohl für die persönliche Beschäftigung der Schüler*innen mit ihrer Zukunft als auch für konkrete Lerninhalte. Sie sind vor allem für visuelle Lerntypen eine große Unterstützung.

In Form eines Lernplakats, auf dem wichtige Unterrichtsinhalte, komplexe Themenstellungen und Aufgaben als Mindmaps, Gedankencluster oder Skizzen ansprechend gestaltet sind, können grundlegende Zusammenhänge oder Ursache-Wirkungs-Beziehungen einfach und übersichtlich erklärt und dadurch leichter verstanden bzw. wiederholt werden.

In Form einer Zielcollage können sie aber auch eine Hilfe bei der Suche nach den eigenen Zukunftsvisionen und Träumen sein (vgl. Mit Vision Boards deine Gedanken strukturieren, o. S.).

Checkliste für ein Vision Board

Eine Checkliste bringt gerade für den Unterricht in übersichtlicher und überschaubarer Form das Wesentliche auf den Punkt und ermöglicht so sowohl den Lehrer*innen als auch den Schüler*innen, die nötige Übersicht und Struktur.

 Zeitfenster im Kalender vormerken (20–30 Minuten täglich).

 Entscheidung ob digital oder analog (Vorbereitung davon abhängig).

 Inspirationen und Anregungen (für die Materialauswahl) suchen.

 Material für analoges Vision Board besorgen.

 Gemütlichen und ungestörten Ort für die Gestaltung aussuchen.

 Ziele und Träume, Ideen und Wunschvorstellungen notieren.

 Passende Bilder, Texte, Zitate und Sprüche aussuchen (nach Gefühl).

 Nach sinnvoller Ordnung (z. B. nach Lebensbereichen, Zeiträumen) strukturieren.

 Board erstellen.

 Vision Board platzieren. 

Vision ist die Kunst, unsichtbares zu sehen.

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Jonathan Swift
WAHRNEHMEN und ERLEBEN

Davon träume ich

Gestalte deine eigene Zukunft in Bildern und Texten!

Das möchte ich ausprobieren

INSPIRATIONEN

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FÜR dIE PRAxIS 1
IdEEN
reli+plus Vorlage WAHRNEHMEN und ERLEBEN

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Familie +

Freundschaften

Beruf +

Finanzen

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Aktivitäten

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Gesundheit +

Fitness

Leben + Wohnen

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reli+plus Vorlage WAHRNEHMEN und ERLEBEN

GESCHICHTEN (ER)FINdEN uNd ERZÄHLEN

Nicht nur in der Zeit vor Weihnachten spielen Geschichten in Kindergarten und Schule eine wichtige Rolle, erzählen ist vielmehr für das menschliches Leben insgesamt von zentraler Bedeutung. Kinder und Jugendliche brauchen Geschichten. Sie hören und erzählen Geschichten, sie suchen und erfahren auf diese Weise Orientierung.

Monika Prettenthaler

Aus dem Methodenlabor

der Mensch ist nach Alasdair MacIntyre ein ‚storytelling animal‘ und ist damit nicht nur in allgemeiner Weise als sprachliches Wesen bestimmt, sondern als ‚homo narrens‘. Erzählen ist ein kulturell universelles Phänomen (vgl. Büttner/ Dieterich/Roose 2015, 106-117). Geschichten waren immer schon wichtig für den menschlichen Zusammenhalt und unser Selbstverständnis. Auch wenn Fernsehen, Streaming-Portale und andere Medien in der Gegenwart viele ‚Erzählungen‘ anbieten, bleibt die Fähigkeit Geschichten erfinden und erzählen zu können, gefragt wie eh und je. Der Schreibtrainer Andreas Schuster meint in seinem Blog (www.schreiben-und-leben.de), dass Geschichten erfinden vielleicht nicht der passende Ausdruck für das ist, was dabei passiert: „Geschichten finden trifft es häufig viel eher. Die Geschichten sind in gewisser Weise häufig schon da. Wir müssen nur lernen, sie zu erkennen. Indem wir aufmerksam durchs Leben gehen, stoßen wir auf interessante Geschichten. Dabei haben wir manchmal sogar den Eindruck, von den Geschichten gefunden zu werden“

Was passiert beim Erzählen?

Vielen Menschen macht es Spaß Geschichten zu erzählen und auch zu (er)finden. Diese Fähigkeit trägt dazu bei, dass Menschen, Situationen und Erfahrungen aus dem Alltag verarbeiten können. Das gemeinsame Herumfantasieren, dass in der Familie, in Kindergarten und Schule geübt werden kann, ist eine kreative Leistung, durch die sowohl die Sprachkompetenz als auch das abstrakte Denkvermögen geschult werden kann.

„Um sich eine Geschichte von Anfang bis Ende auszudenken, braucht es abstraktes Denkvermögen, das bei Zwei- oder Dreijährigen in der Regel noch nicht so stark ausgebildet ist. Andererseits gilt für das Geschichtenerfinden das Gleiche wie für alle kreativen Arbeiten – Übung macht den Meister“ (‚Geschichten erfinden‘ auf www.jako-o.com/de).

Erzählungen stiften Identifikationsangebote: Im Erzählen können wir immer wieder eine neue Welt entwerfen. Menschen entdecken durch das Erzählen ihrer eigenen Geschichte, wer sie sind. Wenn fremde Geschichten in unser Bewusstsein treten, entsteht ein Dialog zwischen der eigenen Erzählwelt und den zunächst fremden Erzählungen. Probeweise können die ZuhörerInnen in eine andere Identität schlüpfen – das hat Einfluss auf

die eigene Identität und ermöglicht es, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Auf diese Weise geschehen Reifungsprozesse, das Bild von sich selbst und die Identität entwickelt sich weiter, wenn es zu diesem Dialog zwischen den verschiedenen Erzählwelten kommt (vgl.Niehl/Thömmes 2014, 94-95).

Erzählen lernen?

Es gibt Menschen, die können so erzählen, dass sie ihre ZuhörerInnen stundenlang in den Bann ziehen. Andere behaupten, sie können nicht einmal einen kurzen Witz erzählen. Wie mit anderen Begabungen und Fähigkeiten, ist es auch mit dem Erzählen: Alle Menschen haben Anlagen, die durch Praxis und Übung weiterentwickelt werden können. Das gilt für PädagogInnen genauso, wie für Kinder und Jugendliche – in diesem Methodenlabor steht die Förderung der narrativen Kompetenz von SchülerInnen im Mittelpunkt. Im Alltag, bei einem Spaziergang, beim Warten auf den Bus, beim Einkaufen, am Sportplatz, im Gottesdienst … fast überall ist es möglich, sich z.B. einmal nur auf das Hören zu konzentrieren, oder die Augen zu schließen und nur Gerüche wahrzunehmen. Bilder die dabei vor dem inneren Auge auftauchen, können den Ausgangspunkt für eine Geschichte bilden.

Franz W. Niehl (2010, 167-168) schaut in den Alltag und fragt, wie es dort gelingt, so zu erzählen, dass andere davon berührt sind und die ZuhörerInnen sich plastisch vorstellen können, was die Erzählerin/der Erzähler erlebt hat. Daraus leitet Niehl ein Erzählgerüst ab:

 Eine Ausgangssituation:

Als ich neulich mit meiner Mutter in einem Sportgeschäft war …

 Ein (besonderes) Ereignis tritt ein: Da entdeckte sie plötzlich, dass ihre Geldtasche weg war …

 Die Reaktion auf das Ereignis – einschließlich der Gefühle:

Mama geriet in Panik, denn wir standen im vorweihnachtlichen Getriebe an der Kasse …

 Probleme und Lösungsversuche:

Was sollten wir nur machen? Müssen wir alles wieder zurückbringen? Ob jemand Mamas Geld gestohlen hat?

 Der Höhepunkt – glückliche Lösung oder Scheitern:

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11–12|2019 LESEN und ERZÄHLEN

Da sahen wir meinen Onkel in der Warteschlange hinter uns …

 Ausklang und eventuelle Schlusspointe

Mama war so erleichtert, weil ihr Bruder uns aus der Notsituation helfen konnte … Und das schönste kommt noch: Als wir die Einkäufe ins Auto bringen wollen, kommt uns am Parkplatz eine Frau entgegen und fragt, ob …

„An diesem einfachen Beispiel lassen sich einige Merkmale guten Erzählens ablesen. Wer eine Geschichte erzählt, achtet darauf,

 dass die Handlung anschaulich und übersichtlich dargestellt wird,

 dass die ZuhörerInnen sich Bilder und Szenen der Handlung gut vorstellen können,

 dass die ZuhörerInnen die Stimmungen und Gefühle, die das Erlebnis geprägt haben, miterleben können und

 dass die Erzählung gerundet ist durch eine Eröffnungssituation und durch einen klaren Schluss“ (Niehl 2010, 168).

Für die Praxis mit jüngeren Kindern

Die folgenden grundlegenden Impulse geben Hinweise, die Kinder beim (Er)Finden und Erzählen von Geschichten unterstützen können (vgl. dazu: ‚Geschichten erfinden‘ auf www.jako-o.com/de):

 Schaffen einer ruhigen Atmosphäre: Zeitdruck oder Unruhe behindern Kreativität.

 Aufwärmen:

Um in Erzählstimmung zu kommen, kann eine bekannte Geschichte nacherzählt werden.

 Der Pädagoge/die Pädagogin macht den Anfang:

Beginnen Sie ein Anfangsszenario zu schildern oder fragen Sie die Kinder, wer HeldIn der Geschichte sein soll – das ist ein Anreiz, mitzumachen.

Eine andere Möglichkeit ist, mit ein, zwei Bildern, die beispielsweise in die Mitte gelegt werden, einen Anfang zu schaffen.

– Oder es wird mit der Frage ‚Was wäre, wenn?‘ gestartet: Entweder gibt die erwachsene Person oder ein Kind eine Richtung vor: Was wäre, wenn wir fliegen könnten? Was wäre, wenn ich in den Bewegungsraum gehe und dort einen Engel in der Ecke sitzen sehe? Durch diese Frage kann das eigene Umfeld in den Mittelpunkt der Geschichte gestellt werden und oft fällt es dadurch leichter, eine Geschichte zu erzählen.

– Es können auch die Grundzüge der Geschichte im Voraus festgelegt werden: Wer soll die Hauptperson der Geschichte sein? Wo spielt die Geschichte?

Was ist das Problem?

Welches Abenteuer muss der Held / die Heldin/ die zentrale Figur der Geschichte bestehen/erleben?

Aus diesen Fragen kann sich ein erster Handlungsstrang entwickeln.

Ein anderer Anreiz kann es auch sein, die ersten Sätze einer Geschichte zu erzählen und die Kinder die Geschichte weiterspinnen lassen:

„Es war einmal eine Familie, die lebte direkt am Waldrand in einem Haus, das war fast ganz von Brombeerbüschen umwachsen. Eines Tages gingen Lea und Simon, die beiden Jüngsten vor die Haustür und da sahen sie auf der Türschwelle …“

Beschreiben von Details: Wenn ein Kind die Handlung zu skizzieren beginnt, können andere Kinder oder die LehrerIn (Elementarpädagogin) Details hinzufügen, die die Geschichte lebendiger machen: „Der Schneewind heulte um die Ecke, die Äste knarrten, und …“

– Abwechselndes Erzählen: Jede/r darf einen Teil zur Geschichte beitragen – es ist auch möglich, mit einer Sand-/Eieruhr die jeweilige Erzählzeit zu begrenzen.

– Weiterhelfen, wenn es stockt: Wenn ein Kind nicht mehr weiterweiß oder sich in der Handlung ‚verheddert‘, werden Ideen angeboten, die weiterführen.

– Treffen von vertrauten Gestalten: Vielen Kindern fällt das Geschichten erfinden leichter, wenn sie die zentrale Figur der Handlung schon kennen. Viellicht kennen die Kinder den Engel Fritz schon aus dem Vorjahr – heuer könnte dann eine neue Geschichte zum gleichen Charakter erfunden werden.

Wer gut erzählen will, muss in die Geschichte verliebt sein, die er erzählt.

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Erzählrunde. Foto:
iStock
11–12|2019 LESEN und ERZÄHLEN
Franz W. Niehl & Arthur Thömmes

LESEN und ERZÄHLEN

Weitere konkrete Ideen und Beispiele

 Erzählungen auf der Basis von Beobachtungen: Egal, ob im Supermarkt, in der Fußgängerzone oder in der U-Bahn – es begegnen uns Menschen, die wir nicht kennen: Andreas Schuster empfiehlt:

– „Beobachte sie.

Sei aufmerksam.

Achte darauf, wer dir interessant erscheint. Und dann stell dir Fragen:

– Was könnte diese Person heute noch vorhaben?

Welchen Traum hat sie vielleicht?

Welches Geheimnis könnte sie verstecken?

Interessant erscheinende Personen können der Ausgangspunkt für deine nächste Geschichte sein. Es geht dabei nicht darum, was sich tatsächlich hinter den jeweiligen Passanten verbirgt. Es geht vielmehr darum, was er oder sie in dir auslöst.“

 Genauso können Zeitungsmeldungen, Randnotizen oder beiläufige Bemerkungen ein guter Ausgangspunkt für eine Erzählung sein: Welche Geschichte könnte jeweils dahinterstecken?

Hier geht es nicht um eine Recherche, sondern darum der eigenen Fantasie freien Lauf zu lassen.

 Geschichten fabulieren:

Manche Menschen denken während des Sprechens. Es fällt ihnen so viel leichter Ideen zu entwickeln. Das kann auch im Religionsunterricht in Gruppen praktiziert werden: Ausgehend von einer Anfangsidee werden die SchülerInnen eingeladen, einfach vor sich hin zu ‚fabulieren‘, die jeweiligen Einfälle zu ergänzen und so die Geschichte gemeinsam weiterzuspinnen.

Eine Ausgangsidee: Engel Roberto schaut aus dem Fenster und …

Arbeit mit Geschichtenwürfel

Dazu können im Handel erhältliche Würfel wie z.B. „Story Cubes” verwendet werden, oder andere – auch selbst bemalte – Würfel mit Symbolen. Bei den „Story Cubes“ handelt es sich um ein Set von 9 Würfeln, die auf jeder Würfelseite ein anderes Symbol tragen. Alle – bzw. dem Alter entsprechen weniger – Würfel werden gleichzeitig gewürfelt. Dazu wird dann eine Geschichte erfunden und erzählt, in der die neun Abbildungen vorkommen. Im Spiel erzählt immer nur der/ die SchülerIn, der/die an der Reihe ist, die ganze Geschichte – es ist aber auch möglich Teams zu bilden.

Durch das Würfeln ergeben sich immer neue Kombinationen und es lässt sich immer eine andere Geschichte erzählen. Das Set lässt sich mit anderen Würfelsets erweitern und kombinieren. Geschichtenwürfel sind ebenso als Freiarbeitsmaterial in freien Schreib- oder Erzählzeiten einsetzbar: Alleine oder zu zweit können die SchülerInnen die Würfel als Anregung für eigene Geschichten nutzen, die sie dann aufschreiben oder einander erzählen.

Als Variation, welche die Komplexität erhöht, können die Würfel mit Themenkarten ergänzt werden: Dazu wird zuerst gewürfelt und anschließend aus verschiedenen Karten ein Thema gezogen, unter das die zu erzählende Geschichte gestellt wird:

die folgende Geschichte hat Susanne Niemeyer diesem reliplus-Heft zur Verfügung gestellt. Sie zeigt die Erzählkunst der Autorin. Frau Niemeyer „lebt und arbeitet als freie Autorin, Kolumnistin und Bloggerin in Hamburg. Zuvor war sie Pressereferentin bei der Evangelischen Kirche und Redakteurin beim Verein ‚Andere Zeiten‘. Susanne Niemeyer liebt das Schreiben, weil auf dem Papier alles möglich ist. Dinge, die noch nicht sind – aber sein könnten. Am Anfang ist das Wort. Daraus entstehen Welten. Sie glaubt, Gott wohnt im Zimmer nebenan, nur manchmal findet sie die Tür nicht. Von solchen und anderen Widersprüchen des Seins schreibt sie“ (Niemeyer 2018, Klappentext) in ihren Büchern und auf ihrer Homepage im ‚Engelimbiss‘ www. freudenwort.de.

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Engel Roberto schaut aus dem Fenster. Fotos: Monika Prettenthaler
11–12|2019
Würfel: Erzähl eine Geschichte. Foto: Monika Prettenthaler

der Engel in der Stadt

die Luft ist klar, bald wird es Frost geben. Die Lichterketten sind aufgehängt. Zimtgeruch liegt über der Stadt. Es dämmert bereits, als Jakob aus dem Haus tritt. Er seufzt. Früher liebte er diese Zeit vor Weihnachten, als Kind. Überall warteten Geheimnisse. Jeden Tag konnte ein Wunder geschehen. Man musste es nur finden. „Ach“, murmelt Jakob, „das war schön.“ Dann zieht er den Mantel fester um die Schultern und geht los, um seine tägliche Zeitung zu kaufen. Auf der Straße ist es voll. Irgendwo dudelt „Jingle bells“, die Menschen haben die Kragen hochgeschlagen und hasten an ihm vorbei. Im Schaufenster des Rundfunkgeschäftes läuft eine Eilmeldung über die Bildschirme. Er achtet nicht weiter darauf. Eilmeldungen gibt es heute andauernd. Als er am Kiosk ankommt, ruft ihm Heike, die Verkäuferin, schon entgegen: „Hast Du gehört? Ein Engel soll gelandet sein!“ Ihre Stimme überschlägt sich fast. „Ein echter Engel! Hier irgendwo bei uns. Sie berichten es überall. Nu’ stell dir das mal vor, Jakob!“

Jakob glaubt nicht, dass es Engel gibt. Allerdings hat er Heike, die nette Frau vom Zeitungskiosk noch nie so aufgeregt gesehen wie jetzt. „Wie soll er denn aussehen, dein Engel?“ Heike zuckt mit den Schultern: „Keine Ahnung. Wahrscheinlich hat er Flügel. So einen kann man nicht übersehen. Du bist doch immer unterwegs“, sagt sie. „Du musst ihn finden!“ Jakob schüttelt den Kopf. Engel gibt es nur in Geschichten. Außerdem würde er jetzt gern nach Hause gehen und in Ruhe seine Zeitung lesen. Aber Heike lässt nicht locker. „Mensch Jakob, so ein Engel kann bestimmt was ändern. Die ganzen Krisen und das alles!“ Jakob seufzt. „Wenn das so einfach wäre… Wie soll das denn gehen?“ Er nimmt seine Zeitung und bevor Heike noch etwas erwidern kann, nickt er und geht davon.

Dunkel ist es geworden. In den Fenstern blinken die Lichterketten. Jakob muss an Heike denken, die Zeitungsverkäuferin. Ihre leuchtenden Augen gehen ihm nicht aus dem Sinn. Als sie von dem Engel erzählt hat, der in der Stadt sein soll. Ach. Dabei gibt es doch dauernd solche Meldungen: Ein Ufo ist gelandet! Der Garten Eden ist gefunden! Ein Urzeittier wurde entdeckt! Und jetzt eben ein Engel. Jakob versucht, an etwas Anderes zu denken. Aber es geht nicht.

Und wenn es doch stimmt? Was wäre, wenn tatsächlich ein Engel auftaucht?

Er spürt eine Sehnsucht in sich, die er längst vergessen hatte. Plötzlich ist ihm, als läge ein Zauber über der Stadt, eine Erwartung, der sich keiner entziehen kann. Er hört ein paar Kinder darüber diskutieren, welche Superkräfte es gibt. Hat die auch ein Engel?

Als nächstes fällt Jakob auf, dass ihn wildfremde Leute anlächeln. Verunsichert lächelt er zurück. Er sieht, wie eine Frau einem Taxifahrer frischen Kaffee bringt. Türen werden aufgehalten und der Busfahrer beantwortet alle Fragen mit einer Engelsgeduld. Jakob wundert sich. Was ist geschehen? „Das ist wegen dem Engel“, sagt ein Mann, der seine Gedanken zu erraten scheint. Der Mann zwinkert Jakob verschwörerisch zu: „Wenn sie einen Engel suchen, dürfen sie nicht auf Flügel achten. Dann werden sie merken, er ist längst unterwegs.“ Jakob stutzt. Erstaunt spürt er auch in sich selbst ein ungewöhnlich warmes Gefühl. Er beginnt, fremde Menschen neugierig anzusehen. Könnte nicht jeder von ihnen der Engel sein?

Es scheint wie ein Traum: In den Nachrichten werden neue Engelsbegegnungen gemeldet. Ein Kunde meint, einen Engel im Kaufhaus gesichtet zu haben. Eine Frau ist sicher, ihn an der Tankstelle erkannt zu haben. Ein Lehrer glaubt, seine Schülerin müsse der Engel sein. Auf einmal scheint es überall Engel zu geben. Das ist der Moment, in dem Jakob begreift. Sein Herz pocht, wie schon lange nicht mehr. Das Wunder, auf das er gewartet hat, ist geschehen. Aufgeregt läuft er zurück zum Kiosk, zu Heike.

Sie hat die Ellenbogen auf ihren Verkaufstresen gestützt. „Und?“, fragt sie ungeduldig. „Hast du einen Engel gefunden?“

Jakob strahlt: „Einen? Tausende! Die Stadt ist voll davon. Wie konnten wir das bisher übersehen?“

die Menschen sind verwandelt. Sie öffnen sich. Sie lächeln mehr. Sie behandeln einander mit Respekt. Ein Engel mit Flügeln wird nie gesichtet. Aber Frieden und Freundlichkeit breiten sich weit über die Stadtgrenzen hinaus aus. Denn wer weiß? Schließlich könnte jeder, wirklich jeder ein Engel sein.

Die Texte und Geschichten von Susanne Niemeyer laden nicht nur zur Lektüre oder zum Nacherzählen ein. Sie eignen sich gut, aus ihnen Ideen für andere Geschichten zu entwickeln:

Welche Reizworte aus der Geschichte können eine gute Grundlage für eine neue (Engel-)Geschichte sein.

Eine andere Möglichkeit, mit der Geschichte „Der Engel in der Stadt“ weiterzuarbeiten, ist, in ihr ein beispielhaftes Modell für den Aufbau einer eigenen Erzählung zu sehen. Eine Analyse der Erzählstruktur, von Besonderheiten und überraschenden Wendungen bildet dazu den Ausgangpunkt. 

35 methodenlabor reli+plus
11–12|2019 LESEN und ERZÄHLEN

(VOR-)LESEN + ERZÄHLEN

Die einen sagen: Der Vorrat an Geschichten ist aufgebraucht, das Ende der großen Erzählungen ist ein Merkmal unserer Zeit. Andere erleben: Auch heute mögen Kinder und Jugendliche Geschichten, lassen sich von Texten mit auf die Reise nehmen und können beim Lesen die Welt um sich herum vergessen … und: Religion baut auf Texten auf und lebt vom Erzählen!

„Der Religionsunterricht kann auf das Erzählen nicht ohne Schaden verzichten, weil die Urtexte des Christentums und der Religionen narrativen Charakter haben und diese Sprachform der Botschaft nicht äußerlich ist.“ (Schmid 2012, 116) Erzählen-Können und Lesekompetenz sind also –unabhängig von gegenwärtigen Entwicklungen im Umgang mit Medien – auch im sogenannten digitalen Zeitalter elementar für einen nachhaltigen Religionsunterricht (vgl. Büttner 2015, 118–131). Nicht umsonst ist „Literacy“ eine fächerübergreifende und zentrale Bildungsaufgabe der Schule. Dabei gilt „Literacy“ als Sammelbegriff für Lese-, Erzähl- und Schriftkultur, der Begriff beschreibt Fähigkeiten, die dann sichtbar werden, wenn Menschen erfolgreich schrift- und medienbezogen kommunizieren. Das Ministerium für Bildung und Frauen sieht ein solches „Lesen“ als Grundkompetenz an, die den Zugang zum „Weltwissen“ und die Teilhabe an der Gestaltung unserer Welt ermöglicht.

Nicht nur aus bildungstheoretischer und religionspädagogischer Sicht, sondern auch aus der Perspektive von SchülerInnen braucht es für die lustvolle Arbeit mit und an Texten eine entsprechende Vielfalt und Qualität. Das muss nicht unbedingt bedeuten, dass im (Religions-)Unterricht nur mit gedruckter Literatur gearbeitet wird – auch E-Books und Tablets können hier eingesetzt werden.

Für den Religionsunterricht können bezüglich der Textauswahl drei inhaltliche Ausrichtungen

in den Blick genommen werden (vgl. Büttner 2015, 127):

– Texte mit explizit religiösem Inhalt.

– Texte aus der Kinder-, Jugend- und Weltliteratur mit explizit religiöser Thematik.

– religiös bedeutsame Texte aus der Kinder-, Jugend- und Weltliteratur, in der Immanenz und Transzendenz bzw. eine ähnliche Unterscheidung sichtbar werden.

ReligionslehrerInnen wählen Texte, die narrativ sind und natürlich auch sachlich-informativ; sie enthalten generative, (auto-)biografische Zugänge und sind ästhetisch anspruchsvoll und ermöglichen unterschiedliche Interpretationen und Deutungen. Wesentlich für den Religionsunterricht sind „Geschichten von einem, der selbst Geschichten erzählt hat. Mit den Worten von Hubertus Halbfas: „Der Rabbi Jesus (war) ein Lehrer als Erzähler“ und es muss „eine große Freude gewesen sein …, ihm zuzuhören, wie immer, wenn einer in Geschichten die Welt auslegt.“ (Schmid 2012, 115f.) Nicht nur inhaltlich, sondern auch im Blick auf die Atmosphäre – passende Orte, „gute“ Momente, Ruhe, geprägte Zeiten, … – kann Jesu Erzählkunst und sein Eingehen auf die ZuhörerInnen (z. B. in Form von Gleichnissen) ein Modell für ein beziehungsorientiertes Erzählen, (Zu-)Hören, Verstehen und Weiterdenken sein.

Lesen – Textarbeit konkret

Vier Phasen der Textarbeit (vgl. Niehl 2014, 108)

– Textbegegnung durch Vorlesen, Lesen, Erzählen, über Medien – den Text „wertvoll“ machen.

– Texterschließung durch Klärung von Begriffen und Fragen, Gliederung, inhaltliche Erarbeitung mit Hilfe von Leitfragen, Strukturierung durch Analyse der Personen, Orte, Zeit(en), Gefühle.

– Textaneignung durch Wiederholung und/ oder Auswendig-Lernen, Verankerung im Gedächtnis durch das Finden von „Textschätzen“ bzw. ein Ranking (persönlich) bedeutsamer Aussagen.

Vertiefte Auseinandersetzung und über den Text hinausgehen durch Aktualisierungen, Stellungnahmen, Verfassen von Tagebucheinträgen, durch Rollenspiele, Pantomime, Weiterschreiben, Interviews mit Figuren aus dem Text …

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11–12|2015 LESEN und ERZÄHLEN
Lesekunst. Odires Mlászho, Braslianischer Pavillion, Biennale, Venedig, 2013 Foto: Monika Prettenthaler
Aus dem Methodenlabor

LESEN und ERZÄHLEN

Beispiele aus der Praxis  Weihnachtsfreude

Aber dann sind mehrere schöne Dinge passiert. Es fing an am ersten Feiertag, da hatte ich ein wunderbares Erlebnis mit meiner Mutter. Nach dem Frühstück musste ich plötzlich mit den Tränen kämpfen. Da fragt sie, die kaum aus dem Rollstuhl kommt: „Soll ich rüberkommen? Ich komm rüber, warte, warte.“ Da bin ich natürlich aufgestanden, zu ihr auf die andere Seite des Tisches gegangen, habe mich neben sie gesetzt und den Kopf auf ihre Schulter gelegt. Als sie dann meine Hand nahm, konnte ich die Tränen laufen lassen. Aber vor allem konnte ich endlich all die Dinge aussprechen, die mir eine solche Last waren. Ich konnte ihr erzählen, dass ich all die Jahre so viel Kraft gelassen habe, erzählen, wie anstrengend das für mich war, immer wieder Optimismus und Lebensfreude verbreiten zu wollen, dafür sorgen zu wollen, dass die Dinge schön sind. All das sagen zu können, dass ich das so nicht mehr will, hat so gutgetan, ich kann’s gar nicht beschreiben. Es setzte ein großes Gefühl der Entspannung ein. Meine Mutter wusste zwar irgendwann gar nicht mehr, worüber wir gesprochen hatten, aber für mich war dieses Gespräch mit ihr ein Weihnachtswunder.

Christoph Schlingensief (starb 2010 an Krebs)

dieser erzählende Text kann mit dem POZEKSchema (vgl. Ziener 2012, 74f.) bearbeitet werden, indem er im Hinblick auf die vorkommenden Personen (Rollen, Charaktere, Beziehungen, Funktionen, Berufe, …), Orte (sprechende Namen, Landschaften, Vegetation, …), die Zeit, in der er handelt (Tageszeit, geschichtlicher Rahmen, symbolische Zeiten, …), das Ereignis, das im Text beschrieben wird (historisches Ereignis, Erlebnis, Vorfall, Traum, …), und auf den Kontext oder Kern der Erzählung (Zusammenfassung, Schlussfolgerung, Deutung, Pointe, …) hin untersucht wird. Unterstützend können für P-O-Z-E-K entsprechende Bildkarten eingesetzt werden. Darüber hinaus können die SchülerInnen mit der POZEK-Methode eigene Erzählungen systematisch aufbauen.

 Hören

Ich höre die Nacht und deine Nähe, die hellen Sterne, die Stille und die Farben der Schafe. Ich höre den Himmel über dir und mein ewiges Hin und Her, ihr Herz, die Hirten und die stolze Kälte. Und da, ich höre das Kind, den langen Atem und den Anfang. Ich höre den Anfang, die große Nacht und da, ich war.

Dieses Gedicht wird von den SchülerInnen zuerst gehört/gelesen und anschließend mit dem Text

Bücherwand. Joana Hadjithomas & Khalil Joreige, Latent Images/Diary of a Photographer, Biennale, Venedig 2015

Foto: Winfried Woisetschläger

der Weihnachtserzählung in Lk 2,1–20 verglichen. Das Ergebnis des Vergleichs wird in Lückengedichten ausgedrückt (vgl. Busekist 2011, 231f.).

Ich höre die Nacht und , die hellen Sterne, die Stille und Ich höre den Himmel über dir und mein

Quellen und Literaturtipps

 Busekist v., Annika:: Texte verstehen – aus Texten lernen, in: Baumann, Ulrike (Hg.): Religions-methodik. Handbuch für die Sekundarstufe I und II, Berlin: Cornelsen 52011, 223–237.

 Schlingensief, Christoph: So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein. Tagebuch einer Krebserkrankung, Köln: Kiepenheuer & Witsch 2009.

 Schmid, Hans: Die Kunst des Unterrichtens. Ein praktischer Leitfaden für den Religionsunterricht, München: Kösel 2012.

 Ziener, Gerhard / Kessler, Mathias: Kompetenzorientiert unterrichten – mit Methode. Methoden entdecken, verändern, erfinden, Seelze: Klett/Kallmeyer 2012.

 Ministerium für Bildung und Frauen (Hg.): Leseförderung – Literacy, in: https://www.bmbf.gv.at/schulen/ unterricht/ba/literacy.html [abgerufen am 21.09.2015].

 Niehl, Franz W. / Thömmes, Arthur: 212 Methoden für den Religionsunterricht, München: Kösel 22014.

 Rasmussen, Knud: Die Gabe des Adlers. Eskimomythen aus Alaska, Berlin: Clemens Zerling 31988.

 Rauchenberger, Barbara: Textauszug aus „Die große Nacht“. Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium in einer poetischen Bearbeitung für Kinder von 6 bis 12, Kulturzentrum bei den Minoriten/Junge Augen: Dez. 2009.

 3.4 Narrativität; 3.5 Literacy / Literalität, in: Büttner, Gerhard / Dieterich, Veit-Jakobus / Roose, Hanna: Einführung in den Religionsunterricht. Eine kompetenzorientierte Didaktik, Stuttgart: Calwer 2015, 106–131.

… wir kennen den Ort nicht mehr, aber wir können eine Geschichte davon erzählen.

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 11–12|2015
Gershom Scholem

dER HERMENEuTISCHE ZIRKEL

Die Hermeneutik spielt eine wesentliche Rolle bei der Arbeit mit Texten, insbesondere mit biblischen Schriften.

Hermeneutik ist die Lehre des Deutens, Erklärens, Übersetzens bzw. Verstehens und der Interpretation von Texten. Hermeneutik beruht auf der Tatsache, dass das Aufnehmen einer Botschaft bzw. eines Inhaltes von einem/ einer verstehenden EmpfängerIn abhängt. Die Nachricht wird dabei sowohl vom Medium der Übermittlung (Buch, Fernsehen, Gespräch …) als auch besonders vom Vorverständnis des Senders/ der Senderin und des Empfängers/der Empfängerin beeinflusst und verändert. Ebenfalls spielt es eine wichtige Rolle, ob jemand einen Text mit positiver Grundeinstellung oder grundsätzlich ablehnend auslegt. Was verstanden bzw. gedeutet werden soll, ist zunächst fremd und muss erst im Verstehens- bzw. Deutungsakt angeeignet werden. Im „hermeneutischen Zirkel“ wird das Vorverständnis des Auslegers/der Auslegerin durch den neuen Inhalt erweitert und wird zu einer größeren Erkenntnis. Dieser erweiterte Kenntnisstand bildet die Ausgangslage für weitere Verstehensprozesse (vgl. Rupp/Reinert 2012).

Wenn schon im Bereich unserer eigenen Sprache und Kultur nach etwas mehr als 200 Jahren Worte so anders verstanden werden, wie ist das erst bei fremden und weit zurückliegenden Kulturen? Hier versucht die Bibelwissenschaft, Brücken zu bauen und Verstehenshilfen zu geben. Mit der „historisch-kritischen Methode“ wird ein biblischer Text auf sprachlicher Ebene untersucht (Brüche, literarische Form: Brief, Gebet, Erzählung …) und bezüglich seiner Überlieferungsgeschichte analysiert (Sitz im Leben: völlig andere Lebensumstände in biblischer Zeit, Redaktionsgeschichte, Frage nach der Wirkung, die ein Text entfaltet hat, wie z. B. „Macht euch die Erde untertan“)

(vgl. Kursbuch Religion Oberstufe 2012)

Beispiel:

Üben des hermeneutischen Zirkels:

 Lies den Text Gen 1,1–2,4b durch und notiere (am besten in zwei Spalten): Was habe ich verstanden, was habe ich nicht verstanden?

 Lies anschließend den Text „Traum vom Ende der Schöpfung“ durch. Überprüfe, ob zu den vorhin notierten Stichworten nun neue/andere Erkenntnisse kommen und schreibe diese auf.

unter der Rubrik „Aus dem Methodenlabor“ werden methodische Zugänge vorgestellt, die im Zusammenhang mit einer der thematischen Schwerpunktsetzungen des Heftes stehen – diesmal mit den Fragen rund um den Anfang der Welt. diese aufgezeigten Grundlagen und Beispiele können in einem Methodenportfolio von SchülerInnen gesammelt werden.

„Stellen wir uns vor, wir hätten beim Aussortieren einiger Dinge für den Flohmarkt einen ca. 200 Jahre alten Familienbrief gefunden, in dem folgende Aussage über eine Vorfahrin steht: ,Sie war ein gemeines, niederträchtiges Frauenzimmer.‘ Welche Vorstellung hätten wir von dieser Verwandten unserer Vorfahren?“ Der Literaturwissenschaftler Walter Jens (1923–2013) hat an diesem Beispiel gezeigt, wie sich die Bedeutung von Begriffen ändert: Um 1760 bedeutete ein „gemeines, niederträchtiges Frauenzimmer“ eine „unverheiratete Dame, die geselligen Umgang mit niedrigeren sozialen Gesellschaftsschichten pflegte“

(vgl. Kursbuch Religion Oberstufe 2012, 32).

 Stellt euch in Kleingruppen die Ergebnisse gegenseitig vor und vergleicht eure Erkenntnisse anschließend in der gesamten Klasse. monika.prettenthaler@reliplus.at

Quellen

 Berg, Sigrid/Berg, Horst Klaus: Und siehe, es war sehr gut. Schöpfung und Weltverantwortung, München: Kösel 1988 (Biblische Texte verfremdet 9).

 Busekist, Annika v.: Texte verstehen – aus Texten lernen, in: Baumann, Ulrike (Hg.): Religionsmethodik. Handbuch für die Sekundarstufe I und II, Berlin: Cornelsen Skriptor 2007, 223–237.

 Karner, Inge, in: Berg, Sigrid/Berg, Horst Klaus: Schöpfung und Weltverantwortung, München: Kösel 1988 (Biblische Texte verfremdet 9), 24f.

 Rupp, Hartmut/Reinert, Andreas: Kursbuch Religion Oberstufe, Stuttgart: Calwer 72012.

 Rupp, Hartmut/Reinert, Andreas: Kursbuch Religion Oberstufe. Lehrermaterialien, Stuttgart: Calwer 22007.

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Grafik: Peter Kandlbauer Der hermeneutische Zirkel
09-10|2013
Verstehenshorizont 2 Verstehenshorizont 1 Bedeutungshorizont 2. Stadium Hermeneutische Erfahrung (Sinnerweiterung) 1. Stadium Hermeneutischer Entwurf (Vorverständnis)
Text HermeneutIn       VERSTEHEN und INTERPRETIEREN
Methodenlabor
3. Stadium Verbesserter Entwurf HörerIn
Aus dem

Traum vom Ende der Schöpfung

Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Aber erst nach vielen Jahrmillionen hatten die Menschen endlich den Auftrag Gottes begriffen:

„Macht euch die Erde untertan“ bedeutet, die Erde zu nützen und zu schützen! Und sie begannen, immer mehr das zu werden, wozu sie Gott von Anfang an geschaffen hatte: sein Ebenbild. Und so begannen die letzten sieben Jahre der Erde. Am ersten Tag des ersten Jahres wurde der Weltfrieden geschaffen. Denn die Menschen beschlossen, kein Geld mehr für Krieg und Vernichtungswaffen auszugeben. Es gab einen vollkommenen Rüstungsstopp auf der ganzen Erde. Und die Vernichtungswaffen wurden vernichtet.

Am ersten Tag des zweiten Jahres wurde die Natur wie zum zweiten Mal geschaffen. Die Menschen begannen nämlich mit dem Bau der letzten Kläranlagen. Die Umwelt wurde nicht mehr vergiftet. Flüsse und Meere waren befreit von Müll und Chemikalien. Fische und Meerestiere tummelten sich wieder im Wasser, ein jedes nach seiner Art.

Am ersten Tag des dritten Jahres war es endlich auch eine Lust, in der Stadt zu leben. Denn die Menschen hatten das Problem der Luftverschmutzung gelöst. Bleiwolken und CO2-Dämpfe verschwanden. Und über der Stadt ging strahlend die Sonne auf.

Übungsvarianten:

 Verfremdungstext (für Klassen, die den Text von Gen 1 gut kennen und deren Kreativität eher durch Irritation herausgefordert wird): L. Hirsch: Im Anfang (www.ludwighirsch.at)

 Historisch-kritische Analyse des Textes von Gen 1: Hinweis auf zeitliche und situative Einordnung (6. Jh. v. Chr., Babylon, Exil) – existentielle Verunsicherung braucht Vergewisserung: Welt ist geordnetes Ganzes und (sehr) gut. Der Text kann als hymnische Vision gelesen werden, in der sowohl Ursprung als auch das von Gott grundgelegte Ziel der Welt sichtbar werden.

die Struktur von Genesis 1,1–2,43

Zeit 1. Tag: Tag/Nacht

Lebensraum

Zeit

Tag: Himmel/Erde 3. Tag: Land/Meer

Tag: Tage/Monate/Jahr

Lebewesen 5. Tag: Tiere im Wasser/in der Luft 6. Tag: Tiere auf dem Land/ 6. Mensch als Frau und Mann

Zeit 7. Tag: Woche/Segen und Ruhe

Am ersten Tag des vierten Jahres gab es wieder natürliches Leben in der Stadt: Pflanzen und Tiere. Denn die Menschen hatten die letzte Grünanlage fertiggestellt. Kein Wohnviertel ohne Blumen und Bäume, und die Menschen wurden von Vogelgezwitscher geweckt. Und um die Städte wurden ganze Gürtel von Wiesen und Wäldern angelegt. Niemand mehr musste aus der Stadt flüchten.

Am ersten Tag des fünften Jahres war es den ÄrztInnen endlich gelungen, die letzte Krankheit zu besiegen. Das Durchschnittsalter war 120 Jahre geworden, und die Menschen konnten in körperlicher und geistiger Frische ihre Lebensaufgabe erfüllen.

Am ersten Tag des sechsten Jahres wurde die Sorge um die Seele als öffentliche Aufgabe anerkannt. Denn die Menschen verstanden, dass der Mensch ohne Zuneigung und Freundschaft anderer Menschen nicht leben kann. Von nun an galt für sie: Erst wenn wir für andere da sind, leben wir richtig! Und so verschwanden die Hungersnöte, die soziale Ungerechtigkeit und die politische Unterdrückung, der Rassismus; jeder wusste nun, dass die Liebe die Grundlage der menschlichen Gesellschaft ist.

Am ersten Tag des siebenten Jahres war endlich Gottes Schöpfung vollendet. Und die Menschen ruhten aus von all dem, was sie im Auftrag Gottes getan hatten. Und Gott wohnte mitten unter den Menschen … (nach Inge Karner)

... Jeder wusste nun, dass die Liebe die Grundlage der menschlichen Gesellschaft ist. Inge Karner

 Strukturieren des Textes mit Überschriften.

 Übersetzungsvergleich (z. B. Einheitsübersetzung/Bibel in gerechter Sprache/Elberfelder Bibel; oder verschiedene Sprachen, z. B.: www. bibleserver.com).

 Erschließung von biblischen Erzähltexten durch Leitfragen:

1. Erzählfiguren und deren Handlungen: Welche Figuren kommen vor und was tun diese? Wer handelt (wie an wem), wer nicht? Wer spricht (was zu wem), wer nicht? Wer hat (k)einen Namen? Was bedeutet dieser Name?

2. Zeit: Welche Zeiträume werden angesprochen? Welche sind zu erkennen?

3. Räume und Bewegungen: Welche Räume und Ortsangaben kommen im Text vor und was verbindest du mit ihnen? Wer bewegt sich wohin?

4. Leitwörter: Welche Wörter werden häufig verwendet – und haben damit Leitwortcharakter?

5. Titel und Themen: Welche Überschrift würdest du diesem Textstück geben? Welche Themen wirft es auf?

 Verfassen von Tagebucheinträgen, Briefen von einer biblischen Figur; Beschreibung einer Begegnung mit einer biblischen Figur in der Gegenwart im Zug, im Café …; Schreiben eines Nachrufes oder einer Grabrede auf eine biblische Figur als Gesamtwürdigung.

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2.
4.
VERSTEHEN und INTERPRETIEREN

ARBEIT MIT LITERATuR IM Ru

Der Einsatz von literarischen Werken im Religionsunterricht eröffnet ein breites Möglichkeitsspektrum: SchülerInnen erweitern ihren Erfahrungshorizont und werden für verschiedene Sprachformen sensibilisiert. Literatur erschließt andere Wirklichkeiten und deutet neue Möglichkeiten für den Umgang damit an.

„Literatur ist kein theologisches Lehrsystem, sie ist nicht konfessions- oder kirchenkonform, aber sie zeigt Menschen, die sich religiös äußern, die Fragen stellen, die auch die Fragen der SchülerInnen sind, die um den Sinn, das Ziel ihres Lebens und ihres Glaubens ringen, als Suchende, Leidende, aber auch als Hoffende. Das fordert zu Fragen und Antworten heraus – aus der Perspektive der in der Narration belebten Figuren, aber auch aus der eigenen realen.“

(Zimmermann, 2012, 12)

Inhaltlich bietet sich daher im Religionsunterricht die Arbeit mit drei unterschiedlichen Texttypen an, die nicht immer trennscharf unterscheidbar sind:

 Texte mit ethisch-existenziellen Themen bzw. Charakter stellen verschiedene menschliche Erfahrungsrealitäten vor und provozieren Stellungnahmen aus christlicher … Perspektive.

 Werke, in denen eine religiöse Komponente mitschwingt bzw. eine transzendental-religiöse Dimension anklingt, eignen sich für eine detaillierte Weiterarbeit im Religionsunterricht.

 Bücher mit einem direkten Bezug zur jüdischchristlichen Botschaft bzw. zu anderen Religionen.

Die Auswahl von Beispielen, die im Religionsunterricht eingesetzt werden, ist natürlich subjektiv und vom persönlichen „Geschmack“ des/der LehrerIn geprägt. Trotzdem ist es notwendig, einige Auswahlkriterien zu berücksichtigen:

 Literarästhetische Aspekte (Sprachstil, Umgang mit Klischees, Grundstimmung, Gesamtkomposition …)

 Qualität bildhafter Elemente

 Authentizität der Darstellungen

 Plausibilität von Lösungs- und Bewältigungsstrategien

 Offenheit hinsichtlich religiöser und/oder christlicher Werte

 Möglichkeit, mit Themen des Religionsunterrichts anschließen zu können (vgl. Zimmermann, 2012, 20).

Grundsätzlich geht es beim Erschließen von literarischen Werken um die Fähigkeit zur Entschlüsselung der Informationen des Textes. Tatsächliches Verstehen wird erst dann möglich, wenn es gelingt, den Inhalt des Textes zur eigenen (Vorstellungs-)Welt in Beziehung zu setzen: Entweder wird diese ergänzt oder bestätigt, indem Neues in bisheriges Wissen, in bisherige Sichtweisen integriert wird, oder es entsteht ein Widerspruch zum bisherigen Wissen, zu bisherigen Einstellungen.

Auf affektiver Ebene werden verschiedene Möglichkeiten der Textrezeption unterschieden:

 Substitution: In der Vorstellungswelt vom / von der LeserIn tritt eine Erzählfigur an die Stelle einer realen Person – „lebt“ mit dem/der LeserIn.

 Spiegelung: Eigenes Erleben wird in einer literarischen Figur wiedererkannt, neu durchlebt und vielleicht bearbeitet.

 Antizipation: Möglichkeiten des eigenen Lebens werden in der literarischen Gestalt und in der Handlung der Erzählung durchlebt.

 Übertragung – Gegenübertragung: Im Text trifft der/die LeserIn auf Konstellationen, Personen, Szenen, Bilder, … die (unbewusste) Erinnerungen und Verhaltensmuster in ihm/ihr wachrufen, emotional besetzte innere Bilder werden übertragen; der Text wird zum Dialogpartner, zum Gegenspieler.

Die Frage, welche Rolle der Text im Unterrichtsprozess einnimmt (Einführung, Problemerschließung, Wiederholung, Vertiefung, Ergebnissicherung, Impuls, Meditation …), wirkt sich auf die Entscheidung aus, ob im Unterricht mit Ausschnitten aus Büchern und/oder einzelnen Bildern oder mit Ganzschriften gearbeitet wird.

Ideen zur Arbeit mit Kinder- (und Jugend-) Literatur

Das Verstehen eines Textes ist ein fortlaufender Prozess:

 Erstbegegnung mit/ohne Leitfragen – durch stilles Lesen, Vorlesen oder Nacherzählen.

 Bei Bilderbüchern liegt ein Einstieg über Bilder nahe.

 Strukturskizzen anfertigen (Anfang, Schluss, Höhepunkt, Gelenkstellen …).

 Fragen zur Textanalyse (Motive, Themen, Sprechakte, Vergleich mit anderen Texten …).

 Wichtige/bedeutsame Textstellen markieren: z. B. Was regt mich an, weiterzudenken, zu fragen …? Was regt mich auf?

 Schlüsselbegriffe hervorheben und im SchülerInnenheft, auf der Tafel ... sammeln.

 Text gliedern (z. B. durch Zwischenüberschriften).

 Personen (mit je einer eigenen Farbe) unterstreichen, ev. Grafik mit Figurenkonstellationen, Standbilder.

 Finden von eigenen Fragen zu Texten.

 Formulieren von Gedanken/Ergänzungen/ Sichtweisen zu bestimmten Textabschnitten.

 Weiterschreiben an „Wendepunkten“ des Textes.

40 methodenlabor reli+plus
11–12|2016 VERSTEHEN und INTERPRETIEREN
dem Methodenlabor
Aus

 Auseinandersetzung mit wesentlichen Informationen zum Buch: Kontext, Werksgeschichte, Biografie des Autors/der Autorin, Titel, Covergestaltung, ev. Illustrationen, etc.

 Auseinandersetzung mit dem Werk auf der Metaebene: Fragen der Literaturkritik, Vergleich von verschieden Werken zu einem Thema … Hier kann eine Kooperation mit dem Deutschunterricht spannend und bereichernd sein. Eine ausführliche Literaturliste zum Thema „Flucht und Migration“ ist auf www.reliplus.at zu finden.

Zwei praktische Beispiele

Für jüngere SchülerInnen: Janisch, Heinz/Heiskel, Brigitta: Der rote Mantel – Die Geschichte vom heiligen Martin, Innsbruck: Tyrolia 2015.

Inhalt: Mit dem heiligen Martin verbinden Menschen, die seine Biografie kennen, Hilfsbereitschaft, Mitgefühl, Empathie und die radikale Bereitschaft zu teilen.

Aktuell sind Millionen von Menschen auf der Flucht und hoffen, dass sie Schutz gewährt bekommen. HelferInnen engagieren sich in der Begleitung von Flüchtlingen. Von einem dieser Menschen, einer „freundlichen Frau“, wird im Buch von Heinz Janisch, das Brigitta Heiskel einfach und ausdrucksstark gestaltet hat, erzählt. In einer Notunterkunft, in der Amir mit seinem Vater nach einer langen Flucht untergekommen ist, bietet ihm diese Frau eine warme Suppe an. Amir erzählt ihr von einem Mann, der ihm die Hälfte seiner roten Decke geschenkt hat.

Diese rote Decke verpackt Heinz Janisch in eine Geschichte, welche die Frau zu erzählen beginnt, die Amirs Sprache spricht, um die alte Geschichte des hl. Martin ins Heute zu übersetzen.

Anregungen zur Arbeit mit dem Bilderbuch – Spiel mit den Wörtern – Wörterdecke: Nach dem Vorstellen des Bilderbuches können rote quadratische Papiere ausgeteilt werden mit folgenden Arbeitsaufträgen:

 Eine Gruppe sammelt bedeutsame Wörter, die zur Geschichte des hl. Martin gehören.

 Eine Gruppe sammelt bedeutsame Wörter, die zur Geschichte von Amir gehören.

 Aus der Wörtersammlung kann eine Papierdecke gestaltet werden.

Alternativen zur Weiterarbeit: Wörterdecke zum Thema „Flucht“/zum Thema „Lebensveränderung – Lebenswende“/zum Thema „Bräuche rund um den hl. Martin“ ... – damals und heute

 Zwei große Papiere/Plakate oder zwei Heftseiten für zwei Themen: Orte der Armut und Orte des Teilens. Die Orte werden mit je einer ausgewählten Fingerfarbe und den Fingern als Malwerkzeug gestaltet.

 Orte der Armut/des Krieges/des Kampfes/der Zerstörung – damals und heute: Welche Fragen gehen mir da durch den Kopf?

 Orte des Teilens/Verschenkens – damals und heute. Mäntel/Decken/Häuser/Essen ... werden geteilt – damals und heute: Welche TeilenGeschichten, Geschichten der Großzügigkeit, Geschichten des Herschenkens sind großartig und erzählenswert, verändern die Welt zum Guten?

Für ältere SchülerInnen: Geda, Fabio: Im Meer schwimmen Krokodile. Eine wahre Geschichte, München: Random House 2012.

Inhalt: „Drei Dinge darfst du nie im Leben tun, Enaiat, aus keinem Grund: Erstens, Drogen nehmen. Zweitens, zu den Waffen greifen. … Drittens, stehlen.“ Mit diesen Worten verlässt die Mutter ihr ca. 10-jähriges Kind. Weil die Familie in Afghanistan verfolgt wird, hat sie Enaiat nach Pakistan gebracht. Er nimmt sich die Worte der Mutter zu Herzen: Enaiat beschließt, seine Chance zu nutzen: Nachdem er eine Weile in Pakistan gearbeitet hat, beginnt er eine abenteuerliche Reise nach Europa, die fünf Jahre dauert: Vom Iran über die Türkei und Griechenland gelangt er schließlich nach Italien. Das nötige Geld verdient er sich durch harte Arbeit, liefert sich Schleppern aus, wird oft ausgenutzt, gerät in gefährliche Situationen, erlebt immer wieder Rückschläge und Enttäuschungen. Aber er erfährt auch viel Hilfe und menschliche Zuwendung, hat oft Glück und vergisst nie die Versprechen, die er seiner Mutter gegeben hat. Vor allem verliert er nie den Glauben an die eigene Kraft und das Gute im Menschen.

Anregungen zur Arbeit mit dem Buch

 Personen charakterisieren: Enaiats Eigenschaften bündeln (oder auch die anderer Personen), Äußeres (Erscheinung, Kleidung, Körperhaltung(en) …) und Inneres (Gedanken, Gefühle, Stimmungen, Pläne, Absichten …).

 Enaiats Entwicklung: Veränderungen nachzeichnen.

 Beziehungsskizzen erstellen: Auf welche Personen trifft Enaiat, in welchem Verhältnis steht er zu ihnen? 

Quellen und Literaturtipps

 Busekist, Annika v.: Texte verstehen – aus Texten lernen, in: Baumann, Ulrike et al. (Hg.): Religionsmethodik. Handbuch für die Sekundarstufe I und II, Berlin: Cornelsen 52011, 223–237.

 Langenhorst, Georg (Hg.): Gestatten: Gott! Religion in der Kinder- und Jugendliteratur der Gegenwart, München: St. Michaelsbund 2011.

 RelliS. Zeitschrift für den katholischen Religionsunterricht, 3 (2014) 13: Themenheft: Ganzschriften.

 Tomberg, Markus (Hg.): Alle wichtigen Bücher handeln von Gott. Religiöse Spuren in aktueller Kinder- und Jugendliteratur, Würzburg: Echter 2016.

 www.religion-im-kinderbuch.de

 Zimmermann, Miriam: Ganzschriften, Kinder- und Jugendliteratur, in: WiReLex, Februar 2016, abrufbar unter: www.bibelwissenschaft.de/stichwort/100132/

 Zimmermann, Mirjam: Literatur für den Religionsunterricht. Kinder- und Jugendbücher für die Primar- und Sekundarstufe, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2012.

Ein Buch ist ein Spiegel, das uns das, was wir schon in unseren Gedanken mittragen, anbietet, wenn wir lesen, lesen wir mit unseren Herzen.

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Carlos Ruiz Zafón
11–12|2016 VERSTEHEN und INTERPRETIEREN

MIT KART(EI)EN LERNEN

Ein Kennzeichen eines „nachhaltigen“ Unterrichts ist ein vielfältiges Angebot an didaktischen Arrangements, die sich u. a. durch Fremd- bzw. Selbststeuerung unterscheiden. Lernkart(ei)en können in klassischen, vor allem aber auch in offenen Lernformen zur Aneignung von Wissen bzw. zur Festigung von Lerninhalten eingesetzt werden.

Monika Prettenthaler

Andrea Scheer

Herbert Stiegler

das Konzept des Lernens mit einer Lernkartei wurde in den 1980er Jahren von Sebastian Leitner entwickelt. Ihm ging es darum, ein Hilfsmittel zu entwickeln, mit dem SchülerInnen im Unterricht selbstständig(er) lernen können (vgl. Peterßen 2001, 178).

Wie wird eine Lernkartei erstellt und verwendet?

Obwohl es mittlerweile für verschiedene Unterrichtsgegenstände fertige Lernkarteien im Handel gibt, haben selbst erstellte Lernkarteien einen klaren Mehrwert: Sie können exakt für den persönlich geforderten und definierten Lernbereich erstellt werden, und darüber hinaus ist die Gestaltung selbst ein erster und wichtiger Lernschritt.

In einem Karteikasten (oder auch mehreren kleineren Einzelkästchen) werden in fünf Einzelabteilungen Karten eingeordnet. Auf die Vorderseite jeder Karte wird eine Frage und auf die Rückseite die jeweilige Antwort geschrieben.

Eine andere Möglichkeit ist, dass auf die Vorderseite ein Begriff, eine Aufgabe notiert wird und sich auf der Rückseite die entsprechende Erklärung oder Lösung findet.

Bei der ersten Wiederholung geht es darum, die Karten, die zu Beginn alle im ersten Fach liegen, in eine richtige Zu- und Einordnung zu bringen: Karten, die richtig beantwortet bzw. gelöst werden, kommen in das zweite Fach. Ist die Antwort aber falsch, bleibt die Karte im ersten Fach. Bei der nächsten Wiederholung wird – unter Benützung der weiteren Fächer – entsprechend fortgesetzt.

Eingesetzt werden kann die Lernkartei in verschiedenen Unterrichts- und Sozialformen. Ein Vorteil der Methode liegt in der Förderung langfristigen Behaltens von Wissensbeständen. Weiters bekommen SchülerInnen, die diese Lernform nutzen, auch ein gutes Gespür dafür, was sicher gewusst wird, da im Lern- und Wiederholungsprozess verstärkt auf jene Karteikarten zurückgegriffen werden kann, deren Inhalte noch nicht gefestigt sind.

Zudem kann die Effizienz der Lern- und Wiederholungsmethode gesteigert werden, indem mit mehreren Sinnen gelernt wird – d. h. die Vorder- und Rückseite wird nicht nur angesehen, sondern die Begriffe/Aufgaben bzw. die Erklärungen/Lösungen werden auch laut ausgesprochen.

Die Herausforderung der Methode besteht darin, dass sie regelmäßig und konsequent angewandt werden muss, um wirklich langfristigen Lernerfolg zu erreichen.

Lernkart(ei)en für das Fach Religion

In Religion kann die „traditionelle“ Lernkartei beispielsweise dafür eingesetzt werden, um sich Fachtermini, Begriffsdefinitionen, konkrete Daten, Thesen … über einen längeren Lern- und Wiederholungsprozess hinweg anzueignen und dieses (Fakten-)Wissen dauerhaft behalten und reproduzieren zu können.

Über eine Lernkartei und den damit in dem Blick genommenen Bereich des reproduzierbaren Wissens hinausgehend, können Karten auch mit verbalen Impulsen, Aufgaben, Bildern oder Fotos versehen werden und dadurch zum Vergleichen, (Weiter-)Entwickeln eigener Positionen … anregen.

Lernkarten spielen auch in offenen bzw. reformpädagogischen Unterrichtsformen eine wichtige Rolle. In solchen Settings wird einer vorbereiteten Umgebung ein hoher Stellenwert eingeräumt, welche freie, selbstgewählte Lernaktivitäten von SchülerInnen ermöglicht:

„Im Zentrum der Freiarbeit im Sinne Montessoris steht auf allen Bildungsstufen der Anspruch, dem Kind mit Hilfe besonderer didaktischer Materialien ein konzentriertes selbstbildendes Tun in Freiheit zu ermöglichen und ihm einen Schlüssel zur Welt zu reichen“ (Klein-Landeck 2001, 110).

Die Verwendung einer Lernkartei. www.pc-lernkartei.ch/jpg

Lernkarten sollten – wie alle anderen Materialien – im Sinne dieses pädagogischen Konzeptes

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Karte gewusst Karte nicht gewusst –+ –+ + + + + 09–10|2017 VERSTEHEN und INTERPRETIEREN Aus dem Methodenlabor

folgenden Kriterien entsprechen (vgl. Klein-Landeck/Pütz 2011, 83–86):

 Isolierung einer Eigenschaft im Material: In jedem Materialangebot ist ein Merkmal/eine Aufgabenstellung ... zu finden (z. B. Name der Religion, Gebetsort, Bezeichnung der Mitglieder).

 Begrenzung: Im Klassenzimmer steht das Materialangebot in Form eines Exemplars zur Verfügung. Durch diese Begrenzung tun sich weitere Lernchancen für die SchülerInnen auf (z. B. Einüben in Geduld, das Finden von Ideen, wie mit anderen Lernenden kooperiert werden kann).

 Materialbeschaffenheit: Ästhetik, Haltbarkeit und Nachhaltigkeit. Qualitätsvolle ästhetische Materialgestaltung durch Form, Farbe, Bildauswahl.

 Aktivität: Förderung individueller Lernstrategien und eines problemlösenden Denkens durch Beteiligung vieler Sinne – Hand > Begreifbarkeit.

 Fehlerkontrolle: Bei der Konzeption des Materials soll eine Möglichkeit der Selbstkontrolle mitbedacht werden, damit die Selbstständigkeit der SchülerInnen gefördert wird und der Fehler nicht als Bedrohung erlebt wird.

 Entsprechend dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand konzipiert.

Beispiel für die Gestaltung einer Kartei

 Lernkartei zum christlichen Glauben

Bildkarten mit Fotos / grafischen Elementen (Ästhetik!) / von SchülerInnen eingebrachte

Gestaltungselemente (entsprechendes Format wählen, z. B. DIN-A5).

Bezeichnungen (Kirche/Trinität/Sakrament/…)

– Begriffe, die im Unterricht erarbeitet werden / wurden.

Erweiterungsmöglichkeit durch die Einplanung von Binnendifferenzierung: informie-

Quellen, Literatur- und Internettipps

 Klein-Landeck, Michael: Gute Arbeitsmittel – Kriterien zur Beurteilung geeigneter Lernmaterialien für die Montessori-Freiarbeit, in: Montessori. Zeitschrift für Montessori-Pädagogik 39 (2001) 110–119.

 Klein-Landeck, Michael/Pütz, Tanja: Montessori-Pädagogik. Einführung in Theorie und Praxis, Freiburg: Herder 2011.

 Leitner, Sebastian: So lernt man lernen, Freiburg: Herder 2000.

 Oberthür, Rainer: Die Symbol-Kartei. 88 Symbol- und Erzählbilder für Religionsunterricht und Gruppenarbeit. Illustration: Mascha Greune, München: Kösel 2012, Leseprobe abrufbar unter: www.randomhouse.de/leseprobe/Die-Symbol-Kartei88-Symbol-und-Erzaehlbilder-fuer-Religionsunterrichtund-Gruppenarbeit/leseprobe_9783466370429.pdf

 Peterßen, Wilhelm H.: Kleines Methoden-Lexikon, München: Oldenburg 22001, 178–180.

 rpi virtuell: Die überkonfessionelle Plattform für Religionspädagogik und Religionsunterricht, abrufbar unter: www.rpi-virtuell.net (Hier findet sich z. B. eine Lernkartei zu „Tod und Leben im Islam“.)

rende Texte in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Diesbezüglich kann ab der 1. Schulstufe weiterentwickelt werden. – Einführung des Kartenmaterials: ReligionslehrerIn führt erste Bildkarten/Begriffe ein, die nach und nach ergänzt werden können. SchülerInnen treffen eine Auswahl, z. B. nach dem Bekanntheitsgrad.

In der gleichen Struktur können Lernkarteien zu anderen Religionen und Themen angeboten werden – insgesamt folgen sie dem Prinzip, dass dabei das „große Ganze“ immer im Blick bleibt.

Ausgewählte Tipps für Bildkart(ei)en: Bilder und bildhafte Darstellungen können Worte ergänzen und erweitern. Bildkarteien dienen als Impulsgeber zum Erzählen, Schreiben, Reflektieren oder Diskutieren, als Informationskarten oder meditatives Element.

 80 Bild-Impulse: Weltreligionen

Schulstufen 3 bis 12, Format A5 –quer, 80 farbige Bildkarten mit 24 S. Begleitheft. Verlag an der Ruhr.

www.verlagruhr.de/80-bild-impulse-weltreligionen. html

Nach Kategorien geordnete Fotos zu Christentum, Judentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus: Wichtige Figuren (Gründer, Gottesvorstellungen, VertreterInnen), heilige Orte, Symbole, Bräuche, Schriften und Gegenstände. Die Kartenrückseite informiert über wichtige Hintergründe. Das Begleitheft bietet didaktische und methodische Anregungen.

 Bildkarten Symbole der Weltreligionen

Schulstufen: 1 bis 4, Format: 9,0 x 13,0, 30 Karten, beidseitig bedruckt, farbig illustriert, inkl. 24-seitigem Begleitheft, Don Bosco

Diese Bilderkartei erläutert den Bedeutungsgehalt der zentralen Symbole der Weltreligionen Hinduismus, Buddhismus, Judentum, Christentum und Islam. Die Vorderseiten zeigen ein Symbol, die Rückseiten beschreiben dessen Bedeutung. Das Begleitheft fasst die Grundzüge der Religionen zusammen und zeigt Einsatzmöglichkeiten der Karten.

die Vorbereitung der umgebung und die Vorbereitung des Lehrers/der Lehrerin sind das praktische Fundament unserer Erziehung.

Nach Maria Montessori

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 09–10|2017 VERSTEHEN und INTERPRETIEREN

BIBEL & LEICHTE SPRACHE

Projekte wie das „Evangelium in Leichter Sprache“ haben zum Ziel, Menschen mit geringer Lern- und/oder Lesekompetenz, aber auch von Demenz betroffenen Menschen ein besseres Verstehen religiöser sowie besonders biblischer Texte zu ermöglichen. Das bereichert – nicht nur – einen inklusiven bzw. diversitätssensiblen Religionsunterricht.

Monika Prettenthaler

Andrea Scheer

Leichte Sprache ist eine einfach zu verstehende Sprache. Man kann sie sprechen und schreiben. Sie trägt dazu bei, dass möglichst viele Menschen – nicht nur, aber besonders auch jene mit Lernschwierigkeiten – „sich selbst als gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft vertreten und ihr Leben selbstbestimmt gestalten können. Sie möchten wie alle anderen Menschen verstehen, worum es geht. Es soll nicht über sie, sondern mit ihnen gesprochen und entschieden werden“ (Dworski 2017, 253). Dieser Grundansatz, auf dem die hier vorgestellten Projekte zur Leichten Sprache beruhen, hat hohe Relevanz für jede Konzeption und Durchführung von Religionsunterricht, der sich subjektorientiert, diversitätssensibel und heterogenitätsfreundlich versteht. Nicht nur die Arbeit mit Bibeltexten in Leichter Sprache, sondern auch das Verfassen von eigenen Texten, die „Leichten-Sprache-Regeln“ entsprechen, eröffnet einen schülerInnengemäßen Zugang zur Textarbeit.

Die aus den USA stammende Grundidee für das Konzept der Leichten Sprache wurde vom Netzwerk „Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland“ übernommen, daraus entwickelte sich das Projekt „Leichte Sprache“

Ein Auszug aus einem Regelwerk mit rund 40 Hinweisen zum Verfassen und Gestalten von Texten in Leichter Sprache, das aus der heil- und sonderpädagogischen Arbeit entwickelt wurde, schlägt Folgendes vor (vgl. Wuckelt 2018, 108):

 Benutzen Sie einfache Wörter.

 Schreiben Sie keine Abkürzungen.

 Vermeiden Sie Redewendungen.

 Vermeiden Sie hohe Zahlen.

 Schreiben Sie kurze Sätze.

 Schreiben Sie alles zusammen, was zusammengehört.

 Lassen Sie genug Abstand zwischen den Zeilen.

 Machen Sie viele Absätze und Überschriften.

 Benutzen Sie Bilder.

 Und die wichtigste Regel ist: Lassen Sie den Text immer überprüfen – am besten von Menschen mit Lern-Schwierigkeiten.

Im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur finden sich zunehmend mehr Publikationen in Leichter Sprache; auch Adventkalender, Kochbücher, Stadt-, Museums- und Kirchenführer wer-

den in Leichter Sprache verfasst. Oft ist auf diesen Publikationen das Erkennungszeichen für Leichte Sprache sichtbar.

Leichte Sprache und Religionsunterricht

Wenn sich religiöse Sprache in Texten und im Sprechen sehr stark von der Alltagssprache der SchülerInnen unterscheidet und zu einer Fremdsprache wird, dann braucht es Übersetzungsversuche von Lehrpersonen; an diesem Punkt können leicht nachvollziehbare Texte in Leichter bzw. Einfacher Sprache eine Orientierungshilfe werden.

Schon 2011 hat Stefan Altmeyer seine Untersuchung zu Sprache im Kontext religiöser Bildung veröffentlicht und ein entsprechendes didaktisches Konzept entwickelt. SchülerInnen sollen religiöse Sprache, die oft eine „schwere Sprache“ oder eine „Fremdsprache“ darstellt, in eine für sie leicht verständliche Sprache übertragen. „Sie selbst versuchen, Begriffe wie zum Beispiel Nächstenliebe, Auferstehung, Gebet, Gewissen etc. so verständlich wie möglich und in ihren eigenen Worten zu erklären.“ (Kraft/Altmeyer 2017, 282)

Malin, 9 Jahre, übersetzt den Begriff „Jünger“ z. B. folgendermaßen: „Jünger sind christliche Leute, die an Gott glauben. Deshalb begleiten sie Gottes Sohn. Sie sind Freunde von Jesus, begleiten ihn und helfen ihm auch. Und sie erzählen anderen Menschen die Geschichten von Jesus weiter. Und wir sind eigentlich auch Jünger Jesu.“ (Kraft/Altmeyer 2017, 281)

Didaktische Hinweise zu diesem Ansatz werden unter Beispiele für die Praxis gegeben.

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Piktogramm, Leichte Sprache.
Aus dem Methodenlabor

Evangelium in Leichter Sprache

Seit ungefähr fünf Jahren arbeiten das Katholische Bildungswerk in Stuttgart und die Akademie Caritas-Pirckheimer-Haus (CPH) in Nürnberg im Projekt „Evangelium in Leichter Sprache“ zusammen. Ausgangpunkt dafür war ein Problem, das alle kennen, die einen Gottesdienst besuchen: Die vorgelesenen Bibeltexte sind zwar von der gesprochenen Sprache her verständlich, sie bedürfen aber immer auch einer Auslegung. Wenn es eine solche nicht gibt, können die Texte nicht wirklich bei den HörerInnen (und LeserInnen) ankommen. Bei Menschen, die von vornherein Verständnisschwierigkeiten haben, z. B. SchülerInnen mit Lernschwierigkeiten, verschärft sich dieses Problem. Im besten Fall fragen sie nach –oder sie schalten einfach ab. Sr. M. Paulis Mels, eine Thuiner Franziskanerin, ist in ihrer Arbeit mit behinderten Menschen in Nürnberg das Problem, dass biblische Texte „nicht barrierefrei“ sind, konkret angegangen und hat begonnen, die Texte der Evangelien Woche für Woche in Leichte Sprache zu übertragen (vgl. Bauer/Ettl 2017, 263).

Mittlerweile hat sich daraus das Projekt entwickelt und die Texte von Sr. Paulis werden sowohl von Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen und von TheologInnen mehrfach bezüglich ihrer sprachlichen und theologischen Qualität geprüft, bevor sie zusammen mit dem Text der Einheitsübersetzung auf die Webseite www.evangelium-in-leichter-sprache gestellt werden.

„Das Projekt ‚Evangelium in Leichter Sprache‘ zeigt, dass für jede Übersetzung der Bibel (im wörtlichen

Projekt BasisBibel

das Projekt „BasisBibel“ der Deutschen Bibelgesellschaft reagiert auf die Tatsache, dass durch das Internet das Leseverhalten deutlich verändert wird: „Man lässt beim Lesen öfter etwas aus, liest nur die interessantesten Passagen und macht mehr Lesepausen.“ (Franzmann, zitiert nach: Hartmann 2014, 42)

Die BasisBibel achtet daher auf eine leserInnenfreundliche Sprachstruktur, bemüht sich um eine lineare Informationsvermittlung und verwendet kurze Sätze. Sätze sind in der Regel nicht mit mehr als 16 Wörtern gebaut und setzen sich aus einem Hauptsatz und maximal einem Nebensatz zusammen. Ein klares Druckbild unterstützt ein leichtes und rasches Erfassen des Gesamten, die Sinneinheiten orientieren sich am natürlichen Sprachrhythmus des Gesprochenen (vgl. Hartmann 2014, 43). „Die Bibel ist ein wortreiches und seitenstarkes Buch. Daran ändert auch die BasisBibel zunächst nichts. Sie stellt sich jedoch auf die heutige Lesepraxis des eher schnellen und auf einen Ausschnitt fokussierten Lesens ein. Es gibt keine komplizierten Schachtelsätze

wie im übertragenen Sinn) der Blick auf die Zielgruppe entscheidend ist. Und dies nicht nur theoretisch, am Schreibtisch, sondern konkret, von Anfang an. Konsequenterweise sind unsere Texte deshalb auch nur Vorschläge. Wer sie verwendet, muss sie im Blick auf ihre bzw. seine konkrete Zielgruppe überprüfen und gegebenenfalls anpassen, denn: ‚Die Schrift wächst mit den Lesenden‘ (Gregor der Große). Und ein Letztes: Wir erfahren uns bei unserer Arbeit nicht nur als Verkündende und Übertragende, sondern zugleich als Empfangende und Lernende.“ (Bauer/Ett 2017, 266)

Das Projekt stellt neben den Evangelientexten der Sonntagsgottesdienste auch Bilder, Kommentare, Audio-Dateien und Videos in Gebärdensprache zur Verfügung und gibt wertvolle Anregungen für einen Religionsunterricht in (sprach-)heterogenen Klassen.

Bisher wurden folgende Textsammlungen publiziert, die das Anliegen der Leichten Sprache aufnahmen:

 Katholisches Bibelwerk e.V. (Hg.): Bibel in Leichter Sprache: Evangelien der Sonn- und Festtage im Lesejahr A, Stuttgart: Katholisches Bibelwerk 2016.

 Katholisches Bibelwerk e.V. (Hg.): Bibel in Leichter Sprache: Evangelien der Sonn- und Festtage im Lesejahr B, Stuttgart: Katholisches Bibelwerk 2017.

 Katholisches Bibelwerk e.V. (Hg.): Jesu hilft den Menschen: Bibel in Leichter Sprache, Stuttgart: Katholisches Bibelwerk 2018.

 Katholisches Bibelwerk e.V. (Hg.): Jesus begegnet den Menschen: Bibel in Leichter Sprache, Stuttgart: Katholisches Bibelwerk 2019.

und keine Sätze, in denen Hilfsverb und Verb durch lange Einschübe voneinander getrennt sind.“ (www.basisbibel.de)

Zusätzlich werden multimedial aufbereitete Erklärungen zur Verfügung gestellt (Lexikonartikel/Fotos/Sachzeichnungen/ Landkarten/Videoclips …).

Ein weiteres Merkmal, durch das sich jener Bibelübersetzungsversuch besonders von anderen abhebt, ist die Nähe zum Urtext. Das äußere Erscheinungsbild der BasisBibel ist von einer zeitgemäßen, klaren Ästhetik geprägt. Folgendes Material rund um die BasisBibel wurde im Verlag Deutsche Bibelgesellschaft publiziert – auch in zweisprachigen Ausgaben und unterschiedlicher Farbgestaltung: Postkartenkalender, Notizbücher, DVDs, Hörbücher, Großdruckausgaben …

BasisBibel. Das Neue Testament und die Psalmen. BasisBibel. Auslese.

BasisBibel. Das Lukasevangelium. BasisBibel. Das Lukasevangelium und ausgewählte Psalmen.

BasisBibel. Die Psalmen.

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03–04|2019 VERSTEHEN und INTERPRETIEREN

VERSTEHEN und INTERPRETIEREN

Beispiele aus der Praxis

Sag’s doch einfach! … In deinen eigenen Worten

Kern des Projektes „Sag’s doch einfach! … In deinen eigenen Worten“ sind eigene Regeln für die Gestaltung von Texten und die Arbeit an bzw. mit (Fach-)Begriffen, die sich grundsätzlich an der Leichten Sprache orientierten, aber für religiöse Lernprozesse didaktisch weiterentwickelt wurden (vgl. Kraft/ Altmeyer 2017, 282).

damit möglichst alle Menschen seine Botschaft vom bereits angebrochenen Reich Gottes verstehen können, wählt Jesus eine ‚zielgruppenorientierte‘ Sprache.

Dieter Bauer und Claudio Ettl

SAG’S dOCH EINFACH!-Regeln

 Sag’s in deinen eigenen Worten.

 Benutze deine eigenen Worte, um den Begriff zu erklären.

 Verwende dazu auch anschauliche Beispiele oder Vergleiche.

 Sammle Erfahrungen oder Erlebnisse, die helfen könnten, den Begriff zu verstehen.

 Sag’s mit verständlichen Worten.

 Verwende keine schwierigen Wörter (Fremd- oder Fachwörter). Wenn du sie verwenden musst: Erkläre sie.

 Benutze leicht verständliche Wörter, die allgemein bekannt sind.

Arbeiten mit einem Textvergleich

 Verwende bildliche Sprache (Metaphern) nur dann, wenn sie verständlich und nachvollziehbar ist.

 Achte auf einen klaren Textaufbau!

 Achte auf einen logischen Textaufbau: Man sollte dem Text leicht folgen können.

 Schreibe keine komplizierten Sätze.

 Schreibe kurze Sätze: Pro Satz nur einen „Gedanken“!

 Schreibe in jede Zeile nur einen Satz.

 Unterstreiche wichtige Dinge im Text.

 Mache Absätze und – wenn es passt – (Zwischen-)Überschriften

Eine Möglichkeit, SchülerInnen das Verständnis von biblischen Texten zu erleichtern, stellt auch der Vergleich von verschiedenen Übersetzungen bzw. Übertragungen dar. Nachfolgend wird ein Text aus einer Textversion des Evangeliums in Leichter Sprache (vgl. www.evangelium-in-leichter-sprache.de) dargestellt und lädt zu einem Vergleich mit der Einheitsübersetzung ein:

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Arbeit mit Schlüsselbegriffen/Keywords in biblischen Texten

Für jene Keywords, die im Beitrag der Primarstufe zu Lk 13,10–17 vorgestellt werden, können SchülerInnen einen eigenständigen Ausdruck entwickeln.

Jesus heilt eine Frau am Sabbat (Lk 13,10–17; BasisBibel)

Jesus heilt eine Frau am Sabbat

10 Immer am Sabbat lehrte Jesus in einer der Synagogen

11 Und sieh doch: Da war eine Frau.

Seit achtzehn Jahren wurde sie von einem Geist geplagt, der sie krank machte. Sie war verkrümmt und konnte sich nicht mehr gerade aufrichten.

12 Als Jesus sie sah, rief er sie zu sich. Er sagte zu ihr:

»Frau, du bist von deiner Krankheit befreit!«

13 Und er legte ihr die Hände auf. Sofort richtete sie sich auf und lobte Gott.

14 Aber der Leiter der Synagoge ärgerte sich darüber, dass Jesus die Frau an einem Sabbat geheilt hatte. Deshalb sagte er zu der Volksmenge:

»Es gibt sechs Tage, die zum Arbeiten da sind. Also kommt an einem dieser Tage, um euch heilen zu lassen –und nicht am Sabbat!«

15 Doch der Herr sagte zu ihm: »Ihr Scheinheiligen!

Jeder von euch bindet am Sabbat seinen Ochsen oder Esel von der Futterkrippe los und führt ihn zur Tränke.

16 Aber diese Frau hier, die doch eine Tochter Abrahams ist, hielt der Satan gefesselt –sieh doch: achtzehn Jahre lang!

Und sie darf am Sabbat nicht von dieser Fessel befreit werden?«

17 Als Jesus das sagte, schämten sich alle seine Gegner. Und die ganze Volksmenge freute sich über die wunderbaren Taten, die Jesus vollbrachte.

Tipps

 www.basisbibel.de

 www.evangelium-in-leichter-sprache.de

 www.leichte-sprache-sachsen.de

Andere Versuche, biblische Texte leserInnenfreundlich zu übertragen:

 Bünker, Michael/Lagger, Sepp: „Es wead ana kemmen“ Das Markusevangelium auf Kärntnerisch, Klagenfurt: Johannes Heyn 2007.

 Dreyer, Martin: Die Volxbibel. Altes und Neues Testament, München: Pattloch 2014.

 Teuschl, Wolfgang: Da Jesus und seine Hawara. Das Neue Testament im Wiener Dialekt, 7. überarbeitete und erweiterte Auflage, Purkersdorf/Wien: Buchverlag Karl Schwarzer 2001.

Quellen und Literaturtipps

 Altmeyer, Stefan: Fremdsprache Religion? Sprachempirische Studien im Kontext religiöser Bildung, Stuttgart: Kohlhammer 2011.

 Altmeyer, Stefan: Was wahr ist, ist auch leicht zu sagen – oder? In: Katechetische Blätter 142/4 (2017) 259–262.

 Apel-Hösch, Vera u. a.: Leichte Sprache, Stuttgart: Kohlhammer 2019.

 Bauer, Dieter/Ettl, Claudio: Frohe Botschaft – ganz leicht?! In: Katechetische Blätter 142/4 (2017) 263–266.

 Dworski, Anja: Leichte Sprache: Vielfalt als gesellschaftliche Realität anerkennen, in: Katechetische Blätter 142/4 (2017) 253–256.

 Faßbender, David: Voll schwer?! Bibeltexte in Leichter Sprache für den inklusiven RU, in: Katechetische Blätter 142/4 (2017) 277–280.

 Gernet, Katharina: Märchen erzählen in Leichter Sprache. Das Praxisbuch: Mit Methoden, Regeln und 12 ausgearbeiteten Märchen, München: Don Bosco 2017.

 Gidion, Anne u. a. (Hg.): Leicht gesagt! Biblische Lesungen und Gebete zum Kirchenjahr in Leichter Sprache, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2017.

 Hartmann, Markus: Leben im multimedialen Zeitalter. Die BasisBibel der Deutschen Bibelgesellschaft, in: Bibel und Kirche 69/1 (2014) 41–44.

 Körner, Reinhard: Kirchisch für normale Menschen, Leipzig: St. Benno Verlag 2015.

 Kraft, Julia/Altmeyer, Stefan: Sag’s doch einfach! … In deinen eigenen Worten, in: Katechetische Blätter 142/4 (2017) 281–283.

 Merkens, Martin: Bibel-Geschichten in Leichter Sprache, in: Katechetische Blätter 142/4 (2017) 267–269.

 Weth, Irmgard: Die Bibel. Einfach lesen: Gottes Wege mit den Menschen, Vluyn: Neukirchener Kalenderverlag 2018.

 Wuckelt, Agnes: Sprache schafft Wirklichkeit, in: Büttner, Gerhard/Mendl, Hans/Reis, Oliver/Roose, Hanna (Hg.): Heterogenität im Klassenzimmer, Babenhausen: Sauter Verlag 2018, 102–115.

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MIT KINdERN uNd JuGENdLICHEN

„Wenn Gott so viel Segen bringen soll zu den Menschen auf der ganzen Welt, wird er da nicht auch irgendwann einmal ganz müde?“

unter dem Theologisieren mit Kindern und Jugendlichen wird ein dialogischer Suchprozess verstanden, der Antwortmöglichkeiten auf theologische Fragen finden möchte (bzw. gilt Ähnliches für das Philosophieren mit SchülerInnen).

Nach diesem Ansatz tragen alle Menschen die Möglichkeit in sich, Theologie zu treiben, niemand ist zu klein, nicht kompetent genug, zu wenig interessiert. Diese Annahme gründet im Geschenk der göttlichen Offenbarung, die in sich eine dialogische Gestalt zeigt.

Aus dem Methodenlabor

Die Bezeichnung „Theologisieren mit SchülerInnen“ deutet an, dass es nicht um die Darbietung von Theologie für kindliches/jugendliches Fassungsvermögen geht, sondern dass Kinder und Jugendliche „als TheologInnen“ angesprochen werden und die daraus erwachsenden Gespräche gefördert werden. „Wenn wir [hier] von Theologie reden, so ist damit keine akademische Disziplin gemeint und keine Form gelehrter professioneller Theologie. Vielmehr rückt mit der Bezeichnung ,Theologie‘ die Frage der Reflexion religiöser Vorstellungen sowie die Kommunikation über religiöse Fragen in den Vordergrund“ (Schlag/Schweitzer 2011, 22).

Viele Jahrhunderte lang galt das Kind als ein Wesen, das nicht selbständig denken konnte, das als unwissend und dumm angesehen wurde. Diese Zugänge ließen es nicht zu, dass Kinder dabei begleitet wurden, sich aktiv mit der Frage nach Gott und anderen großen Fragen des Lebens auseinanderzusetzen.

Jean Piaget entwickelte durch seine Forschungsarbeit die Grundthese, Kinder bauen sich ihre eigene Wirklichkeit zusammen und

kommen so zu einem subjektiven Weltverstehen. Dieses Ergebnis hielt auch Einzug in die Religionspädagogik: Kinder begegnen der Gottesfrage und den großen Fragen des Lebens als Subjekte, sie wurden nicht länger als Objekte und/oder AdressatInnen betrachtet, denen Religion beigebracht und eingetrichtert wird.

Ein weiterer kräftiger Impuls zur Entwicklung des Theologisierens mit Kindern und Jugendlichen waren die seit den 1980er-Jahren von den Vereinigten Staaten ausgehenden Denkanstöße der Kinderphilosophie. In ihnen wurde Kindern philosophische Kompetenz zugestanden und sie öffneten Felder für deren Fragen, Suchen und Staunen. Die Aufgabe der Erwachsenen ist dabei, Raum zu geben, damit diese Fragen Platz bekommen.

Bedeutsam scheint auch der Hinweis, dass Fragen der Jugendlichen sich von jenen unterscheiden, die von der Kindertheologie beschrieben werden. Von ihrer Lebenssituation her sind Jugendlichen andere Fragen wichtig als Kindern. Ähnliches gilt auch für die Formen, in denen sich Jugendtheologie zeigt oder gestaltet wird (vgl. Schlag/Schweitzer 2011, 27). Ein wesentlicher Unterschied liegt in der Offenheit und der Gesprächsbereitschaft, die beide im Jugendalter oft zurückhaltender ausgeprägt sind als bei Kindern.

Mirjam Schambeck meint, zentral für ReligionspädagogInnen bleibt die Frage, wie kritisch-produktiv mit den theologischen Konstruktionen von SchülerInnen umgegangen wird, um den Prozess ihrer Subjektwerdung gut begleiten zu können und um ihnen Geschmack zur Konstruktion von Identität zu vermitteln, die ein „Leben in Fülle“ (Joh 10,10) ermöglicht.

Literaturtipps

 Bahr, Matthias / Kropac, Ulrich / Schambeck, Mirjam (Hg.): Subjektwerdung und religiöses Lernen. Für eine Religionspädagogik, die den Menschen ernst nimmt. München: Kösel 2005.

 Bucher, Anton u. a. (Hg.): „Mittendrin ist Gott.“ Kinder denken nach über Gott, Leben und Tod. Stuttgart: Calwer 22002 (JabuKi 1).

 Freudenberger-Lötz, Petra: Theologische Gespräche mit Jugendlichen. Erfahrungen – Beispiele – Anleitungen. München: Kösel 2012.

 Schweitzer, Friedrich: Kindertheologie und Elementarisierung. Wie religiöses Lernen mit Kindern gelingen kann. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2011.

Kompetenzen, die gefördert werden

 Im Theologisieren wird Sprache für Religiöses gefunden und vielfältig vernetztes Wissen aufgebaut.

 Gemeinsam mit anderen über existentielle Fragen nachdenken.

 Sich gemeinsam über Fragen anderer austauschen – auch wenn sie nicht beantwortet/entschieden werden können.

 Aufeinander hören und abweichende Meinungen und Einschätzungen aushalten.

50 methodenlabor reli+plus T HEOLOGISIEREN
/P HILOSOPHIEREN
Monika Prettenthaler Andrea Scheer Frieden hören.
01–02|2014 PHILOSOPHIEREN und THEOLOGISIEREN
Foto: Michaela Fleiss

Aufmerksamkeiten für die praktische umsetzung

 Es braucht ein ehrliches Interesse an dem, was alle Beteiligten zum Thema denken; die Deutung der SchülerInnen ist eine Bereicherung.

 Im Unterrichtsprozess braucht es Raum für Ungeplantes/Unplanbares.

 Wer theologisiert, muss von der Theologie etwas verstehen – Lehrende verstehen sich als AnwältInnen der Theologie.

 Kinder haben das Recht auf ihre Theologie, aber auch das Recht auf religiöse Bildung –LehrerInnen verstehen ihr Wissen als Angebot.

 Kinder- bzw. Jugendtheologie macht intentionale religiöse Erziehung nicht überflüssig.

 Theologische Überlegungen der SchülerInnen sollten nicht sogleich korrigiert, sondern zuerst verstanden werden.

 Die sogenannte „Erste Naivität“ sollte zugelassen, Kinder aber nicht auf sie fixiert werden.

 Kinder- bzw. Jugendtheologie entkrampft Wahrheitsansprüche.

 Die Reflexion der eigenen Glaubensbiografie hilft, sich als fragenden und zweifelnden Menschen wahrzunehmen, und ist ein bedeutsamer Beitrag zur Gleichberechtigung.

Aufmerksamkeiten für das theologische Gespräch

 Wir sprechen unsere eigenen Gedanken aus und suchen nach Begründungen.

 Wir bewerten nicht.

 Wir hören zu und fragen nach. (Hilfreich sind dabei Formulierungen wie sie das „Aktive Zuhören“ kennt.)

Impulse für theologische Gespräche zum Themenkreis „Segnen“

1. Kreisen um die Begriffe „Segen“, „segnen“.

 Wortassoziationen

 Nachdenken über Orte, an denen Segen erfahrbar werden kann (Kirche, Familie …)

 Nachdenken über mögliche Situationen, in denen Menschen um Gottes Segen bitten (Abschied, Schulbeginn …)

 Nachdenken über den „Grund“, einander zu segnen und um Segen zu bitten (Kraft, Trost …)

2. Worte und/oder Gesten, die mir guttun ... Worte und/oder Gesten, mit denen ich „guttun“ kann …

3. Bilder als Impuls zum Theologisieren. Der Einstieg in theologische Gespräche zu Bildern kann durch die Karten-Methode (?/!) (siehe www.reliplus.at) unterstützt werden. (Pkt. 1-3, vgl. Oberthür 2000, 80)

4. Beispiel für ein Impulsblatt zur persönlichen Einstimmung auf ein theologisches Gespräch.

Schutzengel JA NEIN ? bringen Segen und Schutz haben Flügel sind unsichtbar sind immer da lassen uns die Nähe Gottes spüren

Quellen

 Schlag, Thomas / Schweitzer, Friedrich: Brauchen Jugendliche Theologie? Jugendtheologie als Herausforderung und didaktische Perspektive. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener 2011.

 Ziener, Gerhard / Kessler, Matthias: Kompetenzorientiert unterrichten – mit Methode. Seelze: Kallmeyer 2012.

 Oberthür, Rainer: Die Seele ist eine Sonne. Was Kinder über Gott und die Welt wissen. München: Kösel 2000.

Lass los was dich sorgt halte ihm dein Herz entgegen und vertraue er wird es füllen und dich mit seinem Segen krönen

51 methodenlabor reli+plus
Mit Segen gekrönt. Foto: Matthieu Spohn/Photo Alto Paul Klee, Schellenengel, 1939. Foto: wmc
01–02|2014 PHILOSOPHIEREN und THEOLOGISIEREN

ARBEIT MIT EINEM dILEMMA

In einer Gesellschaft, die davon geprägt ist, dass (fast) allen Menschen immer öfter immer mehr Möglichkeiten offen stehen, sind Kinder und Jugendliche herausgefordert, sich zu entscheiden, indem sie Handlungsweisen wählen müssen, denen ethische Werte, Normen und Prinzipien zu Grunde liegen. Diese ethische (Urteils- und Handlungs-)Kompetenz wird immer mehr zu einer Schlüsselqualifikation der Lebensgestaltung.

Monika Prettenthaler

Andrea Scheer

damit SchülerInnen die Fähigkeit entwickeln können, solche Entscheidungssituationen ethisch zu reflektieren und eigenständige Lösungen zu finden, ist es sinnvoll, im Unterricht mit Dilemma-Geschichten zu arbeiten. Sie ermöglichen eine Konzentration auf den Kern des Wertekonflikts und fordern nachvollziehbare Antworten auf überschaubare Fragestellungen ein (vgl. Kuld / Schmid 2001). Ein ethisches Dilemma beschreibt eine Situation, in der mindestens zwei Werte/Prinzipien miteinander konkurrieren – oder sogar mit sich selbst in Konflikt geraten, indem sie den handelnden Personen einander widersprechende Entscheidungen oder Handlungen nahelegen. In der Arbeit mit Dilemma-Geschichten kann in der Schule durch den offenen Austausch von Argumenten (Diskursethik) spielerisch das Abwägen von Handlungsfolgen und das Aushandeln von Lösungen eingeübt werden. Eine solche Dilemma-Diskussion kann die Plausibilität verbindlicher Normen und die gleichzeitige Notwendigkeit, dem Einzelfall gerecht zu werden, viel deutlicher zeigen als ein Erlernen von Verboten und Geboten. Besonders wichtig ist dabei das Erarbeiten von begründeten Werturteilen, die dann respektiert und gewürdigt werden können. Ein Religionsunterricht, der eine lebendige Beziehung zwischen LehrerInnen und SchülerInnen fördert, leistet an vielen Orten einen konstruktiven Beitrag für Kinder und Jugendliche, um Dilemma-Situationen eigenverantwortlich und selbstbestimmt lösen zu können.

Hinweise für die Praxis

Bereits mit dem Kindergarten beginnend und dann in der Primarstufe können Dilemma-Geschichten einen wertvollen Beitrag zur ethischen Bildung leisten. Für jüngere Kinder ist die schrittweise Hinführung zur Dilemma-Diskussionen empfehlenswert.

 Einleitende Übungen:

– Auf einem Würfel gibt es die Begriffe

JA/NEIN/JEIN/NJA/NAJA/LEER.

Sätze weiter erfinden: JA, heute bin ich gut ausgeschlafen/NEIN, ich schlafe nicht mehr/ JEIN, der ist eigentlich mein Freund ...

So kann ich Sätze beginnen, wenn ich in einem Gespräch ein JA vertrete:

Ich bin der Meinung, dass …

Ich finde, dass …

Ich bin voll überzeugt, dass …

So kann ich Sätze beginnen, wenn ich in einem Gespräch ein NEIN vertrete:

Ich habe eine andere Meinung als du, weil …

Ich sehe das anders, weil …

Ich widerspreche dir, weil … Mit allen Altersstufen kann entsprechend der folgenden Grundstruktur (vgl. Mendl 2011) gearbeitet werden:

Eindruck

Dilemma-Geschichte vorstellen (z. B. mit verteilten Rollen lesen, gezielte Höraufgaben stellen, Personen/Zeitwörter … notieren, Dilemmasituation in einem Kritzelbild mit Sprechblasen oder in einem Gruppen-Standbild festhalten)

In der Zwickmühle: Dilemma-Frage formulieren (einzeln oder in Gruppen)

Ausdruck

Position zur Dilemma-Frage einnehmen (z. B. JAs und NEINs sammeln)

Individuelle Haltung/Position begründen (Motive/Werte)

Kreative Entfaltung der eigenen Position (z. B. Email, LeserInnenbrief, Resolution, Plakat, Aufruf, …)

Austausch

Austausch, Bewertung und Diskussion der einzelnen Positionen und Begründungen (z. B. Kreisgespräch, Argumente auf Papierstreifen notieren, …) Kreative Weiterführung der Diskussion (z. B. in Stille noch einmal die Diskussion vorbeiziehen lassen, Geschichte im Gruppen-Standbild stellen, Abstimmung, Wertepyramiden, Rollenspiele, …)

52 methodenlabor reli+plus
11–12|2014 PHILOSOPHIEREN und THEOLOGISIEREN
dem Methodenlabor
Entscheidungsfindung mittels Würfel?
Aus

Reflexion

Wie hast du die Diskussion in der Klasse erlebt? An welchem Punkt ist das Thema für dich persönlich interessant geworden? Was hast du heute durch die Auseinandersetzung mit der Dilemma-Geschichte gelernt?

Konkrete Beispiele

Georg Lind, der Begründer der Konstanzer Methode der Dilemma-Diskussion, weist auf die Arbeit mit sogenannten „semirealen moralischen Dilemmas“ hin, die sowohl Identifikation als auch eine gewisse Distanzierung erlauben und dadurch einen stärkeren Fördereffekt haben als reale oder hypothetische Dilemmas.

Er rät davon ab, SchülerInnen mit moralischen Konflikten zu konfrontieren, die zu starke moralische Gefühle auslösen, weil diese Lernprozesse verhindern. Zu solchen Konflikten zählen unseres Erachtens das Rettungsboot-Dilemma und das Stellgleis-Dilemma, die in der Literatur viel zitiert werden. In beiden Dilemmas muss eine Person geopfert werden, um anderen das Überleben zu ermöglichen.

Da der Schutz des Lebens von vielen Menschen als ein absolutes moralisches Prinzip angesehen wird (wonach das Leben eines einzelnen Menschen als genauso schutzwürdig gilt wie das Leben vieler Menschen), kann die Diskussion solcher Dilemmas Schuldgefühle und vielleicht sogar ein Gefühl der Verzweiflung auslösen, aber kaum Lernprozesse stimulieren.

1. Geburtstagseinladung: annehmen oder ablehnen?

Emilia erzählt ihrer allerbesten Freundin Anastasia von den Vorbereitungen ihres Geburtstagsfestes und teilt ihr die allererste Einladung aus. Anastasia sieht: Emilia hat eine ganze Menge Einladungen in der Hand. Sie freut sich auf den Tag vom Fest und gleichzeitig wird sie rot im Gesicht und stellt zwei Fragen wie aus der Pistole geschossen: „Ist Elias auch dabei?“ Ihn mag sie gar nicht, weil sie Buben – wie er einer ist –, die mit Mädchen spielen und gleich anfangen zu weinen, gar nicht ausstehen kann. „Bist du vielleicht auch auf die Idee gekommen, Suleika einzuladen?“ Die kann ja nirgends mitmachen, weil sie nicht einmal unsere Sprache versteht und an Emila hängt sie wie eine Klette. Aber Emilia ist meine allerbeste Freundin. Soll ich die Einladung annehmen oder eine Lüge erzählen und einfach nicht hingehen?

– Wer ist da in eine Zwickmühle geraten?

Wenn Anastasia dich um Rat fragen würde, was würdest du ihr raten?

– Was kann Emilia zur Entscheidung beitragen?

Kann dir die Goldene Regel der Religionen eine Entscheidungshilfe dabei sein?

2. Organ für den Bruder (vgl. Piel 2009)

der Fernsehfilm „Schattenkind“ erzählt vom Leistungssportler Lasse Hilversum und seinem krebskranken Zwillingsbruder Lukas, die an ihrem 18. Geburtstag vor der schwersten Entscheidung ihres Lebens stehen. Ohne Spenderorgan hat Lukas nur noch wenige Monate zu leben. Familie und ÄrztInnen erwarten, dass Lasse als Lebendspender zur Verfügung steht. Die Einwilligungen liegen bereits vor, auch das Gutachten des Psychologen scheint nur noch eine Formsache zu sein. Doch der Klinikpsychologe stellt sich quer. Der Gutachter ist lange Zeit der Einzige, der sich für das Schicksal des jungen Spenders interessiert. Das Psychodrama handelt von einer Familie, in der sich alles um den kranken Lukas dreht. Sein Zwillingsbruder wird zum „Schattenkind“ und muss früh selbstständig werden. Lasse habe die Familie unterstützt, wo er konnte, berichtet sein Vater. Als Lukas eine Transplantation brauchte, habe er sich sofort bereit erklärt, ein Stück von seiner Leber zu spenden. Bloch soll die seelische Stabilität des Spenders und die Freiwilligkeit der Entscheidung bescheinigen. Der Gutachter sieht, dass sein Schützling unter einem enormen psychischen Druck steht. Er entschließt sich … wofür?

– Beschreibe, wer sich in dieser Situation in welchem Dilemma befindet.

– Welche Gründe könnte es für Lasse bzw. für den Psychologen geben, der Organspende nicht zuzustimmen.

Zu welcher Entscheidung würdest du rWaten?

– Informiert euch über die Möglichkeit, Organe zu spenden bzw. zu einem Spenderorgan zu kommen: Welche gesetzlichen Regelungen sind in Österreich bestimmend? Wie stehen Kirchen und Religionsgemeinschaften zu dieser Frage?

Quellen

 Grundschulmagazin. Impulse für kreativen Unterricht in der Grundschule 4 (2014): Schriftspracherwerb. Köck, Peter: Handbuch des Ethikunterrichts, Donauwörth: Auer Verlag 22012.

 Kuld, Lothar/Gönnheimer, Stefan: Compassion –sozialverpflichtendes Lernen und Handeln, Stuttgart: Kohlhammer 2000.

 Mendl, Hans: Religionsdidaktik kompakt, München: Kösel 2011, 111–119.

 Manz, Hans: Mit Wörtern fliegen. Neues Sprachbuch für Kinder und Neugierige, Weinheim und Basel: Beltz & Gelberg 1995, 29.

 Peters, Martina/Peters, Jörg/Rolf, Bernd: Lebenswert 2. Unterrichtswerk für Werte und Normen in Niedersachsen, Bamberg: Buchner 2012.

 Pfeifer, Volker: Didaktik des Ethikunterrichts. Bausteine einer integrativen Wertevermittlung, Stuttgart: Kohlhammer 32013.

 Piel, Inga: Wie soll ich mich entscheiden? Dilemmageschichten mit Arbeitsanregungen für Jugendliche, Mühlheim/Ruhr: Verlag an der Ruhr 2009.

 Förderung der moralisch-demokratischen Kompetenz mit der KMDD® in: http://www.uni-konstanz.de/ ag-moral/moral/dildisk-d.htm [18.09.2014].

Begegnungsformen Aneinander vorbeigehen. Aufeinander zugehen. Aufeinander zugehen, aneinander vorbeireden. Aufeinander zugehen, aufeinander einreden. Aufeinander zugehen, miteinander reden.

53 methodenlabor reli+plus
 11–12|2014 PHILOSOPHIEREN und THEOLOGISIEREN

ARGuMENTIEREN LERNEN

Um ihr Leben verantwortungsvoll gestalten und in ethischen Fragen entsprechend urteilen und entscheiden zu können, brauchen SchülerInnen die Fähigkeit, verschiedene Sichtweisen kritisch zu hinterfragen, differenziert Stellung zu beziehen und die eigene Sichtweise sachgerecht zu begründen.

Monika Prettenthaler d er Religionsunterricht ist in besonderem Maß von seinem diskursiven Charakter geprägt – spätestens seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist das Modell „Gehorsamsglaube“ von jenem eines „Verstehensglaubens“ abgelöst. SchülerInnen hinterfragen Positionen, Werte und Normen, sie fordern Begründungen und nachvollziehbare Erklärungen. Im Unterricht kann diese Grundhaltung zum Ausbau der Argumentationskompetenz von SchülerInnen genutzt werden.

Es geht darum

fremde (ethische) Standpunkte in ihrer Argumentation und Logik zu analysieren und sich kritisch zu einem Standpunkt positionieren zu können,

einen Standpunkt klar und deutlich darlegen zu können, – die eigene Position übersichtlich strukturiert und damit nachvollziehbar und plausibel begründen zu können und

eventuelle eigene argumentative Defizite zu erkennen.

Aufbau einer Argumentation

THESE (Behauptung, Urteil, Forderung …) weil

 Argumente

(Begründungen in Form von Fakten, ExpertInnenurteile, Normen, Erfahrungen …)

FOLGERUNG

Abb. entnommen aus: Sänger 2010, 171

PhilosophInnen vergleichen argumentative Auseinandersetzungen (Debatten), die oft nach Pround Kontra-Muster ablaufen, mit einem Tauziehen. Was zieht, ist die Haltbarkeit der einzelnen Argumente (vgl. Pfeifer 2009).

Was ist ein gutes Argument?

Um gut zu sein, müssen Argumente relevant, akzeptabel und beweiskräfig sein (= RAB-Dreieck). Um Positionen und Argumente zu beurteilen, sind die folgenden drei Grundfragen zu stellen –die drei Ks (vgl. Sänger 2009, 188):

K1: Sind sie kohärent, d. h. in sich schlüssig? Sind die verschiedenen Teile der Anschauung oder Meinung logisch miteinander vereinbar? Sind sie auf sinnvolle und sich nicht gegenseitig ausschließende Weise miteinander verknüpft?

K2: Sind sie komplett? Beinhalten die Aussagen und Behauptungen zu einem Thema alle für dieses Thema relevanten und unbedingt zu berücksichtigenden Aspekte oder gibt es irgendwo Lücken oder blinde Flecken in der Argumentation?

K3: Sind sie korrekt? Es ist für Aussagen nicht genug, nur vollständig und in sich schlüssig zu sein. Es müssen außerdem genügend Beweise für ihre Wahrheit verfügbar sein.

Franz Kamlander, Kuh, 1992. Foto: Feilacher 2004, 199–200

Franz Kamlander lebte von 1981 bis zu seinem Tod 1999 im Haus der Künstler in Gugging/ NÖ. Sein Hauptthema, die Kuh, gibt es in unzähligen Variationen – durch die emotionale Darstellung gewinnen die BetrachterInnen den Eindruck, die eine Kuh wäre traurig, die andere lustig ...

54 methodenlabor reli+plus
 wie  Beispiele (vergleichbare Fälle)  denn  Belege (Statistiken, Zitate, …) oder 03–04|2014 PHILOSOPHIEREN und THEOLOGISIEREN Aus dem Methodenlabor

Eine Standpunktrede

SchülerInnen können in einem Brainstorming ihre Fastenideen oder -vorsätze nennen und (eventuell entsprechend der Zustimmungshäufigkeit) eine Fasten-Cloud erstellen.

JedeR SchülerIn wählt ein Thema aus und bereitet dazu eine Standpunktrede nach dem folgenden Schema vor:

1. Mein Standpunkt

2. Begründung des Standpunktes

3. Erläuterung und Veranschaulichung (Beispiele/Belege)

4. Zusammenfassung

5. Appell debattenspiel

Die SchülerInnen führen eine Pro-Kontra-Debatte zu einem vorgegebenen (z. B. „Kann denn Schnitzel Sünde sein?“, „Soll in Österreich ein verpflichtender ‚Veggie-Tag‘ eingeführt werden?“) oder selbst gewählten, kontroversen Thema durch. Im Vorfeld sammeln sie in Kleingruppen ProArgumente und/oder Kontra-Argumente (eigene und aus Informationsmaterialen z. B. zum Thema Fleischkonsum, vgl. Tipps auf S. 16), die dann einige VertreterInnen der jeweiligen Gruppe als ExpertInnen in die Diskussion einbringen. Am Ende des Gesprächs können alle SchülerInnen über das Ergebnis abstimmen. Zum Abschluss wird in einem Reflexions-/Feedbackgespräch geklärt, welche Argumente bzw. Plädoyers warum überzeugender waren (vgl. Was ist ein gutes Argument?).

Argumente prüfen

Der Argumentationsgang eines Textes (wie z. B. „Sonntagsbraten“) kann in folgenden Schritten nachgezeichnet werden (vgl. Sänger 2010, 171):

1. Zentrale Argumente herausfinden: In welchen Aussagen stecken Argumente? Welcher Art sind sie? Welches Gewicht kommt ihnen zu?

2. Argumente prüfen: Besteht einen Zusammenhang oder gibt es Sprünge in der Argumentation? Werden Begriffe einheitlich verwendet?

3. Den Argumentationsgang bewerten: Genügt die Argumentation den Kriterien der drei Ks? Sonntagsbraten

Na klar war früher alles besser. Gegessen wurde, was auf den Tisch kam, es gab Fleisch – und davon reichlich. Die Agrarindustrie warb: „Fleisch ist ein Stück Lebenskraft.“ Wer wollte dem widersprechen? Der Sonntagsbraten war knusprig und kam aus Mutters Tiefkühltruhe. Fragen? Nö. Schön war’s! Die Familie saß vereint um einen Tisch, es wurde gelacht und süßer Wein getrunken, der Nachtisch, Vanillepudding mit Himbeersoße, leitete zum Mittagsschlaf über und wurde beim Sonntagsspaziergang egalisiert.

Na klar ist heute alles besser. Weil: Es schmeckt! Viel besser noch als früher. Der Sonntagsbraten hat ja eine ziemliche Bürde zu tragen. Denn so aufmerksam wie er wird heute kaum ein Stück Fleisch beschaut. Biomärkte rufen zur Umkehr, denn Fleisch sei nicht Fleisch, Massentierhaltung, pfui, und man müsse doch … Stimmt.

Andererseits: Regionale Lebensmittelkooperativen, die ihre Ware eigenhändig zu Markte tragen, rufen zu einem weiteren Schritt auf. Denn Bio ist ja gut und richtig – aber was hilft es der Umwelt, wenn das Angus-Rind aus Argentinien erst ins Flugzeug steigen muss, um Tausende Kilometer später unsere Gaumen und Gewissen zu erfreuen? Stimmt auch. Sie haben ja Recht. Wer möchte nicht gerne bei ihnen kaufen. Aber: Nicht jedeR kann es sich leisten. Zumindest nicht ein paar Mal in der Woche. Muss man das denn? Vielleicht geht’s ja auch anders. Suppenmontag, Gemüsedienstag, Kartoffelmittwoch, Restedonnerstag, am Freitag Fisch, am Samstag Topfen und dann: Sonntag! Den Sonntagsbraten zelebrieren. So wie früher, am festlich gedeckten Tisch, mit Kerze und Blumen, Servietten, aber einem leichtfüßigen Wein. Und einem Stück Fleisch in der Mitte, das die Geschmacksknospen auf der Zunge Tango tanzen lässt und den netten Bauern vom Wochenmarkt mit an den Tisch zaubert – in Gedanken zumindest. Gesegnete Mahlzeit! nach Matthias Lemme 

Wenn ich Gott nicht zwischen den Kochtöpfen finde, dann finde ich Gott auch nicht in der Meditation.

Quellen

 Feilacher, Johann: Sovären. Das Haus der Künstler in Gugging. Heidelberg: Edition Braus im Wachter Verlag 2004.

 Juchem, Andrea: Fastenzeit 2013, in: http://www.bachmichels.de/2013/02/13/ fastenzeit-2013/ [abgerufen am 14.01.2014].

 Lemme, Matthias / Macke, Iris / Niemeyer, Susanne / Westphal, Hinrich C. G.: sonntags. Erfindung der Freiheit. Hamburg: Andere Zeiten e.V. 2009.

 Pfeifer, Volker: Didaktik des Ethikunterrichts. Bausteine einer integrativen Wertevermittlung. Stuttgart: Kohlhammer 22009.

 Pfeifer, Volker: Ethisch argumentieren. Eine Anleitung anhand von aktuellen Fallanalysen. Paderborn: Schöningh 2009.

 Sänger, Monika (Hg.): Kolleg Ethik 1. Bamberg: C.C. Buchners Verlag 2009.

 Sänger, Monika (Hg.): Kolleg Ethik 2. Bamberg: C.C. Buchners Verlag 2010.

 Ziener, Gerhard / Kessler, Mathias: Kompetenzorientiert unterrichten – mit Methode. Methoden entdecken, verändern, erfinden. Seelze: Klett/Kallmeyer 2012.

55 methodenlabor reli+plus
ÜBuNGSIdEEN
Teresa von Avila Wortwolke zum Thema Fasten. Andrea Juchem 2013
03–04|2014 PHILOSOPHIEREN und THEOLOGISIEREN

KREATIVES SCHREIBEN

Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt (Joh 1,14). Schreibwerkstatt im RU

Monika Prettenthaler

Andrea Scheer

Aus dem Methodenlabor

Religiöse Sprache ist immer eine Sprache in Bildern, Symbolen und Metaphern. Für Erfahrungen, die „mehr als alles“ zum Ausdruck bringen, reichen sachliche, faktische Beschreibungen nicht – sie rufen nach einem sprachlichen Suchprozess, der in poetischen Texten oder Erzählungen mündet. Daher haben Theologie und Poesie bis heute viel gemeinsam. Neben vielen anderen Kompetenzen wird in der Schule die Sprachkompetenz auf vielfältige Weise gefördert. Auch im Religionsunterricht erwerben die SchülerInnen die Fähigkeit, „Sprach-, Kommunikations- und Gestaltungsformen, die für das religiöse Selbst- und Weltverständnis charakteristisch sind“ (Fachleitfaden Religion 2012, 10), zu (er)kennen und zu verstehen. Der Religionsunterricht bietet dazu unterschiedliche Lern- und Ausdrucksformen an. Ein wichtiger Beitrag zum Erwerb von aktivem Wissen, das – im Unterschied zu trägem Wissen – biografisch und lebensweltlich verankert ist (vgl. Hilger 2001), kann dabei durch Verfahren des Kreativen Schreibens geleistet werden. Ihnen kommt ein besonderer Stellenwert zu, weil die SchülerInnen ihre Gedanken und Vorstellungen in ästhetische Gestaltungsformen fassen lernen und als wertvolle Beiträge für einen kommunikativen Prozess erfahren können, durch den ihre (religiöse) Identität gestärkt wird. LehrerInnen bekommen dadurch oft einen neuen Blick für die Fähigkeiten und den Gedankenreichtum ihrer SchülerInnen (vgl. Sauter 2007).

Drei Prinzipien kennzeichnen nach Ludwig Sauter das Kreative Schreiben:

 Irritation: Um kreative Denk- und Schreibprozesse in Gang zu setzen, ist es notwendig, aus dem Alltagsdenken auszusteigen und eingeschliffene Denk- und Handlungsmuster zu durchbrechen. Die SchülerInnen werden daher am Beginn eines kreativen Schreibprozesses oft in Situationen und Perspektiven geführt, die automatisierte Strategien („Religionsstunden-Ich“) aufbrechen und die Suche nach neuen, anderen Ideen und Gedanken provozieren: Schreibaufgaben zu divergierenden Begriffen, originellen Kombinationen; Schreiben zu surrealen Bildern oder aus ungewohnten Per-

spektiven; Schreiben zu verblüffenden Impulsen oder nach klaren formalen Regeln (z. B. Schneeballmethode).

 Expression: Kreatives Schreiben ist – bewusst oder unbewusst – immer auch ein Schreiben über sich selbst. Daher erhöht dieser methodische Zugang die Achtsamkeit gegenüber der eigenen Wahrnehmung. Kreative Schreibprozesse sind also auch Suchbewegungen, in denen Gefühle und Gedanken immer bewusster und greifbarer werden. Schreibend entstehen und verändern sich Gedanken oder Vorstellungen und erlangen Authentizität. Solche Entdeckungen werden durch Angebote zur Identifikation (in einer „fremden Haut“) und zum Perspektivenwechsel (mit einem „fremden Blick“) gefördert.

 Imagination: Hier verbinden sich die beiden vorigen Grundprinzipien. Wenn SchülerInnen z. B. aus einer fremden Perspektive schreiben, müssen sie sich gedanklich und emotional in einen anderen Menschen, einen anderen Standpunkt hineinversetzen. Das Eigene, das in den Text einfließt, wird zugleich überschritten und es eröffnen sich oft unerwartete Vorstellungsräume.

Abschließend sei auch noch auf die soziale Dimension des Kreativen Schreibens hingewiesen. Eine Schreibwerkstätte im Religionsunterricht kann einen Raum für diesen kreativen Prozess eröffnen. In der Schreibwerkstatt werden Kompetenzen gefördert, mit Sprache spielerisch umzugehen, Schreiben als persönliches Ausdrucksmittel kennen zu lernen, eigene Schreibpotenziale zu schulen … Reformpädagogische Ansätze geben viele Ideen zum kreativen Schreiben und fördern entdeckendes Lernen ohne vorschnelle Zensierung von PädagogInnen und/oder SchülerInnen.

Wenn im Religionsunterricht die Schreibwerkstatt eröffnet wird, ist es eine Einladung: In ein Spiel mit Sprache einzusteigen, das es möglich macht, Grenzen zu überschreiten, wenn der Respekt vor dem geschriebenen Wort zu groß geworden ist, sowie eigene Erfahrungen, eigenes Glück, eigene Trauer zu thematisieren und zu gestalten.

Quellen

 Balmes, Thomas (Regisseur): Babies. Studiocanal 2011 [DVD].

 bm:ukk (Hg.): Fachleitfaden mündliche Reifeprüfung Religion. Wien: 2012 (abrufbar unter: www.bmukk.gv.at).

 Burster, Simone / Heilig, Petra / Herzog, Susanne (Hg.): Glücksträume. Frauenkalender 2011. Ostfildern: Schwabenverlag 2011.

 Hilger, Georg: Ästhetisches Lernen, in: Ders. / Leimgruber, Stephan /Ziebertz, HansGeorg: Religionsdidaktik: ein Leitfaden für Studium, Ausbildung und Beruf. München: Kösel 2001, 305–318.

 Sauter, Ludwig: Kreatives Schreiben im Religionsunterricht. Stuttgart: Cawler 2007.

56 methodenlabor
reli+plus
11–12|2013 SCHREIBEN und GESTALTEN

BEISPIELE AuS dER SCHREIBWERKSTÄTTE

A. Schreibimpulse

Schreibimpulse durch unterschiedliche Babyfotos und Geburtsgeschichten dazu.

 Bring ein Babyfoto von dir und versuche, gemeinsam mit Erwachsenen eine Geschichte von deiner Geburt mitzubringen.

 Versuche mit den fremden Ankommgeschichten (siehe Textbaustein unten oder DVD „Babys“) Texte zu schreiben. Dein Text soll aus 2 Teilen bestehen.

Im ersten Teil versuche zu beschreiben, wie Erwachsene das Kind erwarten.

Für den zweiten Teil nimm den Satzanfang: „Auf mich hat gewartet: _________________“

Aus dieser Aufgabenstellung hat sich für eine Weihnachtsliturgie folgender Text entwickelt:

Mit jedem neugeborenen Kind wird die Hoffnung neu geboren.

Die Hoffnung bekommt Füße, Hände und ein Gesicht. Zugleich ist diese Hoffnung von Anfang an bedroht: Arme Kinder, geschlagene Kinder, alleingelassene Kinder.

Das Jesus-Kind in der Krippe lässt den Hoffnungsfunken nicht auslöschen: Das Kind glüht, glänzt, leuchtet aller Dunkelheit zum Trotz.

 Meine Mama und mein Papa haben sich schon lange auf mich gefreut.

Auf mich hat gewartet: ein warmes Zimmer, bunte Spielsachen. Und viele Menschen, die sich über meine Geburt freuten.

 Meine Mama und mein Papa haben schon vorher gewusst: Ich komme behindert auf die Welt. Auf mich hat gewartet: viele Untersuchungen, komische Blicke. Und liebevolle Menschen, die Geduld und Zeit für mich haben.

 Ich bin das 12. Kind von Mama und Papa. Auf mich hat gewartet: eine Bananenschachtel als Bett, 11 Geschwister, die oft hungrig einschlafen. Und zärtliche Menschen, die mich ganz nahe an ihrem Körper tragen.

 Nach viel Nachdenken hat meine Mama JA zu mir gesagt. Auf mich hat gewartet: kein Papa, ein kleines Zimmer bei der Freundin von meiner Mama. Und Mamas leuchtende Augen, als sie mich zum ersten Mal im Arm hielt.

B. Textbaustein für ältere SchülerInnen

„An diesem Weihnachtsfest war alles anders. Unser Stall war die Intensivstation der Kinderklinik, die Krippe der Brutkasten und die Engel in weißen Gewändern versorgten mit Infusionen und Magensonde das neugeborene Kind mit allem, was es zum Leben brauchte. Unsere erstgeborene Tochter war viel zu früh zur Welt gekommen und lag schutzlos und bedürftig in ihrem Krippenbrutkasten. Und wir Eltern machtlos und ohnmächtig davor. Weihnachten feiern an der Grenze von Himmel und Erde, von Tod und Leben. Andächtig sangen wir leise ,ich steh an deiner Krippe hier‘ – und ahnten: Genau hier kommt Gott zur Welt. Wie eine glänzende Verheißung legte sich der göttliche Weihnachtssegen auf uns und unser gefährdetes Kind“ (Burster / Heilig / Herzog 2011).

C. Schneeballmethode

Warum hilft mir denn eine alte Geschichte aus der Jesustradition beim Schreiben heute? Was gibt denn die mythisch-narrative Sprache her? Etwas, das in meiner empirischen Realität zwar verborgen ist, aber meistens nicht sichtbar wird. Ich benutze das Evangelium – oder auch andere religiöse Traditionen –, um etwas, das mir lebensnotwendig ist, zu sagen. Ich gebrauche den Mythos, das mythische Sprechen, ich arbeite mit ihm, weil ich es brauche.

Dorothee Sölle

Ankommen (1)

Damals heute (2)

Arm überraschend reich (3)

Als ein kleines Baby (4)

Erschienen ist die Menschenfreundlichkeit Gottes (5)

In einem armen Stall (4)

Das göttliche Kind (3)

Als Mensch (2)

Angekommen (1)

Literaturtipps:

 Andere Zeiten e.V. (Hg.): Adventkalender. Der andere Advent. 2007/2008. Hamburg.

 Zimmermann, Mirjam / Hellwig, Michael: Wo glaubst du hin? Kreatives Schreiben im Religionsunterricht. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2011

 Sauter, Ludwig: Kreatives Schreiben im Religionsunterricht. Stuttgart: Cawler 2007.

Ein großer Kreis (Schneeball) wird ins Heft gezeichnet.

Im Kreis werden Zeilen gezogen, je nach Bedarf. Das Wort der ersten und letzten Zeile ist vorgegeben: ANKOMMEM

Das Zentrum des Schneeballs ist ein biblisches Wort. An dieser Stelle können unterschiedliche Zeilen der biblischen Weihnachtserzählungen zur Auswahl bereitstehen.

SchülerInnen haben die Aufgabe, spielerisch daraus 5 Wörter zu nehmen.

Schreibimpuls:

Ziehe bitte 9 Zeilen. Schreibe in die 1. Zeile ein Wort, in die 2. Zeile zwei Wörter usw. Ab der 6. Zeile geht es wieder nach rückwärts. (Siehe neben)

d. Botschaften an …

Sie ermöglichen den SchülerInnen, persönlich Stellung zu beziehen, eigene Fragen zu stellen, Vorstellungen, Widersprüche und Lösungsansätze zum Ausdruck zu bringen (vgl. Sauter 2007, 50):

z. B. Brief an Maria nach ihrem Ja zur Schwangerschaft; SMS an Josef, der sich auf und davon machen will. 

57 methodenlabor reli+plus
11–12|2013 SCHREIBEN und GESTALTEN

HOFFNuNGSTExTE SCHREIBEN

Herausfordernde Zeiten oder auch Neuanfänge wecken in vielen Religionslehrer*innen das Bedürfnis, die Schüler*innen an die belebende Kraft der Hoffnung zu erinnern. Dieses Methodenlabor regt dazu an, die Schüler*innen in kreativen Schreibprozessen Hoffnungstexte (er)finden zu lassen.

Nicht nur fordernde gesellschaftliche Situationen, sondern auch persönliche Erfahrungen lassen die Sehnsucht und den Ruf nach hoffnungsgebenden Texten wach werden. In den vergangenen Monaten haben viele Menschen – Erwachsene genauso wie Kinder und Jugendliche – Verunsicherung, oft auch Verzweiflung oder Resignation empfunden. Genau da ist Hoffnung gefragt. Hoffnung ist nicht herstellbar, aber als mit Hoffnung begabte Wesen können wir Menschen uns daran erinnern bzw. an dieses Talent erinnert werden: Ausgehend von der Herkunft des Wortes „Hoffnung“ aus dem Mittelniederdeutschen „hopen“, das für hüpfen bzw. (vor Erwartung unruhig) springen oder zappeln steht, kann kreatives Schreiben auch als die Fähigkeit der Schüler*innen verstanden werden, ihre Gedanken tanzen und Worte springen zu lassen und auf diese Weise Hoffnung(svolles) nicht nur in den Blick zu nehmen, sondern vielleicht sogar „herbeischreiben“ zu können.

Dieser inhaltliche Anspruch kann gut im Weg des kreativen Schreibens umgesetzt werden (vgl. dazu auch die Einführung und Anregungen in reliplus 11–12/2013, 20–21), weil den Gedanken der Schüler*innen durch entsprechende Verfahren „auf die Sprünge“ geholfen wird.

Zum grundlegenden Wert kreativer Schreibprozesse – der auch in Bezug auf Zugänge zur „göttlichen Tugend der Hoffnung“ erkannt werden kann – sagt der Religionspädagoge Ludwig Sauter: „Im Religionsunterricht begegnen Kinder und Jugendliche der reichhaltigen Überlieferung des christlichen Glaubens in vielgestaltiger Form. Die schriftlichen Zeugnisse der Bibel, der kirchlich-theologischen Tradition, der Liturgie und Spiritualität nehmen dabei eine Hauptrolle ein. Die Glaubenssubstanz dieser Überlieferungen erschließt sich Kindern und Jugendlichen vorrangig über eine aktive Auseinandersetzung, zu der auch das kreative Schreiben zu rechnen ist. Auf diesem Weg lernen sie nicht nur die Glaubenserzählungen und -gestalten der Bibel und aus der Kirchengeschichte kennen, sondern gewinnen vor allem Identifikationsangebote für die Tiefe des Lebens und des Glaubens. So wird Kindern und Jugendlichen ein Weg aufgetan, auf dem Hintergrund der jüdisch-christlichen Glaubensüberlieferung mit Lebens- und Grenzsituationen befreiend umzugehen. Im Religionsunterricht können Schülerinnen und Schüler – ohne sanktioniert zu werden – die innere und äußere Wirklichkeit auf ihre Möglichkeiten hin untersuchen und ihre Grenzen überschreiten. ‚Kreatives Schreiben ermöglicht hierzu das Ausfindigmachen eigener Sprache und unterstützt die Wahrnehmung

von Erfahrungen visueller, akustischer, imaginierender Art zu eigenen Texten, die dann auf ihre religiöse Tiefe befragt und mit Texten der Tradition verglichen werden können.

von meditativ entstehenden Texten, wo ein Satz den nächsten gebiert, im kommunikativen Gespräch weiter zu einer gemeinsamen Vorstellung. – von literarischen Texten, die sich ohnehin oft lebensintensivierenden, ja religiösen Fragen öffnen, zu eigenen Antworten.

– von biblischen und kirchlichen Texten zu eigenen Übersetzungen (z. B. in Jugendsprache) – vielfach in freierer Form, aber doch unter Wahrung der Mitte‘“ (Adam 2006, 186 , zitiert in: Sauter 2007, 14).

Schreibimpulse und Beispiele

1. Assoziative Verfahren

Assoziatives Schreiben eignet sich sehr gut als Einstieg ins kreative Schreiben. „Auf Grund ihrer meist spielerisch-experimentellen Ausrichtung geht von ihnen eine hohe Motivation aus, die Schreibblockade lösen kann. Diese Schreibverfahren zielen darauf ab, Ideen zu wecken, Gedanken zu einer Thematik freien Lauf zu lassen, zu sammeln und zu vernetzen. Wesentlich ist dabei, für alle Einfälle offen zu sein – hier gibt es kein Richtig und Falsch, Passend oder Unpassend“ (Sauter 2007, 17).

58 methodenlabor reli+plus
01–02|2021 SCHREIBEN und GESTALTEN
dem Methodenlabor
Corita Kent, American sampler (1969). Foto: Monika Prettenthaler
Aus
Monika Prettenthaler

Cluster und Wortwolken zu vorgegebenen

Themen oder zu biblischen Büchern können hier ebenso genannt werden wie der folgende Zugang:

 Akrostichon

Ein Wort wird senkrecht aufgeschrieben. Zu jedem Buchstaben (= Anfang) notieren die Schüler*innen nun ein Wort oder einen Satz:

Himmel

Orientierung

Fels

Freiheit

Neuanfang

Umarmung

Nähe

Gott

2. Kreativität durch klare Struktur

„Neben großer Offenheit haben paradoxerweise auch – inhaltliche oder formal-strukturelle – Begrenzungen eine frei machende Wirkung auf Schreibprozesse, wenn sie eingeschliffene Gedankengänge irritieren und spielerisch Anreiz bieten […] Zudem stellen formal-strukturelle Vorgaben eine sprachgestalterische Stütze dar, die nicht zuletzt zu einer ästhetischen Ausdrucksgestaltung der eigenen Gedanken verhilft. Ganz nebenbei gewinnen die Schülerinnen und Schüler auf diesem Weg ein Gespür für lyrische und literarische Kunst- und Stilmittel“ (Sauter 2007, 24).

 Elfchen

Diese klar strukturierte, kurze Gedichtform ist für alle Altersgruppen reizvoll und erfreut sich in verschiedenen Unterrichtsfächern großer Beliebtheit. Ein Elfchen besteht aus 11 Wörtern:

1. Zeile = ein Wort (Thema: Gegenstand, Gefühl …)

2. Zeile = zwei Wörter (Was passt zum Thema, beschreibt es näher?)

3. Zeile = drei Wörter (Wo ist das? Was tut es?)

4. Zeile = vier Wörter (Was habe ich damit zu tun? Meine Frage dazu …)

5. Zeile = ein Wort (Schlusswort als Zusammenfassung, Pointe, Überraschung, Provokation …).

Ein Beispiel aus einem Unterrichtsprojekt am Bischöflichen Gymnasium Augustinum (Paul V., 6A):

Hoffnung

Ein Geschenk Wird uns gegeben

Ist für uns da Gott

Ein Schülerinnenbeispiel aus Sauter 2007, 34; anstelle der Buchstaben kann die Struktur für junge Schüler*innen auch mit Symbolen angegeben werden:

A Jesus, du bist anders.

B Du gehst zu denen, die keiner mag.

C Du kämpfst – aber ohne Waffen.

A Jesus, du bist anders.

D Du vergibst, wo andere verurteilen.

E Du siehst das Gute in jedem Menschen.

A Jesus, du bist anders.

B Du gehst zu denen, die keiner mag.

 Stakkato Ausgehend von so gestalteten Songtexten (z. B. „Bäume“ von Larsito) oder auch Raps verfassen die Schüler*innen eine Wortkette (vgl. Sigg 2014, 156):

Neue Hoffnung – Neue Horizonte, Neuanfang, Sonnenaufgang, Energie, Openroad, Puls, Leben, Frühling, Morgendämmerung …

Was gibt es Kostbareres als von Jugendlichen zu hören oder zu lesen, was sie beschäftigt, an was sie glauben und worauf sie hoffen?

 Rondell

Das Rondell ist ein achtzeiliges Gedicht, bei dem sich die Satzzeilen nach einem vorgegebenen Muster wiederholen (z. B. Zeile 1, 4, 7 sind gleich, auch 2 und 8; Zeile 3, 5 und 6 kommen jeweils nur einmal vor) und das sich auch schon in der Primarstufe gut einsetzen lässt (vgl. Zimmermann /Hellwig 2011, 28).

Literatur und Internettipps:

 Zwischen den Jahren, in: Andere Zeiten e.V. (Hg.) Der andere Advent: Hamburg: Andere Zeiten: 2017/18, 27.12.

 Cramer, Gabriele: Ich dreh die Wörter einfach um. Gedichte im Religionsunterricht, München: Kösel 2012.

 Heimes, Silke: „Schreib es dir von der Seele“ Kreatives Schreiben leicht gemacht, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2015.

 Prettenthaler Monika/Scheer, Andrea: Aus dem Methodenlabor. Kreatives Schreiben, in: Reliplus 11-12/2013, 20-21.

 Sauter, Ludwig: Kreatives Schreiben im Religionsunterricht, Stuttgart: Calwer 2007.

 Sigg, Stephan: Spirituelle Schreibwerkstatt mit jungen Menschen. Anleitung und Beispiele, Freiburg: Herder 2014.

 SOS-Kinderdorf (Hg.): Wer Schmetterling lachen hört. Geschichten über Wünsche, Träume, Hoffnungen, Innsbruck: Eigenverlag 2020.

 Taxispalais (Hg.): Booklet zur Ausstellung: Corita Kent_Joyful Revolutionary, Innsbruck 2020.

 Zimmermann, Mirjam/Hellwig, Michael: Wo glaubst du hin? Kreatives Schreiben im Religionsunterricht, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2011.

 Ziener, Gerhard/Kessler, Mathias: Kompetenzorientiert unterrichten – mit Methode. Methoden entdecken, verändern, erfinden, Seelze: Klett & Kallmeyer 2012.

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Corita Kent, only you and i (1969). Foto: Monika Prettenthaler
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3. Kreatives Schreiben zu Texten

Sowohl literarische als auch biblische Texte können Ausgangspunkte für das Verfassen eigener Texte sein. „Sie geben Regeln und Muster vor, die in ihrer Imitation neue Ausdrucksmöglichkeiten entdecken lassen. Indem sie in andere Wirklichkeiten und andere Perspektiven hineinführen, lassen sie Imaginationen und neue Gedanken entstehen. Nicht zuletzt wird so auch die eigene Sichtweise und Stellungnahme herausgefordert“ (Sauter 2007, 36).

um mit den Texten arbeiten bzw. darauf reagieren zu können, ist es wichtig, dass die Schüler*innen den jeweiligen Text verstehen (vgl. Zimmermann/Hellwig 2011, 53). Sogenannte „dialogische“ Methoden geben Schüler*innen das Wort und trauen ihnen den aktiven Umgang mit Texten zu (vgl. Sauter 2007, 37-49).

– Texte weiterschreiben

– Textreduktion, z. B. Gedicht

Perspektivisches Schreiben: Dialogisieren, Briefe, E-Mails …

– Parallel- und Gegentexte

Die Schüler*innen werden angeregt, zum folgenden Gedicht von Lothar Zenetti einen Paralleltext zu Titelvariationen (z. B. Schlafen die Wörter, Arbeiten die Wörter, Feiern die Gedanken, Feiern die Taten, Feiern die Sinne, …) zu verfassen:

Feiern die Wörter

Das Wort Hoffnung und das Wort Vertrauen das Wort Dankbarkeit und das Wort Treue Freiheit nenne ich und das Wort Mut auch Gerechtigkeit und das große Wort Frieden und was wir Glück nennen

Glückseligkeit

die unbegreifliche Gnade und das leise Wort Geduld und das Wort Erbarmen ja davon lebe ich

Das Wort Mutter und das Wort Brot Kind sage ich mein Vater mein Freund und Freundlichkeit und Geborgensein Meer sage ich und Baum und Himmel Wolke und siebenarmiger Leuchter Traum sage ich und Nacht meine Schwester ich nenne die Liebe und das zärtliche Wort Du

Feiern will ich die Wörter von denen wir leben

4. Perspektivisches Schreiben

Schüler*innen werden angeregt, Texte aus der Sicht von Personen, die in einer Geschichte vorkommen, zu schreiben – auch abstrakte Begriffe oder Phänomene können personifiziert werden.

Es können Briefe, E-Mails, WhatsApp-Nachrichten, Tagebucheintragungen, Gebete … verfasst werden. Durch perspektivisches Schreiben

– können Schüler*innen sich persönlich in geschützter Weise äußern;

können eigene Perspektiven, Erfahrungen, Gefühle, Wünsche einfließen;

können bekannte Situationen, Probleme … aus einer neuen Sichtweise betrachtet werden; – wird die Empathiefähigkeit der Schüler*innen gefördert (vgl. Sauter 2007, 48).

5. Sprichwörter als Ausgangspunkt

Ein Sprichwort wird kreativ zu einem Impulstext ausgebaut (Sigg 2014, 157):

Hoffnung stirbt zuletzt Hoffnung stirbt zuletzt. Vorher stirbt der Zweifel. Hoffnung stirbt zuletzt. Alle Pessimisten sind dann schon lange tot. Hoffnung stirbt zuletzt.

6. Gemeinsam zu Hoffnung schreiben

Weil es beim kreativen Schreiben oft um den persönlichen Ausdruck geht, überwiegt die Einzelarbeit. Dennoch soll auch hier die Chance des gemeinsamen Verfassens von Texten nicht übersehen werden. Das Schreiben in Gruppen nimmt nicht nur einen eventuellen Erwartungs- oder Leistungsdruck von einzelnen Schüler*innen, es löst oft auch Schreibblockaden (vgl. Sauter 2007, 56–60). Ideen für kooperative Schreibverfahren sind „Stumme Dialoge“, in denen Schüler*innen schriftlich miteinander ins Gespräch kommen oder sogenannte „ReihumGeschichten“, bei denen der erste Satz von der Lehrperson auf einem Blatt vorgegeben wird. Das Blatt wird dann in der Gruppe weitergegeben, und jede/r Schüler*in schreibt einen Satz dazu, der inhaltlich an den bisher verfassten Text anschließt.

7. Wortbilder, die Hoffnung wecken?

Die Siebdrucke der Künstlerin Corita Kent (19181986) – sie trat mit 18 Jahren in den Orden der Sisters of the Immaculate Heart of Mary ein, lehrte dann als Sister Mary Corita am ordenseigenen College Kunst und wurde als „Pop-Art-Nonne“ in den USA sehr berühmt – vereinen in besonderer Weise verschiedene „visuelle und textuelle Quellen auf unerwartete und freudvolle Weise. Ästhetische Erfahrungen des Alltags, spirituelle Botschaften, Zitate aus der Literatur, Popkultur und den Massenmedien werden farbintensiv nebeneinandergestellt und im Sinne sozialer Gerechtigkeit politisch mobilisiert. In ihren Arbeiten geraten Buchstaben und Sprache zur Form und zu Bild, die Form und das Bild zum Inhalt“ (Taxispalais 2020).

Corita Kent hat in ihren Werken Markenlogos und Theologie mit gesellschaftspolitischen Anliegen verknüpft. Sie hat sich mit ihrem künstlerischen Schaffen in den 1960er-Jahren immer stärker für soziale Gerechtigkeit, Frieden und die amerikanische Bürger*innenrechts- und Anti-Vietnankriegs-Bewegung eingesetzt. Ihr Engagement, das vielen Menschen Hoffnung gab, führte auf einer anderen Seite auch zu Konflikten: Weil Sister Corita ihren Orden nicht weiter in ihre Differenzen mit dem Erzbischof, der sich

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gegen die Künstlerin stellte, hineinziehen wollte, trat sie schweren Herzens nach gut 30 Jahren aus der Gemeinschaft aus. Bis heute verwaltet das Art Center der Immaculate Heart Community das Werk der Künstlerin.

die Schüler*innen können an den Bildern von Corita Kent weiterarbeiten, indem sie zum Ausgangspunkt oder Reflexionshintergrund für eigene Hoffnungstexte dienen. Ebenso können diese Bilder dazu anregen, eigene „Hoffnungstext-Bilder (ev. in Kooperation mit dem BE-Unterricht) zu gestalten.

 i in daisy

Übersetzung: Hoffnung ist zu glauben, dass es in ‚daisy‘ (Gänseblümchen) ein „I“ (ich) geben muss.

 we can make it Übersetzung: Zwei Köpfe sind wirklich besser als einer. Warum nicht? Wir können es schaffen.

 road signs

Übersetzung: Hoffnung bedeutet, in jede Richtung gehen zu können und wissen, dass es die richtige Richtung ist.

NICHT ICH; NICHT IRGENDEIN ANDERER KANN DIESE STRAßE FÜR DICH GEHEN, du musst sie selbst gehen. Sie liegt nicht weit, sie ist in greifbarer Nähe, vielleicht bist du von deiner Geburt an darauf gewesen und wusstest es nicht, oder sie ist überall, zu Wasser und zu Lande. Wenn du müde wirst, so lass mir beide Lasten und stütze deine Hand auf meine Hüfte, du sollst mir ein andermal den gleichen Dienst erweisen, denn nachdem wir einmal aufgebrochen, ruh’n wir nimmer aus … (Walt Whitman).

Kreatives Schreiben zu Bildern

dieser Zugang „ermöglicht auf der einen Seite, sich schreibend einem Bild zu nähern, dem Bild den Sinn zu geben, den es zu diesem Zeitpunkt für die Schreiberin oder den Schreiber hat. Auf der anderen Seite setzt die Betrachtung des Bildes bzw. die Auseinandersetzung mit dem Bild durch einen speziell gewählten Bildzugang Gedanken und Schreibprozesse in Gang, die ohne das Bild als Ausgangspunkt und Anregung nicht möglich gewesen wären“ (Klein/Schnell 2003, 66, zitiert nach: Sauter 2007, 61).

Unterschiedliche Verfahren können im Unterricht eingesetzt werden: Freie Bildwahl, Schreiben von Geschichten zu vorgegebenen Bildern, Dialoge oder innere Monologe von Gestalten im Bild oder Schreiben zu Bildfragmenten sind einige Beispiele (Sauter 2007, 61–63). 

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Corita Kent, i in daisy (1969). Foto: Monika Prettenthaler Corita Kent, road signs (part 1+2, 1969). Foto: Monika Prettenthaler Corita Kent, we can make it (1966). Foto: Monika Prettenthaler
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KREATIVES GESTALTEN

Im Volkschulalter zeichnen, malen und gestalten viele SchülerInnen gerne – gerade auch im Religionsunterricht. Interessante Anregungen, Techniken und Materialien können auch ältere SchülerInnen motivieren, mit Fantasie, Kreativität und Eigensinn in religiösen Lernprozessen den je eigenen Eindrücken Ausdruck zu verleihen.

ChristInnen verstehen Ausdrucksfähigkeit und Kreativität als Konsequenz der Gottesebenbildlichkeit. Wenn SchülerInnen zu kreativem Gestalten angeregt werden, braucht die theologische Bedeutung dieses pädagogischen Zugangs also nicht eigens betont zu werden. Sie werden angeregt, ihr Menschsein im Schöpferischen zu vollziehen – so Matthias Bahr (Mendl 2008, 376) – und zugleich zu übersteigen und im Sinne einer Creatio Continua ihr MitschöpferIn-Sein ernst zu nehmen.

Im kreativen Gestalten geht es um die Fähigkeit, das Wahrnehmen und Gestalten der eigenen Umwelt zu genießen, zu kritisieren, zu verändern – es ist somit eine umfassende Wahrnehmungs-, Tätigkeits- und Reflexionsform, die sich in unterschiedlichen Aktivitäten von SchülerInnen zeigt.

Kreatives Gestalten eröffnet den SchülerInnen individuelle Ausdrucksmöglichkeiten: „Auch wenn der Ausgangspunkt vieler Projekte eine Thematik der objektiven Religion (eine biblische Erzählung, eine theologische Grundfrage, ein Text der Tradition, …) sein wird, ergibt sich gerade durch die individuelle Gestaltung eine sehr subjektive Interpretation. Der Rückgriff auf die Tradition erweist sich hier als Impulsgeber und aktuelle, sowie oft auch punktuelle Konkretisierung der subjektiven Religion.“ (Mendl 2008, 376) Kreatives Gestalten ist mehrdimensionales Lernen, es spricht innerhalb des oft wortzentrierten schulischen Alltags haptische und handlungsorientierte Lerntypen an: SchülerInnen überschreiten die rezeptive Ebene, sie werden selbst zu Kunstschaffenden und lernen, sich sowohl in

der Produktionsphase als auch bei der Präsentation zu positionieren und für das eigene Denken und Tun gerade zu stehen.

Kreativität wird zudem in der (späteren) Arbeitswelt als eine der Schlüsselqualifikationen gesehen und gilt als ein Indikator für gelungene Bildung. Kreatives Arbeiten braucht ReligionspädagogInnen, die anregende Lernräume und ansprechendes Material zur Verfügung stellen und Kinder und Jugendliche

– ermutigen, wenn sie Einfälle haben, und „um die Ecke“ denken;

bestärken, wenn sie Eigenes entwickeln und Dinge anders benutzen, als ihr ursprünglich zugeschriebener Zweck war;

herausfordern, kreatives Schaffen „öffentlich“ zu zeigen und ihre Werke z. B. in Liturgien, Ausstellungen, Aktionen, … einzubringen (vgl. Stamer-Brandt 2012, 8).

Religionspädagogische Begründungen

– Bildnerisch-kreatives Gestalten fördert die SchülerInnen in ihrer Ganzheit und ermöglicht einen ganzheitlichen Unterricht, der lustvoll sinnlich-ästhetische Aktivität integriert.

Es initiiert und unterstützt Lernprozesse und eigentätiges Handeln.

– Es fördert die Kommunikation und Interaktion unter den SchülerInnen.

Es dient einer differenzierten Förderung innerhalb der Lerngruppe, die (unterschwelligen) Konkurrenzdruck vermeidet.

– Es ermöglicht unkonventionelle Problemlösungen und Ein-Fälle, erlaubt es, ungewohnte Zusammenhänge herzustellen.

– Im Unterrichtsprozess kann es die teilweise zu beobachtende Gesprächs- und Ausdrucksarmut überwinden, indem die verbalen und nonverbalen / wort- und bildsprachlichen Fähigkeiten der SchülerInnen erweitert werden.

– Es eröffnet ein Praxisfeld, um die Lebenskunst im Alltag zu erproben und so Zugang zum schöpferischen Lebenspotential zu entwickeln.

– Diese Form des Arbeitens unterstützt, „einen kreativen Prozess der Welterkenntnis in nicht linearen Bewegungen zu vollziehen. Linearität ist keine lebendige Bewegung, sondern letztlich ein geiziger und sparsamer Prozess ohne Blick über den Tellerrand, ohne Zustandsveränderung und ohne Inspiration“ (Herber/Brüssel 2012, 23).

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Lustvolles kreatives Tun 1. Foto: Woisetschläger

Konkrete Beispiele

 Wer bin ich?

– Inspiriert durch die „Charakterköpfe“ von Franz Xaver Messerschmidt (1736–1783) gestalten die SchülerInnen eigene Skulpturen oder sie arbeiten – ausgehend von Arnulf Rainers Übermalungen der Fotos der Messerschmidt-Büsten oder seinen Übermalungen von fotografischen Selbstportraits – an hellen Kopien eigener Portraitfotos in DIN-A4 oder DIN-A3.

– Bei diesen Übermalungen geht es darum, mit passenden Farben wichtig erscheinende Teile/ Aspekte hervorzuheben und zu betonen und Entbehrliches abzudecken und (so) verschwinden zu lassen.

 Ich habe verschiedene Seiten

Als eine Möglichkeit, das Fest der Versöhnung vorzubereiten:

Irisches Märchen: Der König mit den Pferdeohren (zu finden auf www.reliplus.at)

Zwei Teile eines Gesichtes werden mit der Technik „Aus eins mach vier – aus vier mach eins“ (vgl. S. 9) gestaltet.

– 1. „Das zeige ich gerne von mir.“ (Strahlegesicht, Lachgesicht, Glücksgesicht, …) –

2. „Das halte ich im Verborgenen.“ „Mit diesem Teil von mir bin ich unversöhnt.“ (trauriges Gesicht, Weingesicht, hässliches Gesicht, beschädigtes Gesicht, …)

 Den kreativen Prozess vorbereitend: Welche Formen und Farben brauchen meine unterschiedlichen Facetten? (Spitzes, Fließendes, Kratziges, Rundes, …; leuchtende Farben, eintönige Farben, schrille Farben, …) 

Quellen

 Brenifier, Oscar / Despres, Jacques: Was, wenn ich nicht der wäre, der ich bin, Wien: Gabriel 2012.

 Damm, Antje: Versteckt! Entdeckt! Was verbirgt sich im Gesicht. MeterMorphose – Memo-Kärtchen.

 Geocke-Seischab, Margarthe Luise: Bildnerisches Gestalten. Mit Farben, Formen und Materialien arbeiten, in: Rendle, Ludwig (Hg.): Ganzheitliche Methoden im Religionsunterricht, München: Kösel 32010, 207–217.

 Herber, Viktoria / Brüssel, Pit: Choreografie des Lernens, in: kinderleicht. Die Zeitschrift für engagierte Erzieherinnen und Erzieher 4 (2012) 20–23.

 Janisch, Heinz / Antoni, Birgit: Das bin ich. Ich zeig es dir, Innsbruck: Tyrolia 2014.

 KPH Graz (Hg.): Das Steirische Kunstpädagogische Generationengespräch, Graz: Leykam 2014.

 Mendl, Hans: Religion erleben. Ein Arbeitsbuch für den Religionsunterricht, München: Kösel 22008.

 Robert, Francois / Robert, Jean: Gesichter, Hildesheim: Gerstenberg 2005.

 Röhring, H.-Jürgen: Ästhetisches Gestalten, in: Baumann, Ulrike (Hg.): Religionsmethodik, Berlin: Cornelsen 2007, 56–84.

 Stamer-Brandt, Petra: Kreativität – eine Schlüsselqualifikation für erfolgreiche Bildung, in: kinderleicht. Die Zeitschrift für engagierte Erzieherinnen und Erzieher 4 (2012) 4–8.

Es ist nicht die musische Frage, ob wir Kreativität wollen oder nicht. Es ist eine existentielle Notwendigkeit, dass wir Kreativität wollen müssen und dass wir alles daran setzen müssen, sie zu fördern und zu ermöglichen.

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Rudolf Seitz
Lustvolles kreatives Tun 3. Foto: Woisetschläger Lustvolles kreatives Tun 4. Foto: Woisetschläger
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Lustvolles kreatives Tun 2. Foto: Woisetschläger

STANdBILdER IM Ru

Unter einem Standbild wird ein spezieller Moment von Spannung verstanden, der in Form einer unbeweglichen Körperhaltung von einer einzelnen Person oder einer Gruppe dargestellt werden kann. Die Darsteller*innen verkörpern die Kernbotschaft einer Erzählung, das Beziehungsgefüge von Personen zueinander, die Intention eines Textes und ähnliches in eingefrorenen Bildern, sogenannten „Standbildern“. Dabei ist zu beachten, dass ein einziger treffender Ausdruck gewählt wird und ohne Worte ausschließlich mit Mimik und Gestik präsentiert wird.

Ingo Scheller charakterisiert im Handbuch „Szenisches Spiel – Handbuch für die pädagogische Praxis“ Standbilder folgendermaßen: „Standbilder sind bildliche Darstellungen von sozialen Situationen, Personen, Konstellationen, Beziehungsstrukturen oder Begriffen. Mit Standbildern können erlebte oder vorgestellte Situationen und Personen fixiert, ausgestellt und gedeutet, Handlungsverläufe unterbrochen und verfremdet, Haltungen sichtbar gemacht, Beziehungen und Ereignisse auf den Begriff gebracht werden. Die Situationen werden dabei durch die Bedeutung, die dem Bild und den Haltungen, Gesten und der Mimik der Personen zugeschrieben werden, interpretiert.“ (Scheller, 59)

Der Einsatz von Standbildern ist dann zielführend, wenn Schüler*innen sich mit dem Inhalt eingehend befasst haben und über Hintergrundinformationen verfügen. Eine Erarbeitungsphase (soziale Situationen, Personen, Konstellationen, Beziehungsstrukturen, Begriffe …) ist demnach eine notwendige Voraussetzung. Die optische Umsetzung hilft die zentrale Botschaft oder das Beziehungsgefüge von Personen zueinander darzustellen und besser im Gedächtnis zu verankern. Es kommt auch jenen Schüler*innen zugute, die verbal Schwierigkeiten haben, da nicht gesprochen werden muss. Eine konzentrierte Darstellung setzt voraus, dass die Kernaussagen des Themas erfasst worden sind. Beim Standbild gestaltet eine Gruppe eine Situation ohne Worte. Die Darstellung wird „eingefroren“ (engl. to freeze). Die Darsteller*innen bewegen sich in der Präsentationsphase nicht und sprechen auch nicht. Der Gesichtsausdruck und die Körperhaltung haben dadurch eine besondere Bedeutung.

Standbilder ...

 visualisieren ein Thema und ermöglichen ein Einfühlen in Beziehungen von Personen zueinander, in ihre Einstellungen, Haltungen und Gefühle. Beim Bauen werden Gefühle wahrgenommen, die Spieler werden sich dieser bewusst und tauschen sich mit anderen aus. Das fördert die Kommunikation untereinander und das Verständnis füreinander (Zimmermann, 3).

 „verkörpern“ ein Thema. Nachhaltig wird dieses Lernen, weil es durch das Körpergedächtnis unterstützt wird (etwas verkörpern), innere und äußere Haltungen zu Tage bringt, sprachliches Handeln integriert und so „Lernen mit allen Sinnen“ ist (Zimmermann, 3).

 sprechen durch den ganzheitlichen Charakter verschiedene Lerntypen an.

 helfen kognitiv schwächeren Schüler*innen sich einzubringen.

 fördern eigenverantwortliches Lernen und stärken die Empathiefähigkeit.

Methodische Vorüberlegungen:

Die Schüler*innen schließen sich zu Kleingruppen (3 – 5 Personen) oder Partner*innen zusammen. Den Schüler*innen wird das „Thema“ zugeteilt, das sie als Standbild darstellen sollen.

Als hilfreiche Vorübung werden Begriffe genannt, die individuell als Standbild dargestellt werden (z. B. fröhlich, nachdenklich, traurig, aufgeregt, der Sieger …). Diese Übung kann mit einer oder einem Partner*in oder in der Gruppe erweitert werden.

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Herbert Stiegler Jakobs Kampf. Foto: Monika Prettenthaler
03–04|2020 SCHREIBEN und GESTALTEN
dem Methodenlabor
Jesus und die Sünderin. Foto: Monika Prettenthaler
Aus

Zusätzliche Impulse können sein, dass jede Person im Standbild eine andere ansieht oder berührt. Zur Vorbereitung eines Standbildes (im biblischen Kontext) befassen sich die Schüler*innen in Gruppen mit folgenden Einstiegsfragen:

 Wer sind die einzelnen Personen?

 Was tun diese?

 Was erleben sie im Alltag?

 Welche Rolle übernehmen sie in der ausgewählten Geschichte?

 Wie/was denken sie über das, was geschehen ist?

Die Schüler*innen tauschen dazu ihre Sichtweisen und Gedanken aus und bereiten das Standbild vor:

 Jede Gruppe kann das Bild mit einem kurzen verbalen Impuls einleiten, und dann soll das Bild wirken.

 Fallweise kann es sinnvoll sein, dass ein/e Schüler*in jeweils ein kurzes Interview (zwei bis drei Fragen) mit einer Person aus dem Standbild führt.

 Nach der Vorstellung der Standbilder treten die Schüler*innen bewusst aus ihrer Rolle („Ich bin jetzt wieder ‚eigener Name‘”), strecken und bewegen sich.

Es ist empfehlenswert, dass eine Schülerin oder ein Schüler aus der Gruppe die Rolle des Regisseurs übernimmt, der die Ideen und Absprachen umsetzen kann. Die Gruppen erarbeiten gemeinsam, welche Mimik und Gestik sich aus welchen Gründen am besten eignen. Sie üben ihr Standbild, und anschließend präsentieren sie ihr Standbild stumm. Die Zuschauer*innen können dazu ermuntert werden, das Dargestellte zu beschreiben und zu erklären:

 Beschreibt, was ihr seht!

 Wer wird durch wen dargestellt? Woran lässt sich das erkennen?

 Welche Beziehungen sind erkennbar? Wie sind sie dargestellt?

 Welche Gesten und mimischen Ausdrucksformen sind zu erkennen und was drücken sie aus?

Es gibt keine falschen Darstellungen, weil Interpretationen etwas Persönliches sind und Standbilder helfen können, das „Thema“ in neuen Per-

Literatur und Internettipps:

 Scheller, Ingo: Szenisches Spiel. Handbuch für die pädagogische Praxis. Berlin: Cornelsen 1998.

 Rendle, Ludwig (Hg.): Ganzheitliche Methoden im Religionsunterricht, München: Kösel 2014, 99-103.

 Zimmermann, Mirjam: Standbilder, in: Das wissenschaftlich-religionspädagogische Lexikon im Internet (wirilex.de). 2019

 didaktik.zum.de/lin-klitzing/kapitel/1112.htm

 home.uni-leipzig.de/didakrom/Methoden/Methodenkiste_der_Bundeszentrale_fuer_politische_Bildung.pdf

 www.bpb.de/publikationen/FKRSO4,0,MethodenKiste.html

 wiki.zum.de/wiki/Standbild

spektiven wahrzunehmen.

Die fertigen Standbilder können zur Dokumentation oder für eine weitere inhaltliche Arbeit (biblische Bildgeschichte) fotografiert werden.

Auswertung und Nachbesprechung:

 Die Beobachter*innen befragen die Spieler*innen nach ihren Empfindungen und Gedanken.

 Die Darsteller*innen beschreiben, was sie in ihrer Rolle denken und empfinden.

 Die Wirkung des Standbildes bzgl. der Beziehungsdimension und den inhaltlichen Aussagen wird verglichen mit der Vorstellung des Spielleiters oder der Spielleiterin.

 Das Standbild wird abschließend mit dem (biblischen) Text verglichen. Welche Aspekte wurden aufgegriffen, verändert oder weitergeführt? (vgl. Zimmermann, 7-8)

Die Arbeit mit Standbildern ist zeitaufwändig und braucht Raum.

Standbilder sind auch in Oberstufenklassen eine spannende Methode, mit biblischen Texten zu arbeiten.

In Abschlussklassen können beispielweise ausgewählte Bibeltexte, die im Laufe der vergangenen Jahre Thema im Religionsunterricht waren, auf diese Weise wiederholt bzw. reflektiert werden. Beispielhaft können biblische Konflikte besprochen und in Standbildern visualisiert werden:

 Jakobs Kampf am Jabbok (Gen 32; 9. Schulstufe)

 Ijob und Gott (12. Schulstufe)

 Jesus und die Ehebrecherin (Joh 8; 6. Schulstufe MS und AHS)

 Jesus heilt am Sabbat, und der Konflikt mit seinen Verwandten (Mk 3; Lk 2; 6. Schulstufe MS/ AHS)

 Marta und Maria (Lk 10) 

Standbilder eignen sich für eine Vertiefung biblischer Texte.

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Herbert Stiegler
Ijob. Foto: Monika Prettenthaler 03–04|2020 SCHREIBEN und GESTALTEN

EIN KREuZWEG IN STANdBILdERN

Im folgenden Beispiel wird auszugsweise ein Kreuzwegprojekt vorgestellt, welches die Religionslehrerin Andrea Kern an der NMS Laßnitzhöhe im Unterricht erarbeitete und das Schüler*innen im Rahmen einer Kreuzwegandacht „präsentiert“ haben. Die Fotos stammen von Daniela Triebelnig. Der vollständige Kreuzweg ist im Abobereich online abrufbar.

Seit dem 15. Jahrhundert wird die Leidensgeschichte Jesu in Stationen dargestellt. Menschen gehen diesen Weg des Leidens Jesu mit. Im Kreuzweg finden Menschen das Auf und Ab, das Kreuz und Quer des Lebens. Den Kreuzweg Jesu nachgehen heißt, den eigenen Lebensweg darin entdecken und erspüren, dass Gott uns auch in der größten Not nicht alleine lässt.

Station 1 – Jesus wird zum Tode verurteilt

Zum dritten Mal sagte Pilatus zu ihnen: „Was für ein Verbrechen hat er denn begangen? Ich habe nichts feststellen können, wofür er den Tod verdient. Daher will ich ihn auspeitschen lassen und ihn dann freilassen.“ Sie aber schrien und forderten immer lauter, er solle Jesus kreuzigen lassen, und mit ihrem Geschrei setzten sie sich durch. Pilatus entschied, dass ihre Forderungen erfüllt werden sollten. Er lieferte Jesus ihnen aus, so wie sie es verlangten.

Station 3 – Jesus fällt zum ersten Mal unter dem Kreuz

Station 4 – Jesus begegnet seiner Mutter

Auch einige Frauen waren da … sie waren Jesus schon in Galiläa nachgefolgt … Unter ihnen befand sich Maria, seine Mutter. Maria steht zu ihrem Sohn. Sie verlässt ihn nicht. Auch auf dem Kreuzweg steht sie zu ihm.

Jeder und jede von uns weiß, wie weh es tut, wenn man ungerecht behandelt wird, wie leicht es vorkommt, dass man ungerecht ist, Unrecht tut und Unrecht zu spüren bekommt.

Station 2 – Jesus nimmt das Kreuz auf seine Schultern

Jesus wurde verraten und verleugnet. Seine Freunde sind geflohen, die Menschenmenge schreit immer wieder: „Kreuzige ihn!“ Sie alle nehmen das Kreuz und legen es Jesus auf die Schultern. So trug er sein Kreuz und ging hinaus zur sogenannten Schädelhöhe, die auf hebräisch Golgota heißt.

Geteiltes Leid ist halbes Leid. Es ist ein gutes Gefühl zu wissen: Egal was passiert, jemand hält zu mir. Von liebevollen Menschen begleitet, können wir gestärkt auch schwere Wege gehen.

Station 5 – Simon von Zyrene hilft Jesus das Kreuz tragen

Station 6 – Veronika reicht Jesus das Schweißtuch

Auch Veronika steht am Straßenrand, um Jesus ganz nahe zu sein. Sie blickt ihm ins blutverschmierte Gesicht. Sie reicht ihm ihr Tuch und reinigt sein Antlitz.

Immer wieder tragen wir Bedrückendes und Schweres, tragen unser Kreuz. Manchmal sichtbar, oft auch nicht erkennbar. Schwer, erdrückend und erschöpfend können beide sein.

Wie hilflos sind wir, wenn wir großem, ausweglosem Leid begegnen. Wie eine kleine Geste oft Großes bewirken kann.

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SCHREIBEN und GESTALTEN

Station 7 – Jesus fällt zum zweiten Mal unter dem Kreuz

Das schwere Kreuz wirft Jesus erneut zu Boden.

Station 12 – Jesus stirbt am Kreuz

Als die sechste Stunde kam, brach über das ganze

Land eine Finsternis herein. Sie dauerte bis zur neunten Stunde. Und in der neunten Stunde rief

Jesus mit lauter Stimme: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Einer lief hin, tauchte einen Schwamm in Essig, steckte ihn auf einen Stock und gab Jesus zu trinken. Jesus aber schrie laut auf. Dann hauchte er den Geist aus.

Zu unserem Leben gehört das Scheitern, das Versagen, die Verzweiflung. Aber es gibt in uns auch die Kraft, immer wieder aufzustehen und weiterzugehen.

Station 8 – Jesus begegnet den weinenden Frauen

Es folgte eine große Menschenmenge, darunter auch Frauen, die um ihn klagten und weinten. Jesus wandte sich zu ihnen und sagte: „Ihr Frauen von Jerusalem, weint nicht über mich, weint über eure Kinder”.

Leben als Einsatz, Tag für Tag setzen sich Menschen für andere ein, bis zur letzten Konsequenz.

Station 13 – Jesus wird vom Kreuz abgenommen

Bei dem Kreuz standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas und Maria von Magdala.

Manchmal ist es wirklich zum Heulen, wenn wir daran denken, was tagtäglich geschieht. Worüber könnte ich weinen? Was bringt mich zum Weinen? Bringe ich auch manchmal andere zum Weinen?

Station 9 – Jesus fällt zum dritten Mal unter dem Kreuz

Station 10 – Jesus wird seiner Kleider beraubt

Station 11 – Jesus wird an das Kreuz genagelt

Dann kreuzigten sie ihn … Zusammen mit ihm kreuzigten sie zwei Räuber, den einen rechts von ihm, den anderen links.

Unser Schmerz ist manchmal groß. Was schmerzt mich?

Station 14 – Jesus wird ins Grab gelegt

Station 15 – Jesus ist auferweckt

Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden.

Festgenagelt zu werden tut auch ohne Nägel weh: auf das Versagen, auf das, was man nicht gut kann, auf Fehler.

Die Auferweckung Jesu ist nicht bloß ein Ereignis, das in der Vergangenheit verblieben ist. Auferweckung ereignet sich im Hier und Jetzt, mitten am Tag, hundertfach in unserem Leben. Immer dann, wenn … 

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03–04|2020 SCHREIBEN und GESTALTEN

KREATIVE BIBELARBEIT

Die Bibel ist seit gut 2000 Jahren nicht nur Grundlage des christlichen Glaubens und Kulturgut, sondern für viele Menschen auch Hilfe und Orientierung für ihr Leben. Die Heilige Schrift kann auf sehr unterschiedliche Weise erfahren und erlebt werden – von spirituell bis hin zu historisch-kritisch. Ebenso individuell und vielfältig sind die Zugänge und Methoden ihrer Erschließung und Erarbeitung.

Simone RieserKurzmann

Eva Bacher

Magdalena Schalk

Herbert Stiegler

„Biblische Texte sind Gottes Wort in Menschenwort und demzufolge wirksam, wenn sie mit vielfältigen Zugängen bzw. Methoden erschlossen werden. Als Glaubenszeugnisse wollen sie Glauben erzeugen und stärken.“ (Hecht, 1)

Im Christentum kommt dem „Wort“ eine zentrale Bedeutung zu. Verschiedenste Texte (Bibeltexte, Geschichten oder auch Legende von Heiligen etc.) stehen deshalb im Blickpunkt der Exegese. In der Auseinandersetzung mit diesen Texten entwickelt sich eine Verbindung zwischen dem Text und dem Rezipierenden. Doch gerade Bibeltexte sind mitunter schwierig zu lesen und zu verstehen, da sie teils sprachlich und inhaltlich veraltet und teils nicht mehr zeitgemäß wirken und erst in die eigene Sprache und Lebenswelt übertragen werden müssen. Fragen, Wünsche oder auch Ängste können hierbei Anknüpfungspunkte für eine erfahrungsbezogene Ebene sein, die z. B. eine Reflexion und kreative Gestaltung umfasst (vgl. Schlicker, 2). Die gewählten Zugänge sollen ein persönliches Sich-Einlassen erlauben, durch Methoden, die eine ganzheitliche und sinnenhafte Identifikation und den Dialog fördern (vgl. Hecht, 1).

Sinn und Ziel der Arbeit mit Bibeltexten

Die Arbeit mit biblischen Texten kann nicht nur das persönliche Verstehen und Deuten fördern, sondern auch einen Austausch mit anderen Meinungen ermöglichen. Besonders kreative und spielerische Textzugänge bilden oft eine Brücke zwischen den unbekannten Texten und der Lebensrealität der Lernenden und können so auch zur Klärung des eigenen Selbst- und Weltverständnisses beitragen. Neben der Art der Vermittlung bildet vor allem die Lebensrelevanz der Texte und die Verbindung zur Lebenswelt der Schüler*innen Schwerpunkte der Bibelarbeit (vgl. Schlicker, 2).

Bei biblischen Texten kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Schüler*innen diese Texte lesen und sofort beim Lesen erschließen bzw. verstehen können. Es braucht interaktive und dialogische Zugänge, um biblische Texte

 als Einladung zum Gespräch über Themen und Erfahrungen des Lebens und Glaubens wahrzunehmen. Zugang: Gesprächs-, Dialogund Fragemethoden.

 als Motivation zum Handeln und zum Engagement für Andere. Zugang: Methoden, die in Bewegung führen bzw. Textbewegungen nachvollziehen.

 als Einführung in Inhalte des Glaubens, ins Gottvertrauen und in unser Innerstes.

Zugang: Methoden, die Glaubens-, aber auch Selbsterfahrungsprozesse unterstützen.

 als Möglichkeit für sinnenhaftes Erleben.

Zugang: Sinnenhafte Methoden wie Seh-, Hörund Spürübungen (vgl. Hecht, 1f).

Bei allen Zugängen, mit biblischen Texten zu arbeiten, steht der Lebensbezug im Mittelpunkt. Die Methode muss nicht nur die Textbotschaft erschließen, sondern auch auf die Schüler*innen abgestimmt sein, um sie zu bewegen und auf verschiedenen Ebenen anzusprechen, denn Bibeltexte sind keine Nachrichtentexte, die rein auf Information abzielen (vgl. Hecht, 1).

Methoden zur Arbeit mit Bibeltexten

Die Arbeit mit biblischen Texten wird erleichtert, wenn sie in drei Phasen geschieht: der Eröffnungs-, Erarbeitungs- und Verinnerlichungsphase.

Die Eröffnungsphase soll Zeit und Raum für persönliche Erfahrungen aus dem Alltag, Gefühle, aber auch Kritik bieten und einen Austausch und eine Verbindung mit dem Text ermöglichen. Beispiele: Verbildlichen von Schlüsselwörtern oder Herstellen von Assoziationen zu diesen. Auch Vergleiche von unterschiedlichen Übersetzungen, Wiederholen von wichtigen Wörtern und Sätzen und verzögertes Lesen können vor zu schnellem Konsum und vor unproduktiver Langeweile schützen. Je ferner die Lernenden zum Bibeltext stehen, desto eingehender sollte diese Phase sein (vgl. Schlicker, 4).

In der Erarbeitungsphase geht es darum, den Text nicht zu vereinnahmen, sondern ihn in seiner Sprache ernst zu nehmen. Beispiele: Strukturierung des Textes, Textaufbau durch ein eigenes Schriftbild

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Aus dem Methodenlabor
SCHREIBEN und GESTALTEN
Johannes 1,1–3. Foto: Simone Rieser-Kurzmann

visualisieren, Sinnschritte mit eigenen Überschriften versehen oder verschiedene Übersetzungen bzw. biblische Bezugsstellen vergleichen. Methodisch sollen die räumliche und zeitliche Dimension beschrieben, die Handlung und die Handelnden betrachtet und Wiederholungen und Gegensätze aufgespürt werden (vgl. Schlicker, 4).

In der Verinnerlichungsphase geht es um das gegenseitige Durchdringen von Text und Person. Beispiele ganzheitlicher Methoden: Weitererzählen der Geschichte, Verfremdung oder Aktualisierung des Textes, Transformation in andere Textgattungen, Weiterspielen (vgl. Schlicker, 4).

Weitere methodische Zugänge:

 Lesemethoden:

Um Bibeltexte zu verstehen, braucht es unterschiedliche Leseformen, wie z. B. Satzwiederholungen, verschiedene Betonung von Wörtern oder Sätzen, Übersetzen in die heutige Sprache, Muster entdecken, perspektivisches Lesen, Hörspiel, Stopp-Methoden etc. (vgl. Hecht, 2f).

 Ganzheitliche Methoden:

Västeras Methode: An den Rand des Bibeltextes werden Zeichen (?, !, ♥,↔) gesetzt und deren Bedeutung geklärt (? = Verstehe ich nicht; ! = Das ist wichtig; ♥ = Das berührt mich ↔ = Lesende stehen im Widerspruch zu Textaussagen). Nun wird der gesamte

Text mit den Zeichen markiert. In einer Reflexionsrunde werden die Markierungen besprochen.

Drei-Phasen-Modell: „Vom Leben zum Text und vom Text zum Leben“.

Auf den Text zugehen: Projektive Phase – Motivationsphase

Vom Text ausgehen: Analytische Phase – Erarbeitungsphase – auf den Bibeltext hören

Mit dem Text weitergehen: Aneignungsphase –Adaptionsphase (vgl. Hecht, 4).

 Dialogische Methoden:

Gespräch über den Bibeltext: Predigtdialog –Bibel und Jetztzeit im Austausch (Textanalyse –Anknüpfungspunkte zum Heute)

Quadrat – Methode: Ausgangspunkt ist eine These. Danach gibt es ein Blatt mit vier Satzanfängen für mögliche Stellungnahmen: Ja, weil ... Volle Zustimmung. Begründen, warum. Ja, aber ... Eher Zustimmung, aber Einwand bzw. Einschränkungen

Nein, weil ... Volle Verneinung. Begründen, warum. Nein, aber ... Eher Verneinung, aber dennoch beschränkte Zustimmung (vgl. Hecht, 5).

 Vertiefende Methoden des Sich-Einlassens: Diese Methoden führen tiefer in den Text. Bildbetrachtung als Dreischritt: Ein Kunstbild zu einem Bibeltext oder ein imaginäres Bild zum Bibeltext werden in drei Schritten betrachtet: Ich sehe …, ich spüre …, ich frage mich … oder: mich bewegt jetzt … (vgl. Hecht, 7).

Identifikation in vier Schritten: Wissen-Fantasie-Sein:

1. Schritt: Was weiß ich über die Person/Figur?

2. Schritt: Was denke ich selbst über die biblische Person/Figur?

3. Schritt: Versuche, sie/er zu sein!

4. Schritt: Auswertung (vgl. Hecht, 7).

 Identifikations-Methoden: Die Teilnehmenden übernehmen Rollen aus den biblischen Texten bzw. beobachten diese. Zu dieser Methode gehören das szenisches Lesen, Rollensatz oder der Bibliolog (vgl. Hecht, 7–9).

Bei der Arbeit mit religiösen Texten geht es einerseits um die Aneignung und Verinnerlichung von Texten der eigenen Religion. Religiöse Texte, die als Offenbarungs- oder Lehrtexte gelten, enthalten eine religiöse Weltdeutung und Erfahrungen mit dem Göttlichen. Sie sind heilige, besondere Texte, die mit dem entsprechenden Respekt und der nötigen Sensibilität behandelt werden sollen (vgl. Stögbauer-Elsner 2015, 11–13).

Literatur und Internettipps:

die Heilige Schrift gleicht einem kostbaren Schatz. […] In einem einzigen kurzen Ausspruch derselben ist eine Fülle von Gedanken, ein unaussprechlicher Reichtum enthalten.

 Becker, Tabea/Sawatsky, Rebecca: Bibel Art Journaling. Neue kreative Projekte für Anfänger und Fortgeschrittene, Witten: SCM 2017.

 Hecht, Anneliese: Methoden kreativer Bibelarbeit, in: www.bibelwerk.de/fileadmin/ verein/Bilder/Methoden/Bibelwissenschaft_allgemein/Methoden__kreativer_Bibelarbeit_Hecht_19.pdf

 Niehl, Franz W./Thömmes, Arthur: 212 Methoden für den Religionsunterricht. München: Kösel-Verlag 2014.

 Peter, Dietmar: Kreative Textarbeit im Religions- und Konfirmandenunterricht, in: www. rpi-loccum.de/material/pelikan/pel4-04/petext

 Schlicker, Veronika: Methoden im Religionsunterricht – Textarbeit, Bibliodrama, Bibliolog, in: docplayer.org/132946976-Methoden-im-religionsunterricht.html

 Sigg, Stephan: Spirituelle Schreibwerkstatt mit jungen Menschen. Anleitung und Beispiele, Freiburg, Basel, Wien: Herder 2014.

 Stögbauer-Elsner, Eva-Maria: Textarbeit, in: www.bibelwissenschaft.de/fileadmin/ buh_bibelmodul/media/wirelex/pdf/Textarbeit__2018-09-20_06_20.pdf

 Thömmes, Arthur: Unterrichtsphasen erfolgreich gestalten. Das große Methodenhandbuch für die Sekundarstufe, Mülheim an der Ruhr: Verlag an der Ruhr 2014.

 Weirer, Wolfgang u. a.: Religion betrifft. Religion AHS 7, Graz: Styria 2018.

 www.dioezese-linz.at/kons-kirchenmusik/fastenkalender2019/blackout-poetry

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Satz für Satz. Foto: Simone Rieser-Kurzmann
SCHREIBEN und GESTALTEN

Auf der folgenden Doppelseite werden einige kreative Methoden der Bibelarbeit vorgestellt und kurz umrissen. Je nach Adaption sind sie sowohl in der Primar- als auch in der Sekundarstufe einsetzbar.

Bibel-Wort-Wolke

Die Schüler*innen gestalten zum bearbeiteten Bibeltext eine Bibel-Wort-Wolke. Die Wortwolke besteht nur aus Wörtern, die im Text vorkommen. Für die Schüler*innen wichtige Worte werden größer dargestellt als weniger wichtige Worte. Dabei kann mit Farben, Schriftarten und Schriftgrößen gespielt werden. Die Bibel-Wort-Wolken können gesammelt und in einer Ausstellung in der Schule präsentiert werden.

Meine Mini-Bibel

Beim ersten Kennenlernen und Entdecken der Bibel dürfen die Schüler*innen (der ersten Klasse) ihre eigene Mini-Bibel basteln. Die Unterscheidung zwischen dem Alten und dem Neuen Testament ist bereits eingeführt. Die Kinder gestalten die zwei großen Teile der Bibel mit Bildern von Erzählungen, die sie bereits kennen.

Bibelstelle nachspielen

Bibelstellen möchten erforscht und zum Leben erweckt werden. Nachdem eine Bibelstelle erzählt oder vorgelesen wurde, dürfen die Schüler*innen in die Rollen der biblischen Figuren schlüpfen und die Bibelstelle nachspielen. Im Bild zu sehen ist eine von Schüler*innen dargestellte Szene von der Verkündigung des Herrn (Lk 1,16-38).

Material:

 eine (oder mehrere) alte Bibeln oder kopierte Bibeltexte

 Papier in verschiedenen Farben, Collage- oder Geschenkpapier, Scheren,

 Kleber, eventuell Schablonen

 Stifte: Blei-, Bunt-, Aquarellstifte, Lettering-Stifte, Fineliner,

 Stempel und Stempelkissen

 Zeit

Blackout Poetry

Ein Blackout Poet bzw. eine Blackout Poetin sucht nach versteckten Zeilen oder Wörtern in einem Text. Das bedeutet, dass zwischen den Zeilen gelesen und so eine neue Bedeutung entdeckt wird, ja vielleicht sogar eine geheime Botschaft. Für die einfachste Variante braucht es nur einen Text und einen schwarzen Marker.

Ein Blackout Text entsteht, wenn alle Wörter eines Textes mit einem Marker geschwärzt werden und nur diejenigen übrigbleiben, die für den neuen Text verwenden werden sollen. Es werden sozusagen die Wörter von der Bibel ausgeliehen und in einen neuen Zusammenhang gebracht. Auf diese Art und Weise entsteht ein ganz neuer Text.

Bible Art Journaling

Beim Bible Art Journaling befasst man sich intensiv mit den Texten der Bibel. Es ist eine Art kreatives Bibelstudium. Die Texte werden nicht nur gelesen, sondern sie werden in der Bibel so gestaltet, dass die Bibel neu erfahren wird. Die Bibel wird zum „eigenen“ Buch, einzigartig und unverwechselbar.

 Bibel = das Wort Gottes ist die Grundlage

 Art = die gestaltende Auseinandersetzung

 Journaling = eine Form des Tagebuchführens

Arbeitshinweise:

 Bibeltext auswählen

 Bibeltext lesen

 Bibeltext besprechen und interpretieren

 Bibeltext gestalten

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Bibelstelle nachspielen. Foto: Magdalena Wünscher Bibel Art Journaling.
SCHREIBEN und GESTALTEN
Foto: Simone Rieser-Kurzmann Blackout Poetry. Foto: Simone Rieser-Kurzmann

Variante „Schwärzen Kernaussagen“

Der zu bearbeitende Text wird in kopierter Form zur Verfügung gestellt. Üblicherweise werden wichtige Passagen oder Kernaussagen unterstrichen oder farblich hervorgehoben. Mit der Methode „Schwärzen“ bleiben zentrale Begriffe und Kernaussagen sichtbar, der restliche Textteil wird mit einem schwarzen Marker durchgestrichen bzw. geschwärzt. Eine aktive Auseinandersetzung mit dem Text wird dadurch angeregt und die Ergebnisse können verglichen und diskutiert werden.

Biblische Texte in anderen Sprachen

Mit wachsenden sprachlichen Kompetenzen der Schüler*innen können (zentrale) biblische Texte in einer fremdsprachlichen Übersetzung zur Verfügung gestellt werden. Auf www.bibleserver. com können unter „alle Übersetzungen“ entsprechende Texte recherchiert und gedruckt werden. Der sprachliche Wechsel kann zu einer gründlichen und sorgfältigen Bearbeitung anregen und zu neuen Perspektiven führen.

Sprach-Bilder

In der Methode der Sprachbilder geht es darum, den Losungstext in einem Schrift-Bild darzustellen. Dazu wird ein Bild zur Losung nur mit Buchstaben und Worten gestaltet. Die Schüler*innen spielen dabei mit der Textform und probieren, wie alternative Buchstabengestaltungen und alternative Anordnungen auf das Textverständnis wirken. Die durch die Schreibbilder entstandenen Interpretationsvorschläge werden abschließend in der Klasse diskutiert (vgl. Peter, Kreative Textarbeit).

Perspektivisches Schreiben

Ein Bibeltext wird gelesen. Jede/r sucht sich eine Person aus und erzählt die Geschichte aus deren Perspektive (Tagebucheintrag) oder schreibt sie als Fortsetzungsgeschichte weiter. Weitere Möglichkeiten: Tagebucheintrag, Brief, Songtext, Chatnachricht mit Emojis, … (vgl. Weirer u. a. 2018, 168).

W-Fragen

Ein Text wird zunächst still gelesen. Dann sollen verschiedene W-Fragen an den Text gestellt werden, z. B.:

Wer sind die handelnden Personen?

Was ist passiert? Wann ist das passiert? Wo ist das passiert?

Wie kam es dazu? Warum handelte xy so?

Die Fragen sind je nach Text variabel. Sie sollen aber aus dem Text beantwortbar sein. Die Fragen können auf einzelne Kärtchen geschrieben und dann neu ausgeteilt werden. Alle machen sich dann auf die Suche nach den Antworten, die Ergebnisse werden anschließend vorgestellt. Es kann auch in Partnerarbeit ein Interview mit diesen Fragen geführt werden (vgl. Thömmes 2014, 60).

drehbuch

Die Schüler*innen schreiben allein oder zu zweit ein Drehbuch. Dieses hat eine besondere Form, da es nur aus Dialog bzw. direkter Rede besteht. Wichtig ist, dass sie vorab alle Charakteristika eines Drehbuchs sammeln: direkte Rede, kurze, einprägsame Handlungsanweisungen etc. Danach schreiben sie den Text. Sie können diesen dann auch umsetzen (vgl. Sigg 2014, 120).

Textsoziogramm

Ein Bibeltext, in dem mehrere Personen vorkommen, kann mit dieser Methode visualisiert werden. Es geht dabei darum, die Beziehungen zueinander deutlich zu machen. Jeder Name wird in einen Kreis geschrieben. Je enger die Personen zueinander stehen, desto näher sind sich die Kreise. Zusätzlich kann durch Symbole und Pfeile die Art der Beziehung ausgedrückt werden, z. B.:

+ = positive Beziehung

++ = besonders intensive Beziehung

- = negative Beziehung, Probleme, Streit

-- = sehr negative Beziehung

-> = einseitige Beziehung

<-> = beidseitige Beziehung

o = keine Beziehung

Anhand der Zeichnung kann die Bibelstelle nacherzählt oder auch über die unterschiedlichen Beziehungen diskutiert werden (vgl. Thömmes 2014, 589).

Textcollage

In Gruppen (4 bis 6 Schüler) werden die groß geschriebenen (unterschiedlich gestalteten) Wörter der Kirchentagslosung auseinandergeschnitten, auf ein DIN-A2-Blatt geworfen und so aufgeklebt, wie sie fallen. Nun wird überlegt, mit welchen Bildern oder Zeitungsüberschriften die Zwischenräume ausgefüllt werden sollen, so dass neue Zusammenhänge zwischen einzelnen Wörtern der Losung und den gewählten Materialien entstehen. Abschließend werden die Textcollagen präsentiert und die entstandenen Sinnzusammenhänge ausgewertet (vgl. Peter, Kreative Textarbeit).

„Brick Testament“

Im „Brick Testament“ werden mit Legofiguren Szenen aus der Bibel nachgebildet. Auf www. thebricktestament.com sind inzwischen 400 biblische Geschichten und ca. 3600 Szenen abrufbar. Aus der Fülle von Motiven kann für den Religionsunterricht eine Auswahl getroffen werden, um Gesprächsprozesse zu biblischen Inhalten zu initiieren und eventuell auch die Lust am Gestalten von biblischen Szenen mit Legosteinen zu wecken. Zu beachten ist aber eine unkritische Prägung dieses Projektes, das biblische Inhalte wortwörtlich, historisierend und moralisierend darstellt.

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SCHREIBEN
Brick Testament. Foto: pixabay
und GESTALTEN

MERK-WÜRdIG LERNEN

Wenn Wissen und Kenntnisse nachhaltig im Gedächtnis bleiben, kann es natürlich am jeweiligen Inhalt liegen. Erkenntnisse aus der Gehirn- und Lernforschung und die Erfahrung vieler Lehrer*innen zeigen, dass auch eingesetzte Methoden wesentlich dazu beitragen, Inhalte „merk- dass würdig“ erarbeiten zu können.

Monika Prettenthaler

Bevor einige „merk-würdige“ Methoden vorgestellt werden, soll der Blick auf ausgewählte Basics gelenkt werden, die Lernprozesse prägen.

Nicht nur die Erfahrungen der letzten beiden Jahre zeigen: Die Welt verändert sich drastisch – und mit ihr wandeln sich auch Lern- und Bildungskonzepte. Tragende und vertraute Fundamente, die auch in gegenwärtigen und zukünftigen Bildungsprozessen von hoher Relevanz sind bzw. sein werden, sind ganz unterschiedliche Fähigkeiten, die als „Voraussetzung für den Erwerb und die Anwendung von Wissen und das Erbringen von Leistungen“ (Messer 2020, 31) verstanden werden können. Barbara Messer stellt hier die sogenannten vier K an den Beginn ihrer „Gedanken zum Lernen“ vor (vgl. Messer 2020, 30–31):

 Kreativität

 Kritisches Denken

 Kommunikationsfähigkeit

 Kooperationsbereitschaft

Weitere bedeutsame Fähigkeiten oder Charaktereigenschaften, die z. B. von „Center for Curriculum Redesign“ als wertvoll erkannt und für die schulische Bildung empfohlen werden, sind:

 „Achtsamkeit – dazu zählen auch Eigenschaften wie: Selbstbewusstsein, Selbstverwirklichung, Reflexion, Bewusstsein, Mitgefühl, Dankbarkeit, Einfühlungsvermögen, Wachstum, Weitsicht, Einsicht, Gelassenheit, Glück, Präsenz, Authentizität, Verbundenheit, Einssein, Akzeptanz, Geduld, Spiritualität, soziales Bewusstsein, interkulturelles Bewusstsein, usw.

 Neugier – dazu zählen Eigenschaften wie: Aufgeschlossenheit, Forschergeist, Leidenschaft, Selbststeuerung, Motivation, Initiative, Innovation, Begeisterung, Staunen, Spontaneität, usw.

 Mut – dazu zählen Eigenschaften wie: Tapferkeit, Entschlossenheit, Stärke, Zuversicht, Risikobereitschaft, Ausdauer, Robustheit, Schwung, Optimismus, Inspiration, Energie, Kraft, Elan, Eifer, usw.

 Resilienz – dazu zählen auch Eigenschaften wie: Beharrlichkeit/Ausdauer, Durchhaltevermögen, Hartnäckigkeit, Einfallsreichtum, Mumm, Selbstdisziplin, Anstrengung, Sorgfalt, Engagement, Selbstbeherrschung, Selbstwertgefühl, Vertrauen, Stabilität, Anpassungsfähigkeit, Umgang mit Mehrdeutigkeit, Flexibilität, usw.

 Ethik – dazu zählen auch Eigenschaften wie: Wohlwollen, Menschlichkeit, Integrität, Respekt, Gerechtigkeit, Gleichheit, Fairness, Mitgefühl, Alt-

ruismus, Inklusion, Akzeptanz, Loyalität, Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit, Anstand, Rücksichtnahme, Tugend, Liebe, Fürsorge, Hilfsbereitschaft, Großzügigkeit, Nächstenliebe, Zugehörigkeit, usw.

 Führungsstärke (Leadership) – dazu zählen auch Eigenschaften wie: Verantwortung, Verzicht, Verpflichtung, Zuverlässigkeit, Verlässlichkeit, Pflichtbewusstsein, Uneigennützigkeit, Demut, Bescheidenheit, Selbstreflektiertheit, Inspiration, Organisation, Hingabe, Heldentum, Charisma, Engagement, Führung durch Vorbild, Zielorientierung, Konzentration, Ergebnisorientierung, Präzision, Effizienz, Verhandlung, Geselligkeit, Vielfalt, usw.“ (Fadek/Bialik/Trilling 2017, 151ff zit. n. Messer 2020, 31-32)

Diese Eigenschaften, Gaben, Fähigkeiten und Verhaltensweisen können im Laufe eines „Lerner*innen-Lebens“ (weiter)entwickelt werden – in diesem Zusammenhang spielt auch eigenverantwortliches Lernen eine wichtige Rolle, denn Vorkauen und die Idee des Nürnberger Trichters haben ausgedient. In nachhaltigen Lern- und Bildungsprozessen sind vielmehr Methoden gefragt, die Schüler*innen in ihrer Ganzheit ansprechen und die sie „tief und vielfältig involvieren“. (Messer 2020, 32)

Pädagog*innen, die mit Kindern und Jugendlichen verschiedener Altersstufen arbeiten, sind daher gefordert, sich immer wieder zu fragen: Was braucht jedes einzelne Kind bzw. jede/r einzelne Jugendliche und wie kann ich diesen gerecht werden?

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HANDELN
Aus dem Methodenlabor
Reading. Foto: Amberrose Nelson/pixabay
und BEWERKSTELLIGEN

Barbara Messer stellt in ihrem Buch dazu das hilfreiche Intelligenzen-Modell von Howard Gardner (2008) incl. deren Vorlieben vor: „Menschen mit einer sprachlichen Intelligenz mögen:

– Frage-und-Antwort-Spiele, Quiz und Diskussionsrunden aller Art

– das Erarbeiten von Definitionen, Merksätzen und Anleitungen

– das Wiederholen des Stoffes, Themas, Vortrags in eigenen Worten

das Herausarbeiten von Problemen

Denkzettel, wörtliche Skizzen

– Minivorträge

– Lieder, Reime, Podcasts, Hörspiele

Menschen mit einer logisch-mathematischen Intelligenz mögen:

– Reihenfolgen erarbeiten, in Schritten vorgehen

– Einstufungen, Kategorien, Diagramme mit Prozentzahlen, Koordinaten

Vergleiche

– Abläufe und Diagramme

– katalogisieren und analysieren

Menschen mit einer musikalisch-rhythmischen Intelligenz mögen:

– Lernkonzerte und Lernlieder

– Musik im Training [Unterricht] (beispielsweise in Pausen, als Untermalung bei Gruppenarbeiten oder zur Pointierung)

– Raps, Jingles, Boogies und andere rhythmische Lern- und Memotechniken

Tänze

Menschen mit einer bildlich-räumlichen Intelligenz mögen:

– Lernplakate, Lernlandkarten

Inhalte, die visualisiert sind

Flussdiagramme, Diagramme, Schaubilder

– visualisierte Vorträge

– Fantasiereisen

Aufstellungen und Aktionen im Raum, wechselnde Plätze

– Mindmaps

Menschen mit einer körperlich-kinästhetischen Intelligenz mögen

diverse (Team)Aktivitäten mit Bewegung

– Rollenspiele

– Spiele

aktive Erarbeitungsphasen, Bewegungslernen und Tänze

Menschen mit einer naturalistischen Intelligenz mögen:

– Analogien, Metaphern und eine bildhafte Sprache

Bezug zu Natur und Systemen

Zeit für Reflexion

– Gelerntes in eigene Kontexte übertragen

Menschen mit einer interpersonalen Intelligenz mögen:

Gruppenaufgaben aller Art

Spiele und Wettkämpfe

– Verhandlungen und Austausch

– paarweises und kooperatives Lernen

Reflexion, Vergleich von Notizen und Ergebnissen

Menschen mit einer intrapersonalen Intelligenz mögen:

– wiederkehrenden Phasen für Reflexion

einen persönlichen Plan, wie sie mit dem neuen Wissen umgehen wollen und was sie damit erreichen wollen

– Reflexion und Rückblick

– Analyse der eigenen Leistung

– Zeit für sich, um alleine zu arbeiten Menschen mit einer existenziellen oder spirituellen Intelligenz mögen:

– Diskussion über das Wie, Warum und Wozu

– Zeit für Muße

– Konzentrationsübungen, zum Beispiel entsprechende Yogaübungen [oder Meditationsimpulse; Anm. d. A.]

– Centerings und andere EntspannungsphasenGespräche über das große Ganze, den Sinn und Zweck, das Übergeordnete.“ (Messer 2020, 83-84).

Im Blick auf diese Vielfalt von „Intelligenztypen“ und dem Wissen, dass diese in der Praxis auch in Mischformen begegnen, braucht es eine ebenso große Vielfalt an Lernaktivitäten.

Ideen für die Praxis Mind-Opener sind Methoden oder Ereignisse bzw. „augenöffnende Momente“, die ein stark motivierendes Erlebnis schaffen und in den Köpfen der Schüler*innen ein „Aha“ hervorrufen (vgl. Messer 2020, 98):

 Fragen unter den Sesseln (nach Messer 2020, 204-205): Diese wirkungsvolle Methode möchte Appetit auf ein neues Thema machen und ermöglicht eine Beteiligung der Schüler*innen von Anfang an. Dazu bereitet der/die Lehrer*in je nach Klassegröße drei bis fünf Fragen zum aktuellen Themenschwerpunkt auf nummerierten Karten vor. Diese Karten werden vor der Religionsstunde unter Sesseln befestigt. Der/die Religionslehrer*in informiert die Schüler*innen darüber, dass unter einigen Sesseln Fragen kleben und bittet jene, die eine Karte entdeckt haben, der Reihenfolge nach, der Lehrer*in die Fragen zu stellen. Diese werden von der Lehrperson beantwortet. Die Schüler*innen sind aktiviert und das Thema ist eingeführt – und hat große Chancen mit Interesse erarbeitet und nachhaltig im Gedächtnis bleiben zu können.

Wir bilden derzeit Lernende für Arbeitsplätze aus, die noch nicht existieren, um Technologien einzusetzen, die noch nicht erfunden wurden, damit sie Probleme lösen, von denen wir noch nicht einmal wissen, dass es Probleme sein werden.

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Riley, ehem. USBildungsminister
HANDELN und BEWERKSTELLIGEN
Chairs. Foto:wollyvonwolleroy/pixabay

 Liebes Tagebuch (nach Messer 2020, 208211):

Bei dieser Methode geht es darum, dass der/die Lehrer*in eigene Gedanken (z.B. Überlegungen zur Klassensituation, Sichtweisen zum Thema, Projektideen …) in Form eines laut gelesenen Tagebucheintrages veröffentlicht.

Vorbereitungszeit fällt, wenn der Tagebucheintrag live erstellt wird, keine an bzw. es genügt ein kurzer gedanklicher „Stichwortzettel“. Für das Schreiben und Laut-Lesen sind acht bis zwölf Minuten (abhängig vom Alter und der Konzentrationsfähigkeit der Schüler*innen) einzuplanen. Konkret kann das so aussehen: Der/die Lehrer*in kündigt das Tagebuch an, indem sie/er sagt: „Jetzt kommt ‚Liebes Tagebuch‘. Ich mache hier vorne einen öffentlichen Tagebucheintrag und ihr hört einfach zu. Anschließend macht auch ihr selbst eine Tagebucheintragung.“ Dann setzt sich die Lehrperson hin, schlägt ein Buch auf, beginnt zu schreiben und liest das Geschriebene gleichzeitig laut vor – der Text kann selbstverständlich vorbereitet werden, kann aber auch spontan entstehen. Der besondere Charme dieser Methode liegt darin, dass nicht nur wesentliche Kernaussagen zum Thema integriert werden können, sondern dass auch eventuelle Kritikpunkte und Fragen bzw. aktuelle Zugänge der Schüler*innen eingebaut werden können.

Anschließend können die Schüler*innen angeregt werden, Tagebucheinträge zum Thema zu verfassen, in die sie den eigenen Aneignungsprozess bzw. eigene Fragen, Verständnisschwierigkeiten, Lernüberraschungen … einbauen.

 Präsentation an die Decke (vgl. Messer 2020, 245-246):

Für diese Methode mit großem Überraschungseffekt benötigt die Lehrperson neben den vorbereiteten Vortragsfolien oder einem entsprechenden Impulsvideo (Kurzfilm) einen Beamer, der so aufgebaut werden kann, dass die Klassendecke als Präsentationsfläche genutzt werden kann. Die Vorbereitungszeit hängt vom Thema ab und von der Routine, mit der die/der Lehrer*in Präsentationen erstellt. Für die Auf- bzw. Abbauzeit sind fünf bis zehn Minuten zu planen, für die Präsentation dann zehn bis max. zwanzig Minuten.

Die Methode eignet sich gut für Inhalte und Phasen des Religionsunterrichts oder an Besinnungstagen, die in entspannter Atmosphäre erschlossen oder genossen werden können – also für Besinnliches und Nachdenklich-Machendes (oder auch für Zusammenfassungen).

die Schüler*innen sitzen während der Präsentation oder des Kurzvideos auf dem Boden und schauen auf die Decke – „dabei entspannen sie sich und können die tieferen Botschaften des Inhaltes und Themas sehr gut aufnehmen […] Das Setting ist in sich eine tolle Intervention, die für positive Aufregung sorgt“ (Messer 2020, 246), das aber – abhängig von der Tageszeit und dem Ermüdungsgrad der Schüler*innen – unter Umständen auch zum Einnicken verführen kann.

 Mein erstes Mal (nach Messer 2020, 251-253): „Das Leben von Menschen besteht aus einer langen Kette von ‚Das erste Mal‘. Das erste Mal, wenn wir etwas erleben, oder uns ein erstes Mal etwas widerfährt, das bleibt in Erinnerung.“ (Messer 2020, 251) Im schulischen Kontext geht es um den ersten Moment, in dem jemand mit einem Thema zu tun hatten. Der Erstkontakt. Das war ein besonderer Moment, der sich eindrücklich festgesetzt hat. „Die Methode ‚Das erste Mal‘ bezieht sich zum einen auf die Ergebnisse der Hattie-Studie, in der die Beziehung zwischen Lehrenden und Schülerinnen und Schülern das tragende Element zum Erfolg eines Lernprozesses ist, und zum anderen auf das Ansprechen der affektiven Lernziele.“ (Messer 2020, 251)

Die Vorbereitungszeit ist vom Inhalt abhängig. Jedenfalls muss im Vorfeld überlegt werden, was mit der Geschichte bezweckt werden soll. Für das Erzählen des „ersten Males“ werden zehn bis max. fünfzehn Minuten eingeplant.

In dieser Form des persönlichen Story-Tellings erzählt der/die Lehrer*in den Schüler*innen vom ersten Mal, als sie das Thema, das aktuell im (Religions-)Unterricht behandelt wird, faszinierte, berührte, zu interessieren begann … Diese Methode bewährt sich bei schwierigen Themen oder Inhalten, bei denen es Widerstände und Einwände gibt. Oft wird dabei deutlich, dass die Offenheit bezüglich der persönlichen Betroffenheit etwas Tiefergehendes bei den Schüler*innen auslösen kann.

Impulse, um zum gewählten „ersten Mal“ eine anschauliche Geschichte entwickeln bzw. erzählen zu können:

– Wie alt war ich?

In welcher Lebenssituation befand ich mich?

Welche Sorgen, Fragen und Probleme, welche Freuden und Vorlieben hatte ich zu dieser Zeit?

Wie sah ich aus? Welche Kleidung trug ich?

Womit beschäftigte ich mich hauptsächlich?

Was hat sich durch das Thema bzw. durch die Auseinandersetzung mit ihm bei mir getan oder verändert?

Anregungen, um „Das erste Mal“ zu inszenieren:

-- Der/die Lehrer*in setzt sich in der Kreismitte auf den Boden und versammelt die Schüler*in-

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Girl. Foto: Luisella Planeta Leonie/Pixabay
HANDELN und BEWERKSTELLIGEN

nen um sich.

Die Lehrer*in setzt sich hinter die Schüler*innen und lässt diese die Augen schließen, während sie erzählt.

Die Lehrperson kann sich auch in eine Ecke in der Klasse setzen, die sie dafür hergerichtet hat. Die wesentlichen Kernaussagen und Aspekte können auch visualisiert werden.

 Die Landkarte (vgl. Messer 2020, 284-287):

Inhalte in Form einer Landkarte aufzubereiten kann Schüler*innen faszinieren, ist aber eine Methode, die am Anfang von der Lehrperson nicht ganz einfach umzusetzen ist und etwas Übung braucht.

Für die Vorbereitung ins ca. eine Stunde einzuplanen, für die Präsentation der Landkarte zehn bis zwanzig Minuten.

„Die Landkarte bildet ähnlich wie eine Mindmap diverse Inhaltsaspekte in stark bildhafter oder symbolischer Form ab. Mit der Landkarte können Inhalte, wesentliche Aussagen, Zusammenhänge oder auch Details vorgestellt werden.“ (Messer 2020, 285)

Im Vorfeld befestigt die/der Lehrer*in ein Flipchart an der Tafel/das Whiteboard, zeichnet direkt an die Tafel oder auf ein Blatt (und projiziert dieses mit einem Visualizer) bzw. im entsprechenden Programm am Notebook/Tablet die Umrisse der Karte – eine Rahmung erhöht die ästhetische Qualität.

die Lehrperson notiert Inhalte, die auf die Karte gebracht werden sollen, im Vorfeld

– wenn an der Tafel oder mit einem Plakat gearbeitet wird, können diese mit Post-its darauf probeweise verteilt werden – um einen Überblick zu bekommen. Die Themenaspekte, die auf der Karte untergebracht werden sollen, werden in ausdrucksstarke und/oder metaphorische Begriffe gefasst. Einige Beispiele aus einer „Landkarte zur Schöpfungsverantwortung“:

– Insel der nachwachsenden Rohstoffe

Floß der Verweigerer

Klippen des „Auf-mich-kommt-es-nicht-an“

– Wiese der Fleischfaster*innen

– Fluss der Bequemlichkeit

Kap der guten Hoffnung

Berg der Engagierten

– Höhle des …

– Camp von “Friday for Future”

Die Begriffe werden auf der Karte untergebracht, ebenso werden Orte eingezeichnet: Stadt, Meer, Hafen, Wald, Dorf, Berge, Höhlen und Sehenswürdigkeiten.

Wenn auf Papier gearbeitet wird, kann die Karte mit Wachsmalstiften bunt ausgemalt werden. Selbstverständlich braucht die Karte auch einen passenden Titel. Die Landkarte wird dann punktuell vorgestellt, sie kann im Klassenraum bleiben, damit die Themen länger im Blick sind.

Varianten:

Die Schüler*innen zeichnen in Einzelarbeit zum Abschluss eines Themenfeldes selbst eine Landkarte – hier lohnt es sich, eine leere Rohversion als Arbeitsblatt zur Verfügung zu stellen.

Die Schüler*innen erstellen in Kleingruppen gemeinsam eine Landkarte. 

Literatur und Internettipps:

 Fadel, Charles/Bialik, Maya/Trilling, Bernie: Die vier Dimensionen der Bildung. Was Schülerinnen und Schüler im 21. Jahrhundert lernen müssen, ZLL21 e.V. 2017.

 Gardner, Howard: Intelligenzen, Stuttgart: Klett-Cotta 2008.

 Messer, Barbara: Inhalte merk-würdig vermitteln. 56 Methoden, die den Merkfaktor erhöhen, Weinheim/Basel: Beltz 2020 (3. Überarbeitet und erweiterte Auflage).

 Müller, Andreas/Noirjean, Roland: Lernerfolg ist lernbar. 22x33 handfeste Möglichkeiten Freude am Verstehen zu kriegen, Bern: Hep-Verlag 2009 (2. Auflage).

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Colorful. Foto: TeeFarm/Pixaby

GENERATION GAMES? COMPuTER –

SPIEL – (RELIGIONS-)uNTERRICHT

Digitale Spiele und Anwendungen sind ein fixer Bestandteil in der gegenwärtigen Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen. Gespielt wird auf einer Vielzahl unterschiedlicher Geräte und Plattformen, wie auf Smartphones, Spielkonsolen, Tablet-PCs … Im pädagogischen Kontext kann diese technische Anwendungskompetenz der Jugendlichen mit inhaltlich-kognitiven, kreativ-gestalterischen und reflexiven Kompetenzen erweitert werden.

Herbert Stiegler

der Medienpädagoge Stefan Aufenanger beschreibt den Begriff Medienkompetenz in sechs Dimensionen, die kontextuell gesehen werden:

 Kognitive und reflexive Dimension (Wissen, Verstehen und Analysieren von Medien)

 Anwendungs- und Handlungsdimension (sich mit Medien ausdrücken, Medien gestalten, informieren)

 Ethische Dimension (Medien und Medienproduktion unter ethischen Gesichtspunkten betrachten und beurteilen)

 Soziale Dimension (soziale Auswirkungen von Medien kennen und reflektieren)

 Affektive Dimension (mit dem Unterhaltungsaspekt und emotionalen Gehalt von Medien umgehen)

 Ästhetische Dimension (Medieninhalte adressatInnenengerecht und medienartspezifisch gestalten)

Im Umgang mit digitalen Medien ist häufig die Rede von ,Digital Immigrants‘, also Erwachsenen, die nicht mit den neuen Medien aufgewachsen sind, und den ,Digital Natives‘, den Kindern und Jugendlichen, die ihren Alltag selbstverständlich medial gestalten. Die Reaktion vieler Schulen ist eine Art von ,Verbotspädagogik‘. Smartphones und die damit verbundenen Möglichkeiten werden generell im Schulalltag und im Unterricht verboten. Ein Ernstnehmen des Unterrichtsprinzips Medienerziehung hat jedoch die unterschiedlichen Dimensionen von Medienkompetenz im Blick und gibt ihnen Zeit und Raum.

In den folgenden Ausführungen werden exemplarisch drei Bausteine zur Förderung von Medienkompetenz vorgestellt.

Baustein 1: PEGI, uSK oder was?

Kein vernünftiger Erziehungsberechtigter schenkt seinem 12-jährigen Sohn ein Moped und lässt ihn damit auf der Straße fahren … Als Lehrer habe ich oft von SchülerInnen erfahren, welche Spiele sie zu bestimmten Anlässen geschenkt bekamen. Da wurden immer auch Titel wie ,Sniper Elite‘, ,Wolfenstein‘, ,Resident evil‘ usw. genannt! Dabei haben digitale Spielanwendungen Altersangaben, die zur Orientierung dienen könnten: Jedes offizi-

ell im Handel erhältliche Spiel hat eine verpflichtend gekennzeichnete Alterseinstufung. ExpertInnen beurteilen die Spielinhalte nach bestimmten Kriterien wie Gewaltdarstellungen, Diskriminierung, Angst, Sex, Drogen, Glücksspiel … und die Ergebnisse dienen als Richtlinie für den Handel.

PEGI ist die Abkürzung von ,Pan European Game Information‘. Dabei handelt es sich um das erste europaweite Alterseinstufungssystem für Computer- und Videospiele: bupp.at/de/jugendschutz/pegi

USK bedeutet ,Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle‘ und ist ein deutscher Standard: www.usk.de/pruefverfahren/alterskennzeichen/

In Österreich gibt es eine ,Bundesstelle für Positivprädikarisierung von Computer- und Konsolenspielen‘ (BUPP). Diese Einrichtung wurde bereits 2005 gegründet und hat zum Ziel, ansprechende und gute Spiele für Computer und Konsolen aus dem Angebot hervorzuheben, um somit Eltern und LehrerInnen eine Orientierungshilfe zur Verfügung zu stellen. Über Spielempfehlungen hinaus werden aber auch zusätzliche Informationen zu möglichst vielen Spielen angeboten, um Eltern und ErzieherInnen eine breitere Bewertungsgrundlage zur Auswahl von digitalen Spielen zu bieten. Weiteres unter: bupp.at/

Baustein 2: Medienführerschein?

Kinder und Jugendliche sind medientechnisch versiert, häufig fehlt ihnen aber die Kompetenz, die Medieninhalte einzuordnen und kritisch zu hinterfragen. Als Beispiel eines ,Medienkompetenzführerscheins‘ wird der ,Bayrische Medienführerschein‘ vorgestellt. Ziel des Medienführerscheins ist es, die Medienkompetenz aller beteiligten SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern zu stärken. Online werden in fünfzehn Modulen hochwertige Materialien und ausgearbeitete Unterrichtseinheiten zur Verfügung gestellt. Die Bausteine sind für 8 bis 15-Jährige altersentsprechend und themenrelevant konzipiert. Ein besonderes Anliegen ist auch, Eltern und Erziehungsberechtigte in den Prozess einzubinden.

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dem
Aus
Methodenlabor

 Beispiel für die 8. Schulstufe: Generation Games? Digitale Spiele bieten Potenziale, aber auch Herausforderungen für Kinder und Jugendliche. Gegenstand dieses Moduls ist die Sensibilisierung für einen reflektierten Umgang mit den Spielen und die Ermutigung zur kritischen Diskussion. Materialien mit Ablaufplan, didaktischen Hinweisen, Aufgabenstellungen, Kopiervorlagen und Hintergrundinformationen zur Vorbereitung einer Doppelstunde werden bereitgestellt: www.medienfuehrerschein. bayern.de/8.-und-9.-Jahrgangsstufe.n147.html

Baustein 3: Exemplarische Anwendungen für den Religionsunterricht

die nachstehend beschriebenen Applikationen fördern den aktiven Einsatz von digitalen Medien im Religionsunterricht. Das Smartphone wird als Informations- und Kommunikationswerkzeug verwendet. Genaue Anleitungen werden in der Online Ausgabe von Reli+Plus (www.reliplus.at) unter +Inhalte veröffentlicht.

Anwendungsbeispiel:

LearningApps.org entstand in der Schweiz im Rahmen eines Forschungsprojektes. Ziel von LearningApps.org ist es, neben Text und Bild vermehrt auch Audio- und Videoinhalte zu nutzen. Angelehnt an das Social media-Prinzip können hier erstellte Bausteine veröffentlicht und von anderen AnwenderInnen auf die eigenen Bedürfnisse angepasst werden. LearningApps.org unterstützt den Unterricht mit kleinen interaktiven Bausteinen, die online erstellt werden. Für die einzelnen Bausteine stehen Vorlagen (Zuordnungsübungen, Multiple Choice-Tests, etc.) zur Verfügung. Die Apps können in den Unterrichtsverlauf (Übung, Wiederholung, …) eingebettet werden.

Eine Kurzeinführung und die wichtigsten Funktionen von LearningApps.org finden sich unter: learningapps.org/tutorial.php

Beispiele Religion öffentlich learningapps.org/index.php?category=87&s

Sprache: Deutsch

Zugang: kein Login für SpielerInnen

Zielgruppe: alle Spezielle Vorkenntnisse: keine

Quellen, Literatur- und Internettipps

 Aufenanger, Stefan: Dimensionen der Medienkompetenz, abrufbar unter: www.lmz-bw.de/stefan-aufenanger-dimensionen-medienkompetenz.html

 bupp.at/

 getkahoot.com/

 learningapps.org/

 Moser, Heinz / Grell, Petra / Niesyto, Horst (Hg.): Medienbildung und Medienkompetenz. Beiträge zu Schlüsselbegriffen der Medienpädagogik, München: kopaed 2011.

 www.medienfuehrerschein.bayern.de/

 www.pegi.info/at/

Anwendungsbeispiel: Kahoot! ist eine einfach durchzuführende Anwendung für die Schule. Mit Kahoot kann ein Quiz, eine Umfrage oder Diskussion erstellt werden. Die Lehrperson registriert sich bei Kahoot. Anschließend können Anwendungen (Quiz, Diskussionen, …) erstellt werden. Eine Frage kann in Form von Bildern oder Videos gestellt werden. Soll das Quiz nicht öffentlich zugänglich sein, muss bei ,Privacy settings‘ die Option ,Private‘ ausgewählt werden.

Ist das Quiz fertig, genügt ein Klick auf ,Play‘ und auf ,Launch‘, um zu starten. Die SchülerInnen haben nun Zeit, sich in das Quiz einzuwählen. Dazu müssen sie die Webseite www.kahoot.it auf ihren Smartphones, Tablets oder Computer öffnen und den auf der Projektion (Beamer, Smart TV) ersichtlichen Pin und einen Namen eingeben. Schon kann das Quiz beginnen. Die SchülerInnen wählen aus den Antwortmöglichkeiten aus und bekommen dafür Punkte. Am Ende des Spiels gibt es eine Gesamtwertung mit einer Siegerin oder einem Sieger.

Ein Anwendungsbeispiel zum österlichen Festkreis von Barbara Spath, Religionspädagogin an der KPH Graz, ist zu finden unter: create.kahoot.it/#quiz/0f19fa8c-7d104b50-925a-09c81792e739

URL für LehrerInnen: create.kahoot.it/login

Für SchülerInnen bzw. SpielerInnen: kahoot.it/#/

Sprache: Englisch (eigene Anwendungen können natürlich auch auf Deutsch verfasst werden)

Zugang: Login für Fragesteller; kein Login für MitspielerInnen

Zielgruppe: alle

Spezielle Vorkenntnisse: keine

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„Digital Natives“. Foto: NASA/Goddard CC
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LERNEN AN STATIONEN

Mit der Stationenarbeit wird eine Unterrichtsform thematisiert, die als erster Schritt in Richtung einer Öffnung des Religionsunterrichts verstanden werden kann. Weitere Möglichkeiten individualisierten bzw. offenen Lernens wie beispielsweise Plan-, Freiarbeit und entdeckendes Lernen werden in späteren Reli+plus-Heften vorgestellt.

Heutige SchülerInnen leben in einer Gesellschaft, in der sie aus einer Vielzahl an Möglichkeiten (Lebensentwürfe, Schulentscheidungen, Konsum- und Freizeitoptionen, verschiedene Traditionen und Religionen …) wählen können und müssen. Zugleich erhöht sich damit auch das Angebot an Information und Wissen rasant. Das bringt mit sich, dass Heranwachsende ihrer eigenen Entscheidungsfähigkeit trauen lernen müssen sowie ein hohes Maß an Autonomie brauchen und immer wieder auf ihre Selbst- und Managementfähigkeiten sowie Selbstbestimmung angewiesen sind. Diese gesellschaftlichen Veränderungen bedingen spezifische Anforderungen an Bildung, die sich an Heterogenität, Individualisierung und Differenzierung, Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit orientieren.

Für den Religionsunterricht begründet sich dieser Zugang auch theologisch: Ihr seid zur Freiheit berufen (vgl. Gal 5,13). Das stellt den Religionsunterricht vor die Chance und die Herausforderung, SchülerInnen den Raum zu eröffnen, um einen verantworteten und kreativen Umgang mit Freiheit einüben zu können.

Prinzipien offenen unterrichts (vgl. Leitfaden Schulpraxis):

– Prinzip der Sinnhaftigkeit: Wissen muss Lebensrelevanz haben und anwendbar sein.

Prinzip des Wissens- und Kompetenzerwerbs: Dieses wird durch entsprechende Aufgabenstellungen gefördert.

Prinzip der Kooperation und Solidarität: Zusammenarbeit als hoher Wert.

– Prinzip der Differenzierung und Förderung: individuell lernen (Möglichkeit zur Binnendifferenzierung: leichtere, schwerere, umfangreichere, knappere Aufgaben), differenziert lehren und beraten.

– Prinzip der Selbstverantwortung: SchülerInnen sind mitverantwortlich für den Lernprozess.

Vier Merkmale offenen unterrichts:

Mit- bzw. Selbstbestimmung der Lerngruppe bei der Entscheidung für Inhalte, Arbeitsmittel, Sozialformen und Methoden.

– Veränderung der LehrerInnen-Haltung, um selbstorganisiertes Lernen zu ermöglichen (weniger Instruktion, mehr Konstruktion, Beobachtung und Begleitung).

– Entdeckendes Lernen an problemorientierten Aufgaben, das zu einer aktiven Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand anregt.

– Eigenverantwortliche Arbeitsformen wie z. B. Lernen an Stationen, Wochenplan, Frei- und Projektarbeit, Computerarbeit, Exkursionen ...

Beispiel: Lernen an Stationen (Lernzirkel)

„Stationenarbeit bezeichnet ein Lernarrangement, bei dem themendifferenzierte Aufgaben und Materialien und Arbeitsanleitungen an ortsfesten Stationen erarbeitet werden. Die Stationen können entweder systematisch aufeinander aufbauen, dann müssen sie im vorgeschriebenen Kreislauf erarbeitet werden, oder sie können sich thematisch ergänzen, dann ist die Reihenfolge der Bearbeitung freigestellt“ (Paradies / Linser 2012, 40).

Konkrete Schritte zur Realisierung eines „Stationenbetriebs“

 A) Grundlegendes zur Themenwahl (vgl. Kirchhoff 2009):

– Themen zur Erarbeitung komplexer Sachinformationen (Sachwissen zur Bibel, Zeit und Umwelt Jesu, Exodus …).

Die Bearbeitung von sozial-emotionalen Themen ist im Blick auf die Vorbereitungsarbeit aufwändiger, aber dennoch sehr ertragreich (Was macht mich einmalig? Ich und mein Körper, Was ist mir wichtig? Wer/Was prägt mich? …).

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Foto:
Besser 09–10|2016 HANDELN und BEWERKSTELLIGEN
dem Methodenlabor
Klammerkarten: jüdische Religion.
Tamara
Aus

Überlegungen zum Umfang und zur Zeitstruktur: Wie viele Unterrichtsstunden soll im Lernzirkel gearbeitet werden? Wie viel Zeit brauchen die SchülerInnen für die jeweilige Aufgabe? Modus des Wechselns …

 B) Vorbereitung

– Entscheidung, in welcher Phase der Themenbearbeitung der Stationenbetrieb eingeplant wird: am Anfang, in der Mitte oder am Ende einer thematischen Einheit.

Auswahl der Lerninhalte, Abgrenzung, Gliederung und andere organisatorische Vorentscheidungen (Pflicht- und Wahlstationen, Außenstationen, Puffer-/Ruhe-/Parkstationen, Kontroll- und Beratungsstationen).

Auswahl der Materialien, der Methoden und Arbeitsaufträge (Konzeption neuer Materialien oder Übernahme bzw. Weiterentwicklung von publizierten Lernzirkeln; Forschungsfrage klären; Methoden: Experimente, Rätselaufgaben, Lektüre ...) und schriftliche Ausformulierung der Aufgabenstellung.

– Material ästhetisch ansprechend gestalten und sorgfältig herstellen: Titel der einzelnen Stationen, Arbeitsaufträge formulieren, Übersichtshandout (= „Laufzettel“ für SchülerInnen), Ideen zur Sicherung des Unterrichtsertrages überlegen: Selbst- oder Fremdkontrolle.

In der Schule: Stationen im Klassenraum in Ecken oder im Umfeld (Gang oder Schulgarten) vorbereiten; Stationenbezeichnung durch Schilder, Nummern oder Symbole anbringen.

 C) Der Unterricht selbst/Durchführung – Einstimmung, Einführung, Regeln vereinbaren: In-Kontakt-Kommen mit dem Thema;

gemeinsamer Rundgang;

Arbeitsphase;

– Abschlussphase: Präsentationsform, Evaluierung, Feedback, Würdigung.

Bei allen Chancen, die Lernen in dieser Form bietet, sind auch mögliche Grenzen in den Blick zu nehmen:

Der Zeit-, Kraft- und Materialaufwand in der Vorbereitungsphase sowie eine mögliche Überforderung einzelner SchülerInnnen hinsichtlich ihrer Entschei-

dungskompetenz und des Umgangs mit der intendierten Freiheit können vor allem dann herausfordern, wenn offeneres Lernen nur selten und von wenigen LehrerInnen praktiziert wird (Kompetenz entwickelt sich vor allem durch Übung und Wiederholung!).

Einführen und Weiterentwickeln der Stationenarbeit

– Phase I: 4 bis 5 Lernstationen für die gesamte Lerngruppe.

– Phase II: Weiterführung und Differenzierung (Pflicht- und Wahlstationen).

– Phase III: fächerübergreifend / projektorientiert (Beispiel: „Was/Wer ist der Mensch?“ aus der Perspektive unterschiedlicher Fächer).

Ideen für Stationen

Ein Lernzirkel zum Thema: „Ich bin einmalig“ (vgl. Braunmühl / Kuß 2014) könnte die SchülerInnen aller Altergruppen an folgenden Stationen zur Reflexion anregen:

Ich gehe auf Schatzsuche

– Meine Hand gibt es nur einmal

– „(Selbst-)Liebes“-Lieder/Gedichte/Briefe

– Texte aus der Bibel (und ev. anderer Literatur)

(Meine) Gefühle

– (Meine) Gedanken

– (Meine) Träume

(Meine) Hoffnungen

(Meine) Fragen

Die „Ergebnisse“ könnten in einem „ICH-Buch“ gesammelt und eventuell in späteren Schuljahren entsprechend ergänzt bzw. weitergeführt werden. 

Quellen und Literaturtipps

 Bovet, Gislinde / Huwendiek, Volker (Hg.): Leitfaden Schulpraxis. Pädagogik und Psychologie für den Lehrberuf, Berlin: Cornelsen 2008.

 Kirchhoff, Ilka (Hg.): Religionsunterricht mit Stationen, Göttingen: Vandenhoeck&Ruprecht 2009.

 Paradies, Liane / Linser, Hans Jürgen: Differenzieren im Unterricht. Berlin: Cornelsen 2012.

 Salner-Gridling, Ingrid: Querfeldein: individuell lernen – differenziert lehren [hrsg. vom ÖZEPS], Wien: 2009.

 Vaupel, Dieter: Individualisiertes Lernen in der Sekundarstufe, Weinheim/Basel: Beltz 2014.

 Von Braunmühl, Susanne / Kuß, Britta: Wer bin ich? Wer bist du? Unterrichtsmaterialien für die Grundschule, München: Kösel 2014.

Entscheidend für guten unterricht ist nicht die glanzvolle Inszenierung didaktischer Muster, sondern die wirksame Förderung jedes Einzelnen/jeder Einzelnen, seines/ihres Lernens und seiner/ihrer Entwicklung in allen Bereichen.

nach Peter Fauser

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Legekreis: jüdische Religion. Foto: Tamara Besser
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Legespiel: Pflanzen und Früchte in der Bibel. Foto: Simone Rieser-Kurzmann

PROJEKTORIENTIERTES LERNEN

In der Primarstufe findet projektorientiertes Arbeiten vermutlich die größte Resonanz, in der Sekundarstufe I kommen Projekte im Religionsunterricht schon viel seltener vor, und je näher die Matura rückt, umso mehr verliert die handlungsorientierte Dimension des Unterrichts an Bedeutung. Aktionen und Projekte wären aber für alle Altersgruppen eine ideale Verbindung von Leben und Lernen.

Monika Prettenthaler

Andrea Scheer

„Christliche Glaubenstradition lässt sich nicht auf das Theoretische reduzieren, sie lebt im Gegenteil von der Erfahrung, und diese gilt es in der Schule zu ermöglichen.“ (Busekist 2011, 170) Dabei ist wichtig, dass Projektstunden, -tage oder -wochen als wichtige Lernform im gesamten Schuljahr mitgedacht und nicht nur für das Ende eines Schuljahres geplant werden.

Projektorientiertes Lernen verknüpft Theorie und Praxis bzw. Denken, Erfahrung und Reflexion eng miteinander. Es öffnet die Schule, weil im projektorientierten Arbeiten Klassentüren (klassen-, fächer- und religionenübergreifend ...) und Schultüren (außerschulische Lernorte) aufgemacht werden können.

Geöffnet wird auch der Unterricht, weil in methodischer und organisatorischer Hinsicht ein verändertes Denken gefordert ist, das von vornherein mit den (Gestaltungs-, Frage- …)Ideen der SchülerInnen rechnet und dabei immer ergebnisoffen ist. Offenheit kann auch am Ende eines Projektes eine Rolle spielen, wenn Ergebnisse vor einer „Öffentlichkeit“ (Eltern; andere Klassen; Personen, die im Projekt „LernpartnerInnen“ waren) gezeigt und diese damit in die Lernbewegungen hereingenommen werden.

Prinzipien und Merkmale projektorientierten unterrichts (vgl. Busekist 2011, 167–169)

Situationsbezug: Knüpft das Thema an die Lebenswelt von SchülerInnen an und enthält es ausreichend Herausforderungspotenzial?

Interessenorientierung: Berücksichtigt die Projektidee, dass intrinsische Motivation der entscheidende pädagogische Motor für das Gelingen eines Projektes ist?

– Eigenverantwortlichkeit lernen: Bietet das Projekt Möglichkeiten, dass SchülerInnen selbst Verantwortung für bestimmte Bereiche übernehmen können, dass sie lernen, mit eigenen Fähigkeiten und Grenzen produktiv umzugehen, und dass sie selbstbestimmte und selbsttätige Zugänge finden?

– Gesellschaftliche Relevanz: Inwiefern stellt die Projektidee einen Bezug zu Fragen der Lebensund Weltgestaltung über den schulischen Rahmen hinaus her?

– Zielgerichtete Projektplanung, weil es im Projektunterricht um mehr geht als um „action“: Wie lässt sich die Zielsetzung gemeinsam mit den SchülerInnen erarbeiten? Wie kann das Ziel durch den Arbeitsprozess präsent gehalten werden?

Lernen durch Sinnenvielfalt: Gelingt es, im Arbeitsprozess auf möglichst viele Sinne zurückzugreifen und in der Konzeption verschiedene Lerntypen einzuplanen?

Soziales Lernen: Welche Rolle spielen Kooperationsfähigkeit, Teamfähigkeit und andere soziale Kompetenzen?

– Produktorientierung: Werden neben den „äußeren Produkten“ (konkrete Ergebnisse) auch die „inneren Produkte“ (Erkenntnisse, Haltungsänderungen …) in den Blick genommen?

– Fächer verbinden – Interdisziplinarität: Fördert das Projektvorhaben fächerverbindendes Denken und Arbeiten?

Chancen und Grenzen

Projektorientiertes Lernen im Religionsunterricht ist hocheffizient und nachhaltig, vor allem auch, weil es bei entsprechender Berücksichtigung der SchülerInneninteressen von deren hoher Motivation getragen ist. Dennoch stellt es LehrerInnen in der Praxis manchmal auch vor Herausforderungen: Damit es nicht zur (organisatorischen, inhaltlichen …) Überforderung kommt, ist eine schrittweise Öffnung des Religionsunterrichts günstig. SchülerInnen müssen im Bereich eigenverantwortlichen Arbeitens experimentieren und üben können. Im Blick auf die SchülerInnen beugt diese Verlangsamung möglicherweise einer Überforderung vor und ist wichtig, damit sich nicht Lustlosigkeit, Resignation, mangelnde Motivation und lernhinderliche Muster einer Gruppendynamik einstellen und der offene Unterricht nicht mit Be-

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Weltveränderung 3 (Projekt
Foto:
01–02|2016 HANDELN und BEWERKSTELLIGEN
dem Methodenlabor
Fastenkalender).
Winfried Woisetschläger
Aus

liebigkeit und Chaos verwechselt wird. Im Blick auf die Lehrenden ergeben sich daraus Chancen, Schritt für Schritt (im Team) Lernaufgaben zu entwickeln, qualitätsvolles Lern-Material anzufertigen und Strukturierungselemente zur Rhythmisierung des Lernens zu erarbeiten. Dadurch ist auch gewährleistet, dass PädagogInnen Zeit haben, die veränderten Rollen, die sie in den Lernprozessen einnehmen – weg von der reinen Stoffvermittlung (Vermittlungsparadigma) hin zur Begleitung von Aneignungsprozessen (Aneignungsparadigma) –, zu gestalten und zu reflektieren (vgl. Niehl/Thömmes 2014, 207–209).

Projektorientiertes Arbeiten im Unterricht stellt oft auch bewährte Formen der Leistungsmessung und -beurteilung an Schulstandorten in Frage. Das hat zur Folge, dass neue Formate der Leistungsbewertung entwickelt werden, die für die einzelnen Phasen der Projektarbeit transparente Kriterien ausweisen.

Projektarbeit konkret (vgl. Niehl/Thömmes 2014, 210–211; Peterßen 2001, 237–239)

Initiativphase: Anstoß zum Projekt von der Lehrperson oder von den SchülerInnen; Idee soll von allen Beteiligten akzeptiert und mitgetragen werden können.

Informationsphase und Situationsanalyse: Brainstorming; Prioritäten klären; Zielsetzung vereinbaren.

– Planungsphase mit der Gesamtklasse: Klärung der unterschiedlichen Rollen; Planung in Kleingruppen; Zurückspielen der Ergebnisse ins Plenum.

– Produktionsphase: Durchführung des Geplanten in unterschiedlichen Organisationsformen und mit vielfältigen didaktisch-methodischen Zugängen; während des Projektverlaufs regelmäßige Koordinationsgespräche mit der Klasse.

Verifikationsphase: Soll (Ziele) und Ist (Ergebnisse) des gemeinsamen Handelns werden miteinander verglichen; Erfahrungen der Selbstbeobachtung und LehrerInnenbeobachtung können kommuniziert werden.

Wangari Maathai hat 2004 als erste Afrikanerin den Nobelpreis erhalten. Ihr war es ein großes Anliegen, den Wert einer gesunden Umwelt als Basis für ein gutes Leben für alle Menschen auf dieser Erde aufzuzeigen, bewusst zu machen und zu Handlungsalternativen zu motivieren, damit Wandlung und Veränderung möglich werden. Ihre Biografie, ihr Mut und die Veränderungskraft werden beschrieben im Kinderbuch: Nivola, Claire A.: Bäume für Kenia. Die Geschichte der Wangari Maathai.

Das Kinderbuch kann Ausgangspunkt für jede Menge Projektideen werden:

Menschen, die die Welt verändern (heilige Männer und Frauen der christlichen Tradition);

Weltveränderung und glokale Perspektiven: Transportwege, Besuche von großen Supermärkten und von Weltläden (Idee des fairen Handels);

Planet Erde heil – Planet Erde verwundet – Planet Erde gesundet: PartnerInnenorganisationen kennenlernen und Projektideen entwickeln (Dreikönigsaktion, Forum Umweltbildung, Afro-Asiatisches Institut Graz oder Wien, Welthaus, BAOBAB – Globales Lernen …), Workshopangebote nutzen … „Kleinprojekte“, durch die sich Sichtweisen verändern können, siehe www.reliplus.at. 

Präsentationsphase oder Aktionsphase: Diese Phase gehört nicht zwingend zu jedem Projekt, kann aber die Nachhaltigkeit und Breitenwirkung eines Projektes durchaus steigern („Produktpräsentation“ wie Filme, Kalender, Videos, Theater, Musical ...).

– Reflexionsphase: Austausch über den Kompetenzzugewinn (fachlich, methodisch, sozial, persönlich ...).

Beispiele aus der/für die Praxis

„Ich möchte die Welt ein bisschen besser machen.“

Schon zu allen Zeiten und weltweit lebten und leben Frauen, Kinder und Männer als „Heilige“, um das Gute zu vermehren, es wachsen zu lassen, damit das Göttliche erdig wird und Hände und Füße bekommt.

Quellen und Literaturtipps

 Busekist, Annika v.: Projektorientiert lernen und Fächer verbinden, in: Baumann, Ulrike (Hg.): Religionsmethodik. Handbuch für die Sekundarstufe I und II, Berlin: Cornelsen 52011, 165–179.

 Niehl, Franz W. / Thömmes, Arthur: 212 Methoden für den Religionsunterricht, München: Kösel 2012, 207–217.

 Peterßen, Wilhelm H.: Projektlernen, in: Ders.: Kleines Methodenlexikon, München: Odenburg 2001, 236–246.

 Nivola, Claire A.: Bäume für Kenia. Die Geschichte der Wangari Maathai, Stuttgart: Freies Geistesleben 2012.

 Traub, Silke: Projektarbeit erfolgreich gestalten, Stuttgart: UTB 2012.

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Weltveränderung 4 (Projekt Fastenkalender). Foto: Winfried Woisetschläger die Mysterien finden im Hauptbahnhof statt.
HANDELN und BEWERKSTELLIGEN
Joseph Beuys

ERLEBNISPÄGAGOGISCHES IM Ru

Der Religionsunterricht macht es sich zur Aufgabe, im Leben religiös bedeutsame Phänomen zu entdecken und mit diesen zu arbeiten. Das Leben kann auf unterschiedliche Weise im Unterricht ankommen: in Sekundärbegegnungen über Texte oder Erzählungen der Schüler*innen oder in unterschiedlichen Formen von „inszenierten Erlebnissen“ …

Erlebnis & Pädagogik

„Unter einem Erlebnis versteht man eine unmittelbare Begegnung mit einer Wirklichkeit (z. B. mit einem Menschen, in der Natur, in anderen Ländern …) im Alltag“, fasst Hans Mendl zusammen (Mendl 2019, 57). Ein Erlebnis unterscheidet sich von der Erfahrung grundsätzlich durch seine „Einmaligkeit, die geringere Komplexität und die nicht notwendige Reflexivität. Wiederholen sich einzelne Erlebnisse und werden diese über Akte einer Reflexion kohärent gedeutet und in einen Sinnzusammenhang gebracht, so entsteht daraus eine Erfahrung […]. Das Erleben von Formen gelebten Glaubens ist Ausgangspunkt für einen performativ angelegten Religionsunterricht“ (Mendl 2019, 57).

Als Erlebnispädagogik werden grundsätzlich methodische Ansätze bezeichnet, in denen die Teilnehmer*innen bzw. im RU- oder im Kontext von Besinnungs- oder Orientierungstagen die Schüler*innen in vielfältigen – oft naturnahen – Settings vor reale Aufgaben, Herausforderungen, Frage- und Problemstellungen gestellt werden, durch deren praktische Umsetzung, Lösung oder Internalisierung gleichzeitig die persönliche Weiterentwicklung gefördert werden kann. Erlebnispädagogik möchte über primäre, sinnliche Erfahrungen, über das Lernen durch Handeln, über die Kraft der Metaphern und über die direkte Reflexion die Schüler*innen in ihrer Sozial- und Selbstkompetenz fordern und fördern. Mit ihren handlungsorientierten Methoden und Spielformen öffnet sie einen anderen, noch unbekannten (Lebens-)Raum. Dabei verlangt sie, das Alte, scheinbar Sicherheit gebende, zu prüfen, neue Ressourcen und Fähigkeiten zu entwickeln, sowie noch versteckte und unbekannte Ressourcen und Fähigkeiten zu entdecken, ans Licht zu bringen und einzusetzen.

So versucht die Erlebnispädagogik reformpädagogische Forderungen nach Ganzheitlichkeit, Naturverbundenheit und Praxisbezug, Menschennähe und Gesellschaftsfähigkeit in der Praxis umzusetzen (vgl. Zuffelato/Kreszmeier 2007, 44).

Insgesamt sind heute erlebnispädagogische Lernorte bzw. -räume vielfältig geworden und gehen weit über den ursprünglich bevorzugten Lernort der (unberührten) Natur hinaus. „So finden sich Konzeptionierungen in der Stadt unter der Bezeichnung City-Bound, und gestalterisch-künstlerische, musische sowie sozial-kognitive Problemlöseaufgaben mit Spielcharakter gehören zum erlebnispädagogischen Repertoire, das sich auch Indoor verwirklichen lässt“ (Brustkern 2018, 4-5).

Viele erlebnispädagogische Impulse, die auch im Religionsunterricht umgesetzt werden können, stammen ursprünglich aus der außerschulischen kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit. „Dabei sind es zum einen naturale Settings, die vor dem Verständnis eines spezifischen und herausgehobenen Aufforderungscharakters für erlebnispädagogische Arrangements aufgesucht werden: z. B. Naturräume wie Flüsse, Felsen, Berge, Wälder oder gar Wüsten, die bezüglich ihrer Charakteristik und Eigentümlichkeit für religiöse Bildungsideen differenziert werden. Oft steht ein göttliches Schöpfungsverständnis im Hintergrund, das in die Deutung der Erlebnisse und ihrer Räume hineinwirken soll. Zum anderen stellen bei zeitlich stark eingegrenzten Konzeptionierungen, die häufig indoor stattfinden, Spielformate prägende erlebnispädagogische Umsetzungsoptionen dar“ (Brustkern 2018, 7-8).

Die Ethik einer systemischen und ganzheitlichen Erlebnispädagogik beruft sich als Pädagogik der Persönlichkeitsentwicklung und der Förderung menschlichen Wachstums in und mit der Gemeinschaft auf die Liebe zum Leben und die Wertschätzung der Schöpfung in all ihren Dimensionen und Facetten. So stellt sie sich grundsätzlich in den Dienst einer gesunden sozialen, emotionalen und spirituellen Entwicklung der Schüler*innen. Diese Ethik drückt sich in einem verantwortlichen Umgang mit der Lebendigkeit und Schönheit des Lebens, mit den Mitmenschen, mit sich selbst aus und mit den eigenen Fähigkeiten, Ressourcen und Potenzialen, mit Tieren, Pflanzen und allen Erscheinungsformen des Lebens in der Um- und Mitwelt (vgl. Zuffelato/Kreszmeier 2007, 44-45).

Schutz und Sicherheit

Wo und wie auch immer erlebnispädagogische Elemente in den Unterricht eingebaut werden, gilt: Wie immer, wenn Schüler*innen angeregt werden, Inhalte, Interaktionen, … zu erleben, haben es deren Lehrer*innen nie in der Hand, wie sich dieses Erleben seitens der Schüler*innen gestaltet. Daher ist es von großer Bedeutung, im Zusammenhang mit der Planung und Anleitung erlebnispädagogischer Methoden sowie in der Reflexionsphase im Religionsunterricht, höchste Vorsicht und Achtsamkeit walten zu lassen. Lehrer*innen müssen sich bereits im Vorfeld jener Dynamiken bewusst sein, die diese Übungen durch die körperliche und die emotionale Interaktion in Gruppen, in Gang setzen

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können. Ebenso im Blick sollten auch mögliche innerpsychische Reaktionen einzelner Schüler*innen sein: Die Sicherheit (physisch und psychisch) ist also ein zentrales Thema. Je nach Zielgruppe und Aktivität ist ein gesundes Maß an Eigenverantwortung der Teilnehmer*innen für innere Prozesse und Erfahrungen notwendig und sinnvoll. Das subjektive Empfinden von Risiko darf/ soll manchmal sogar hoch sein, das objektive Risiko muss gegen null gehen. In der Auswahl und Durchführung verschiedenster Übungen werden die höchsten Sicherheitsstandards verwendet (redundanter Übungsaufbau, Materialauswahl, Doppelcheck, duales Trainer*innenprinzip, usw.).

Für komplexe Outdoor-Übungen ist eine entsprechende Qualifikation der Trainer*innen im pädagogischen, psychologischen und sportartenspezifischen Bereich Grundvoraussetzung (vgl. Kubassa/Straßegger 2012, 2).

Praxis

Erlebnispädagogische Elemente (Übungen, Planspiele, …) können in vielfältiger Weise im Religionsunterricht eingebaut werden. Besondere Merkmale von erlebnispädagogischen Elementen, die auch Intentionen des Religionsunterrichts entsprechen, sind (vgl. Hauch 2013):

 Authentizität (Echtheit, Glaubwürdigkeit, Erfahrungen aus erster Hand),

 Förderung und positive Nutzung von Konfliktund Entscheidungspotentialen,

 Verantwortungsübernahme für die eigenen Handlungen sowie für die Klasse bzw. Lerngruppe, – Übungsfeld für solidarisches Handeln,

 Umgang mit persönlichen Grenzen,

 Förderung von Kreativität und Spontaneität. Die hier vorgestellten Übungen und Methoden verlangen allesamt keine erlebnispädagogische Ausbildung der Religionslehrer*innen, dennoch wird nochmals darauf hingewiesen, dass auch für diese unbedingt für entsprechend Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen gesorgt werden muss.

Roulette-Spiel

Die Didaktik dieser Spielidee wird in der Reflexionsphase deutlich. Es eignet sich für Schüler*innen ab der 7. Schulstufe, die Klasse muss groß genug sein, um in vier gleich große Gruppen geteilt werden zu können (vgl. Ziener/Kessler 2012, 150-155).

Vorbereitung: Spielplan und Gewinnplan in 4-facher Ausführung (Kopiervorlagen auf www. reliplus.at), genügend „Chips“ (= Spieleinsatz; z. B. bunte Dominosteine oder auch eingewickelte Kaubonbons, Zuckerl oder ähnliches) – zu Beginn erhält jede Gruppe zehn „Chips“.

Spielbeschreibung:

Das Spiel wird Roulette genannt, weil verschiedene Runden gespielt werden, die darin bestehen, dass jede Gruppe sich für eine Gewinnoption entscheidet, die sich allerdings auf die Wahlmöglichkeit zwischen „rot“ und „schwarz“ beschränkt.

„Spielregeln“

Zusätzliche zur Farbe entscheidet sich die Gruppe bei jedem Spielzug für die Höhe ihres Einsatzes. Dafür stellt die Spielleitung eine genügend hohe Anzahl an Spieleinsätzen zur Verfügung. Die gewählte Farbe sowie die Höhe des Einsatzes werden auf dem Spielplan, den jede Gruppe hat, notiert. Nach Abschluss jedes Einsatzes („Rien ne va plus.“ – „Nichts geht mehr.“) wird das Ergebnis der Wahlentscheidung festgestellt. Für alle Gruppen zusammengenommen, sind bei vier Gruppen und zwei Optionen, fünf Ergebnisse möglich.

1: 4 x rot; 2: 3 x rot und 1 x schwarz; 3: 2 x rot und 2 x schwarz; 4: 1 x rot und 3 x schwarz; 5: 4 x schwarz. Diese fünf möglichen Ergebnisse sind auf dem Gewinnplan angeführt. Die entscheidende Information des Spielplans besteht jedoch darin, wie sich Gewinn und Verlust jeweils auf die Farbe rot und die Farbe schwarz verteilen. Das geschieht nämlich je nachdem, welche der o.g. Möglichkeiten jeweils eingetreten ist. Die Pointe dieser Verteilung von Gewinn und Verlust besteht darin, dass sie „asymmetrisch“ ist, denn die Grundidee ist, dass die Kooperation zwischen den Gruppen belohnt wird: Wenn beispielsweise alle Gruppen auf „rot“ gesetzt haben, gewinnen alle Gruppen. Viel höher ist der Gewinn allerdings für eine Gruppe, wenn diese als einzige auf „schwarz“ gesetzt hat. In diesem Fall (3 x rot und 2 x schwarz) verdoppelt sich für die „schwarze“ Gruppe der Einsatz, die drei anderen Gruppen hingegen verlieren viel.

Die Schüler*innen werden diesen Gewinn- und Verlustmodus bereits in der Proberunde entdecken und in den weiteren Runden über ihre Gewinnaussichten spekulieren – und sie werden erkennen, dass sie nicht für sich allein über Gewinn oder Verlust entscheiden können. „Aus diesem Grund gibt es in den 5-7 Spielrunden (vgl. Spielplan) immer wieder ‚Sonderrunden‘, und zwar in zweifacher Hinsicht: Zum einen kann eine Runde durchgeführt werden, bei der vor der endgültigen

Religionspädagogik will von jeher den ganzen Menschen erreichen und ansprechen.

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Hans-Martin Hauch
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werden nur dann als hilfreich erlebt, wenn sich die Teilnehmenden auf das gleiche „Bezugssystem“ beziehen. Foto: istock.com

Absprache zwischen allen vier Gruppen stattfindet. Zum anderen kann bei einzelnen Spielrunden auch die Obergrenze des Einsatzes, der in normalen Runden zehn „Chips“ nicht übersteigen darf, freigegeben werden. Die ansonsten geltende Obergrenze des Einsatzes hat nicht zuletzt den Sinn, die Bank in der Hand der Spielleitung vor dem Bankrott zu bewahren“ (Ziener/Kessler 2012, 152).

Die Schüler*innen werden zum Spiel eingeladen: „Wie bei jedem Roulette-Spiel gibt es Einsätze, die man auf bestimmte Gewinnchancen verteilen kann. Wir spielen in mehreren Runden. Bei jeder Runde kann man gewinnen oder verlieren. Wir brauchen dafür vier Gruppen. … Ihr werdet jetzt die Spielregeln kennenlernen, indem wir einfach zu spielen beginnen. … Ihr habe in der ersten Probierrunde nichts anderes zu tun, als euch innerhalb einer Minute zu entscheiden, ob ihr auf ‚rot‘ oder auf ‚schwarz‘ setzen wollt. Jede Gruppe muss mindestens einen Chip und darf höchsten zehn Chips auf die gewählte Farbe setzen. Sobald ihr euch entschieden habt, notiert ihr eure Entscheidung in der ersten Zeile eures Spielplans“ (Ziener/Kessler 2012, 151).

Die Schüler*innen können durch dieses Spiel ...

 die Sinnhaftigkeit, aber auch Willkür, Unzulänglichkeiten und „Ungerechtigkeit“ von Spielregeln erleben;

 an sich oder anderen den Reiz und die Versuchung beobachten, Regeln egoistisch oder „unfair“ zu nutzen;

 die Grenzen von Konsensbildung erleben, sobald der Konsens eigene Interessen berührt und sich nachteilig auswirken kann;

 ev. die mangelnde Verlässlichkeit von Verabredungen erleben;

 Modelle zur Schadensbegrenzung oder zu Gerechtigkeitsausgleich nachvollziehen.

„Solche Erlebnisse sind in vielfältiger Weise anschlussfähig – von gesellschaftlichen, betriebswirtschaftlichen und psychologischen Fragen bis hin zu juristischen, ethisch-moralischen und religiösen Kategorien wie Gerechtigkeit, Fairness, Schuld, Rechtfertigung und Recht, Spiel und Ernst“ (Ziener/Kessler 2012, 153).

Indoor-Übung: “Emotionen Ball” - „Animate a ball“

Mit der Übung „Animate a ball“ werden Empfindungen und Emotionen in einer Gruppe ausgedrückt. Die Teilnehmer*innen stellen sich im Kreis auf und benötigen nur einen Ball. Der Ball wird weitergegeben (oder im Kreis geworfen) und gleichzeitig wird ein Gefühl „mitgegeben“. Ohne Worte, dafür aber mit ausdrucksstarker Mimik und Gestik, können Gefühlsbeschreibungen wie: vorsichtig, wütend, lustig, traurig, verliebt, ekelig… in der Runde weitergereicht werden.

Als Erweiterung kann ein/e Schüler*in den Raum verlassen und anschließend beim Betreten der Klasse die aktuelle Emotion benennen.

Die Emotionen können mit Lauten oder verbal ergänzt werden.

Outdoor-Übung: Vertrauenslauf

Die Schüler*innen stellen sich „face to face“ und Schulter an Schulter in zwei gegenüberstehenden Reihen mit etwa zwei Armlängen Abstand auf. So entsteht ein langer Gang, der sich verschließt, wenn alle Schüler*innen ihre Arme gerade nach vorne strecken.

Jede/r Teilnehmer*in geht nun durch den Gang, der sich kurz vor der kommenden Person öffnet. Die Arme werden im letzten Augenblick nach oben gehoben. Wenn die Person vorbei ist, schließt sich der Durchgang wieder. Nach Beendigung dieses Weges reiht sich der/die Teilnehmer*in wieder ein.

Durch Variation der Durchgangsgeschwindigkeit verändert sich die Dynamik der Übung.

Hinweise: Barrierefreiheit, Anlauf- und Auslauffläche sowie reaktionsschwache Schüler*innen berücksichtigen.

Brillen, Uhren und Schmuck abnehmen.

Impulse zur Reflexion:

 Wahrnehmungen der einzelnen Teilnehmer*innen und der Gruppe (Empfindungen, Besonderheiten)

 Lösungsstrategien bzw. Hindernisse

 Beiträge der einzelnen Teilnehmer*innen

 Zusammenarbeit und Rollen der Teilnehmer*innen

 Beurteilung der Teamleistung

 Verbale und nonverbale Signale von Zustimmung, Zuwendung, Ablehnung (Blickkontakt, Haltung, Mimik, Gestik …)

84 methodenlabor reli+plus 05–06|2020
Durch erlebnispädagogische Übungen kann die persönliche Weiterentwicklung gefördert werden. Foto: KK
HANDELN und BEWERKSTELLIGEN

Labyrinth des Lebens

Wie geht es mir, wenn ich geduldig warten muss, wenn ich nicht mehr weiter kann, wenn ich Umwege gehen muss oder noch gar nicht genau weiß, wo mein Weg mich hinbringen wird? Fragen wie diese, stellt nicht nur das Leben, sie können auch im Labyrithspiel erlebt werden: Bei diesem Spiel wird ein Raster von 6x6 Kästchen, mit je 40x40cm, mit Klebeband auf dem Boden aufgeklebt (Alternative: Es werden 36 Filzfliesen aufgelegt). Die Lehrperson legt Start und Ziel fest, hat sich einen „Weg durch das Raster“ – am besten durch angekreuzte Felder auf einem karierten Blatt – aufgezeichnet und achtet darauf, dass die Schüler*innen diese Notiz nicht sehen. Weg-Regel: nur horizontale und vertikale Richtung – nicht diagonal und zurück.

Nun starten die Schüler*innen einzeln der Reihe nach und testen Feld für Feld. Jede/r darf solange gehen, bis er/sie ein falsches Feld betritt – dort muss er/sie stehen bleiben. Der/die nächste Schüler*in startet nun auf einem anderen Feld und geht solange weiter, bis auch er/sie auf ein Feld kommt, das nicht zum Weg gehört. Das wird so weitergeführt, bis alle Schüler*innen im Labyrith stehen. Dann beginnt der/die erste Schüler*in und geht den Weg solange weiter – allen noch

Literatur und Internettipps:

 Arbeitskreis Erlebnispädagogik im Evangelischen Jugendwerk in Württemberg, Sinn gesucht - Gott erfahren

1. Erlebnispädagogik im christlichen Kontext. Stuttgart: ejw-service 2005.

 Brustkern, Florian: Erlebnispädagogik und religiöse Bildung, 2018: in WiReLex als PDF: www.bibelwissenschaft.de/stichwort/200346/.

 Hauch, Hans-Martin: Erlebnispädagogische Elemente im Religionsunterricht (Seminarskriptum), Balingen 2013.

 Heckmair, Bernd/Michl, Werner: Erleben und Lernen. Einführung in die Erlebnispädagogik, München: Ernst Reinhardt Verlag 72012.

 Ickler, Theresa/Karcher, Florian/Westhauser, Stephan: Sinn gesucht – Gott erfahren. Erlebnispädagogik als Brücke zum Glauben, Stuttgart: Verlag des EJW 2019.

 Kubassa, Wolfgang/Straßegger Ulrich Outdoorpädagogik. LV-Skriptum im Rahmen des HLG Jugendund Soziokulturarbeit, Graz: PH Steiermark 2012.

 locker-bleiben-online.de/spielesammlung/105-theaterpaedagogik-uebungen

 Lohrer, Jörg/Oberlönder, Rainer/ Wiedmayer, Jörg: Sinn gesucht - Gott erfahren 2. EP im christlichen Kontext, Stuttgart: ejw-service 2014.

 Mendl, Hans: Taschenlexikon Religionsdidaktik. Das Wichtigste für Studium und Beruf, München: Kösel 2019.

 Royer, Hans Peter: Nur wer loslässt wird gehalten. Christuszentrierte Erlebnispädagogik, Holzgerlingen:

SCM Hänssler 42009.

 Schwaderer, Ulrich/Wiedmayer, Jörg/Wöhrbaach, Simon: Sinn gesucht - Gott erfahren 3. EP in zeitbegrenzten Räumen mit christlichem Kontext, Stuttgart: Verlag des EJW 2018.

 Thurgau, Juseso: Spirituelle Impulse in die Gruppe, Luzern: Rex Verlag 2000.

 Ziener, Gerhard/Kessler, Matthias: Kompetenzorientiert unterrichten – mit Methode. Methoden entdecken, verändern, erfinden, Seelze Kallmeyer/Klett 2012, 150-159.

 Zuffelato, Andrea/Kreszmeier Astrid H: Lexikon Erlebnispädagogik, Augsburg: ZIEL 2007.

leeren Felder sind möglich „Wegfelder“ – bis er/ sie wieder auf einem „Nicht-Weg-Feld“ stehenbleibt, der/die nächste Schüler*in ist nun an der Reihe – der Vorgang wird so lange wiederholt, bis alle Schüler*innen das Ziel passiert haben. Alternative: Es wird in Gruppen gespielt, jeweils nur die aktiven Akteur*innen sind im Raum, die anderen Schüler*innen warten vor dem Raum. In dieser Version bleiben die Schüler*innen nicht auf den Feldern stehen, die nicht zum Weg durchs Labyrith gehören, sondern merken sich das Feld, und teilen den anderen vor der Tür das „Nicht-Weg-Feld“ mit (wichtig: die Gruppen dürfen sich dazu keine Notizen machen). Der/ die zweite Schüler*in steigt mit dieser Information ein und geht soweit, bis er/sie stehen bleiben muss, danach geht er/sie zu den anderen und teilt das „Nicht-Weg-Feld“ seiner Gruppe mit. Der/die dritte Schüler*in hat nun im besten Fall noch eine eine Information mehr. Dieser Ablauf folgt solange bis der Lösungsweg gefunden wurde. Die Teilnehmer*innen, die es geschafft haben, bleiben im Raum sitzen, die anderen müssen ihr Glück weiter versuchen. Dann startet die zweite Gruppe … oder die Gruppenmitglieder wechseln ab. Diese Version fördert die Kommunikation in der Gruppe maßgeblich.

Im Anschluss werden die Weg-Erlebnisse und Erkenntnisse reflektiert (vgl. Fragen am Beginn der Beschreibung) – wenn noch Zeit bleibt, können auch Verbindungen zu biblischen Weggeschichten gefunden werden.

Theaterweg in der Weststeiermark

Unter dem Motto „Ein Kilometer Bühne“ lädt die Gemeinde St. Josef in der Weststeiermark ein, sich auf den Theaterweg zu bewegen (http://theaterdorf. at/#theaterweg). Viele Stationen regen zu Übungen und zur Reflexion an. Sehr gut können die Impulse – erweitert oder klassenthemenspezifisch modifiziert – auch mit Schulklassen genutzt werden. 

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HANDELN und BEWERKSTELLIGEN
Schüler*innen am Theaterweg. Foto: Monika Prettenthaler

LERNEN AN AuSSERSCHuLISCHEN ORTEN

Das schulische Bildungsangebot wird durch das Lernen an außerschulischen Orten geweitet und bietet damit eine interessante, einladende Unterbrechung des Schulalltags. SchülerInnen haben die Möglichkeit, unmittelbare Erfahrungen und persönliche Begegnungen zu erleben, die berühren, irritieren, beeindrucken … können.

Monika Prettenthaler

Andrea Scheer

das Lernen an außerschulischen Lernorten (Exkursion, Lehrausgang, Theaterbesuch …) ist der Kategorie des handlungsorientierten Lernens zuzuordnen, da das Begreifen von Lebenswirklichkeiten im Fokus steht und es einen Kontrapunkt zum häufig erlebten Rückgang von Primärerfahrungen setzt.

Lernorte als alltagshermeneutische Lernwege „Auch der Religionsunterricht beteiligt sich an der schulischen Bildungsaufgabe, den Kindern [und Jugendlichen] ihre konkrete Alltags- und Lebenswelt, insbesondere in ihrer unmittelbaren Umgebung aufzuschließen. […] Außerschulische Lernorte der näheren Umgebung mit ihren kulturellen und sozialen Besonderheiten vermitteln den Kindern [und Jugendlichen] das notwendige Wissen über ihre Umwelt und fördern ihre gesellschaftliche, kulturelle und religiöse ‚Beweglichkeit.‘“ (Heindel/ Paintner 2015, 152).

 Beispiele dafür sind:

– Orte in der Natur: Wald, Park, Garten … (praktischer Impuls: „Land-Art“).

Museum, Ausstellungen (praktischer Impuls: Steckbrief eines Gegenstandes), Konzerte, Theater …

Lernorte als symbolische Lernwege

Außerschulische Lernorte und ihre möglichen religiösen Bezüge lassen sich oft auch erst auf den zweiten Blick identifizieren. „Es sind Lebensmittelpunkte, die sich als Knotenpunkte des Lebens in Symbolen verdichten. Ähnlich einer Zwiebelhaut sind deren ‚symbolische und religiöse Hautschichten‘ zu allererst zu entdecken.“ (Heindel/Paintner 2015, 152)  Folgende Orte können auch religiös gedeutet werden, weil sich an ihnen existenzielle Lebensthemen zeigen können:

Bahnhof (z. B. Ankunft, Abschied ...).

Bäckerei (Lebensmittel Brot …).

Krankenhaus (z. B. Krankenseelsorge, Heilung, Leid, Trost).

Lernorte als religionshermeneutische und interreligiöse Lernwege

Hier steht Religion explizit im Mittelpunkt – zum einen können in Bezug auf die eigene Religion oder Konfession „vergangene und gegenwärtige Ausdrucksformen und Modi der Religions- und Glaubenspraxis erschlossen werden“ (Heindel/Paintner 2015, 153), zum anderen sind einem Religionsunterricht, der die Pluralitätsfähigkeit fördert, auch Sakralbauten anderen Religionen und spiritueller

Bewegungen willkommene Lernorte.

– Sakralbauten (Kalvarienberge, Moschee, Synagoge, Stupa, Kirchen).

Friedhöfe (kath./ev., jüdisch, muslimisches Gräberfeld), Bestattungsunternehmen.

– Orte diakonischen/sozialen Lernens (Sozialpraktika, Eine-Welt-Shops, Caritas …).

Erkunden der näheren Schul-Umgebung –Suche nach religiösen Spuren (QR-Codes –digitale Schnitzeljagd).

Lernorte als Erinnerungsorte

„Lernorte können allerdings auch bewusst als Erinnerungsorte aufgesucht werden: Ihre besondere Aura und Magie liegen in der Spannung von unmittelbarer Erfahrung der Vergangenheit und bleibender Ferne und Fremdheit von Nähe und Distanz.“ (Heindel/ Paintner 2015, 153)

Denkmäler, „Stolpersteine“ (vgl. reli+plus 0304|2017, 12–14), historische Orte, Gebäude …

Begegnungen an außerschulischen Lernorten Wenn SchülerInnen sich mit verschiedenen Lebensformen auseinandersetzen, kann das in lebendiger, lebensnaher Weise geschehen, indem die Lerngruppe Menschen an deren Lebensorten besucht:

Klöster, Ordensgemeinschaften …

– Seniorenheime, Jugendzentren …

Inhaltliche Vorbereitung

 Entscheidungen für einen außerschulischen Lernort am Beginn eines Themenzirkels als Einführung und Einladung in das neue Lernfeld; in der Mitte, um Inhalte zu veranschaulichen, mit der Realität in Verbindung zu bringen und zu vertiefen;

… zum Abschließen.

 Inhaltliche Auseinandersetzung mit der Thematik (Welcher Ort wird besucht? Was ist am Ort zu erkunden? Welche Vorkenntnisse gibt es in Bezug auf den Ort? Wer trifft welche inhaltliche Vorbereitung?).

 Sammeln von Fragen/Aufmerksamkeiten im Vorfeld (Wer bzw. was kann beobachtet/befragt werden? Welcher Kompetenzerwerb ist in den Blick zu nehmen? Wo liegen die Interessen der SchülerInnen?).

 Arbeitsaufgaben, Themenanwaltschaften, Gespräche und andere Face-to-Face-Kommunikation (Was wird wie dokumentiert? – vorbereiteter Fragebogen, Notizen, Arbeitsblätter).

86 methodenlabor reli+plus
01–02|2018 HANDELN und BEWERKSTELLIGEN
dem Methodenlabor
Aus

 Verhaltensvereinbarung für das Lernen außerhalb der Schule.

 Reflexion (Was hat Interesse geweckt? Was war befremdlich, irritierend? Wird diese Form des Lernens in der Gestaltung des Klassenbzw. Schulraumes, der Homepage, der SchülerInnenzeitung berücksichtigt?)

Checkliste für die organisatorische Vorbereitung

(vgl. Falter 2012, 6)

 Vor jedem Unterrichtsausgang:

Besuch am Ziel, um sich mit diesem vertraut zu machen: Anreisemöglichkeiten, Anreisedauer, Eintritt, Öffnungszeiten …

Einordnung in die Unterrichtsreihe (ev. Absprache mit KollegInnen bei einem fächerübergreifenden Thema).

 Einige Wochen vorher:

Information der Schulleitung.

Terminfestlegung und Anmeldung am Ziel.

– An- und Abreise abklären.

– Elterninformation: Termin, Treffpunkt, Abfahrtszeit, Kosten (ev. Einverständniserklärung einholen …), Ankunftszeit in der Schule.

– Lehrausgang thematisch im Unterricht vorbereiten.

 1 bis 2 Wochen vorher:

Ev. Geld für Eintritt und Anreise einsammeln (oder Abbuchung von SchülerInnen-Konto veranlassen), ev. Fahrkarten buchen/besorgen.

Arbeitsmaterial vorbereiten.

SchülerInnenliste erstellen/kopieren (ev. inkl. mobiler Telefonnummern).

– Information der KollegInnen.

Berücksichtigung am Supplierplan.

 Letzte Unterrichtsstunde davor:

– Letzte Informationen.

– An Schreib-/Zeichenmaterial, Kleidung für Regenwetter, Geld, Verpflegung erinnern.

 Am Tag des Lehrausgangs:

– Kopien der Arbeitsblätter.

– Materialien (ev. Fotoapparat, Maßband …) mitnehmen.

Praktische Impulse

 Impulse für Zugänge zur Landart in der Schule: Wald/Park/Gärten in der unmittelbaren Umgebung der Schule laden ein, sich in der Natur zu erleben. Vielen Kindern fehlt dieser Erfahrungs- und Erlebnisraum Natur, der durch den Religionsunterricht durch den Jahreslauf hindurch mit allen Sinnen neu belebt werden kann. An diesem außerschulischen Lernort können Erfahrungsfelder zum Erkunden, Schauen, Hören, Riechen, Gestalten angeboten werden, um ein Bewusstsein für die Verbundenheit mit allem Gewordenen lebendig zu halten.

 Kreatives Gestalten in der Natur mit Naturmaterial zu folgenden Assoziationen:

– mein Körperabdruck im Schnee/Sand

meine Hände/Füße hinterlassen Spuren in feuchter Erde

– Jahreszeitenspuren auf meinem Körper

mein Herz in der Natur

meine Gedanken wie Blätter aufgefädelt ...

 Steckbrief eines Gegenstandes der Kirchengeschichte (vgl. Falter 2012, 45–51):

Ein Arbeitsblatt für den Steckbrief kann z. B. vor einem Besuch im (Diözesan-)Museum mit den SchülerInnen gemeinsam vorbereitet werden – im Museum ziehen die SchülerInnen dann aus einer vorbereiteten Kärtchenauswahl je einen anderen Gegenstand, mit dem sie sich genauer beschäftigen.

Ein Beispiel-Steckbrief:

1. Beschreibe den Gegenstand möglichst detailliert.

2. Wozu wurde der Gegenstand benutzt? Wer nutzte ihn?

3. Aus welchem Material/welchen Materialien ist der Gegenstand hergestellt?

4. Wie groß ist er? (TIPP: Ein DIN-A4-Blatt ist ca. 30 cm lang und 21 cm breit.)

5. Wann wurde der Gegenstand hergestellt?

6. Welche Bedeutung hatte dieser Gegenstand für die BetrachterInnen damals? Welche hat er heute?

7. Was fällt dir an diesem Gegenstand besonders auf?

8. Ist das ein einzigartiger Gegenstand oder gibt es noch andere Varianten davon in der Ausstellung? 

Quellen, Literatur- und Internettipps

Religion zum Sprechen bringen ist mehr als Reden über Religion. Ohne konkrete Wahrnehmungen von Religion, die Bewegung in ihren Räumen und den leiblichen Kontakt zu ihren Formen ist religiöses Lernen nicht darstellbar.

aus: Leonhard/Klie 2003, 7

 Falter, Sabine: Lernen vor Ort. Ideen und Materialien für Unterrichtsausgänge in Religion und Ethik, Mülheim: Verlag an der Ruhr 2012.

 Leonhard, Silke/Klie, Thomas (Hg.): Schauplatz Religion. Grundzüge einer performativen Religionspädagogik, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2003.

 Schulte, Andrea: Außerschulische Lernorte – Zur Theorie und Praxis, in: Heindel, Christian/Paintner, Angelika (Hg.): Katholische Religion. Didaktik für die Grundschule, Berlin: Cornelsen 2015, 150–163.

 Zankel, Sönke/Günther, Niklas: Religionsdidaktik in Übersichten. Ein Überblick für Studierende, Referendare und Lehrkräfte, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2017.

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Landart mit Blüten. Foto: Farijoda, www.nikon-fotografie.de
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BEWEGTER RELIGIONSuNTERRICHT

Bewegt und bewegend – so könnte die religionspädagogische Grundidee des Bewegten Religionsunterrichts kurz auf den Punkt gebracht lauten. Der Bewegte Religionsunterricht basiert auf der Bewegtheit des christlichen Glaubens und versteht Denken, Lernen und Erfahren als offenen Prozess, der Schüler*innen Erlebnisse ermöglichen möchte, die sie bewegen und ihnen nachhaltig im Gedächtnis bleiben – egal, wie alt sie sind.

Simone

Lernen durch und mit dem eigenen Körper

Aus dem Methodenlabor

der „Bewegte Religionsunterricht“ ist untrennbar mit dem Namen der Musik- und Religionspädagogin Elisabeth Buck verbunden, die diesen Anfang der neunziger Jahre entwickelt hat. Dieses Konzept sieht die Theologie, Didaktik und Pädagogik aufeinander bezogen und sich gegenseitig kritisch hinterfragend (vgl. Buck 2011, S. 11f). Die Wurzeln des Bewegten RU liegen sowohl in der Montessoripädagogik, der rhythmisch-musikalischen Bewegungserziehung (Émile Jaques-Dalcroze, Elfriede Feudel), der Motopädagogik (Ernst J. Kiphard) als auch im Improvisationstheater (Keith Johnstone). Den lerntheoretischen Hintergrund bildet das „kommunikationstheoretische Lernmodell“ von Werner Radigk.

Nach Radigk informiert sich der Mensch in mehreren Stufen (1. unmittelbare Sinneswahrnehmung und Körperbewegung; 2. Sprache; 3. Schrift) über sich und seine Umwelt. Stehen diese Stufen miteinander in Austausch, ist nachhaltiges und differenziertes Lernen möglich (vgl. Buck 2011, S. 8) Aufbauend auf diesen Erkenntnissen geschieht Denken im Bewegten RU als Zusammenspiel von Körperbewegung, Sprache und Schrift. Körperliches Erleben, Arbeit mit Materialien und Texten, Hören von Erzählungen und Gespräche eröffnen Erfahrungen am „eigenen Leib“, ermöglicht durch Spiel. (Vgl. Buck 2017, S 13).

der Ru wird so zum Ort der Begegnung – mit religiösen Themen und Fragen, – mit eigenen körperlichen Handlungen, – mit verschiedenen räumlichen und geistigen Perspektiven, – für Deutungen und Wertungen, – für das Erkennen möglicher eigener Standpunkte.

Grundlagen & Leitgedanken

Der Bewegte RU orientiert sich an der jüdisch-christlichen Anthropologie und der theologischen Leitlinie: „Gott setzt Menschen in Bewegung“ (Buck 2003, S. 9). Die liebende Zuwendung Gottes zum Menschen, deren Mittel- und Angelpunkt die Menschwerdung Gottes in Jesus von Nazaret ist, stellt den roten Faden des Unterrichts dar. Die Schüler*innen sollen Bewegungsimpulse und körperliche Berührungspunkte in biblischen Texten entdecken, eigene Symbole für Bewegung entwickeln und Diskussionen über theologische Fra-

gen stellen – tastend, tanzend, schnuppernd, singend, schleichend, lärmend oder lauschend (vgl. Buck 2010, S. 9). Im bewegten Spiel sollen sie Inhalte erforschen, die sie dann im Unterrichtsgespräch oder in der Heftgestaltung einordnen, reflektieren und bewerten. Soziale, persönliche und kirchliche Zusammenhänge werden ebenfalls eingebunden (vgl. ebda).

Durch die körperliche Bewegung und Wahrnehmung können Schüler*innen sich und ihre Welt aktiv erfahren. Sie können religiösen Inhalten im Bewegungsspiel begegnen, sich mit der eigenen Lebenssituation auseinandersetzen, neue Lebensentwürfe ausprobieren und über ihre Bewegungserlebnisse miteinander ins Gespräch kommen und gemeinsam religiöse Fragen stellen und Antworten finden (vgl. Buck 2021).

Methoden des Bewegten Ru

– Symbolspiel,

– verschiedene Arten des Rollenspiels,

– gestisch-pantomimisches Spiel,

– Tanz und aktives Musizieren mit elementaren Musikinstrumenten,

– Wahrnehmungsspiele,

– Heftgestaltung (taktil-kinästhetisches Erleben).

Jede Methode des Bewegungsspiels ist in eine sprachliche Handlung, wie etwa ein Unterrichtsgespräch, eine Erzählung, einen Reim

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RieserKurzmann, Verena Krenn, Magdalena Schalk, Eva Bacher
HANDELN und BEWERKSTELLIGEN
Aufeinander achten. Foto: Simone Rieser-Kurzmann

(Sprechrhythmen) oder ein Lied eingebunden, um die Erlebnisse bewusstzumachen und eine religiöse Sprache zu entwickeln (vgl. Buck 2017, S. 12). Grundvoraussetzung für den Bewegten RU ist ein gewisses Vertrauensverhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden. Alle gesammelten Erfahrungen sind individuell und persönlich. Die Schüler*innen können freiwillig darüber sprechen, ohne dass andere Personen diese interpretieren, kommentieren oder herabsetzen (vgl. Buck 2010, S. 24–46).

Rahmenbedingungen für den Bewegten Ru

Für das Gelingen des Bewegten RU gibt es zwei grundlegende Bedingungen:

– Klare Regeln und Rituale (eingeübte, feste Ordnungsgebote)

– Respekt und Aufmerksamkeit der Lehrperson den Schüler*innen gegenüber (Beziehung) (vgl. Buck 2011, S. 34ff).

Ideen für die Praxis

In diesem Methodenlabor möchten wir verschiedene Möglichkeiten des Bewegten RU vorstellen, die in allen Altersgruppen einsetzbar sind.

Bewegt durch die Adventzeit (Rollenspiel)

Dem Advent als Zeit des Wartens und der Vorfreude kann mithilfe der Methoden des Bewegten RU in der Schule besonders nachgespürt werden. Eine besondere Form ist das „Rollenspiel“. „Kinder können in gespielten Rollen aufgehen“ (Buck, 1997, S. 30) und so die Erzählung bzw. den Inhalt im Ausdruck besser verstehen (vgl. Buck 1997, S. 29f).

 Hirtenspiel

Das folgende Hirtenspiel basiert auf der Geschichte von Rolf Krenzer und ist ein Rollenspiel (mit vordefinierten Rollen) für den vorweihnachtlichen Gottesdienst an einer Volksschule zum Thema „Gott macht die Welt hell“.

Rollenverteilung: 4 Hirten, Maria, Josef, Erzähler*in Material:

– Kerze (Teelicht, Laterne)

– Decke, Schaf

– Hirtenoutfit (Hut, Mantel, Stab)

– Umhang für Maria

– Babypuppe

– Milchkanne

Die Geschichte vom Weihnachtslicht (R. Krenzer) Ein kleiner Hirtenjunge sucht ein Geschenk für das Jesuskind.

Erzähler: Als die Engel den Hirten verkündet hatten, dass im Stall von Betlehem der König der Welt geboren war, da suchte jeder nach einem passenden Geschenk, das er dem Kind in der Krippe mitbringen wollte.

Hirte 1: Ich bringe ein Schäfchen mit! Hirte 2: Ich bringe eine Kanne voll frischer Milch! Hirte 3: Und ich bringe eine warme Decke, damit das Kind nicht friert!

Erzähler: Unter den Hirten war auch ein Hirtenkind. Das war bettelarm und hatte nichts, was es dem Kind schenken konnte. Traurig lief es zum Schafstall und suchte in der winzigen Ecke, die ihm gehörte, nach etwas, was es vielleicht doch mitbringen konnte. Aber da fand das Kind nichts! In seiner Not zündete das Hirtenkind eine kleine Kerze an und suchte in jeder Ritze. Doch alles Suchen war umsonst. Da setzte es sich auf den Boden und war so traurig, dass ihm eine Träne herunterlief. So merkte es auch nicht, dass ein anderer Hirte in den Stall gekommen war und vor ihm stehen blieb. Das Kind erschrak, als es der Hirte ansprach:

Hirte 4: Da bringen wir dem König der Welt alle möglichen Geschenke. Ich glaube aber, dass DU das allerschönste Geschenk hast!

Erzähler: Erstaunt blickte ihn das Hirtenkind mit verweinten Augen an.

Hirtenkind: Ich habe doch gar nichts!

Hirte 4: Da schaut euch dieses Kind an! Da hält es in seiner Hand eine leuchtende Kerze und meint, es habe gar nichts!

Hirtenkind: Soll ich dem Jesuskind vielleicht die kleine Kerze schenken?

Hirte 4: Es gibt nichts Schöneres!

Erzähler: Da stand das Hirtenkind auf, legte seine Hand schützend vor die kleine Flamme und machte sich mit den Hirten auf den Weg. Als die Hirten mit ihren Geschenken den Stall erreichten, war es dort kalt und dunkel. Als aber das Hirtenkind mit seiner kleinen Kerze den Stall betrat, da breitete sich ein Leuchten und eine Wärme aus und alle konnten Maria und Josef und das Kind in der Krippe sehen. So knieten die Hirten vor der Krippe nieder und beteten den Retter der Welt,

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Im Rollenspiel die Bibel entdecken. Foto: Simone Rieser-Kurzman

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das kleine Kind mit Namen Jesus, an. Danach übergaben sie ihre Geschenke.

Das Hirtenkind aber stellte seine Kerze ganz nah an die Krippe und es konnte deutlich das Leuchten in den Augen von Maria und Josef sehen.

Alle Hirten: Das kleine Licht ist das allerschönste Geschenk!

Erzähler: Und alle freuten sich an dem schönen Weihnachtslicht, das sogar den armseligen Stall gemütlich machte. Das Hirtenkind aber spürte, wie in ihm selber eine Wärme aufstieg, die es glücklicher und glücklicher machte.

Bis zum heutigen Tag zünden die Menschen vor Weihnachten Kerzen an, weil sie auf Weihnachten warten und ihnen das kleine Licht immer wieder Freude und Geborgenheit schenkt.

Heftwerkstatt

Die Phase, in der Schüler*innen im Heft gestalten, nennt sich „Heftwerkstatt“. Sie nimmt im Bewegten RU eine sehr wichtige Rolle ein, da sie Tasterlebnisse ermöglichen und die Verarbeitung der Inhalte des Unterrichts vertiefen soll. Wichtig ist, dass den Schüler*innen eine „Standardausrüstung“ zur Verfügung steht, damit sie im Heft überhaupt gestalten können.

Standardausrüstung für die Heftwerkstatt: Schere, Klebstoff, farbiges Tonpapier, Bunt- und Farbstifte, Klebestreifen. Auch Alltagsmaterialien können benutzt werden.

die Advent- und Weihnachtszeit – eine stille Zeit?

Wir leben in einer Welt, in der Zeit häufig geprägt ist von Hektik. Diese Hektik erfährt oft gerade in der Advent- und Weihnachtszeit ihren Höhepunkt, und von Besinnlichkeit und Vorfreude ist kaum etwas zu spüren. Deshalb ist „Stille“ für diese Zeit ein Thema, das die Schüler*innen der Sekundarstufe 1 einerseits sicher herausfordern wird, da „Stillsein“ für viele nicht positiv besetzt ist. Andererseits können ihnen neue Zugänge eröffnet werden, indem sie über das Ausprobieren von Stille eine Hinwendung zu einer Sinneserfahrung erleben, in der Ruhe, Innehalten und Achtsamkeit im Mittelpunkt stehen, im Gegensatz zur „lauten“ Welt, in der sie leben.

Neben einem Wahrnehmungsspiel mit verschiedenen Instrumenten oder einer Kerze können sie in der Heftwerkstatt dann ihre Gedanken und Erfahrungen mittels unterschiedlichster Materialien zum Ausdruck bringen.

Material:

– Buntpapier

– Glitzerstifte

– Bunte Klebebänder

– Wasserfarben

– Sticker …

Verschiedenes Buntpapier oder Glitzer, einige wichtige Sätze und Symbole, die für die Schüler*innen in Verbindung mit Advent und Weihnachten stehen – so kann eine Heftwerkstatt aussehen.

Andere Schüler*innen lieben es zu gestalten und können gerade durch Stille ihren Erfahrungen und Erlebnissen in bunten Farben und unterschiedlichen Formen Ausdruck verleihen.

durch diese Art der Gestaltung werden die Hefte der Schüler*innen zu wahren Schätzen, da sie ein Spiegel ihrer individuellen Erfahrungen und eigenen Kreativität sind. Viele dieser Hefte werden sie lange begleiten und sie werden sie immer gerne zur Hand nehmen und darin blättern.

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Heftwerkstatt. Foto: Simone Rieser-Kurzmann Heftwerkstatt. Foto: Simone Rieser-Kurzmann

Bewegung in die Klasse bringen

Mit den folgenden Methoden kann es gelingen, ohne aufwändige Vorbereitungen auch in Oberstufenklassen einzelne Stundenelemente bewegungsorientiert zu gestalten. Die Schüler*innen machen durch Interaktions- und Körperübungen neue Erfahrungen und zeigen eine „Haltung“, beziehen einen „Standpunkt“ oder nehmen „Stellung“.

 Spiel mit dem imaginären Ball

Mit dieser Übung kann man in ein neues Thema (z. B. eine ethische Fragestellung) einsteigen. Sie gibt den Schüler*innen Gelegenheit, sich einem Thema intuitiv zu nähern und eigene Gefühle zu artikulieren.

Alle stehen im Kreis. Die Lehrperson wirft einer Schülerin oder einem Schüler einen imaginären Ball zu. Zuvor gestaltet sie den Ball mit der Hand zu der Größe (Fußball, Medizinball, Tennisball), die der Bedeutung des Themas für sie zukommt. Entsprechend der Ballgröße wirft sie ihn der Schülerin/dem Schüler zu, die/der ihn wiederum formt und mit der entsprechenden Bemerkung weiterwirft. Am Schluss nimmt die Lehrperson den Ball wieder an sich, „legt ihn auf den Tisch“, „wirft ihn in einen Korb“, „steckt ihn in die Tasche“ oder ähnliches (vgl. Rendle 2007, S 93).

Literatur und Internettipps:

 http://bewegter-religionsunterricht.de/

 Buck, Elisabeth: Bewegter Religionsunterricht, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 1997.

 Buck, Elisabeth: Glaube in Bewegung. Spielräume in der Gemeindekatechetik, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2003.

 Buck, Elisabeth: Bewegter Religionsunterricht. Theoretische Grundlagen und 45 kreative Unterrichtsentwürfe für die Grundschule, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2010.

 Buck, Elisabeth: Neuland betreten. Bewegter Religionsunterricht im 7. bis 8. Schuljahr, München: dkv 2011.

 Buck, Elisabeth: Bewegter Religionsunterricht. Innovative, ganzheitliche Konzepte für das 5. bis 7. Schuljahr, München: dkv 2017.

 Kaltwasser, Vera: Achtsamkeit in der Schule. Stille-Inseln im Unterricht: Entspannung und Konzentration, Weinheim und Basel: Beltz Verlag 2008.

 Kaltwasser, Vera: Achtsamkeit in der Schule. Selbstregulation und Beziehungsfähigkeit als Basis von Bildung, Weinheim und Basel: Beltz Verlag 2016.

 Klee, Oliver: Der Spielereader. Spiele und Methoden für Workshops, Seminare, Erstsemestereinführungen oder einfach so zum Spaß, in: www.spielereader.org/

 Krenzer, Rolf: Das Weihnachtslicht. Geschichten um Weihnachten, Kevelaer: Lahn-Verlag 1993.

 Mendl, Hans: Taschenlexikon Religionsdidaktik. Das Wichtigste für Studium und Beruf, München: Kösel 2019.

 Radigk, Werner: Das kommunikationstheoretische Lernkonzept. in: Zeitschrift für Heilpädagogik 39/1988, 855-869.

 Thiesen, Peter: Drauflosspieltheater. Ein Spiel- und Ideenbuch für Kinder- und Jugendgruppen, Schule und Familie, Weinheim und Basel: Beltz 2013.

 Rendle, Ludwig (Hg.): Ganzheitliche Methoden im Religionsunterricht, München: Kösel 2007.

 Wollknäuel – Blitzlicht

Diese Übung gibt den Schüler*innen die Möglichkeit, ihre Einstellung zu einer Situation oder zu einem Thema kundzutun.

Alle stehen im Kreis. Die Lehrperson teilt der Klasse mit, was ihr am Thema gefällt oder was sie stört. Dann wirft sie das Wollknäuel weiter, wobei sie den Anfang des Fadens in der Hand behält. Alle Schüler*innen verfahren ebenso. Die Aussagen werden nicht kommentiert. Es entsteht ein großes Netz, alle sind miteinander verknüpft. In einer Variante kann das Netz wieder rückwärts aufgelöst werden, wobei jeder Schüler/jede Schülerin wiederholt, was der Vorgänger/die Vorgängerin gesagt hat.

Auswertung:

1. Was habt ihr beobachtet?

2. Welche Aussagen haben sich wiederholt?

3. Zu welcher Aussage wollt ihr noch etwas sagen? (vgl. Rendle 2007, S. 95)

 Standpunkte

Mit dieser Methode lassen sich einerseits Interessen abfragen, aber auch Gruppen nach inhaltlichen Kriterien bilden. Zunächst gibt die Lehrperson vor, welcher Platz was bedeutet. Die einzelnen Themen werden visualisiert, z. B. an der Tafel, oder es werden Zettel in den Ecken der Klasse aufgeklebt. Dann stellen sich die Schüler*innen entsprechend ihrer Interessen auf. In einem anschließenden Gespräch können diese – von ihrem Standpunkt aus – ihre Wahl begründen.

 Varianten: Meinungsbild: Stimme ich der These zu oder nicht?

Meinungsbild mit Zwischenstufen:

Die Schüler*innen stellen sich auf einer gedachten Linie auf. Die beiden Endpunkte stellen jeweils die Extrempositionen dar, alle Punkte dazwischen sind entsprechend ein abgestuftes „Sowohl-als-auch“. Anschließend diskutieren die Schüler*innen ihre Standpunkte und können sich im Laufe der Diskussion auch umpositionieren (vgl. Klee 2020, S. 3).

Kompetenzen, die durch die Arbeit mit den vorgestellten Anregungen gefördert werden:

 Der Bewegte RU orientiert sich an den Schüler*innen und unterstützt sie dabei, sich zu entwickeln, eigene Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erwerben und eigene Haltungen zu finden. Hierin gibt es Überschneidungen zu den Anliegen der schulischen Kompetenzorientierung. Durch die Atmosphäre und die vielen Dimensionen des Bewegten RUs kann er jedoch nicht gänzlich mit normierten Bildungsstandards beschrieben werden.

91 methodenlabor reli+plus 11–12|2021
 HANDELN und BEWERKSTELLIGEN

SOZIALE BILduNG – SOZIALES LERNEN

Bildung wird oft mit schulischem Lernen und den in der Ausbildung geforderten und für die spätere Berufsausübung notwendigen Kenntnissen und Fähigkeiten wie Lesen, Schreiben und Rechnen in Verbindung gebracht. Bildung ist jedoch viel mehr. Sie umfasst auch jenes Wissen, das für das Leben selbst und für das Leben in der Gemeinschaft notwendig ist und das durch soziales Lernen bewusst eingeübt werden kann.

Simone RieserKurzmann

„Bildung ist ein umfassender Prozess der Entwicklung einer Persönlichkeit in der Auseinandersetzung mit sich und ihrer Umwelt. Das Subjekt […] eignet sich die Welt an und ist dabei auf bildende Gelegenheiten, Anregungen und Begegnungen angewiesen, um kulturelle, instrumentelle, soziale und personale Kompetenzen entwickeln und entfalten zu können.“ (BMFSFJ 2005, 31)

Menschen sind soziale Wesen, die ihre Denkund Verhaltensmuster im Kontakt mit anderen entwickeln (vgl. Keller/Hafner 2003, 11). Lernen findet immer ganzheitlich statt, auch wenn sich einzelne Bereiche bei Kindern in bestimmten Phasen stärker entwickeln, stehen Körper und Geist, Intellekt und Gefühl immer in Beziehung zueinander. Sie entwickeln sich gemeinsam (vgl. Schule als Ort des „sozialen Lernens").

Soziale und emotionale Kompetenzen basieren auf Begegnungen mit anderen und setzen einen gewissen Respekt und Vertrauen voraus. Sind diese Voraussetzungen gegeben, kann sich der Mensch in der Gemeinschaft wohlfühlen und anderen offen, tolerant und wertschätzend begegnen (vgl. Schule als Ort des „sozialen Lernens").

Soziales Lernen

Die Bedeutung des sozialen Lernens nimmt stetig zu. Dies spiegelt sich auch in den österreichischen Lehrplänen wider, die neben dem Erwerb von Fachkompetenz besonderen Wert auf Selbstund Sozialkompetenz legen, wie z. B.:

 „sozial verantwortlich agieren, was sich in Respekt, angemessener Rücksichtnahme und Verantwortungsbewusstsein zeigt,

 ein breites Spektrum an Kommunikationsformen (verbal, non-verbal, schriftlich) einsetzen,

 sich kooperativ, verantwortlich und zielorientiert einbringen,

 die eigene Leistung und die Leistung anderer Personen überprüfen und entwickeln.“ (Zug 2013, 2)

Ziel des sozialen Lernens ist es, Menschen durch Gemeinschaft zur Gemeinschaft zu führen (vgl. Keller/Hafner 2003, 9). So können positive Beziehungen aufgebaut, das eigene Handeln hinterfragt und die eigene Person, aber auch die Mitmenschen, bewusst wahrgenommen und akzeptiert werden. Respekt, Toleranz, Pünktlichkeit, aber auch Teamfähigkeit, Einfühlungsvermögen, Eigeninitiative, Ausdauer und Selbstverantwortung gehören zu den sozialen und personalen Kompetenzen, die heute im Unterricht immer mehr an Bedeutung gewinnen.

Ganzheitliche Bildung basiert daher nicht nur auf formalen Aspekten, sondern umfasst ein breites Spektrum an Kompetenzen und lebt von der Interaktion in und mit einer Gemeinschaft. Um sich im Alltag zurechtzufinden, Konflikte zu lösen und miteinander zu kommunizieren, braucht es kommunikative und soziale Kompetenzen. Nur so können Beziehungen, eigene Urteile und Entscheidungen getroffen werden und nur so ist es möglich, Teil der sozialen Welt zu werden (vgl. BMFSFJ 2005, 32).

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Lernen mit Hirn, Hand, Herz nach H. Ripplinger. Persönlichkeiten. Foto: Simone Rieser-Kurzmann
dem Methodenlabor
Soziales Lernen. Foto: Simone Rieser-Kurzmann
HANDELN und BEWERKSTELLIGEN Aus

Soziale Kompetenzen und soziales Lernen müssen jedoch bewusst eingeübt und die Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit Schüler*innen das geregelte Miteinander in einer Klasse erleben, soziale und methodische Kompetenzen erwerben und auch auf zukünftige berufliche Anforderungen vorbereitet werden (vgl. Ripplinger, 2ff). Gerade der Religionsunterricht bietet zahlreiche Themen und Anknüpfungspunkte für das soziale Lernen, wie z. B. der Umgang mit Gemeinschaft, Glück, Freude, Schuld oder Vergebung u. v. m.

Soziales Lernen baut nicht nur Ich-Kompetenzen auf. Es fördert auch soziale Kompetenzen durch die Auseinandersetzung mit der Gemeinschaft, den Lehrenden und sich selbst (vgl. Krowatschek/Wingert/Krowatschek 2012, 18).

Formen sozialen Lernens

Soziales Lernen passiert also auf sehr unterschiedliche Weise und reicht vom intellektuellen Erwerb über das emotionale Lernen bis hin zum praktischen Einüben einzelner Fähigkeiten. Es geschieht z. B. durch:

 Nachahmung – Modelllernen (Bandura),

 Identifikation – Gleichsetzung mit einem Vorbild,

 Appell – positives und negatives Verhalten,

 Lob – positive Verstärkung,

 Grenzsetzung – Warnsignale, kritisches Feedback,

 Instruktion – gezielt Anregen, Verhalten lenken,

 Induktives Lernen – positive und negative Beispiele – Vermittlung sozial-moralischer Regeln,

 Einsicht – Ergebnis von Verstehen und Denken (vgl. Keller/Hafner 2003, 14ff).

Junge Menschen lernen ständig – im Spiel, bei kreativen Tätigkeiten, in Gesprächen, durch Medien und durch die Welt um sie herum. Sie lernen vor allem dann, wenn sie ihr Leben selbst gestalten, sich ausprobieren, selbst denken, sich eine eigene Meinung bilden und auch einmal Fehler machen dürfen.

Literatur und Internettipps:

Voneinander lernen. Miteinander arbeiten. Füreinander leben.

Orte sozialen Lernens

Soziales Lernen findet immer und an ganz unterschiedlichen Orten statt:

 Familie (Versorgung, Betreuung, Erziehung),

 Schule (Erwerb von Wissen und Fähigkeiten, soziale Begegnungen, im Religionsunterricht),

 Freundeskreis (Entdeckung der eigenen Identität, Ausprobieren neuer Verhaltensweisen, Ablösung vom Elternhaus, auch negative Einflüsse)

 Medien (Spaß, Wissen, Informationsvermittlung)

 Vereine (gemeinsames Ziel, Erlernen kooperativer Fähigkeiten),

 Kirche (sozial-moralische Entwicklung) ... (vgl. Keller/Hafner 2003, 11ff).

 Der Dobler Weg. „Nicht nebeneinander, sondern miteinander“, Dobl: Rypka 32015.

 Keller, Gustav/Hafner, Karlo: Soziales Lernen will gelernt sein. Lehrer fördern Sozialverhalten, Augsburg: Auer Verlag 22003.

 Krowatschek, Dieter/Wingert, Gordon/Krowatschek, Gita: Soziales Lernen – pur! Beliebte Übungen für die Arbeit in Gruppen, Dortmund: Borgmann Media 2012.

 Ripplinger, Jürgen: Lernziel Sozialkompetenz. Wie Schulen soziales Lernen systematisch fördern können, Stuttgart: Agentur Mehrwert 2011. docplayer.org/14222465-Lernziel-sozialkompetenz.html

 Schule als Ort des „Sozialen Lernens“, in: oezeps.at/ a187.html

 Zug, Ulrike: Soziale und personale Kompetenzen. Lehrplanbezug 2013. sozpers_lp_25717.pdf.

 betreuungslehrer-ooe.at/soziale-lernspiele-und-%C3%BCbungen/

 bmfsfj.de/resource/blob/112224/7376e6055bbcaf822ec30fc6ff72b287/12-kinder-und-jugendbericht-data.pdf.

 bmbwf.gv.at/Themen/schule/schulpraxis/uek/sozial.html

 docplayer.org/13844891-Soziales-lernen-ich-unddu-themen-uebungen-fuer-die-ganze-klasse-werte-regeln-grenzen-konflikt-und-konsens-zivilcourage-undkoerpersprache.html.

 fippev.de/fileadmin/user_upload/180525_ Broschuere_SozialesLernen_druckerfreundlich_einseitig.pdf.

 kmbw.de/site/pbsbw/get/documents/KULTUS. Dachmandant/KULTUS/kultusportalbw/zzz_pdf/Sozialverhalten_lernen.pdf

 lecturio.de/magazin/teambuilding-uebungen/

 sozpers_pa_25718.pdf

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Gemeinschaftswerk. Foto: Simone Rieser-Kurzmann Blind führen. Foto: Simone Rieser-Kurzmann
HANDELN und BEWERKSTELLIGEN

HANDELN und BEWERKSTELLIGEN

IdEEN FÜR dIE PRAxIS Ideen für die Praxis

Soziales Lernen findet sich in unterschiedlichen Formen vom Kindergarten bis zur Oberstufe. Alle hier angeführten Übungen können für die jeweilige Altersgruppe adaptiert werden.

Soziales Lernen findet sich in unterschiedlichen Formen vom Kindergarten bis zur Oberstufe. Alle hier angeführten Übungen kön nen für die jeweilige Altersgruppe adaptiert werden.

Morgenkreis

An der privaten MS in Dobl beginnt jede Woche mit dem sogenannten "Morgenkreis", der aus der Reformpädagogik stammt. Im Morgenkreis können sich die Schüler*Innen als Individuen, aber auch als Teil der Gemeinschaft erkennen. Soziales Lernen, ethische Fragen, Gefühle und Feiern haben ihren festen Platz, lenken den Blick auf den Unterricht und stimmen auf den Tag ein. Eine schön gestaltete Mitte ist besonders wichtig, um die Schüler*innen gleich zu Beginn auf die besondere Zeit aufmerksam zu machen (vgl. Der Dobler Weg 2015, 17).

▪ Vorbereiten und nachdenken

Farbige Tücher, Text- und/oder Bildkarten, Blumen, Blätter, Schatzkarten, Fotos, Bücher, Stifte, Liedtexte, Hintergrundmusik, etc. Reflexion über das Erlebte und die Erfahrungen.

▪ Mitte gestalten

Die Schüler*innen sitzen in einem Sessel-/Bodenkreis um die Mitte. Je nach Thema und Jahreszeit wird diese farblich gestaltet (Erdfarben – Herbst, bunte Farbe – Frühling) und mit Blättern, Gefühlskarten, Tüchern etc. dekoriert.

Moleküle bilden

Die Schüler*innen bewegen sich wie „Atome“ im Rhythmus der Musik durch den Raum. Sobald die Musik aufhört, müssen die Schüler*innen verschiedene Aufgaben erfüllen, wie z. B.:

▪ 5er-Moleküle aus jeweils drei Füßen und zwei Händen bilden.

▪ 4er-Moleküle aus Personen mit dem gleichen Lieblingsessen bilden.

▪ 3er-Moleküle aus Personen mit gleicher Haarfarbe, etc. bilden.

Zivilcourage zeigen

Die Schüler*innen denken über Alltagssituationen nach, in denen Gewalt eine Rolle spielt. Es können auch Gewaltsituationen vorgegeben werden. Sie sollen sich die Situationen ansehen und dann entscheiden, in welcher Situation sie eingreifen würden und in welcher nicht. Danach setzen sie sich in Gruppen zusammen und:

▪ vergleichen und begründen ihre Entscheidungen.

▪ einigen sich auf eine Situation und überlegen gemeinsam, wie man eingreifen kann, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen.

▪ Plenum: Die Gruppen stellen ihre Situationen der Klasse vor. Sie können diese auch in einem Rollenspiel oder als Fotostory darstellen.

Origami falten

Spiegeln

Die Klasse wird in Zweiergruppen aufgeteilt. Es gibt immer ein Original und ein Spiegelbild. Das Original macht verschiedene Bewegungen vor, das Spiegelbild ahmt sie gleichzeitig nach. Beide Schüler*innen sollen mehrmals das Original und das Spiegelbild sein.

Die Schüler*innen werden in Vierergruppen eingeteilt. Jede Gruppe wählt eine*n Leiter*in, der/die eine Anleitung für ein Origami erhält. Alle Gruppenmitglieder bekommen ein Blatt Papier. Mit geschlossenen Augen müssen sie der Stimme ihres*er Leiter*in folgen. Diese*r versucht die Gruppe so anzuleiten, dass ein Origami entsteht. Am Ende werden die Ergebnisse miteinander verglichen.

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Gefühle benennen

Die Lehrperson erstellt verschiedene Karten mit unterschiedlichen Gefühlen (Freude, Mut, Angst, Stärke, ...). Die Schüler*innen können eine Karte mit einem Gefühl auswählen und darüber nachdenken, warum sie diese Karte gewählt haben und welche Rolle dieses Gefühl in ihrem Leben im Moment spielt. Gespräch im Plenum oder in einer Zweiergruppe

Körpersprache deuten

Schüler*innenpaare werden gebildet. Die Lehrperson teilt ihnen Emotion (Glück, Wut, Trauer, Versöhnung, Freude, …) zu, die sie pantomimisch umsetzen sollen. Nach der Vorbereitungszeit stellen sie ihre Emotion dar. Die Mitschüler*innen versuchen dann zu erraten, welches Gefühl dargestellt wurde. Sie erklären auch, woran sie es erkannt/nicht erkannt haben

Variante: Die Emotion und die Darstellung stimmen nicht überein, wie z. B.:

▪ Gratuliere jemand gelangweilt zum Geburtstag.

▪ Begrüße jemand freundlich, ohne die Person anzusehen

▪ Erzähle mit einem Lächeln, dass du traurig oder enttäuscht bist

Wie fühlt sich das Gegenüber, wenn das Gesagte nicht mit der Mimik und Gestik übereinstimmt?

Wie fühlt sich das Gegenüber?

Aufmerksam zuhören

Die Schüler*innen bilden Dreiergruppen. Zwei reden miteinander, die/der dritte ist Beobachter*in und achtet darauf, dass die Regel (eine Person spricht, die andere hört zu und wiederholt dann das Gesagte sinngemäß) eingehalten wird. Die beiden Schüler*innen unterhalten sich über ein aktuelles Thema, wie:

▪ etwas, was ich gerne mag,

▪ etwas, was mich ärgert,

▪ etwas, was ich gut kann Danach kommt es zum Wechsel.

Reflexion:

▪ War es schwierig oder einfach für dich, zuzuhören?

▪ Warum war es schwierig oder leicht?

▪ Wie ist es, wenn dir jemand zuhört?

▪ Wann ist es wichtig, gut zuzuhören?

Teppich wenden

Alle Schüler*innen stehen auf einem Teppich. Sie müssen diesen gemeinsam vollständig umdrehen, ohne dabei den Boden zu berühren.

Menschenmemory spielen

Zwei Schüler*innen verlassend den Raum. Die verbleibenden Schüler*innen bilden Paare. Jedes Paar wählt z. B. eine Geste. Es darf keine identischen Paare geben. Dann verteilen sich alle in der Klasse. Die beiden Schüler*innen werden in die Klasse geholt und beginnen nun, die einzelnen Paare aufzudecken. Dazu berühren sie zwei Schüler*innen an der Schulter. Die berührten Schüler*innen machen ihre*n Geste. Werden zusammengehörende Paare gefunden, setzen sich diese auf die Seite. Neben Gesten können auch Tierlaute, Komplimente, Farben, Sprüche, Alltagsgeräusche etc. verwendet werden.

Gemeinschaftspuzzle bauen

Jede*r Schüler*in nimmt einen Puzzleteil und gestaltet diesen wie eine persönliche Visitenkarte (leise Hintergrundmusik). Am Ende werden alle Puzzleteile zusammengefügt und die Schüler*innen beschreiben, was ihnen an den einzelnen Teilen und dem Ganzen auffällt.

Bockschauen

Die Schüler*innen stehen einander im Abstand von einer Schrittlänge gegenüber Sie schauen sich gegenseitig tief in die Augen. Wer zuerst lacht, blinzelt oder wegschaut, hat verloren. Sie können mehrere Runden spielen.

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und BEWERKSTELLIGEN
HANDELN

WENN SCHÜLER*INNEN FRAGEN …

Fragen zu stellen ist ein Kennzeichen des Menschen. Die Orientierung an Schüler*innenfragen ist aus sozial-kommunikativer Sicht bedeutsam: Kinder und Jugendliche, die im Unterricht Fragen stellen, wägen zwischen Wissensgewinn und einem eventuellen Prestigeverlust ab. Und: „Schüler*innenfragenfreundlichkeit“ beeinflusst das Beziehungsgeschehen positiv.

Auch im (Religions-)Unterricht kann sehr oft die Lehrer*innen-Frage als eine der leitenden Kommunikationsformen beobachtet werden – nicht immer sind Fragen aber so „sokratisch“ gestaltet, dass durch sie tiefliegendes Wissen ins Bewusstsein gehoben werden kann. Oft wird es zu einem Ratespiel, in dem die Wissenden Fragen an die „Noch-nicht-Wissenden“ stellen – kein Zufall, wenn manche Schüler*innen die Lust verlieren, da lange mitzuraten … Umgekehrt könn(t)en auch Lehrer*innen sehr von den Fragen ihrer Schüler*innen profitieren, weil ihnen diese Fragen wertvolle Hinweise auf das Denken und die Welt der Kinder und Jugendlichen geben können und zu deren Verstehen einladen.

Wie stehen Schüler*innen zu diesem Thema?

Rainer Oberthür (2002) hat Aussagen von Kindern einer 4. Klasse Volksschule zur Bedeutung von Frage und Antwort zusammengestellt:

„Man fragt, damit man eine Antwort findet.“

„Wenn man eine Frage hat und sich nicht traut, sie zu stellen, kann man keine Antwort bekommen.“

„Es gibt Fragen, die kann man nicht beantworten, aber es ist gut, darüber nachzudenken.“

„Wenn einer einem eine Antwort gibt, ohne dass man gefragt hat, so ist das keine Antwort.“

– „Es gibt Fragen, die man nicht beantworten kann. Aber es gibt auf alle Fragen eine Antwort.“

„Wer fragt, weiß schon etwas.“

„Ohne Fragen würde der Religionsunterricht nicht entstehen.“

Wir sehen: Als selbstbestimmter Ausdruck der „IchBeteiligung“ spiegeln Fragen selbstverständlich auch das Interesse und den Aneignungsprozess.

Religionslehrer*innen und Fragen?

Eine Einladung zur Selbstreflexion zum Fragen: Was ist meine Lieblingsfrage? Welche Frage möchte ich nie gestellt bekommen? Was würde mein/e Religionslehrer*in aus der Volkschule zu meinem RU sagen? Welche Frage/n stelle ich mir immer wieder?

Was war die überraschendste Frage, die ich in einer Religionsstunde gestellt bekommen habe? Welche Frage hat mein Denken am besten geöffnet? Wann fällt es mir am leichtesten, Fragen zu stellen?

Stichworte zur religionsdidaktischen Bedeutung von Schüler*innenfragen

Schüler*innenfragen zeigen, dass der Inhalt die Lernenden beschäftigt und betrifft – das ist Grundlage für produktive Lernprozesse.

Schüler*innenfragen sind auch unter sozialen und kommunikativen Gesichtspunkten von Bedeutung.

Fragen sind ein Mittel der Selbstbestimmung.

Schüler*innen fragen nur, wenn der „Nutzen“ (Wissensgewinn) höher ist als die zu erwartenden persönlichen „Kosten“ (ev. sozialer Prestigeverlust – abhängig von Lehrer*innen-Reaktion und der Fragekultur in der Klasse).

Es besteht ein Zusammenhang zwischen Zunahme der Lehraktivität mit Lehrer*innenfragen und der Abnahme von Schüler*innenfragen (vgl. Zimmermann 2013, 10–18).

Wie Schüler*innenfragen fördern?

Fragen leben – auch im Religionsunterricht – vom Zuhören und vom Verstehen-Wollen. Schüler*innenfragen sind nicht nur für diese (hoffentlich) ein Gewinn, sondern auch für Lehrer*innen. Die Motivation, Fragen zu stellen, kann durch eine positive Verstärkung der gestellten Fragen, aber auch durch ein insgesamt fragefreundliches Unterrichtsklima erhöht werden. Das kann über lehrer*innenbezogene („Es ist meine Aufgabe, deine Fragen zu klären!“), schüler*innenbezogene („Du hast ein Recht darauf, dass ich deine Fragen beantworte, nur so kannst du lernen!“) oder inhaltsbezogene („Lernen funktioniert, indem z. B. zu einer Sache Fragen gestellt und hoffentlich beantwortet werden!“) Begründungen erfolgen (vgl. Zimmermann 2013, 20).

Ausgangspunkt für die Arbeit an einem schüler*innenfragefreundlichen (Religions-) Unterricht könnte ein „Fragetraining“

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Taiwan­fresh­water­cloud­gate­theater. Foto: Chang Zun Shi, Pixabay
09–10|2020 INTERAGIEREN und KOMMUNIZIEREN
Aus dem Methodenlabor
Monika Prettenthaler

sein. Kremer/Perlberg haben eine Liste von Verhaltensweisen erstellt, die Schüler*innen-Fragen fördern (zitiert nach Zimmermann 2013, 21): Der Lehrer bzw. die Lehrerin

legt die Unterrichtsabsicht offen, – gibt Beispiele für mögliche Fragen zu einem bestimmten Inhalt, – fordert die Schüler*innen aktiv auf, Fragen zu stellen, – lenkt die Aufmerksamkeit auf strittige Punkte und inhaltliche Widersprüche, – fragt gezielt nach, um zu klären oder Sichtweisen zu weiten, – erklärt, welche verschiedenen Fragemöglichkeiten es gibt, – greift Schüler*innenfragen auf, bezieht sich darauf und verwendet sie als weiteren Stimulus, – gibt Anstöße zu Umwandlung von Aussagen in Fragen, – gibt positive Rückmeldungen auf Schüler*innenfragen und verstärkt so deren Frageverhalten.

Eine Checkliste zum schüler*innenfragenfreundlichen Unterricht findet sich auf www.reliplus.at.

Praktisches

 Fragetafel/-pinnwand: Am Anfang oder vor der Bearbeitung eines Themas wird ein realer (z. B. Plakat) oder virtueller (z. B. Padlet-Wand) Frageraum eröffnet, in dem Fragen der Schüler*innen gesammelt werden; sowohl Ergänzungen als auch eine abschließende Überprüfung, ob alle Fragen bearbeitet wurden, sind auf diese Weise gut möglich.

 Frage des Tages/der Woche: Bereits ab der Primarstufe ist es möglich, am Bewusstsein für (organisatorische, sachbezogene, persönliche und theologische/philosophische) Fragen zu arbeiten, indem z. B. eine besonders interessante, kreative, spannende … Schüler*innenfrage als „Frage des Tages“ oder „Frage der Woche“ im Klassenzimmer festgehalten wird (vgl. Zimmermann 2013, 22–3).

Literatur und Internettipps:

 Brenifier, Oscar/Després, Jacques: Was, wenn es nur so aussieht, als wäre ich da? Stuttgart/Wien: Thienemann/ Gabriel 2012.

 Brenifier, Oscar/Després, Jacques: Was, wenn Gott einer, keiner oder viele ist? Stuttgart/Wien: Thienemann/ Gabriel 2013.

 Fischli, Peter/Weiss, David: Findet mich das Glück? Köln, Verlag Walther König, o. J.

 Neruda, Pablo: Buch der Fragen, in: Neruda, Pablo: Das lyrische Werk in 3 Bänden, München: Luchterhand 1986.

 Oberthür, Rainer: Ohne Fragen würde der Religionsunterricht nicht entstehen, in: Wermke, Michael (Hg.), Aus gutem Grund: Religionsunterricht, Göttingen 2002, 155–167.

 Oberthür, Rainer: So viele Fragen stellt das Leben. Ein Kalenderbuch für alle im Haus, München: Kösel 2010.

 Oberthür, Rainer: Es gibt eine Weisheit in den Fragen …, in: Zimmermann 2013, 27–34.

Konkrete Ideen für den Ru Ein belebender und zum Weiterfragen einladender Ausgangspunkt für eine schüler*innenfragenorientierte Didaktik aller Schultypen stellt Rainer Oberthürs Kalenderbuch „So viele Fragen stellt das Leben“ dar, für das der Religionspädagoge, der selber Fragen liebt, ein Jahr lang Fragen gesammelt hat. Es sind für jeden Tag aller Wochen im Jahr poetische und existenzielle Fragen, „Du-Fragen“ an das Leben, an Gott und die Welt, Weisheiten von Dichtern und Denkern, aus dem AT und NT sowie zwölf Geschichten zum Nachdenken und wöchentlich Fotos, die zum Weiterfragen und -denken motivieren (Oberthür 2010). Oft fällt es Kindern und Jugendlichen leichter, die in ihnen schlummernden Fragen zu stellen, wenn durch eine Einstiegsfrage die entsprechende Haltung gefördert wird.

Rainer Oberthür hat sein Projekt mit dem Nachdenken über die Frage „Was ist Weisheit?“ begonnen und dann mit Fragen und Antworten aus dem Kalenderbuch (Vorderseite: Fragen/Rückseite: Antworten, weitere Gedanken und Fragen) weitergearbeitet: Ein Beispiel für eine Einstiegsfrage: „Wie könnte die eine große Frage hinter allen Fragen heißen?“ Exemplarische Schüler*innenantworten dazu: „Die Frage nach dem Sinn.“ „Nach dem Sinn des Lebens.“ „Warum?“ „Die Frage nach Gott.“ … Dann wird der Text auf der Rückseite der Karte vorgelesen und ein kurzes Gespräch dazu geführt: „Vielleicht ist es das ‚fragloseste‘ Kennzeichen des Menschen: Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das Fragen stellt. Seitdem Menschen zur Welt kommen, ist die Entwicklung der Menschheit durch Fragen geprägt: Woher kommt die Welt? Warum sind wir auf der Erde? Wer sind wir? Was können wir wissen? Wie sollen wir leben? Was dürfen wir hoffen und glauben?“ (Oberthür 2013, 30).

durch diese Kurzskizze des Projektes wird noch ein zentraler Punkt der Orientierung an Fragen deutlich: Hier braucht es keine schulstufenspezifische Unterscheidung, denn es sind die Schüler*innen mit ihrem Denken und ihren Fragen, die jene Richtung bestimmen, in die sich der Unterrichtsprozess entwickelt. 

 Zimmermann, Mirjam (Hg.): Fragen im Religionsunterricht. Unterrichtsideen zu einer schülerfragenorientierten Didaktik, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2013. Fragen­Mix­Kalender.

97 methodenlabor reli+plus
09–10|2020
Foto: Monika Prettenthaler
Es gibt eine Weisheit in den Fragen, aber es gibt keine Weisheit ohne Fragen.
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Rainer Oberthür

ARBEIT MIT BIOGRAFIEN

Das Lernen mit und an Biografien hat im Religionsunterricht eine lange Tradition. Damit es für SchülerInnen einladend und lustvoll bleibt, fordert die Arbeit mit Biografien methodisch-didaktische Kreativität und lässt zugleich genug Resonanzraum, in dem die eigenen Erfahrungen mit den fremden Lebensgeschichten „zusammenklingen“ können.

„Lehren, beraten oder lernen ist immer ein Bemühen, biografisch aufgeschichtete Erfahrungen und Bildungsgestalten unter neuen Anforderungen zu transformieren und weiterzuentwickeln.“ (Wilhelm Mader zitiert nach Klingenberger 2003, 44) Dabei kann in der Arbeit mit Biografien folgende Unterscheidung getroffen werden (Kaupp 2016, 35–44):

 Autobiografisches Lernen – anhand der eigenen Lebensgeschichte – findet, auch im religiösen Bereich, meistens außerhalb geplanter Lernzusammenhänge statt.

 Biografieorientiertes Lernen stellt mit Intention einen Zusammenhang von spezifischen Themen und der eigenen Lebensgeschichte her.

 Im Lernen an Biografien stehen fremde Lebensgeschichten im Mittelpunkt, die zur Reflexion der eigenen Geschichte anregen: Fremde Biografien können darin als Orientierungshilfe verstanden werden. Beispiel dafür ist die Beschäftigung mit Heiligenbiografien. Hier erweist es sich jedoch als wenig konstruktiv, wenn Heilige in Lernprozessen als hochstilisierte Idealfiguren begegnen, weil dadurch der historische Kontext ihres Lebens und Glaubens ausgeblendet wird und daher auch Andockpunkte für heutige Lebenssituationen nur schwer erkennbar werden. Grundsätzlich kann die Beschäftigung mit den Biografien heiliger Menschen unter unterschiedlichen Perspektiven erfolgen: „Unter historischer Perspektive wird nach den Fakten gefragt oder nach der Bedeutung einer Person in ihrer Zeit. Diese Funktion kommt im RU häufig zu kurz, denn Nikolaus, Martin oder Elisabeth werden oft recht

zeit-enthoben vermittelt. Unter ethischer Perspektive wird das Handeln einer Person in den Blick genommen und aus dogmatischer Perspektive nach den Kriterien und Ausdrucksformen ihres Glaubens gefragt.“ (Kaupp 2016, 39)

Es bietet sich auch an, solche Biografien als Modell anzulegen, da sie als solches für SchülerInnen kritisierbar, ja sogar ablehnbar bleiben und es klar wird, dass sie nicht einfach zu kopieren sind. Angela Kaupp schlägt in diesem Zusammenhang den Begriff der Partitur als möglichen Zugang vor: „Eine Partitur zeichnet sich dadurch aus, dass sie eine verschriftlichte Form von Musik und deren Aufführungspraxis ist, aber nicht die Musik selbst. Erst durch die Stimme oder das Instrument des Interpreten geschieht sozusagen Musik. Die Aufführung ist trotz Partitur unterschiedlich – je nach kulturell und zeitgeschichtlich geprägten Aufführungsgepflogenheiten, dem gewählten Instrument und seiner Qualität und den individuell bedingten musikalischen Fähigkeiten.“ (Kaupp 2016, 39) Diese Sichtweise bringt auch den für die Auseinandersetzung mit Biografien notwendigen Blick auf Vielfalt und Diversität mit sich. Für das Lernen an und mit Biografien besonders bedeutsam ist dabei ein gendersensibles Vorgehen, damit unterschiedliche Frauen/Mädchen und Männer/Buben mit der fremden Biografie in Beziehung und „Kommunikation“ treten können.

Für den religionsdidaktischen Kontext formuliert Karolin Kuhn – wie in der Grafik ablesbar – vier zentrale Bereiche, die für jede Form subjektorientierten Lernens gelten:

Religionspädagogische Rahmenbedingungen

 Lernen in Freiheit und Eigenverantwortung

 Kommunikations- und Diskursorientierung

 persönliche Reflexion und existenzielle Auseinandersetzung

Religionspädagogische Prozessdynamik durch die Beschäftigung mit fremden Biografien

Zielbereiche eines Lernens an/ mit fremden Biografien

Identitätsentwicklung

Perspektivenübernahme und empathische Identifikation

Entwicklung der moralischen Urteilsfähigkeit

Diskursive Ausbildung ethischer Überzeugungen

98 methodenlabor reli+plus 11–12|2018
Grafik nach Mendl 2015, 83. W a s ? W i e ? W o z u ?
INTERAGIEREN und KOMMUNIZIEREN
dem Methodenlabor
Aus

die Arbeit mit Biografien fördert die „biografische Kompetenz“, die keine einmalig bzw. abschließend zu erwerbende Fähigkeit ist. Vielmehr ist sie im Leben immer wieder zu modifizieren und weiterzuentwickeln (vgl. Klingenberger 2003, 45).

Praktische Impulse

Ideen für das biografieorientierte Arbeiten mit Vorbildern, Idolen, HeldInnen, Heiligen, „Local Heroes“ … (vgl. Mendl 2015, 91):

1. Eine Person oder Personengruppe wird im (Detail-)Portrait vorgestellt.

2. Eine Person oder Personengruppe und ihr Verhalten stehen im Mittelpunkt der Auseinandersetzung.

3. Ein Lebensausschnitt und/oder spezifisches Verhalten der Person können einer ethisch bzw. religiös relevanten Kategorie zugeordnet werden (z. B. Werke der Barmherzigkeit, Evangelische Räte, Bergpredigt, Dekalog, Weltethos, Schöpfungsverantwortung, Nächstenliebe …).

4. Die Darstellung enthält lebens- und zeitgeschichtlich interessante Herausforderungen und Entscheidungssituationen, denen sich die Person stellen muss/te.

5. Die Person wird nicht überhöht bzw. geglättet dargestellt.

Konkrete Biografien finden sich in den Religionsbüchern – eine Zusammenstellung der Portraits in den Grazer Reihen für die Primar- und Sekundarstufe I und II findet sich auf www.reliplus. at

Beispiele

 Lernen an biblischen Gestalten Wer erreichen will, dass LeserInnen angerührt werden, muss Geschichten erzählen, die mit den eigenen Erzählungen der LeserInnen ins Gespräch kommen (vgl. Franz W. Niehl, zit. nach Mendl 2015, 151). Daher hält biblisches Lernen in diesem Sinn Resonanzräume für eigene Erfahrungen und Bedürfnisse offen, indem die Menschlichkeit und Fragwürdigkeit der biblischen Gestalten erkennbar bleibt. In einem solchen Lernprozess könnte folgender Text von Theresia Glück (auszugsweise zitiert nach Mendl 2015, 170–171) von SchülerInnen weitergeschrieben werden:

– mit ADAM UND EVA vom Paradies träumen

– mit AMOS Missstände beim Namen nennen

– mit MIRJAM der Freiheit eine Stimme geben

– mit dem Zöllner ZACHÄUS wieder neu anfangen können

– mit MARIA VON MAGDALA mutige Wege gehen

– mit THOMAS zweifeln

– mit PHÖBE als Diakonin kirchliche Verantwortung übernehmen

Quellen und Literaturtipps

 Kaupp, Angela: Biografieorientierung in religiösen Lehr- und Aneignungsprozessen, in: RpB 74 (2016) 35–44.

 Klingenberger, Hubert: Biografiearbeit in Schule und Jugendarbeit, München: Don Bosco 2015.

 Klingenberger, Hubert: Lebensmutig. Vergangenes erinnern, Gegenwärtiges entdecken, Künftiges entwerfen, München: Don Bosco 2003.

 Mendl, Hans: Helden auf Augenhöhe. Didaktische Anregungen zur Ausstellung und zur Datenbank „Local Heroes“, Winzer 2017.

 Mendl, Hans: Modelle – Vorbilder – Leitfiguren. Lernen an außergewöhnlichen Biografien, Stuttgart: Kohlhammer 2015.

 Miethe, Ingrid: Biografiearbeit. Lehr- und Handbuch für Studium und Praxis, Weinheim, Basel: Beltz 2017.

 „Local heroes“-Projekt

Dieses Projekt (vgl. Mendl 2017), das seit 15 Jahren an der Universität Passau läuft, stellt „HeldInnen des Alltags“ vor, die auf irgendeine Weise herausragend sind.

Wie in diesem Projekt, das gut dokumentiert ist und eine eigene „Local Heroes“-Datenbank (www. uni-passau.de/local-heroes) zur Verfügung stellt, können SchülerInnen entsprechende Personen aus ihrer Umgebung bzw. dem Umfeld ihrer Schule als „Heilige des Alltag“ bzw. „Local Heroes“ portraitieren und auf diese Weise an „außergewöhnlichen Biografien“ lernen. 

Vor seinem Ende sprach Rabbi Sussja: In der kommenden Welt wird man mich nicht fragen: Warum bist du nicht Mose gewesen? Man wird mich fragen: Warum bist du nicht Sussja gewesen?

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INTERAGIEREN und KOMMUNIZIEREN
Anastasia, Akkordeonspielerin, trifft in einem Konzert ein Vorbild. Fotos: Anastasia Gradischnig

Meine Mama ist ein Hit,

... weil sie für mich ganz viel macht – auch für meine Geschwister, eigentlich für alle.

... weil sie voll leckere Dinge kocht

... weil sie ein gutes Herz hat

... weil sie romantisch vorlesen kann

... weil sie mir meine Hobbys ermöglicht

... weil sie, obwohl sie eine Krankheit hat, mit mir im Wald herumspringt

... weil ich ihr meinen Kummer erzählen kann

... weil ich ihr meine Geheimnisse anvertrauen kann

 Namenstagskalender

die Idee, einen Geburtstagskalender in Klassenräumen sichtbar zu machen, ist ein relativ gängiges Gestaltungselement in Schulen. Dieser könnte ergänzt werden durch einen Namenstagskalender, der einerseits Bezug zum Namen und der Namensgebung in religiösen Traditionen nimmt und andererseits auch Namen von Menschen ins Spiel bringt, die auf irgendeine Art und Weise beeindrucken – diese Frauen, Männer und Kinder werden im Laufe eines Schuljahres mit ihrer jeweiligen Besonderheit, Liebenswürdigkeit, Genialität, Großherzigkeit, … vorgestellt.

Mein Vorname/meine Vornamen:

An dieser Stelle können religiöse Feste der Religionen und Übergangsrituale rund um Geburt und Namensgebung vorgestellt, Fotos ausgetauscht und der eigene Name mit Kreativideen gestaltet werden.

So rufen mich Menschen noch – meine Spitznamen/ Kosenamen …:

So bin ich zu meinem Namen gekommen:

Das schaue ich mir bei meinem Papa

fürs Leben ab:

Er macht voll gerne Sport

Seine Kochkünste beim

Seine Musikalität

Seine Power

Seine Zärtlichkeit

Bananen-Pancake-Machen

Als Recherchearbeit für SchülerInnen kann angeregt werden, Erwachsene im familären Umfeld zu befragen, wie es zur Namensentscheidung kam.

Das bedeutet mein Name:

Die Lernenden können angeregt werden, in unterschiedlichen Printmedien und mit Hilfe des Internets Namensbedeutungen zu erschließen:

www.heiligenlexikon.de

www.vornamen.com

www.beliebte-vornamen.de

An dieser Stelle können Lernanlässe rund um den Namenstag und zu Heiligenfesten aufgegriffen werden.

Das Land/die Sprache/das religiöse Umfeld, aus dem mein Name kommt:

Diese Menschen teilen/teilten meinen Namen mit mir – eine Besonderheit dieses Menschen:

Mögliche Leitfragen:

Wer hat vor dir deinen Namen getragen, der oder die heute für dein Leben noch eine Rolle spielt?

Z. B. „Meine Oma – eine kluge Frau“, „Hl. Anastasia – hörte Seelennöte.“

Ein Star/Idol

… ist ein Mensch, der auch wenn er/sie super ist, nicht angibt

... etwas sehr, sehr gut kann

... guten Geschmack hat

... der Liebe hergibt

Wer teilt mit dir jetzt deinen Namen?

Z. B. „Eine Sängerin – Anastacia – ist sehr mutig, traut sich viel.“ 

100 methodenlabor reli+plus 11–12|2018
INTERAGIEREN und KOMMUNIZIEREN
101 methodenlabor reli+plus 11–12|2018 reli+plus Vorlage INTERAGIEREN und KOMMUNIZIEREN

VERSTEHEN, WIE ANdERE dENKEN

Religionslehrer*innen wissen: Zu verstehen, was andere gerade denken (Kommunikation) oder gedacht haben (Texte), kann für Schüler*innen herausfordernd sein. Das Verstehen-Können ist eine zentrale Fähigkeit von Menschen, die eng mit dem (Verstehen-)Wollen verbunden ist. Entsprechende Methoden können dabei unterstützen.

Monika Prettenthaler erschließenden bzw. erarbeitenden Informationen in ihren wesentlichen Grundzügen erfassen, wiederholen und wiedergeben zu können, diese Informationen auch zu anderen Zeitpunkten miteinander verknüpfen und aufeinander beziehen zu können (= Rekonstruktion) und sie auch selbstständig strukturieren sowie in einen neuen/oder anderen Zusammenhang einordnen zu können (vgl. Ziener/Kessler 2012, 29):

Manchmal lohnt es sich vor dem Weiterdenken, wieder einmal Basics in den Blick zu nehmen: In jeder Stundenvorbereitung überlegen und formulieren Religionslehrer*innen, was ihre Schüler*innen nach der Stunde oder einer Unterrichtsreihe wissen, verstehen und können sollen. Um die Schüler*innen bei der Weiterentwicklung oder dem Erwerb dieser Kompetenzen zu unterstützen, gestalten die Lehrer*innen den Unterricht mit entsprechenden Methoden und Sozialformen. Dabei ist ihnen bewusst: „Keine Methode führt vom Nichtwissen zum Wissen, sondern: ermöglicht Schritte des Wissenserwerbs; keine Methode führt von der Sprachunfähigkeit zur kommunikativen Kompetenz, sondern: bietet Hilfestellungen für Schritte des Spracherwerbs oder der Vertiefung von Sprachfähigkeit; keine Methode führt von der Handlungsunfähigkeit zur Kunstfertigkeit, sondern: Methoden helfen, Handlungsfähigkeit aufzubauen, zu entwickeln oder einzuüben, dasselbe gilt für Einstellungen, Haltungen und Reflexionsfähigkeit. Methoden sind vor allem in diesem Sinne in aller Regel Umwege zum Kompetenzerwerb“ (Ziener/Kessler 2012, 25–26).

Wissen und Verstehen werden grundsätzlich dem kognitiven Bereich zugeordnet; das Verstehen-Können kann aber auch sprachlich-kommunikativ verstanden werden und ist so gesehen Interaktion. Dieses Methodenlabor lädt zum Experimentieren und Ausprobieren von Arbeitsweisen ein, die aus beiden Bereichen kommen und darüber hinausgehen, wie am Beispiel des „Gedankenexperiments“ gezeigt wird.

Methoden und Beispiele für die Praxis:

Texte verstehen

Zuerst geht es um Methoden, die das Wissen und Verstehen dahingehend fördern, als sie den Schüler*innen helfen, die im Unterricht zu

 Leselotsen

Der Leselotse unterstützt besonders jüngere Schüler*innen beim Erwerb von Lesestrategien. Eine klare Schrittfolge „lotst“ sie durch den Text, lenkt den Blick auf Verstehensprozesse und fordert zum Reflektieren der Einzelschritte auf. Auf der Website wurden Lesestrategien in einem Set zusammengestellt – es lohnt sich, diese durchzuschauen und einige auszuwählen und im Religionsunterricht regelmäßig einzusetzen bzw. mit ihnen zu arbeiten: bildungsserver.berlin-brandenburg.de/leselotse

 drei-Schritte-Lesemethode

Das Verstehen bzw. Erschließen von Texten beginnt mit dem Lesen. „Das Lesen beginnt mit der Wahrnehmung des Textes, seiner Gattung, seiner Struktur und seines Inhaltes, und zielt auf die sachgerechte Sinnentnahme bzw. die Entnahme von Inhalten, Botschaften und Stimmungen, also seiner Aussageabsicht im weitesten Sinne“ (Ziener/Kessler 2012, 78).

– Der erste Schritt: Was?

Sammeln von ersten Eindrücken und Erwartungen – dem Text begegnen.

Fragen beim Lesen:

– Wovon handelt der Text?

– Welche Erwartungen werden geweckt, welche Fragen entstehen, was ist schon bekannt?

– Um welche Textsorte handelt es sich?

Finden sich im Text (Sprach-)Bilder, Überschrift, Zwischenüberschriften, Absätze, eine Einleitung, … eine Schlusssequenz/ein Schlusssatz?

Wie?

Im überfliegenden Lesen werden Überschriften und zentrale Begriffe (Signalwörter) unterstrichen oder hervorgehoben; abhängig vom Text und seiner Form können auch Stichwörter herausgeschrieben werden.

102 methodenlabor reli+plus
11–12|2020 INTERAGIEREN und KOMMUNIZIEREN Aus dem Methodenlabor
Jetzt verstehe ich! Foto: istock

Ziel:

Die Schüler*innen können das Thema aus dem Text herauslesen, sie können beschreiben, um welchen Text es sich handelt und benennen, was sie bereits über dieses Thema wissen sowie Fragen zum Thema formulieren.

– Der zweite Schritt:

Was?

Lesen und verstehen – den Text rekonstruieren.

Fragen zum Verstehen:

– Wie ist das Thema formuliert (These, Frage, Zitat …)?

– Welche Schlüsselbegriffe finden sich?

Gibt es unbekannte Begriffe, Argumente, Beispiele, Aufzählungen, Begründungen, Schlussfolgerungen?

– Ist es möglich, Gedanken aus dem Text wiederzugeben?

Wie?

Markierungen im Text – auch mit sinnvollen Zeichen (Pfeil …), Ziffern am Rand oder auf einem Notizblatt; Sammeln von Fragen, die der Text nahelegt – der Text wird in seine Bestandteile zerlegt.

Ziel:

Die Schüler*innen können zeigen, wie der Text aufgebaut ist; sie können Auskunft geben, zu welchen Fragen Antworten gegeben werden, und sie können selbst Fragen aus dem Text formulieren sowie insgesamt zeigen, wie der Text „funktioniert“.

– Der dritte Schritt:

Was?

Zusammenfassen – den Text neu konstruieren Fragen dazu:

– Was sagt der Text aus? Was sagt er mir?

– Welche (neuen) Informationen sind enthalten?

– Wie kann der Inhalt in eigenen Worten formuliert werden?

– Mit welchen sprachlichen Mitteln arbeitet der Text?

– Wo ist er überzeugend? Welche Rolle spielen dabei Beispiele, Argumente, Begründungen? Lassen sich einzelne Argumente in eigenen Worten zusammenfassen?

Wie?

Herausschreiben von zentralen und strukturierenden Textelementen (Begriffe, Satzteile, Aufzählungen, Ausgangspunkt, Thesen, Beispiele, … Schlussfolgerungen) – der Text wird wieder (und in eigenen Worten) zusammengebaut.

Ziel:

Die Schüler*innen können den Text lesen, verstehen und ihr eigenes Verständnis des Textes in Worte fassen; sie können ihn zusammenfassen sowie den Inhalt inklusive der leitenden Gedanken formulieren.

Zusammengefasst …Andere verstehen

Foto: istock.com

Nun werden Methoden vorgestellt, in denen das Einander-verstehen-Können im Mittelpunkt steht. Schüler*innen werden darin unterstützt, Inhalte (Beobachtungen, Gefühle, Einsichten, Erkenntnisse …) sachbezogen und situationsgerecht zu formulieren sowie eigene sprachliche Äußerungen in einen (manchmal auch schriftlichen) Dialog mit anderen zu bringen, zu reagieren, andere (fremde) Sprechakte wahrzunehmen und zu reflektieren. Besonders hier ist nun auch eine Fähigkeit (heraus-)gefordert, die eine andere Dimension des Einander-Verstehens betrifft: Toleranz, Respekt und Achtung als wichtige Haltungen, die vor allem dann gefragt sind, wenn sich die Sichtweisen anderer nicht einfach erschließen bzw. wenn es schwerfällt, zu verstehen oder ein Verständnis gar nicht möglich ist. Damit soll keineswegs eine allgemeine „Gleichgültigkeit“ aller Sichtweisen angeregt werden, sondern vielmehr der Versuch, unterschiedliche Positionen oder Widersprüche respektvoll miteinander in Dialog und Beziehung bringen zu können.

Placemat

Dabei handelt es sich um ein Verfahren, bei dem – unter Nutzung einer grafischen Struktur – kooperative Arbeitsabläufe strukturiert und Gedanken bzw. Ergebnisse verschiedener Personen zusammengeführt werden. Damit liefert die Placemat-Methode die Möglichkeit, sowohl individuelle Arbeitsergebnisse als auch Ergebnisse aus Gruppenarbeitsprozessen festzuhalten.

das eigenständige Erschließen von Wissen aus schriftlichen Quellen gehört zu den maßgeblichen Kompetenzen, die Lernende während ihrer Schulzeit erwerben.

Gerhard Ziener/Mathias Kessler

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A 11–12|2020

Für ein Placemat wird ein Bogen Papier entsprechend der Anzahl der Diskutierenden in gleich große Teile geteilt. In der Mitte des Papiers wird Platz gelassen für die abschließend konsensuell ermittelte Antwort der gesamten Gruppe auf die eingangs gestellte Frage, Aufgabe oder These.

Der Ablauf der Methode lässt sich in drei Phasen gliedern:

 Einzelarbeit

Pro Feld nimmt je eine Person Platz und schreibt in einer vorgegebenen Zeit ihre Gedanken und Ergebnisse zu einer vorgegebenen Fragestellung auf. Es können jedoch auch Fragen, Unklarheiten, Widersprüche oder Querverweise festgehalten werden.

 Gruppenarbeit

Anschließend tauschen die Schüler*innen ihre individuellen Notizen mit den anderen Gruppenmitgliedern aus. Dazu wird das Blatt im Uhrzeigersinn gedreht und die Schüler*innen lesen, kommentieren, ergänzen und erweitern die bereits festgehaltenen Ausführungen in einer vorgegebenen Zeit. Das wird so oft wiederholt, bis jede Person ihr ursprüngliches Feld wieder vor sich hat. Nachdem alle sämtliche Eintragungen und Notizen gelesen haben, einigen sie sich auf beispielsweise zwei bis drei zentrale Antworten und Aussagen auf die gestellte Frage, Aufgabe oder These. Diese finden in der Mitte des Placemats Platz.

 Plenum

Nun werden die Ergebnisse aus den Kleingruppen dem gesamten Klassenverband präsentiert. Als Hilfestellung dient hierzu das Feld aus der Mitte des Placemats auf dem zuvor in der Gruppenarbeitsphase die zentralen Ergebnisse der Diskussion festgehalten wurden. Im Idealfall ist dieses Feld leicht vom Placemat zu entfernen (z.B. in Form eines A5-großen Post-it). Das gibt den Schüler*nnen die Möglichkeit, ihre Ergebnisse mit denen der anderen Kleingruppen beispielsweise an der Tafel zu vergleichen und in der Klasse damit weiterzuarbeiten.

Beispiel eines Placemats für eine 4er-Gruppe:

Think-Pair-Share

Manchmal gelingen Gespräche und Verstehensprozesse untereinander besser, wenn sich die Gesprächspartner*innen vorher Gedanken über das Thema gemacht haben. Deshalb kann es sinnvoll sein, das Nach- und Durchdenken eines Themas, einer Fragestellung in drei Phasen anzulegen:

 Think

Zunächst wird ein Text, eine Fragestellung, ein Problem, ein Bild allein bearbeitet. Dazu werden Notizen gemacht.

 Pair

Dann wählen die Schüler*innen eine/n Partner*in oder einfach den/die Sitznachbar*in und sprechen miteinander über die Sichtweisen. Jede/r ergänzt die eigene Perspektive, oder das Zweierteam formuliert ein gemeinsames Ergebnis. Bei Bedarf können sich im Anschluss zwei Tandems zusammentun und sich austauschen.

 Share

Die Ergebnisse werden schließlich in der Gesamtgruppe bzw. Klasse vorgestellt und diskutiert. Es kann auch interessant sein, wenn verschiedene, aufeinander bezogene Aufgaben in dieser Weise besprochen werden. In den Zweierteams werden die unterschiedlichen Themen dann aufeinander bezogen.

Aus einer anderen Perspektive denken

Das eigene Denken, die persönliche Meinung ist immer von Vorerfahrungen, Einstellungen und Gefühlen bestimmt. Das lässt uns Sachverhalte, Fragen, Probleme, Konflikte, Menschen unterschiedlich bewerten oder anders ausgedrückt: in unterschiedlichem Licht sehen. Die hier vorgestellte „Brillen-Methode“ fordert dazu auf, einen Inhalt bewusst aus unterschiedlichen Gefühlslagen und Denkrichtungen wahrzunehmen und diese Sichtweisen miteinander zu vergleichen. Folgende Brillen stehen zur Verfügung:

 Schwarze Brille

Schwarz ist die Farbe der Dunkelheit, der Trauer. Durch diese Brille sieht man vor allem das Negative einer Sache, das, was riskant, fragwürdig, problematisch, gefährlich oder widersprüchlich ist.

 Gelbe Brille

Gelb gilt als Farbe des Lichtes, der Sonne und der Wärme. Durch diese Brille sieht man vor allem das Positive und alles, was lebensfreundlich ist oder Vorteile bringt.

 Rote Brille

Rot ist die Farbe des Lebens, des Blutes, des Feuers und der Liebe. Durch diese Brille wird vor allem das erkennbar, was mit Gefühlen, mit Freude, mit Hoffnung, aber auch mit Ärger, Angst … zu tun hat.

 Grüne Brille

Grün ist die Farbe der Natur, des Wachstums und kann auch als Farbe der Veränderung verstanden werden. Mit dieser Brille sieht man das, was neu, originell und ungewohnt ist.

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Schreibfläche Person 2 Schreibfläche Person 3 Gruppenergebnis 11–12|2020 INTERAGIEREN und KOMMUNIZIEREN

 Blaue Brille

Blau gilt als die Farbe des Himmels, der Ferne und der Unendlichkeit. Durch diese Brille kann alles gesehen werden, was Ruhe bringt, Überblick gibt, Ausgleich verschafft und Vertrauen entstehen lässt.

 Weiße Brille

Weiß kann als Farbe der Neutralität und der Klarheit verstanden werden. Durch diese Brille sieht man Fakten und objektive Informationen. Gemeinsam können auch noch weitere Möglichkeiten zum Perspektivenwechsel erarbeitet und festgelegt werden, wie sich ein Problem z. B. durch eine rosa, eine violette … Brille darstellen könnte.

Im RU experimentiert und variiert könnte mit dieser Methode z. B. zum Thema Advent & Weihnachten werden, indem Fest(kreis), Brauchtum, theologischer Inhalt … multiperspektivisch betrachtet und durchdacht werden:

Was sehen Menschen, wenn sie durch folgende Brillen auf Advent/Weihnachten schauen:

Christliche Brille

– Traditionelle Brille

– Kommerzielle Brille

– Schulische Brille

Touristische Brille

– Kunstgeschichtliche Brille

Nachdem die Schüler*innen (einzeln oder in der Gruppe) die gewählte (oder zugeloste) Perspektive beschrieben haben, werden die unterschiedlichen Sichtweisen zusammengestellt und verglichen. Abschließend kann noch eine Reflexionsphase auf der Metaebene angeregt werden: Chancen und Herausforderungen einer Zusam-

menschau dieser Sichtweisen? darüber-hinaus-denken

Das dritte Methodenfeld möchte anregen, über das Bisherige hinauszugehen, und ist ein Versuch, ganz anders zu denken:

Gedankenexperiment

Gedankenexperimente sind Ausflüge der Phantasie und des Verstandes in mögliche Welten, um sich über etwas klar zu werden, sich etwas bewusst zu machen, zu neuen Erkenntnissen zu kommen oder um zu üben, sich in die Lage, Denk- und Lebenswelt einer anderen Person versetzen zu können. Darum spielen die Gedankenexperimente in Religion und Philosophie eine ähnliche Rolle wie Experimente in den Naturwissenschaften. Man spielt in Gedanken eine Vorstellung oder Annahme durch und testet dabei, ob sie zutrifft oder nicht und welche Folgen sie haben würde.

1. Die Basis von Gedankenexperimenten besteht immer aus einer oder mehreren Annahmen, die real, fiktiv oder völlig irreal sein können.

2. Dann folgt eine Frage, die sich auf die Annahme bezieht.

3. Das eigentliche Experiment besteht aus den daraus folgenden Überlegungen, die zur Beantwortung dieser Frage führen. Wichtig ist, dass die Antwort ausführlich begründet wird. Ausgangspunkt können z. B. Geschichten (vgl. z. B. Bertram 2018) oder auch offene Impulse sein.

Mögliche Einstiegsimpulse:

 Was wäre, wenn …

 Stell dir vor … Zwei Beispiele aus dem #relichat des Comenius-Instituts (www. relichat.org):

 Stellt euch vor: Ihr seid die ersten Christ*innen und wollt eure Botschaft möglichst unverfälscht und möglichst vielen Menschen weitergeben. Wie geht ihr vor? Möglichkeiten? Schwierigkeiten?

 Stell dir vor: Du wirst Sonderberater*in der Kirche und bekommst weitgehende Vollmachten zu einem der drei folgenden Themen: 1: Finanzen, 2: Jugend oder 3: Eine Welt. Entscheide dich und teile den anderen mit, was du unternimmst und warum! 

Literatur und Internettipps:

 Bertram Georg W. (Hg.): Philosophische Gedankenexperimente. Ein Lese- und Studienbuch, Stuttgart: Reclam 2018 (3. Auflage).

 Mattes, Wolfgang: Methoden für den Unterricht. Kompakte Übersichten für Lehrende und Lernende. Paderborn: Schöningh 2011 (Neuauflage).

 Ziener, Gerhard / Kessler, Mathias: Kompetenzorientiert unterrichten – mit Methode. Methoden entdecken, verändern, erfinden, Seelze: Klett & Kallmeyer 2012.

 bildungsserver.berlinbrandenburg.de/leselotse

 methodenkartei.uni-oldenburg.de/uni_methode/

 methodenpool.uni-koeln.de/

 relichat.org/2019/11/25/65-relichat-gedankenexperimente/

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Perspektiven, Sven Weber Foto: Monika Prettenthaler
11–12|2020 INTERAGIEREN und KOMMUNIZIEREN
Durch die Brille gesehen … Foto: istock.com

INTERKuLTuRELLES, INTERRELIGIÖSES LERNEN ALS CHANCE

Interkulturelles Lernen hat seinen Schwerpunkt im Bereich des sozio-kulturellen Lernens und vermittelt adäquate Zugänge des Sich-Begegnens. Bezogen auf den Religionsunterricht bedeutet dies, dass für junge Menschen im Näherbringen anderer Religionen und/oder fremder Kulturen durch die eigene persönliche Auseinandersetzung mit dieser Thematik ein universelles Verständnis von Zusammenhängen gefördert werden soll.

Susanne Krachler

Aus dem Methodenlabor

die historische Ausgangssituation und aktuelle Lage machen deutlich, dass sich die religiöse Situation in Österreich entscheidend verändert hat: Der konfessionell-katholische Religionsunterricht ist in einer multireligiösen Wirklichkeit angekommen. Multireligiosität im Sinne von Heterogenität spiegelt sich in den meisten Schulklassen wider (vgl. Heidegger 2017, 147f). Sich mit Respekt auf Augenhöhe zu begegnen ist der Ausgangspunkt von interreligiöser Religionspädagogik und Religionsdidaktik, dies spiegelt sich in einer offenen Haltung, im Einander- Zuhören und in einem AufeinanderZugehen wider. Nur in einer empathischen Begegnung mit sich selbst und mit anderen ist ein Sich-Betreffen-Lassen durch den Anderen möglich (vgl. Kraml u. a. 2017, 142).

Um SchülerInnen für den genannten Bereich zu sensibilisieren, bedarf es einer „Herzensbildung“ Dies heißt, dass unser Denken und Handeln kritisch hinterfragt werden sollten; wie ein Unterrichtsprinzip soll diese „Herzensbildung“ begleitend die alltäglichen Prozesse kommentieren. In Bezug auf unsere Mitmenschen bedeutet es unter anderem: Was heißt es, mich empathisch in den anderen einzufühlen, ihn bzw. sie zu verstehen? Was „tun“ meine Äußerungen und Handlungen mei-

nem Gegenüber? Inwieweit bin ich bereit, den anderen „wahrzunehmen“, ihn bzw. sie zu sehen, auf ihn oder sie zuzugehen bzw. mit ihm und ihr ein Stück des Weges gemeinsam „zu gehen“? Diese fokussierte Selbstreflexion zieht eine Haltungs- und Verhaltensänderung nach sich. Hier liegt die Aufgabe des Pädagogen/der Pädagogin: Sensibel im Umgang mit religiösen und kulturellen Themen zu sein und diese bewusst zum schulischen Thema zu machen. Insofern hat der Religionsunterricht hier auch eine wichtige Stellung im Bereich der Wertevermittlung bzw. im Bereich der personalen Bildung von Kindern und Jugendlichen.

Im vorliegenden Beitrag werden nun verschiedene Methoden interreligiösen bzw. interkulturellen Lernens, ausgehend von der Fragestellung des Themas bis hin zur Vertiefung und Festigung, dargestellt.

Themenbearbeitung: Gemeinsam auf dem Weg sein – neu ankommen

SchülerInnen sind Mitglieder einer Klasse, die sie in den meisten Fällen über mehrere Jahre gemeinsam teilen. SchülerInnen sind somit eine Gruppe und über einen längeren Zeitraum gemeinsam „auf dem Weg“. Dieser Weg hat ein Ziel, nämlich die Schule positiv abzuschließen und miteinander eine lehrreiche und wohl auch emotional schöne Zeit zu verbringen. Diesen Weg kann man unterschiedlich be-gehen: alleine, im Streit, in Achtlosigkeit für den anderen bzw. die andere … oder in Gemeinsamkeit, Achtsamkeit, durch gegenseitige Hilfestellungen. Diesen Überlegungen kann mit einer Klasse, die sich als Gruppe erst neu definieren muss, nachgegangen werden.

Die SchülerInnen gestalten am Beginn des Schuljahres ihre eigenen, individuellen Heftumschläge für den Religionsunterricht zu diesem Thema. Dabei können folgende Fragen bearbeitet werden:

Mit wem bin ich gemeinsam auf dem Weg? Wer sind meine KlassenkollegInnen? Wer kommt aus welchem Land? Wer hat welchen kulturellen/religiösen Hintergrund? Wen kenne ich schon besser? Wer ist mir nahe? Wer ist mir noch fremd?

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Hefteinband 8. Schulstufe: „Gemeinsam auf dem Weg“. Foto: Susanne Krachler

Themenbearbeitung: Stille diskussion

Die SchülerInnen sitzen schweigend um ein großes Plakat. In der Mitte des Plakates steht der Satz „Was verbinde ich mit dem Wort ,gehen‘?“ Ein Plakatschreiberstift liegt griffbereit daneben. Nach einer kurzen Denkpause greifen die SchülerInnen einzeln zum Stift und notieren einen spontanen Einfall zum Impuls. Nun können einzelne SchülerInnen dazu Stellung nehmen: durch Hinzufügen eines Gegenargumentes, einer Gegenfrage, durch Unterstreichung, Setzen von Fragezeichen/Rufzeichen, Einzeichnen von Querverbindungen. Erst, wenn alle SchülerInnen die Möglichkeit hatten, sich an der „stillen Diskussion“ zu beteiligen, und wenn keine weiteren Ergänzungen mehr geschrieben werden, erfolgt eine Auswertung im gemeinsamen Gespräch.

Mögliche Diskussionsimpulse durch die Lehrperson: Gehen hat viele Bedeutungen, gehen heißt auch sich entwickeln. In welchen Situationen ist ein klares Gehen wichtig? Was macht beim Gehen frei?

Warum ist die Frage des Gehens so wichtig? Worin werden wir beim Gehen manchmal behindert?

Warum ist Gehen manchmal sehr schwierig? Wann müssen wir neue Wege beschreiten? Wann müssen wir flüchten? Wann ist ein Weg schwer? Wann muss man die Richtung des Weges ändern? Wie war mein bisheriger Lebensweg?

Wichtig: Die „stille Diskussion“ erfordert sehr viel Disziplin, da immer nur ein Schüler/eine Schülerin schreiben kann und dabei nicht gesprochen werden darf! Während des anschließenden LehrerInnen-SchülerInnen-Gespräches ist es wichtig, dass jeder Schüler und jede Schülerin gehört wird und in seiner bzw. ihrer Aussage Gehör findet.

 Variationsmöglichkeiten: Alle SchülerInnen sitzen im Kreis. Jede/r Schüler/in hat einen Zettel und schreibt darauf, was ihm/ihr zum Impuls zum vorgegebenen Thema wichtig erscheint. Die Zettel werden an die jeweiligen Sitznachbarn weitergereicht. Diese/r notiert dazu, was ihr/ihm zum Wort oder zum Satz am Zettel wichtig ist. Wieder wird der Zettel weitergereicht, dies erfolgt so lange, bis jedes Gruppenmitglied wieder den eigenen Zettel in den Händen hält. Im Anschluss daran findet vorerst ein selbstständiges Lesen der Gedankenimpulse durch die Mitschüler/ innen statt. Auf freiwilliger Basis stellen SchülerInnen die von ihnen und ihren KlassenkollegInnen genannten Beiträge vor und werden durch Lehrer-Schüler-Gespräche vertieft.

Vier-Ecken-Methode

Vier unterschiedliche Biografien (Bilder und ausführlicher Text) aus dem regionalen Umfeld der SchülerInnen von jüdischen Menschen im Zweiten Weltkrieg werden an die vier Ecken des Klassenraumes geheftet (es können auch Biografien von Menschen herangezogen werden, die aus einem anderen Land fliehen mussten). Die SchülerInnen lesen sich zunächst in Ruhe die einzelnen Texte durch und betrachten die Bilder. Anschließend entscheidet sich jede Schülerin/ jeder Schüler für die Biografie, die ihn/sie am meisten berührt und/oder interessiert. Alle SchülerInnen, die sich derselben Ecke, also derselben Biografie, zugeordnet haben, tauschen sich nun über die Gründe ihrer Entscheidung ausführlich aus. Die Gründe werden schriftlich auf einem Pla-

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Hefteinband 5. Schulstufe: „Gemeinsam auf dem Weg“.
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Foto: Susanne Krachler

kat festgehalten. Im Anschluss daran präsentiert jede Gruppe im Plenum ihre Ergebnisse und stellt erweiterte Fragen zum Thema. Bis dahin ungeklärte Fragen werden erläutert und bearbeitet: Welche Wege sind diese Menschen gegangen? Welche Wege mussten sie unfreiwillig gehen? Wie war so ein schwieriger Weg überhaupt gehbar? Welche Ängste/ Gefühle/Unsicherheiten waren Teil des Weges?

Briefe schreiben

Die SchülerInnen versuchen, sich in die Problemsituation der betroffenen Menschen hineinzuversetzen (dies kann sich auf Holocaust-Opfer, aber auch auf Biografien von Menschen mit aktuellem Fluchthintergrund beziehen). Sie schreiben der betroffenen Person einen fiktiven Brief. Wenn die Briefe geschrieben sind, kann in Kleingruppen weitergearbeitet werden. Die Inhalte der Briefe werden ausgetauscht und diskutiert. Es bietet sich im Anschluss daran auch die Möglichkeit an, einen gemeinsamen Brief zu entwerfen, um den Gefühlen der SchülerInnen Ausdruck zu geben.

Einsatz von Filmen

Kurzfilme und Dokumentarfilme stellen eine sinnvolle Ergänzung zum LehrerInnenvortrag dar. Sie ermöglichen eine anschauliche Begegnung problemorientierter oder biografisch ausgerichteter Unterrichtseinheiten, dies kann große Betroffenheit auslösen, die SchülerInnen lassen sich dadurch oft zusätzlich sehr berühren (vgl. Egger/Schwaller 2017, S. 85).

Ein Interview einer jüdischen Frau (deren Biografie im Vorfeld ausführlich bearbeitet wurde), die

Kompetenzen, die durch die Arbeit mit den vorgestellten Anregungen gefördert werden: Die Lernenden …

 können miteinander in einen Dialog treten, indem sie einander zuhören, eigene Gedanken zum Thema „Gehen“ einbringen, sich in ihren Beiträgen aufeinander beziehen und respektvoll mit den Überzeugungen der anderen umgehen.

 können sich in einer persönlichen Auseinandersetzung auf biografische Fallbeispiele einlassen.

 können sich in die Lage von betroffenen Personen einfühlen und bringen dies im Schreiben eines Briefes zum Ausdruck.

 machen sich bewusst, welche fatalen Folgen Rechtsextremismus, Fremdenhass und Antisemitismus mit sich bringen.

 bringen ihre Eindrücke, Erkenntnisse und Überzeugungen durch das Erstellen einer Collage auf kreative Weise zum Ausdruck.

den Holocaust überlebt hat, ihre Lebensgeschichte erzählt und einen eindringlichen Appell an die Jugendlichen richtet, wird gezeigt (siehe Literaturliste).

Die SchülerInnen haben während des Ansehens der Dokumentation die Aufgabe, die für sie wesentlichen Aussagen der Protagonistin aufzuschreiben. Im Anschluss daran formulieren die SchülerInnen schriftlich ihre Gedanken zum Interview. Folgende Leitfragen können bei der individuellen Auseinandersetzung mit dem Thema hilfreich sein:

Schreib alles auf, was dir von der Erzählung der Zeitzeugin in Erinnerung geblieben ist.

– Welcher Teil der Erzählung hat einen besonderen Eindruck bei dir hinterlassen?

Welche Gedanken gingen dir beim Ansehen des Interviews durch den Kopf?

– Welche Gefühle sind entstanden?

unterrichtsgang/Lehrausgang/Exkursion zu einem außerschulischen Lernort

Im Zuge des Unterrichts werden im Rahmen eines Lehrausganges der jüdische Friedhof, die ehemalige Synagoge und die ehemaligen Wohnhäuser deportierter und ermordeter Jüdinnen und Juden in der regionalen Umwelt der SchülerInnen besucht. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Stolpersteine vor den jeweiligen Gebäuden hingewiesen und die jeweilige Biografie der betroffenen Personen erzählt. Dieser Lehrausgang sollte ein „bewusstes Gehen“ auf den Spuren verfolgter und ermordeter Menschen im Zweiten Weltkrieg sein. Die SchülerInnen sol-

Quellen und Literaturtipps

 Egger, Richard/Schwaller, Josef: Ethisches Lernen im Religionsunterricht, München: Deutscher Katecheten-Verein 2017.

 Esther Schuldmann – Interview mit Ben Segenreich [Dokumentation], abrufbar unter: https://vimeo. com/157405598

 Heidegger, Klaus: Religionsunterricht in multireligiöser Wirklichkeit, in: Bair, Johann/Rees, Wilhelm (Hg.): Religionsunterricht in der öffentlichen Schule im ökumenischen und interreligiösen Dialog, Innsbruck: innsbruck university press 2017.

 Hermann, Stefan/Ruppe Hartmut: Unterrichtsideen Religion NEU. Arbeitshilfen für den Religionsunterricht in Hauptschule, Realschule und Gymnasium, Stuttgart: Calwer 2013.

 Kraml, Martina/Sejdini, Zekirija: Mensch werden. Grundlage einer interreligiösen Religionspädagogik und -didaktik aus muslimisch-christlicher Perspektive, Stuttgart: Kohlhammer 2017.

 Kuppig, Kerstin: Neue Ideenkiste Religion, Freiburg/ Basel/Wien: Herder 2000.

 Niehl, W. Franz/Thömmes, Arthur: 212 Methoden für den Religionsunterricht, München: Kösel 2014.

 Thömmes, Arthur: Die 200 besten Unterrichtsmethoden für die Sekundarstufe. Bewährte Ideen für jede Gelegenheit, Mühlheim an der Ruhr: Verlag an der Ruhr 2016.

 Thömmes, Arthur: Produktive Arbeitsphasen. 100 Methoden für die Sekundarstufe, Mühlheim an der Ruhr: Verlag an der Ruhr 2007.

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len so die Möglichkeit erhalten, einen wesentlichen Teil der Geschichte des 20. Jahrhunderts, insbesondere des Zweiten Weltkrieges, zu gehen, zu erahnen, zu begreifen.

Festigung des Themas: Erstellung einer Collage

die SchülerInnen gehen im Gespräch der Frage nach, warum es wichtig ist, anhand von „Stolpersteinen“ und anderen Denk-/Mahnmalen an die Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Gegenwart zu erinnern. Sie stellen ihre Argumente und Ideen für eine Erinnerungskultur in Bildern, Worten und Zeichen auf einem Plakat dar. Dabei ist es wichtig, dass mit den SchülerInnen der Aspekt des „Sich-Erinnerns“ zuvor auf einer persönlichen Ebene gut bearbeitet wurde, dass sie erfahren durften, dass Erinnern ein zutiefst menschliches Bedürfnis darstellt, das jede und jeder in sich trägt, weil Erinnerung Teil von Identität darstellt.

 Variante: Die Schülerinnen und Schüler fertigen ein persönliches Erinnerungsmal wider die Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Ergebnisse werden im Schulhaus veröffentlicht und den anderen Klassen präsentiert. 

Susanne Krachler BEd, MA, ist Religionslehrerin an der Praxisschule – Verbundmodell Neue Mittelschule / BRG Klagenfurt.

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GLOBALES LERNEN

Weil Menschen nicht nur ihre unmittelbare Um- und Mitwelt gestalten, sondern sich immer mehr als Teil der Weltgesellschaft verstehen, bekommt „globales Lernen“ – als Ausdruck schöpfungsverantwortlichen Handelns – einen immer größeren Stellenwert in der religionspädagogischen Praxis. Das Methodenlabor möchte einladen, das Thema wieder einmal in die konkrete Gestaltung der Schulkultur einzubringen.

Monika Prettenthaler

Andrea Scheer

der Begriff „globales Lernen“ umschreibt ein offenes, facettenreiches, immer aktuelles Bildungskonzept, das ein breites Spektrum an Themen und Kompetenzen abdeckt: „einen verantwortungsvollen Weitblick in einer globalen Weltgesellschaft, einen behutsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen, ein respektvolles Miteinander durch die Achtung von Menschenrechten und interkulturellem Austausch.“ (Schwarz 2007, 5) Im religionspädagogischen Kontext ist dieser Ansatz auch im „ökumenischen Lernen“ verortet, der „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ zum Thema hat. Die gegenwärtige, ressourcenintensive Lebensweise wird nicht umsonst in ihrem Gewalt- und Konfliktpotential gesehen.

Dem gegenüber kann „globales Lernen“ eine neue Form des Bewusstseins einer Verbundenheit mit allen Menschen fördern, im Sinne eines lebendigen Netzes, in dem alles mit allem verbunden ist (vgl. Hüther / Spannbauer 2012).

Globales Lernen konkret

Phänomene, die durch die Globalisierung entstehen, stellen nicht nur die Menschheit insgesamt vor große Fragen, sie sind auch für SchülerInnen in ihrer Komplexität eine große Herausforderung. Im Umgang damit zeichnen sich zwei Tendenzen ab: „Man kann die umgebende Wirklichkeit vereinfachen und sie sich so zurechtinterpretieren, dass sie in das eigene Weltbild passt. Oder man kann die eigene Bewusstseinsstruktur komplexer werden lassen, also lernen. Die heutige Situation lädt – gewissermaßen als Gegenreaktion – zu Vereinfachungen und Fundamentalisierungen ein“ (Scheunpflug 2001, 5). Daher zielen entsprechende Lernpro-

zesse einerseits darauf, das „Verstehen des Nichtverstehens“ so zu organisieren, dass es weitere Anschlussmöglichkeiten für Lernprozesse bietet (vgl. Scheunpflug 2001, 6), damit andererseits aktive Lösungsideen gesucht und konkrete Handlungsmöglichkeiten entwickelt werden können. Ein gelungener Versuch, die Komplexität globalen Denkens in eine – auch für Kinder in der Primarstufe – überschaubare Form zu fassen, ist der Kinderbuchklassiker von Smith, David J. / Armstrong, Shelagh: Wenn die Welt ein Dorf wäre. Wien / München: Jungbrunnen 2002.

Im Folgenden werden nach Annette Scheunpflug vier zentrale Herausforderungen im Kontext „globalen Lernens“ ausgewählt und didaktische Impulse für den schulpraktischen Umgang vorgestellt.

Lokales und Globales

Für SchülerInnen ist ein Lernweg ausgehend vom Lokalen, Nahen, Vertrauten und Konkreten grundsätzlich leichter nachvollziehbar. Daher ist es sinnvoll, globale Phänomene in den lokalen Nahbereich zu übertragen bzw. „vor Ort“ mit Unterrichtsimpulsen anzuknüpfen. Vorsicht ist allerdings geboten, wenn das Spezifische globaler Prozesse dadurch verwässert und nicht erkannt wird.

 „Spielsachen unter der Lupe“

Die Homepage www.spielsachen-fair-machen.at motiviert mit Informationen und Ideen für die Praxis dazu, das Thema „Spielzeug“ in der Schule unter den Aspekten Gerechtigkeit und Menschenrechte zu thematisieren. Bei der Einarbeitung in das Thema unterstützt die Broschüre „fair spielt. Spielzeugproduktion mit fairen Regeln“ von Uwe Kleinert, Misereor Lehrerforum 88.

Ein Großteil der Spielsachen wird in Billig-Lohn-Ländern produziert. In der Schule können in Projekten Ideen erarbeitet werden, um die Spielzeugproduktion mit fairen Regeln voranzutreiben – diese können dann beispielsweise in der Adventzeit, die oft von Wünschen und der Frage nach dem Einkaufsverhalten begleitet ist, unter dem Motto „24 Ideen, die Welt zu verändern“ präsent sein.

 „Blood in the mobile“

Für die Produktion von Handys werden spezielle Mineralien wie Coltan gebraucht. Coltan wird im Ostkongo oft von Kindern aus ungesicherten Minen geholt. Das Geld aus dem Verkauf finan-

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Bananenpistole.
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Foto: Andrea Scheer
Aus dem Methodenlabor

ziert einen Krieg, der schon 15 Jahre dauert und bis heute fünf Millionen Menschen getötet hat. Von all dem wollen die Mobilfunkunternehmen nichts wissen.

Der Film „Blood in the mobile“ von Frank Poulsen zeigt die erschreckende Wirklichkeit der Handy-Produktion. Für die Arbeit in der Sek II eignet sich die auf der DVD eigens ausgewiesene Bildungsfassung von 29 Minuten: Blood in the Mobile, Dokumentarfilm, Dänemark 2010; Faktensammlung für die Weiterarbeit im Unterricht: http://www.arte.tv/de/fakten/3696128.html

Ethische Appelle und Empathie?

Natürlich sind das Einfühlungsvermögen, ein Perspektivenwechsel und das Bewusstsein ethischer Verantwortung entscheidende Motivationen für globales Lernen. Gleichzeitig braucht es die Entwicklung einer Haltung, die bleibend Fremdes akzeptiert und „die Anderen und das Andere“ nicht vorschnell zu verstehen glaubt, bewertet und/oder unrealistisch idealisiert.

 Rund um die Themenfelder Mobilität, Schulalltag, Bildung gibt die DVD „Auf dem Weg zur Schule“ von Pascal Plisson Einblick in vier unterschiedliche Wege zur Schule: Im Atlasgebirge in Marokko, auf der patagonischen Hochebene Argentiniens, in Indien und Kenia geben Kinder Auskunft über ihre Lebensrealität.

Begegnung, Erfahrung und Reflexion

Konkretes Erleben und persönliche Begegnungserfahrungen sind im globalen Lernen unverzichtbar. „Authentizität beschreibt allerdings immer eine partikulare Erfahrung – eine Erfahrung, die in einer anderen Situation ganz anders aussehen könnte.“ (Scheunpflug 2001, 9) Daher sind Selbstreflexion und das Nachdenken über die Grundlagen der eigenen und der fremden Kultur und Gesellschaft essentielle Aufgaben dieses Lernens.

 Begegnungslernen

Lernen von anderen und Lernen durch Begegnungen sind besonders nachhaltige und wirksame Lernformen. Eine solche Begegnungsmöglichkeit eröffnet sich z. B. durch Literatur: Kleine, beeindruckende Projekte, in denen 45 Kinder und Jugendliche zeigen, was sie zur Erhaltung der Welt beitragen können, finden sich in: Jankeliowitch,

Anne (Illustration: Yann, Arthus-Bertrand): „Kinder, die die Welt verändern.“ Stuttgart: Gabriel Verlag 2014.

Entwicklungspolitische Institutionen bieten immer die Möglichkeit, mit Menschen aus dem Süden ins Gespräch zu kommen – diese Gespräche gelingen, wenn die SchülerInnen gut vorbereitet sind (Fragensammlung, Themenanwaltschaften …):

Dreikönigsaktion: www.dka.at

Welthaus: www.welthaus.at Südwind: www.suedwind.at

Im Monat der Weltkirche: Missio: www.missio.at

Orientierungswissen und Handlungskompetenz

Der Religionsunterricht macht neben der „klassischen Wissenserschließung“ auch Lernräume auf für sinnlich-umfassendes, ganzheitliches Lernen, durch das die SchülerInnen konkrete Handlungskompetenz erwerben können, die zur Veränderung der globalen Situation beitragen, und damit hält er die Vision eines Lebens in Fülle (Joh 10,10), zumindest in Form eines guten Lebens für möglichst viele, präsent.

 My fair trade world

Die Fotos dieses Beitrags sind im Rahmen eines Klassenprojekts entstanden: Ausgangspunkt war das Fotomaterial von Lewis Hine, einem sozialdokumentarischen Fotografen, der versuchte, mit seiner Kamera „Kids at work“ einzufangen. Die SchülerInnen interviewten Eltern, Großeltern und Urgroßeltern zur Frage ihres Kinderalltags. Diese Geschichten konnten sie mit dem eigenen Kinderalltag und dem Kinderalltag auf Orangen-, Kakao- und Bananenplantagen vergleichen. Die intensive Beschäftigung machte neugierig auf den Fairen Handel. Im Rahmen eines Besuchs in einem großen Supermarkt und im Weltladen (Produkt- bzw. Preisvergleich) konnte hautnah erlebt werden, was es mit dem fairen Einkaufen auf sich hat. Die fairen Produkte inspirierten zu einem lustvollen Fotoshooting und es entstanden die Fotos der Schoko-Pipi, der Bananenpistole, der Fair-Trade-Trägerin und des Fairen Fußballers.

Quellen

 Hüther, Gerald / Spannbauer, Christa: Connectedness. Warum wir ein neues Weltbild brauchen. Bern: Verlag Hans Huber 2012.

 Scheunpflug, Annette: Die globale Perspektive einer Bildung für nachhaltige Entwicklung, in: www. sowi-onlinejournal.de/nachhaltigkeit/scheunpflug.htm [abgerufen am 01.05.2014].

 Schwarz, Ingrid: Vorwort, in: global action schools. Theorie und Praxis zum Globalen Lernen. Graz: 2009.

 Welthaus Diözese Graz-Seckau / Südwind Niederösterreich Süd: global action schools 2 communities. Toolkit – Von der Theorie zur Aktion.

Graz – Wr. Neustadt: 2012

Ich meine, dass aus dem Nach-Innen-Gehen eine Stärkung wächst, die uns in Beziehung setzt zu dieser Erde und uns Kraft gibt, Veränderungen zu bewirken.

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Fairer Fußballer. Foto: Andrea Scheer Schoko Pippi. Foto: Andrea Scheer Fair Trade Trägerin. Foto: Scheer
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FEEdBACK IST EIN GESCHENK

Diese im Methodenlabor ausgeführten Feedbackformen beziehen sich vorrangig auf Rückmeldungen von Schüler*innen an Lehrer*innen. Der Fokus liegt dabei auf unterschiedlichen Lernprozessen. Nach Hattie zählt Schüler*innen-Feedback zu den Top-Einflussfaktoren für einen erfolgreichen Unterricht. „Schülerfeedback, welches sich Lehrkräfte von Schülern einholen, [ist] die lernwirksamste Form von Feedback. Dieses Feedback erlaubt ihnen, den Unterricht mit den Augen der Lernenden zu sehen“ (visible-learning.org/de/glossar-hattie-begriffe/#10_Feedback).

Monika Prettenthaler

Herbert Stiegler

Häufig wird im System Schule „Feedback“ einseitig von Lehrer*innen an die Schüler*innen in Form von Noten gegeben. Die Aufregung war groß, als Schüler*innen ihre Lehrer*innen und Schulen über eine App „bewerten“ konnten. Hier soll nicht über die Sinnhaftigkeit einer solchen App diskutiert werden. Es zeigt sich aber, dass es Bedarf seitens der Schüler*innen gibt, der/dem Lehrer*in mitteilen zu können, was ihnen am Herzen liegt. Folgend wäre es für alle am Unterricht beteiligten Personen sinnvoll, Feedback zu erhalten und auch zu geben.

Schüler*innen Feedback ist ein wirksames Instrument zur Sicherung und Verbesserung der Unterrichtsqualität. Es gibt Lehrer*innen die Möglichkeit, die Stärken und Schwächen ihres Unterrichts besser zu verstehen. Es ermöglicht den Lehrer*innen, die Sichtweisen von Schüler*innen mit der Eigenwahrnehmung zu vergleichen. Ein regelmäßiges Einholen von Schüler*innen-Feedbacks fördert eine vertrauensvolle und kommunikative Atmosphäre. Eine Feedbackkultur soll regelmäßig gepflegt werden. Die Kluft zwischen Selbstwahrnehmung und Fremdeinschätzung durch Schüler*innen verringert sich.

Anfangs hatte ich Bedenken, Feedback einzuholen und mich so auszusetzen. Ich versuche ja immer, eine gute Beziehung zu meinen Schüler*innen zu pflegen. Mittlerweile finden sie es fast normal und sie fühlen sich irgendwie ernster genommen. Ich hole mir regelmäßig Schüler*innenFeedbacks in allen Klassen ein. Die Rückmeldungen sind meist sehr fair und konstruktiv. Ich glaube, dass sich dadurch mein Unterricht und auch die Beziehung zu den Schüler*innen ständig verbessert. Ältere Schüler*innen verwenden dafür auch gerne digitale Tools“ (Aussage einer Religionslehrerin).

Chancen des Schüler*innen-Feedbacks

 Die Lernenden erhalten die Möglichkeit, ihrer Lehrperson freiwillig, ehrlich (und anonym) Rückmeldungen über wesentliche Bereiche (Unterrichtsgestaltung, Klassenführung, Vermittlung, Themenwahl) und über den Unterricht zu geben.

 Der Lehrperson wird eine systematische Auseinandersetzung mit dem eigenen Unterricht

ermöglicht.

 Die Lehrperson wird in ihrem Entwicklungsprozess unterstützt, indem sie durch die Reflexion der Schüler*innen-Feedbacks Maßnahmen zur Kompetenzerweiterung vorsehen kann.

 Der Unterricht wird verbessert, wenn konkrete Maßnahmen aus dem Feedback abgeleitet werden.

 Das Schüler*innen-Feedback verbessert das Arbeitsklima und stärkt das Schüler*innen-Lehrer*innen-Verhältnis.

Grenzen und Risiken des Schüler*innen-Feedbacks

Schüler*innen-Feedbacks geben ein punktuelles Stimmungsbild wieder. Das Schüler*innen-Feedback erlaubt nur begrenzte Rückschlüsse auf

– die fachliche Qualität des Unterrichts. – dessen erzieherische Wirkung.

– die fachliche und pädagogische Kompetenz der Lehrperson.

Schüler*innen-Feedbacks werden nicht eingesetzt, wenn das Lehrer-Schüler-Verhältnis zerrüttet ist. Hierfür sind andere Maßnahmen zu ergreifen: Coaching, Schulberatung, Mediation, Aussprachen usw.

Voraussetzungen für das Schüler*innen-Feedback

„Lernende geben bei Feedbacks häufig Gefälligkeitsantworten. Gegenseitiges Vertrauen in einem geschützten Rahmen … ist eine Grundvoraussetzung, damit sie ihre Wahrnehmungen ehrlich mitteilen. Das Einholen eines Feedbacks setzt die Offenheit und die Bereitschaft der Lehrperson voraus, die Rückmeldungen der Lernenden anzunehmen, zu prüfen und Konsequenzen daraus abzuleiten. Diese Bereitschaft muss für die Lernenden spürbar sein.

Das Einholen eines Feedbacks bedarf der Transparenz und Ehrlichkeit. Die Lernenden werden über die Absicht und das Vorgehen informiert und wissen um ihre Verantwortlichkeit“ (lukath.ch).

Hinweise für Schüler*innen, wenn sie Feedback geben:

 Ein Feedback soll beschreiben und nicht be-

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INTERAGIEREN und KOMMUNIZIEREN
Aus dem Methodenlabor

werten oder interpretieren.

 Die Äußerungen sollen Konkretes benennen. Allgemeine Aussagen sind zu vermeiden.

 Rückmeldungen sind ehrlich und korrekt, aber nicht herabwürdigend oder verletzend.

 Feedback soll für Lehrer*innen so brauchbar sein, dass sie die angemerkten Punkte auch ändern könnten.

 Die Hinweise sind klar und genau formuliert und die gegebene Information ist verständlich und nachvollziehbar.

Hinweise für Lehrer*innen und Schüler*innen, wenn sie Feedback empfangen:

 Aufmerksam zuhören und nur nachfragen, wenn etwas unklar ist.

 Keine Rechtfertigung oder Verteidigung. Bei Feedback geht es primär um persönliche Wahrnehmungen.

 Reflektieren, welche Anregung hilfreich sein kann.

Ausführliche Hinweise und weiterführende Informationen sind unter methodenpool.uni-koeln.de/ download/feedback.pdf abrufbar.

Feedback reicht von einer spontanen Rückmeldung eines kurzen Unterrichtsprozesses bis hin zu einem umfassenden System-Feedback.

Buhren (2015) unterscheidet drei Grundformen von Feedback.

Individualfeedback

Individualfeedback im schulischen Kontext meint wechselseitige Rückmeldungen zwischen Schüler*in und Schüler*in, Schüler*in und Lehrer*in, Lehrer*in und Lehrer*in usw. Eine Besonderheit dieser Form ist, dass sie in der Regel umkehrbar ist. Feedbacknehmer*in und Feedbackgeber*in können die Rollen auch tauschen, wie z. B. bei einer kollegialen Unterrichtshospitation.

Gruppenfeedback

Von Gruppenfeedback spricht man im schulischen Kontext, wenn eine Gruppe Feedback an eine einzelne Person gibt – z. B. eine Klasse gibt ein Feedback an die/den Lehrer*in. Schüler*innen-Feedback ist die häufigste Form eines Gruppenfeedbacks.

Systemfeedback

Systemfeedback bezieht sich auf Rückmeldungen unterschiedlicher Personengruppen im schulischen Kontext (Eltern, Schüler*innen, Lehrer*innen …) zum Gesamtsystem einer Schule.

Je nach Fragestellung können Feedbacks schriftlich, mündlich, non-verbal oder in Kombinationen eingeholt werden. Schriftlich können analoge wie auch digitale Werkzeuge verwendet werden. Bei der Methodenwahl ist auch zu bedenken, ob Feedbacks anonym, wahlweise an-

onym oder in einer offenen Form gegeben werden. Im Folgenden sind Methodenbeispiele für den Religionsunterricht angeführt.

Smiley und Fragezeichen

Für ein kurzes Feedback nach einer Unterrichtseinheit: Die Schüler*innen lernen, Feedback zum Unterricht zu formulieren.

Der Smiley regt Kinder dazu an, Positives zu nennen:

 Das habe ich heute gelernt …

 Das hat mir heute Spaß gemacht …

 Ich freue mich, dass …

Das Fragezeichen soll Kinder ermutigen, Unklarheiten und Irritationen anzusprechen oder noch offene Fragen zu stellen:

 Das habe ich heute nicht verstanden …  Mir ist unklar …

Smiley-Barometer

Eine niederschwellige Form ist das Smiley- oder Stimmungsbarometer. Auf einer Darstellung (Tafelbild, Ausdruck …) eines Thermometers mit einer Temperatur- oder Zufriedenheitsskala (– 10 bis +10 Grad) können unterschiedliche Wahrnehmungen von (Arbeits-)Prozessen von Schüler*innen visualisiert werden. Durch Punkte oder Kreuze werden individuelle Wahrnehmungen in Bezug auf eine bestimmte Arbeitsphase sichtbar.

daumen-Methode

Eine (zunächst) non-verbale Form ist das DaumenFeedback. Die Schüler*innen zeigen ihre persönliche Referenz zu einem genannten Bezugspunkt. Die/der Lehrer*in nennt einen zu bewertenden Aspekt und die Schüler*innen zeigen ihre Einschätzung mit dem Daumen an.

 Daumen nach oben: „gut“ bzw. Zustimmung

 Daumen waagrecht: „neutral“ bzw. Unentschiedenheit

 Daumen nach unten: „schlecht“ bzw. Ablehnung

Würfelfeedback

Die Schüler*innen würfeln und nehmen Stellung zu den Satzanfängen ihrer Augenzahl. Die Satzanfänge werden für alle sichtbar präsentiert.

Laufzettel-Feedback

Alternativ werden in der Klasse A3-Blätter mit Satzanfängen aufgelegt. Die Schüler*innen gehen von Blatt zu Blatt und ergänzen den Satzteil. Diese Methode eignet sich besonders für ein Feedback über eine Unterrichtsreihe oder größere Einheiten. Diese Methode kann auch teilweise anonym durchgeführt werden.

1. Das hat mir gefallen …

2. Das habe ich gelernt …

3. Das will ich nicht vergessen …

das Einholen eines Feedbacks bedarf der Transparenz und Ehrlichkeit. die Lernenden werden über die Absicht und das Vorgehen informiert und wissen um ihre Verantwortlichkeit.

lukath.ch

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Herz, Hand und Hirn

Was mein Herz berührt hat, was ich heute getan habe und was ich jetzt weiß. Die Schüler*innen werden nacheinander eingeladen, eines der vorbereiteten Symbole auszuwählen und kurz dazu Stellung zu nehmen.

Feedback-Brief

Am Beginn des Schuljahres oder einer neuen Unterrichtsreihe schreiben die Schüler*innen einen Brief mit ihren Erwartungshaltungen. Die Briefe werden in einem Kuvert verschlossen und abgesammelt.

Am Ende des Jahres oder der Unterrichtsreihe werden die Briefe ausgeteilt. Die Schüler*innen lesen ihre einstigen Erwartungen und schreiben dazu ein Feedback.

Fünf-Finger-Methode

Jedem Finger einer Hand wird eine passende Frage bzw. Aussage zugeordnet und den Schüler*innen präsentiert. Die Schüler*innen zeichnen ihre Hand auf ein Blatt Papier und schneiden diese aus. Alternativ können vorbereitete Kopien ausgeteilt werden. Auf einen achtsamen Umgang mit dem Mittelfinger ist besonders zu achten. Weiters könnte es unterschiedliche Bedeutungen von einzelnen Fingergesten aufgrund verschiedener kultureller Herkunft der Schüler*innen geben.

Beispiel für Beschriftung:

Daumen: Das war super!

Zeigefinger: Da muss ich aufpassen! Darauf möchte ich hinweisen!

Mittelfinger („Stinkefinger“): Das hat mir nicht gefallen!

Ringfinger: Das nehme ich mit! Das behalte ich! (wie einen Ring, den man immer trägt).

Kleiner Finger: Das ist zu kurz gekommen!

Feedback in den neuen unterrichtswerken der Sekundarstufe 1

Die neuen Unterrichtswerke für die Sekundarstufe 1 haben in jedem Kapitel einen mehrteiligen Kompetenzcheck, in dem auch ein Feedbackteil integriert ist.

das Schulbuch „Religion für uns“ (Veritas Verlag) bietet am Ende jedes Kapitels die Möglichkeit, den Kompetenzerwerb individuell zu reflektieren. Dazu dienen jeweils vier konkret auf die Inhalte des Kapitels abzielende, kompetenzorientierte Abschluss-Aufträge. Zusätzlich kann für jedes Kapitel aus einem Kanon von acht Methoden der Ergebnissicherung gewählt werden, die am Beginn des Buches vorgestellt und themenunabhängig eingesetzt werden können. „Zeit für Religion“ der Schulbuchgruppe Süd („Neue Grazer Reihe“, Styria Verlag) hat in deren Buch ebenso einen vierteiligen Kompetenzcheck angeführt.

1. Was ich in diesem Kapitel gelernt habe Selbstgeleitetes Feedback zu den Kompetenzen des Kapitels

2. Was ich jetzt draufhabe Konkrete Anwendungen für eine inhaltliche Auseinandersetzung

3. Was mich in diesem Kapitel beschäftigt hat 4. Was du ausprobieren kannst.

In diesem Punkt werden weiterführende Impulse und Handlungsanregungen zu den Inhalten des Kapitels angeführt.

Im begleitenden Lehrer*innen-Handbuch zu „Zeit für Religion“ gibt es zu jeder Buch-Doppelseite konkrete Anregungen und Impulse für den Unterricht. Neben den Kompetenzbeschreibungen und einem allgemeinen Informationsteil wird für jede Doppelseite ein dreistufiges didaktisches Modell mit konkreten Arbeitsanregungen (Einstieg; Erarbeitung; Vertiefung/Stundenabschluss) vorgestellt. Besonders im Teil Vertiefung/ Stundenabschluss finden sich zahlreiche Beispiele und Methoden für Reflexionen und Feedback.

Feedback in der Sekundarstufe 2

Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass Schüler*innen in der Sekundarstufe 2 aus ihrer bisherigen Schullaufbahn auf Feedback-Erfahrungen – sowohl im Geben, als auch im Annehmen von Feedback – zurückgreifen können und mit den entsprechenden grundlegenden Regeln vertraut sind. Vorgestellt werden unterschiedliche Feedback-Methoden; sie können – entsprechend modifiziert – sowohl für Individual- oder Gruppenfeedback verwendet werden und sind zugleich geeignet zur Durchführung im „Präsenzmodus“ oder auch – unterstützt durch jeweilige digitale Tools – online.

Zielscheibe

Mit folgenden Methoden können Schüler*innen individuell sowie kriterien- und sachbezogen zu einem Prozess oder auch zur Arbeit mit einem Thema Feedback geben. Der Vorteil der folgenden grafischen Feedbackmöglichkeiten ist, dass sie – auf Plakaten gestaltet – das Feedback der gesamten Klasse oder Gruppe sichtbar machen und damit einen gemeinsamen Eindruck, der sich

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Herz, Hand, Hirn. Fotos: Helene Loidolt
INTERAGIEREN und KOMMUNIZIEREN
Das fand ich in diesem Kapitel besonders interessant Damit habe ich mir in diesem Kapitel schwergetan

aus vielen Einzelrückmeldungen zusammensetzt, veranschaulichen (vgl. Ziener 2012, 190). Auf ein Feedbackblatt gedruckt, kann es aber auch für das Individualfeedback herangezogen werden. Welche vier Größen (auf den Inhalt und/oder auf den Arbeits-/Präsentationsprozess bezogen) in den Eckfeldern angegeben werden (ebenso wie die Feedbackmodalitäten), wird vor der Einheit bzw. dem Prozess, auf die/den sich das Feedback beziehen soll, mit der Klasse besprochen. Zudem sollen jedenfalls auch Kriterien für die entsprechende Einschätzung (Zielnähe …) thematisiert werden. Damit ist im Vorfeld klar und transparent, welche Aspekte in den Blick genommen und wie diese bewertet werden.

Bei einem Gruppenfeedback geben die Schüler*innen mittels Klebepunkten ihre Rückmeldung auf einem Plakat an – in diesem Fall können alle sehen, welches Feedback gegeben wird (soziale Erwünschtheit, Gruppeneffekte … sind in diesem Fall möglich). Anschließend wird das Feedback in der Klasse besprochen.

Als Individualfeedback angelegt, wird die Zielscheibe von den Schüler*innen schriftlich bearbeitet.

Neben einem schriftlichen Feedback auf Papier können für diese Form auch digitale Tools genutzt werden.

Mentimeter

Auf www.mentimeter.com lassen sich beispielweise einfach anonyme Feedbackumfragen einrichten. Mentimeter ist einfach in der Bedienung und es gibt auch in der kostenfreien Version nützliche Vorlagen (Clouds, Skalen, Diagramme …) für die Erstellung eines Feedbacks. Der Lehrer oder die Lehrerin erstellt auf www. mentimeter.com Feedback-Fragen, und die Schüler*innen können mit einem Smartphone, einem Tablet oder einem Computer über einen generierten Zugangscode auf www.menti.com abstimmen oder ihr Feedback geben. 

Je nach Anzahl der Aspekte, die im Feedback reflektiert werden sollen, können sowohl für Gruppen- als auch Einzelfeedback andere Grafiktypen zum Einsatz kommen (vgl. Wernke 2019, 11): Koordinatensystem (z. B. x-Achse für Lernklima; y-Achse für Lernergebnis), Spinnennetz (kann mehr Aspekte sichtbar machen, wie z. B. Verständlichkeit, Alltagsbezug, Tempo, Abwechslung, Atmosphäre, Zielklarheit, Kooperation, Struktur …),

Thermometer oder Skalierungslinie/n, auf denen jeweils zu einem Punkt eine Rückmeldung abgefragt werden kann.

Feedback in Form einer Kurzbefragung – analog und digital

Auch für ein inhaltsbezogenes Detailfeedback, das Schüler*innen einander z. B. nach Referaten oder Präsentationen geben, werden die Punkte, zu denen die Rückmeldung gegeben wird, vorher gemeinsam erhoben und auch der Feedbackmodus (Auswahl, Punkte oder Erfüllungsgrad) sowie Entscheidungskriterien besprochen und festgelegt.

Literatur und Internettipps:

 Buhren, Claus G. (Hrsg.): Handbuch Feedback in der Schule, Berlin: Beltz 2015.

 Ferrary, Alexandra: 77 effektive Unterrichtsabschlüsse für die Grundschule, Verlag an der Ruhr 2014.

 Müller, Manfred: Entwicklung einer positiven Feedback-Kultur, in: Feedback [Friedrich Jahresheft 2019], Seelze: Friedrich Verlag 2019, 104–107.

 Thömmes, Arthur: Unterrichtsphasen erfolgreich gestalten: Das große Methodenhandbuch für die Sekundarstufe, Verlag an der Ruhr 2014.

 Wernke, Stephan: Praxis „Feedback“. Eine Gebrauchsanweisung für Schule und Unterricht, Seelze: Friedrich Verlag 2019.

 Ziener, Gerhard/Kessler, Matthias: Kompetenzorientiert unterrichten, mit Methode. Methoden entdecken, verändern, erfinden, Seelze: Kallmeyer 2012, Kapitel 11: Metakognition, 172–199.

 bibelwissenschaft.de/stichwort/100250/

 lernvisionen.ch/kursunterlagen/downloads/susfeedback-instrumentenkoffer.pdf

 lukath.ch/wp-content/uploads/2015/10/QSE_ schuelerinnen-feedback_druck.pdf

 meinunterricht.de/blog/feedback-methoden-unterricht-schule/

 visible-learning.org/de/glossar-hattie-begriffe/#10_Feedback

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Zielscheibenfeedback. Foto: CC edkimo.de
INTERAGIEREN und KOMMUNIZIEREN
Feedback als Wordcloud mit Mentimeter.

FESTE uNd FEIERN GESTALTEN

In allen Kulturen und Religionen gliedern Feste die Zeit und unterbrechen Feiern den Alltag. Feste zu feiern, gehört zum Menschsein – trotzdem will es gelernt sein, Feste zu gestalten und zu feiern. Nicht umsonst geht beispielsweise die Grundidee des Jena-Plans von vier Formen des Lernens aus: Gespräch, Spiel, Arbeit, Feier.

Monika Prettenthaler

Andrea Scheer

Feste sind ein Ausdruck für den Traum des Menschen, den Lauf der Zeit zu unterbrechen, das Glück des Augenblicks ergreifen und festhalten zu können. Feste haben immer auch etwas mit dem Erscheinen und Wirken des Heiligen zu tun – wenn Menschen feiern, können sich Himmel und Erde berühren. ChristInnen sind eingeladen, sich an jedem Sonntag an die Auferstehung zu erinnern: Gott schenkt Leben in Fülle!

Schule und Fest

Schule wird nicht in erster Linie mit „Fest und Feier“ in Verbindung gebracht – das obwohl der Begriff „Schola“ ursprünglich auch einen „Ort der Muße und Geselligkeit“ bezeichnete. Und wirklich ist die Schule bis heute ein Ort, an dem Kinder und Jugendliche Feste und Feiern gestalten, erleben und reflektieren. Wie an einer Schule mit Anlässen, die gefeiert werden können, umgegangen wird, ist Ausdruck der jeweiligen Schulkultur. Eine schülerInnenorientierte Fest- und Feierkultur entsteht nicht von selbst – sie braucht Zeit und entwickelt sich dann am ehesten, wenn die SchülerInnen aktiv in die Vorbereitung und Gestaltung eingebunden sind

– also weder „Objekte, die befeiert“ werden noch „AkteurInnen, die auf-/vorgeführt“ werden.

Im Leben und in der Schule unterscheiden wir:

– Feste – sie können sich spontan, aus einem freudigen Anlass ergeben und haben einen offeneren zeitlichen Rahmen.

Feiern – sie werden mit einem festgelegten Ablauf strukturiert; Feieranlässe können ganz unterschiedlich sein (Taufe eines Kindes, Schuljubiläum, Trauerfeier, …), der zeitliche Rahmen ist meist klar festgelegt.

– Liturgie – glaubende Menschen feiern die Gegenwart Gottes und ihr Leben in vielfältigen Formen und Rit(ual)en.

Quellen

 Brall, Stephanie: Glück:Wunsch. Asslar: Adeo 2013.

 Molcho, Haya: Lust auf fremde Küche. Wien: Amalthea 2009, 145.

 Publik-Forum extra: Lasst uns feiern. Ein paar Stunden Ewigkeit. März 2013.

 Reich, Kersten (Hg.): Methodenpool. Feste und Feiern, in: http://methodenpool.uni-koeln.de [abgerufen am 14.03.2014].

 Rendle, Ludwig (Hg.): Ganzheitliche Methoden im Religionsunterricht. München: Kösel 2007.

Die eine Seite – Merkmale einer Feier/eines Festes sind:

existentielle Erfahrungen: Feste „berühren“, „gehen unter die Haut“

Gemeinschaftserlebnisse: Pluralität belebt, Partizipation und aktives Dabei-Sein

miteinander Essen und Trinken

Identitätsstiftung

Gestaltung von Übergängen

– Unterbrechung des Alltags und Höhepunkte

– Erleben und Lernen mit vielen Sinnen

Zeitverzögerung und Entschleunigung

Verbindung von Vergangenheit (Rückblick, Erzählen von Erinnerungen), Gegenwart (einfach Da-Sein), Zukunft (Vorausschau, Vision) im Feiern

Dankbarkeit – Ja zum Leben

– Ekstase: Trinken genießen und verrücktes Außer-sich-Sein, aus dem Rahmen fallen, Musik, Tanzen, … – Anlass/Grund

– Ort und ein gestalteter Raum

Verwurzelung und Wandlung: Kinder und Jugendliche brauchen Informationen über die Ursprünge/Mythen der Feste, ihre geschichtliche Entstehung und Möglichkeiten einer Übersetzung ins Heute, damit Festtraditionen Bestand haben und lebendig bleiben

– Spannung zwischen Form und Fantasie

– Entgrenzung und Überschreitung des konkreten, „gewöhnlichen“ Lebens (Immanenz –Transzendenz)

– Vorbereitung – Fest – Nachbereitung

Die andere Seite – manchmal heißt „feiern“ auch:

– Langeweile empfinden

– sich fehl am Platz fühlen

– Streit, Konflikte und Unversöhntes nicht damit verstecken können

– Zwang erleben („mitfeiern müssen“)

– Feste als Status-Symbole verstehen

mit Ideenlosigkeit konfrontiert sein

sich bis zur Besinnungslosigkeit betrinken

– vorbereiten, was noch nie da war, und essen, „was das Zeug hält“

erleben, dass man „echte“ Feste nicht „einkaufen“ kann: Kindergeburtstage aus dem Eventangebot von Fastfood-Ketten oder Kindermuseen, Profi-FestrednerInnen und Wedding-Planer oder der Wunsch, zum achtzehnten Geburtstag mit der pinken Stretch-Limousine von der Schule abgeholt zu werden …

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Arbeit mit FEST:BILdERN

Mit Fotokarten werden SchülerInnen eingeladen, – eigene Feier-Erinnerungen mit dem Handy, der Kamera einzuholen und mit einer treffenden Überschrift zu versehen; – ihre „Fest-Visionen“ zu einem konkreten Anlass (Geburtstag, Schulschluss, …) mit Hilfe einer Bildkarte, eines Fotos aus einer Zeitschrift zu beschreiben und einander zu erzählen.

Festen eine Form geben

Die SchülerInnen lesen den folgenden Text mit dem Fokus: Was sind Wesensmerkmale eines Festes? Sie notieren Ideen für eine „Checkliste“ zur Vorbereitung eines Festes. Im Plenum werden die Stichworte gesammelt und aus den Erfahrungen der SchülerInnen fehlende Aspekte ergänzt. Der vorliegende Text wurde von Haya Molcho geschrieben, sie wechselte im Laufe ihres Lebens oft ihren Wohnort, wurde zu einer Weltenbummlerin und lernte die Küchen dieser Welt kennen. Haya Molcho ist verheiratet mit dem Pantomimen Samy Molcho und hat vier erwachsene Söhne. Sie lebt in Wien und gründete dort innovative Lokale mit Pfiff. Sie schreibt in einem ihrer Kochbücher über Feste und Traditionen: „Auch die jüdischen Feste haben wir gern mit Freunden zelebriert. Ich habe nach Ritualen gekocht und Samy hat den Kindern die Symbolik der einzelnen Speisen erklärt. Er hat sich bemüht, sie von Jahr zu Jahr immer wieder mit neuen Geschichten zu überraschen und war dadurch sehr prägend, was die Traditionspflege betrifft. Heute, wo unsere Söhne groß sind, verläuft das alles lockerer. Samy prüft sie dann lachend ab und fragt zum Beispiel: Was ist Pessach? (die Befreiung der Israeliten aus der Sklaverei). Oder: Welche Symbolik hat der Granatapfel? (die zusammenhaltenden Kerne stehen für den Zusammenhalt der Familie). Und warum taucht man zu Rosch ha-Schana – unserem Neujahrsfest – Barches-Brot, rohe Apfelscheiben und Karottenrädchen in Honig ein? (Weil man einander ein süßes Jahr wünscht, die Karottenrädchen stellen Golddukaten dar und stehen für Vermehrung). Dabei wird viel gelacht und Samy stimmt die traditionellen Lieder an. Es kennt jeder von uns nur ein paar Textstellen auswendig, aber es singen trotzdem alle mit. Der ‚La-La-La‘ Chor ist immer am lautesten.“

Fest-Kreise

Die SchülerInnen gestalten im Heft oder auf einem Plakat im Klassenraum eine Grafik mit je einem Kreis für biografische Feste (Geburtstage, Namenstage, Eintritt in die Schule, …), für religiöse Feste und für Feste im Jahreslauf (Natur, Kultur, Erinnerungen an bedeutsame Ereignisse). Diese Kreise können im Lauf des Schuljahres weiter gefüllt werden und so zu einer „Festchronik“ werden. 

Wer feiert, steckt mit Leib und Seele mitten im Leben – und fällt trotzdem aus der Zeit!

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IMPuLSE FÜR dIE PRAxIS
Matthias Morgenroth
Bildkarten bringen Feier­Themen auf den Punkt. Foto: Adeo Verlag
05–06|2014 SYMBOLISIEREN und FEIERN

BRAuCHTuM IM JAHRESKREIS

Ein Leben ohne Brauchtum – kaum vorstellbar. Bräuche veranschaulichen nicht nur das Kirchenjahr auf ganz besondere Weise, sondern sie stehen auch für Gemeinschaft und Zusammenhalt. Aus diesem Grund haben sich für zahlreiche Feste und Anlässe ganz unterschiedliche Rituale und Bräuche entwickelt. Sie sind oft im Christentum verwurzelt und helfen, das Leben und die menschliche Existenz zu deuten.

Magdalena Wünscher

Herbert Stiegler

„Brauchtum ist eben dort zu Hause, wo Mensch und Natur noch treu zusammenwohnen, wo der Mensch die Gesetze des Lebens dem Leben der Natur abgewinnt, wo noch Sonne und Mond das Jahr in Jahreszeiten gliedern und nicht ein mechanischer Abreißkalender das Jahr in Monate und Tage zerpflückt.“ (Koren 1986, zitiert nach Teischinger/Fellner 2001)

In diesem Zitat beschreibt Johannes Koren Brauchtum als Ausdruck und Spiegel der engen Verbindung zwischen Mensch und Natur. Brauchtum veranschaulicht die verschiedenen Kräfte und jahreszeitlichen Rhythmen, die auf uns einwirken, stellt kosmische Ereignisse im menschlichen Maßstab dar und erinnert an die Verbundenheit aller Lebewesen untereinander (vgl. Ferrari 2014, 15). Bräuche schaffen somit Identität innerhalb der Gemeinschaft, grenzen sie aber auch von anderen ab (vgl. Neuert, Brauchtum).

Bräuche sind an bestimmte Handlungen geknüpft, die in einem bestimmten Zyklus (z. B. Jahr) oder zu bestimmten Zeitpunkten im Leben (z. B. Geburt) wiederholt werden. Sie drücken den Glauben der Gemeinschaft durch äußere und sinnlich wahrnehmbare Zeichen (z. B. Gesten, Weihrauch usw.) aus. „Bräuche werden praktiziert, vollzogen, sie können weggelassen werden, ohne die Volksordnung wesentlich zu stören. Brauchtum liegt in der Sphäre des kultischen oder festlichen Handelns, ist ein erhebendes Tun und Handeln, eine Ausdrucksform.“ (Becker-Huberti, Brauchen wir Bräuche?)

Je nach Situation und Zeit haben Bräuche eine bestimmte Form. Wenn sich eine Gemeinschaft verändert oder entwickelt, verändern sich auch die Bräuche. Je häufiger einzelne Elemente (z. B. Handelnde, Funktionen) ausgetauscht werden, desto lebendiger sind Bräuche. Dieses Phänomen wird auch „Biologie des Brauchtums“ genannt und lässt sich am Beispiel des heiligen Nikolaus gut veranschaulichen. Vor 100 Jahren verbanden Kinder mit dem Nikolaus die Begegnung mit einem realen Heiligen, während er für die Eltern versteckte Erziehungsziele erfüllte. Heute ist dieser Brauch des Nikolausbesuchs oft ein Ereignis in der Gruppe (z. B. im Kindergarten oder in der Schule). Die Erwachsenen erzählen häufig über das Leben des Heiligen und verschweigen auch nicht, dass es sich nicht um den „echten“ Nikolaus handelt. Was sich nicht verändert hat, sind die staunenden Gesichter, kleinen Geschenke und zum Teil auch die pädagogischen Anregungen, die in diesem Fall das Kollektiv erhält. Da Bräuche aus verschiedenen Einzelelementen bestehen, können sich diese also je nach Notwendigkeit verändern (vgl. Becker-Huberti, Brauchen wir Bräuche?)

Religiöses Brauchtum im Jahreskreis

Seit jeher beschäftigt die Menschen die Frage nach dem Sinn des Lebens, die Frage nach dem Warum. Eine Möglichkeit der Deutung ist die Strukturierung des Jahres. In dieses Gefüge, diesen biologischen Zyklus, der sich am Lauf der Gestirne orientiert, wurde im Laufe der Zeit das Kirchenjahr, d. h. der wiederkehrende Zyklus der religiösen Feste, integriert. Geburt, Leben, Tod, Auferstehung und Himmelfahrt Christi sowie das Leben der Heiligen bestimmen nicht nur die Feste und Liturgie, sondern sie werden auch durch Riten und Bräuche gefestigt. Auf diese Weise verbinden sich Theorie und praktische Umsetzung miteinander. Sowohl im kirchlichen Gottesdienst als auch im religiösen Brauch verinnerlichen die Menschen theologische Erkenntnisse und Ideen und werden zur Einhaltung ethischer Normen angeleitet.

Ein religiöser Brauch überträgt im Grunde genommen die offizielle Liturgie in das Alltagsleben der Gläubigen. Durch gewohnheitsmäßiges und sich wiederholendes Verhalten werden religiöse Erfahrungen für jeden in verständlicher und angemessener Weise zugänglich gemacht und der christliche Glaube im Leben der Menschen und Kulturen verwurzelt. Selbst wenn Menschen

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Erntedank. Foto: Simone Rieser-Kurzmann
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einen Brauch (z. B. ein Gebet) in ihrem privaten Umfeld praktizieren, geschieht dies immer im Geiste und im Namen der ganzen Gemeinschaft: „Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20; vgl. Becker-Huberti, Brauchen wir Bräuche?).

Religiöse Bräuche haben viele Facetten. Ein Brauch kann sich auf das Numinose im Allgemeinen beziehen, aber auch mit der Liturgie in Verbindung stehen. Darüber hinaus gibt es Bräuche im Jahreslauf und an bestimmten allgemeinen und persönlichen Feiertagen sowie Bräuche an den Wendepunkten des Lebens. Bräuche sind nicht immer religiös begründet, haben aber meist einen Bezug zur Religion. Sie beschreiben ein „habitualisiertes Verhalten: Spontanes und bestimmtes Reagieren auf ein singuläres Ereignis in einer sozialen Situation“ (Becker-Huberti, Brauchen wir Bräuche?). Sie befreien uns einerseits von der Notwendigkeit, ständig neue Ideen entwickeln zu müssen, andererseits geben sie uns Sicherheit, denn das Bekannte schützt uns davor, etwas falsch zu machen. Indem sie sich verändern und anpassen, bewahren sie ihren Sinn und ihre Lebendigkeit (vgl. Ferrari 2014, 18ff).

Auch wenn viele historische und religiöse Bräuche im Laufe der Zeit, zum Beispiel durch die Industrialisierung gegen Ende des 19. Jahrhunderts, verschwunden sind, in Vergessenheit gerieten oder ihres Sinnes beraubt wurden, sprechen sie die Menschen auch heute noch an, weil sie Halt, Orientierung und Struktur bieten. Der festlich geschmückte Weihnachtsbaum, die Palmzweige zu Ostern oder das Erntedankfest im Herbst sind für viele Menschen bedeutsam (vgl. Freuck 2008, 7).

Neben den zahllosen positiven Seiten des Brauchtums darf aber auch die Kehrseite nicht vergessen werden. Manches Mal wird an überholten theologischen Positionen festgehalten, falsche Interpretationen werden nicht hinterfragt und ausgetauscht oder fragliche ethische Normen werden transportiert. Generell gilt also für jegliche Form des Brauchtums, egal ob religiös oder nicht: Man muss darüber nachdenken, was man eigentlich wie und warum tut. Der heilige Martin wird nicht durch den Umzug zum Vorbild, sondern durch das Wissen über seine Taten (vgl. Becker-Huberti, Brauchen wir Bräuche?).

Pflanzen im Brauchtum

Die Bräuche im Jahreslauf veranschaulichen die enge Verbindung zwischen Menschen und Natur und reichen teilweise bis in vorchristliche Zeiten zurück. Das Christentum hat einige dieser Bräuche übernommen und in den eigenen Glauben integriert, wobei es deren Besonderheiten berücksichtigt hat (= Inkulturation). Pflanzen spielen in vielen dieser Bräuche in den unterschiedlichsten Formen eine Rolle: ob als Blumenstrauß, Adventskranz, Christbaum, Palmbuschen oder als Heilpflanze. Viele Bräuche lassen sich auf Beob-

achtungen und Wahrnehmungen der Wirksamkeit bestimmter Pflanzen zurückführen, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Immergrüne Pflanzen, wie z. B. der Buchsbaum, haben eine besondere Bedeutung, weil sie die Kraft und Macht des Lebens symbolisieren (vgl. Ferrari 2014, 32ff).

die archaischen und ausdrucksstarken Bilder der Bräuche sprechen ein tiefes Gefühl an und nicht in erster Linie den Verstand, der in der modernen Welt dominiert. Der Bezug zur eigenen kulturellen Identität kann jedoch ein neues Bewusstsein für ein Leben im Einklang mit der Natur, für das Land und die Landschaft schaffen, in der wir leben. Feste und Bräuche, die bewusst zelebriert werden, können ein Weg sein, sich dem Rhythmus der Natur wieder anzunähern (vgl. Becker-Huberti, Brauchen wir Bräuche?). Sie drücken Respekt und Ehrfurcht vor der Natur, dem Leben und allen Lebewesen aus (vgl. Ferrari 2014, 18ff). 

Literatur und Internettipps:

 Becker-Huberti, Manfred: Brauchen wir Bräuche? www.brauchtum.de/de/brauchen-wir-braeuche.html

 Bieger, Eckard: Feste und Brauchtum im Kirchenjahr. Entstehung, Bedeutung und Traditionen, Leipzig: St. Benno Verlag 2015.

 Freuck, Christiane: docplayer.org/180878738-Christiane-freuck-von-timmerjahn-hollerblueh-undbettstroh-kraeuterfrauen-gaerten-und-pflanzenbraeuche-in-mecklenburg-vorpommern-klatschmohn-verlag.html

 Ferrari, Waltraud: Alte Bräuche neu erleben. Festund Alltag im Rhythmus der Jahreszeiten, Graz: Leopold Stocker Verlag 2014.

 Martin, Julia: www.katholisch.de/artikel/10110-sieben-kraeuter-muessen-es-sein

 Neuert, Christoph: www.herder.de/gd/lexikon/brauchtum/

 Mythen und Brauchtum: www.uni-goettingen.de/de/ mythen+und+brauchtum/23637.html

 Stiegemann, Cornelius: www.katholisch.de/artikel/22064-bahnt-dem-herrn-einen-weg-blumenteppiche-zu-fronleichnam

 Teischinger, Alfred/Fellner, Josef: Alte Holzregeln. Von Mythen und Brauchbarem über Fehlinterpretationen zu neuen Erkenntnissen. Wien: Österreichischer Kunst- und Kulturverlag 2001.

Tradition und Brauchtum sind nicht nur unsere Wurzeln, sondern stehen auch für Gemeinschaft und Zusammenhalt.

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Adventkranz. Foto: Simone Rieser-Kurzmann

IdEEN FÜR dIE PRAxIS

Pflanzenbrauchtum im Jahreskreis

Pflanzen finden sich im Brauchtum in sehr unterschiedlicher Weise wieder. Gerade für den Unterricht bietet es sich an, Hintergründe zu einzelnen Bräuchen zu erarbeiten, Bräuche aber auch real auszuprobieren.

 Barbarazweige

Am 4. Dezember, dem Barbara-Tag, werden Zweige von Obstbäumen, meist Kirschbäume, abgeschnitten und in Wasser gestellt, damit sie bis Weihnachten blühen. Ursprünglich symbolisierten sie den Triumph des Lebens über den Winter. Die Anzahl der Blüten gibt Auskunft über den Verlauf des nächsten Jahres (vgl. Bieger 2015, 21). Unterrichtsidee: Verschiedene Zweige von Obstbäumen in der Klasse in Gefäße mit Wasser geben und beobachten, wie sie sich bis Weihnachten verändern. Welche Zweige fangen an zu blühen? Wer mag, kann auch eine Fotodokumentation machen.

 Barbara-Weizen oder Lucia-Weizen

Dieser Brauch ist in Österreich weit verbreitet, vor allem bei den kroatischen Katholik*innen. Am Tag der heiligen Barbara (4. Dezember) oder der heiligen Lucia (13. Dezember) wird ein Teller mit einem Weizenkorn aufgestellt. In der christlichen Symbolik steht die Frucht, die im Winter sprießt, für Jesus Christus selbst. In der kroatischen Tradition ist der Weihnachtsweizen (Božićna pšenica) mit einer Schleife in den Landesfarben und einer Kerze als Symbol für Christus geschmückt.

Unterrichtsidee: Jede Schülerin/jeder Schüler bekommt ein Weizenkorn und kann dieses zu Hause in einem kleinen Gefäß ansetzen. Am Ende dürfen sie den Weihnachtsweizen schmücken und ein Foto für die Klasse machen.

Schon in vorchristlicher Zeit wurde zur Wintersonnenwende ein Tannenbaum aufgestellt. Im Jahr 1539 stand der erste christliche Weihnachtsbaum im Straßburger Münster.

Durch den deutsch-französischen Krieg von 1870/71 verbreitete sich der Christbaum im Volk, denn König Wilhelm wollte seine Soldaten zu Weihnachten aufmuntern und schickte deshalb zahlreiche Fichten an die Front. Nach ihrer Rückkehr behielten die Soldaten diesen Weihnachtsbrauch bei. Seitdem erinnern uns die geschmückten Tannenbäume auf der ganzen Welt mit ihrem Grün an das Leben (vgl. Mythen und Brauchtum).

Unterrichtsidee: In der Klasse einen Klassen-Christbaum mit selbstgebasteltem Schmuck dekorieren. Unter diesen können dann z. B. Wichtelgeschenke gelegt werden.

 Valentinstag

Ursprünglich begann am Valentinstag, dem 14. Februar, in vielen Gegenden wieder die Arbeit auf den Feldern. Heute stehen an diesem Tag die Liebenden im Mittelpunkt. Dieser Brauch geht auf den heiligen Valentin zurück, der Liebende nach christlichem Ritus verheiratet hat, obwohl Kaiser Claudius II. dies strikt untersagt hatte. Dafür starb Valentin im Jahr 269 den Märtyrertod. Heute schenken sich Liebende weltweit an diesem Tag gegenseitig Blumen. Die sogenannten Liebesschlösser zeigen, wie sich dieser Brauch verändert und angepasst hat. Die Liebenden hängen ein Schloss an eine Brücke und werfen dann den Schlüssel in den Fluss, um ihre ewige Liebe zu verdeutlichen. Dieser Brauch hat seinen Ursprung in Rom (Milvische Brücke) und ist nicht an den Valentinstag gebunden (vgl. Bieger 2015, 48).

Unterrichtsidee: Eine Valentinstagskarte für einen lieben Menschen schreiben oder Blumen aus Seidenpapier basteln und verschenken.

 Palmbuschen Palmbuschen können in Größe (Tirol/Steiermark: bis zu zehn Meter lange Palmstangen) und Zusammensetzung regional stark variieren. Häufig bestehen sie aus Palmkätzchen, Buchsbaum oder anderen immergrünen Zweigen, die mit Weiden zusammengebunden und je nach Vorliebe und Region mit Bändern, Äpfeln oder Ostereiern geschmückt werden. Oft tragen Kinder die Palmbuschen während der Segnung am Palmsonntag. Danach werden sie zuhause aufgestellt. In manchen ländlichen Gegenden werden sie auch auf die Felder gelegt. Der Palmbuschen, der in der Kirche bleibt, wird zu Asche für die Aschenkreuzsegnung im kommenden Jahr verbrannt (vgl. Ferrari 2014, 129f).

Unterrichtsidee: Palmbuschen für zuhause binden, schön schmücken und zur Palmsegnung mitnehmen.

 Maibaum

Der Maibaum (Fichte oder Birke) geht auf einen alten Brauch unserer Vorfahren zurück. In der Nacht zum 1. Mai feierten sie das Frühlingsfest, da diese Nacht nach dem keltischen Kalender den Beginn des Sommers markiert. Nachdem ein Verbot ausgesprochen wurde, in dieser Nacht in den Wald zu gehen, wurden die Bäume einfach ins Dorf gebracht. Erstmals schriftlich erwähnt wur-

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Foto: Simone Rieser-Kurzmann Foto: wikipedia
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de der Maibaum in einer Aachener Urkunde aus dem Jahr 1225. Der höchste Maibaum der Welt wurde 2004 auf der Zugspitze (3000 m Seehöhe) aufgestellt. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts stellten Burschen in manchen Regionen in der Nacht zum 1. Mai kleine Birken oder Fichten mit ihren eingravierten Namen vor die Tür oder das Fenster ihrer Angebeteten – eine Unterart dieses Brauchs (vgl. Mythen und Brauchtum).

Unterrichtsidee: Bänder (mit Namen oder Muster) für den örtlichen Maibaum gestalten oder selbst einen kleinen Maibaum vor der Schule aufstellen und dekorieren.

 Kräuterweihe

Seit dem 7. Jahrhundert feiert die katholische Kirche am 15. August (Maria Himmelfahrt) den Brauch der Kräuterweihe. Dieser Erntebrauch wird im Anschluss an den Gottesdienst vollzogen. Er erinnert an die legendäre Öffnung des Grabes von Maria. Laut Legende fanden die Apostel statt ihres Leichnams Rosen und Lilien – vor dem Grab wuchsen ihre Lieblingskräuter. In Erinnerung daran werden vor allem in ländlichen Gegenden Kräuter gesammelt, zu Büscheln gebunden, am Hochfest geweiht und meist im Haus aufbewahrt. Diese werden dann z. B. bei einem Gewitter im Ofen verbrannt oder ins Viehfutter und Saatgut gemischt und auf Scheunen gesteckt.

Zu Fronleichnam legen Gläubige in vielen Gegenden jedes Jahr aus Blütenblättern großformatige Bilder mit christlichen Symbolen. Das Fronleichnamsfest selbst geht auf die junge Augustinerin Juliana von Lüttich zurück. Bereits 1246 wurde das Fest in Lüttich eingeführt und seit dem 11. August 1264 ist es ein offizielles kirchliches Hochfest. Viele Menschen verbinden heute mit diesem Fest Prozessionen unter freiem Himmel, goldene Monstranzen und Baldachine. Vermutlich wurde der Brauch, Blumen auf den Prozessionsweg zu streuen, im 15. Jahrhundert aus der Mittelmeerregion in die nördlicheren Gegenden importiert. Im Barock wurde das Arrangieren von Blüten zu Bildern insbesondere von den Orden gefördert. Da nördlich der Alpen aufgrund der kälteren Temperaturen nicht so viele bunte Blumen wachsen, stellte das Legen von Blumenteppichen ein Zeichen besonderer Verehrung für die Eucharistie dar (vgl. Stiegemann, Blumenteppich).

die Anzahl und Art der Kräuter, Blumen und Gräser variiert je nach Region. Es können sieben, neun (drei mal drei), zwölf (für die Apostel) oder sogar 77 Kräuter zusammengebunden werden. Auch die Bedeutung der einzelnen Pflanzen spielt eine große Rolle, denn nach alter Tradition und Volksglauben haben nur bestimmte Pflanzen Schutz- und Abwehrkräfte. In der Mitte finden sich meist eine Rose (Maria) und eine Lilie (Josef). Rosmarin steht für guten Schlaf, Salbei für Wohlstand, Weisheit und Erfolg, Wermut für Kraft, Mut und Schutz, Minze für Gesundheit, Kamille für Glück und Liebe, Arnika gegen Feuer und Hagel oder Getreide für das tägliche Brot. Der Strauß kann mit wilder Möhre, Basilikum und Spitzwegerich geschmückt werden (vgl. Martin, Sieben Kräuter). Unterrichtsidee: Eigene Kräuter entweder in der Schule oder auch zuhause ansehen und danach Kräuterbüschel binden.

Blumenteppiche zu legen erfordert viel Ausdauer, Geduld und Zeit, weshalb dieser Brauch nur mehr selten praktiziert wird. Nach der Motivauswahl (zwei bis drei Monate vor dem Fest) wird der Blumenteppich entweder am Abend vor oder am frühen Morgen des Fronleichnamstages gelegt. Die gebräuchlichsten Farben sind Blau, Rot, Weiß und Gelb. Rosen, weißer Schneeball, Geranien und auch Pfingstrosen eignen sich besonders gut (vgl. Stiegemann, o. D.).

Unterrichtsidee: Einen eigenen Blumenteppich für die Kirche im Ort gestalten. Für die Skizzen und Ideen kann das Religionsheft genutzt werden.

Variante: Ich wachse und blühe in Gottes Garten

Das Thema „Blühen“ bietet sich als Jahresthema an und kann im Laufe eines Schuljahres auf vielfältige Weise immer wieder aufgegriffen werden. Zum Beispiel Talente, Einzigartigkeit, Auferstehung, gemeinsames Wachsen und Lernen, Buntheit des Lebens … Bei einem Schulgottesdienst (am Schulanfang) zum Thema „Ich wachse und blühe in Gottes Garten“ werden am Ende an jede Klasse Blumenzwiebeln verteilt. Die Schüler*innen sind gemeinsam mit ihren Klassenlehrer*innen eingeladen, die Blumenzwiebeln einzusetzen und zu pflegen. Gemeinsam können sie beim Wachsen und Blühen beobachtet werden.

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 Blumenteppiche
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AdVENT – ZEIT dES SCHMÜCKENS

Der Advent ist für viele Menschen eine Zeit ganz besonderer Momente, eine Zeit der Ruhe und Besinnlichkeit, der Erinnerungen und Erwartungen. In diesen Wochen vor Weihnachten, die oft auch geprägt sind von Hektik und Stress, nehmen Bräuche und Traditionen einen ganz wichtigen Platz ein und nicht selten spielt dabei das Schmückende eine große Rolle.

Advent – eine Zeit der Vorbereitung

Fiona Rieser

der Name »Advent« leitet sich vom lateinischen Wort „adventus“ ab und bedeutet Ankunft. Weltweit denken Christinnen und Christen in dieser Zeit an die Ankunft, die Geburt Jesu, aber auch an seine Wiederkunft am „Ende der Zeiten“ und sein Kommen im Hier und Jetzt (vgl. Christlicher Advent). Die Vorfreude, die Hoffnungen und das Warten auf diesen besonderen Moment der Menschwerdung Gottes zeigt sich auch in vielen Bräuchen. So werden etwa die Häuser geschmückt und vorbereitet und Adventkränze und Adventkalender kunstvoll gestaltet. Mit dem ersten Adventssonntag beginnt aber nicht nur eine Zeit des Wartens und Schmückens, sondern auch das neue Kirchenjahr (vgl. Was ist Advent).

Von seinem Ursprung her ist der Begriff »Advent« untrennbar mit dem griechischen Wort »epiphaneia« (Erscheinung) verbunden, das die Ankunft bzw. den Besuch eines Amtsträgers (z. B. König oder Kaiser) oder die Ankunft der Gottheit im Tempel ausdrückte. Diese Bedeutung wurde vom Christentum mit Blick auf die besondere Beziehung zu Jesus übernommen (vgl. Die Adventszeit). Ursprünglich als Fastenzeit zwischen dem 11. November und dem ursprünglichen Weihnachtstermin, dem 6. Jänner (Fest der Erscheinung des Herrn) festgesetzt, durfte in die-

ser Zeit weder getanzt noch gefeiert oder kirchlich geheiratet werden (vgl. Advent – Beginn des Kirchenjahres). Der reduzierte Blumenschmuck und die liturgische Farbe Violett erinnern noch heute an die Verbindung zu Ostern (vgl. Was ist Advent).

Regional war die Dauer des Advents lange Zeit sehr unterschiedlich (zwischen vier und sechs Wochen). Im 11. Jahrhundert wurde sie dann in ihrer heutigen Form mit vier Sonntagen festgelegt (vgl. Veitschegger, Christlicher Advent). Die Adventzeit beginnt an einem Sonntag zwischen dem 27. November und dem 3. Dezember und endet am Christtag.

Beeinflusst wurde die Bedeutung der Adventzeit einerseits vom endzeitlichen Motiv der Wiederkunft Christi (in den gallischen Gebieten), weshalb sie als Zeit ernsthafter Buße angesehen wurde. In römischen Einflussgebieten rückte hingegen das weihnachtlich-freudige Ankunftsmotiv der Menschwerdung Gottes ins Zentrum. Beide Deutungen finden sich an den verschiedenen Adventsonntagen in der Liturgie wieder (vgl. Die Adventszeit).

Advent – eine Zeit der Bräuche

Der Advent ist eine Zeit des Brauchtums: Adventkranz (ursprünglich evangelisch – Johann Hinrich Wichern), Adventkalender, Herbergssuchen („Maria“ und „Josef“ ziehen umher und bitten um Gaben für die Armen), Frauentragen (Weitergabe eines Marienbildes von Haus zu Haus), „Rorate" (besondere Frühmesse) und noch viele mehr (vgl. Veitschegger, Christlicher Advent). Der besondere Zauber dieser Zeit, in der wir, so Pater Anselm Grün, unsere Sehnsüchte ganz stark spüren, zeigt sich auch durch das Anbringen von Mistelzweigen (Sinnbild für die Unsterblichkeit, da sie auch im Winter wachsen) an der Haustür, die symbolisch für Weihnachten stehen und alle Gäste des Hauses begrüßen sollen.

In vielen Familien gibt es einen Adventkranz und einen Adventkalender, die traditionell die Wochen bis Weihnachten begleiten. Neben der christlichen Symbolik gehören diese aufgrund der schmückenden Wirkung der grünen Zweige, des meditativen Charakters der leuchtenden Kerzen und der mitunter sehr kreativen und aufwendigen Gestaltung sicher zu den bekanntesten Bräuchen im Advent.

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Adventgedanken Foto: Simone Rieser-Kurzmann
Aus

der Adventkalender

Viele Menschen kennen und lieben diese Tradition. Doch woher stammt sie? Der erste Adventkalender ist aus dem 15. Jahrhundert bekannt. Er zeigte ein Bild mit Maria, dem Jesuskind und einem Baum. Die Zweige des Baumes trugen 24-mal den Buchstaben "A" für "Ave-Maria".

Im 19. Jahrhundert entstanden im aufstrebenden Bürgertum viele der weihnachtlichen Bräuche, die jedoch nicht den liturgischen Vorgaben der Kirchen folgten, sondern sich zu privaten Familienfesten entwickelten. In der Mitte des 19. Jahrhunderts lassen sich zahlreiche Spuren des Adventkalenders finden. Die ersten Formen stammen aus dem protestantischen Umfeld in der Zeit um 1840. Die Familien versuchten die Wartezeit auf Weihnachten erfahr- und begreifbar zu machen und die Tage bis zum Heiligen Abend zu veranschaulichen. Regional als auch konfessionell gab es hier Unterschiede (vgl. Der erste Adventskalender).

Am Anfang verdeutlichen etwa 24 Kreidestriche an der Wand die Zeit bis Weihnachten. Bei diesen sogenannten „Strichkalendern“ durften die Kinder jeden Tag einen Strich wegwischen. Beliebt waren auch die „Adventkerzen“, die jeden Tag bis zur nächsten Markierung abgebrannt wurden. Auch der Brauch, für jede gute Tat einen Strohhalm in eine Krippe zu legen, damit das Jesuskind bequem liegen konnte, war in unterschiedlichen Regionen verbreitet (vgl. Der erste Adventskalender).

Unseren Adventkalendern ähnlicher war der Brauch, 24 Bilder nach und nach an einer Wand aufzuhängen bzw. an ein Fenster zu kleben. Diese teilweise selbstgebastelten Adventkalender hatten zum Teil bereits Türen oder Fenstern für jeden Tag der Weihnachtszeit (vgl. Was ist Advent; Der erste Adventskalender).

1902 druckte die Evangelische Buchhandlung in Hamburg eine „Adventuhr für Kinder“, auf der die Tage bis Weihnachten wie auf dem Ziffernblatt aufgedruckt waren. 1904 erschien im „Neuen Tagblatt Stuttgart“ ein Adventskalender als Zeitungsbeilage (vgl. Der erste Adventskalender).

Auch wenn es keinen eigentlichen Erfinder des Adventkalenders gibt, gilt der Verleger Gerhard Lang aus München doch als „Vater“ des Adventkalenders. 1902/1903 druckte er den ersten Kalender. Dieser hatte keine Türchen, sondern war zweigeteilt. Ein bedruckter Karton enthielt 24 nummerierte Felder mit Versen. Ergänzt wurde der Karton durch ein Blatt mit Bildern. Jeden Tag sollte ein Bild ausgeschnitten und auf den Karton mit den Versen geklebt werden.

Heute gibt es Adventkalender in verschiedensten Ausführungen und Formen: mit bunten Bildern, Schokolade, Tee, Spielzeug oder anderen Kleinigkeiten (vgl. Adventbräuche). Auch digitale Adventkalender, Zündholzadventkalender oder Türadventkalender erfreuen sich

heutzutage sehr großer Beliebtheit. Ideen für die Praxis Wie viele Tage noch? Das ist eine Frage, die viele Schülerinnen und Schüler in der Adventzeit immer wieder stellen. Gerade Bräuche können den Alltag bewusst unterbrechen und so auf das Besondere dieser Zeit und die eigentliche Bedeutung des bevorstehenden Weihnachtsfestes hinweisen. Als Ritual am Stundenbeginn oder -ende, als bewusste Auseinandersetzung mit Themen wie: Anderen oder mir selbst etwas Gutes tun, Nachhaltigkeit, Gemeinschaft oder der Geschichte verschiedener Bräuche können die Schüler*innen Bekanntes wiederholen, vielleicht auch neue und andere Zugänge entdecken und miteinander ins Gespräch kommen.

Mit dem Adventkalender auf den nächsten Seiten möchten wir nicht nur Impulse für diese Zeit des Wartens, sondern auch Raum für eigene Ideen und Gestaltungen geben. 

Literatur und Internettipps:

 Das große Hausbuch zur Weihnachtszeit, München: Arsedition 2017.

 Rothfels, Jasper: Entscheidung vor fast 1000 Jahren, abrufbar unter: Historische Festlegung der Adventszeit - DOMRADIO.DE

 Veitschegger, Karl: Christlicher Advent, abrufbar unter: Christlicher Advent - Kurzinformation (karl-veitschegger.at)

 Adventbräuche – KiwiThek

 Adventsbräuche und ihre Herkunft im Überblick | Vivat! Magazin (vivat-shop.at)

 Adventszeit - Ursprung einer langen Tradition | Vivat! Magazin

 Die Geschichte des Adventskalenders (sellmer-adventskalender.com)

 Der Adventskalender - Die Geschichte und Entstehung - www.adventskalender.de

 Der erste Adventskalender. Inhalt (filmwerk.de)

 Was ist Advent: Ursprung und Bedeutung der Vorweihnachtszeit | Erzbistum Köln (erzbistum-koeln. de)

 www.heiligenlexikon.de/Kalender/Advent.html

die Adventzeit ist eine Zeit, in der wir unsere Sehnsüchte ganz stark spüren.

Pater Anselm Grün

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Im Lande des Christkinds. Foto: Wikipedia
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ÜBERGÄNGE GESTALTEN

In beinahe allen Kulturen und Religionen werden Übergänge von Fest und Feier begleitet. Diese Rituale geben Halt in der unsicheren Schwellen-Phase, in der das Alte, Vertraute nicht mehr gilt und das Neue, Unbekannte noch nicht trägt. Durch ihren orientierenden Rahmen tragen sie dazu bei, in diesem „Dazwischen“ nicht zu stolpern.

Monika Prettenthaler Andrea Scheer

Das Leben ist untrennbar mit Übergängen verbunden. Wenn diese Übergänge gelingen, können sie den weiteren Entwicklungsweg positiv beeinflussen. Den Übergängen innerhalb der Schullaufbahn und weiter von der Schule ins Berufsleben kommt dabei eine besondere Bedeutung zu.

Diese Übergänge können pädagogisch begleitet und gestaltet werden. Diese Aufgabe wird erst seit einigen Jahren sowohl theoretisch als auch praktisch vermehrt in den Blick genommen. Für die religionspädagogische Arbeit tun sich in diesem Feld viele Gelegenheiten der Mitgestaltung auf, weil ReligionslehrerInnen sich gerade hier mit ihrer Expertise und Ritualkompetenz einbringen können.

Transitionen

„Sozialwissenschaftlich werden Transitionen als zeitlich begrenzte Phasen in der Entwicklung des Individuums aufgefasst, die durch markante Ereignisse ausgelöst werden und durch Merkmale der Kontinuität und Diskontinuität gekennzeichnet sind. Sie sind sowohl ein subjektives als auch ein soziales Geschehen, das die Akteure und ihren Status innerhalb einer sozialen Größe verändert. Individuell können sie destabilisierenden Charakter haben und als Krisen oder Brüche wahrgenommen werden, für andere vollziehen sie sich ganz bruchlos und sanft.“ (Helbling 2015). Diese hier benannten Charakteristika aufgreifend, wird im pädagogischen Feld für Übergänge zwischen elementarpädagogischen Einrichtungen und Primarstufe, zwischen Primarstufe und Sekundarstufe und weiter in die Berufswelt, Hochschule und Universität der Terminus „Transition“ verwendet.

Herausforderungen für Kinder und Jugendliche

 Neue Beziehungsnetze müssen geknüpft werden: Einschreib-Fest, Schnuppertage, gemeinsame Projekte für Kinder unterschiedlicher Bildungsinstitutionen, PatInnen-Systeme sind hier beispielsweise unterstützende Möglichkeiten.

 Hineinwachsen in neue Rollen: Die Orientierungsphase bzw. das Ankommen in der neuen Rolle darf dauern (und das gilt für alle Beteiligten: SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern), weil damit Entwicklungsaufgaben verbunden sind (Selbstständigkeit, Verantwortung, Umgang mit Diskontinuitäten, Bewältigung unterschiedlicher pädagogischer Stile, Fachlogiken …).

 Krisen: Der Umgang mit Ängsten, Trennung, Isolation, … kann mit zunehmender Komplexität des sozialen System zu einer Lernaufgabe werden.

 Zurechtfinden in den je eigenen Gesetzmäßigkeiten der (neuen) Schule: Hier wird beispielsweise im Wechsel von der Primarstufe in die Sekundarstufe I die grundlegende Kompetenz von SchülerInnen sichtbar, wenn diese sich innerhalb weniger Tage an andere räumliche Dimensionen, viele unterschiedliche Lehrpersonen und eine meist größere SchülerInnengruppe mit vielen neuen Gesichtern „gewöhnen“ – dass hier spezielle Angebote wie Kennenlerntage oder Projekttage im Sozialen Lernen und natürlich auch verschiedene Formen von Eröffnungsfeiern bzw. -festen und Gottesdiensten hilfreich sind, liegt auf der Hand.

Anforderungen an die LehrerInnen

(vgl. Brade/Dühlmeier 2016, 10–11)

Der folgende Katalog pädagogischer Fähigkeiten beschreibt die in dieser sensiblen Phase besonders geforderte Transitionskompetenz von LehrerInnen.

 Beziehungsfähigkeit (vs. Verwaltung von schulorganisatorischen Notwendigkeiten).

 Offenheit für Heterogenität (vs. vorschnelle „Gleichmacherei“).

 Diagnostische Kompetenz (vs. Einordnung in ein Beurteilungssystem).

 Empathie (vs. ein „Zu-schnell-Verstehen“).

 Selbstreflexion (vs. Berufsroutine).

 Forschendes Lernen (vs. die Haltung, ohnehin schon alles und alle zu kennen).

 Teamfähigkeit (vs. Einzelkämpfertum).

 Fachwissen (aktueller Stand in Verbindung mit sozialer und pädagogischer Professionalität).

 Kenntnisse der Rechtslage und der vielen Möglichkeiten, Transitionsphasen flexibel gestalten zu können.

 Elternbegleitung in Übergangsphasen.

Religionspädagogische Aspekte

Neben der Chance, die eine Beteiligung von ReligionslehrerInnen an den bisher beschriebenen Aktivitäten bietet, können vielfältige spezifisch religionspädagogische und (schul-)pastorale bzw. (schul-)seelsorgliche Akzente gesetzt werden. Vertraut ist es z. B., den Übergang von Zuhause in die Schule durch einen Morgenimpuls zu begleiten. Im Blick auf sozial herausfordernde

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Schulmilieus kann dieser Zugang durch die „leibsorgliche“ Seite ergänzt werden: SchülerInnen bekommen ein einfaches Frühstück, Gesprächsmöglichkeiten und Aufenthaltsräume in der Ankommensphase werden organisiert … Nicht nur diese Initiativen, sondern die schulische Fest- und Feierkultur insgesamt, die Gestaltung von Besinnungs- und Einkehrtagen bietet – gerade auch im Blick auf die Begleitung von Übergängen – viele Möglichkeiten der interreligiösen Kooperation. Gemeinsame Themen sind beispielsweise:

Schulanfang und Schulende, Abschied, Schulwechsel, Neuanfänge, Identitätsfrage.

Spezifische Themen für den katholischen Religionsunterricht, die auch die Schule – in Zusammenarbeit mit den entsprechenden pfarrlichen

Feldern – berühren:

Vorbereitung und Gestaltung der Erstkommunion, verschiedene Angebote zum Sakrament der Versöhnung, Firmvorbereitung.

Ideen aus der Praxis

… zum Schulwechsel während eines Schuljahres

Viele Gründe sind denkbar, die SchülerInnen an einer Schule „stolpern“ lassen: eine falsche Schulwahl, Über- oder Unterforderung, soziale Schwierigkeiten …

Eine Schatzkiste mit guten Wünschen oder mit einer Sammlung von gemeinsamen Erlebnissen, netten Erinnerungen …, die von den bald ehemaligen MitschülerInnen gestaltet wird und dem/der weggehenden SchülerIn in einer Abschiedsstunde übergeben wird, kann einen guten Neustart unterstützen.

… Türen erzählen

Türen sind per se Übergänge und begleiten als „Zeuginnen“ den Lebensweg von Menschen: In schulischen Anfangs- und Abschiedssituationen können beispielsweise die Volksschultür und das Tor der NMS oder des Gymnasiums miteinander über den/die SchülerIn, die täglich durch sie gegangen sind bzw. gehen werden, ins Gespräch kommen. Genauso können Dialoge oder das Verfassen von Tagebucheinträgen der Tür zum eigenen Zimmer, dem Haus- oder Wohnungstor, der Klassentür … helfen, Transitionsphasen zu reflektieren.

 ... liturgisches Element am Ende eines Schuljahres: Einen Lebensteppich weben.

DU, GOTT und ICH

Die Grundidee ist der je individuelle „Lebensteppich“, in dem alles miteinander verwoben ist, was einen Menschen ausmacht. Beim Verabschieden und Zurückschauen am Ende des Schuljahres stellt sich die Frage, wie es wohl weitergeht, aber auch: Was bleibt von dem, was war? Nicht alles kann aufrechterhalten werden – das betrifft vor allem Beziehungen –, aber die Anknüpfungspunkte bleiben, und durch sie wird der Lebensteppich weitergewoben – durch DU, GOTT und ICH.

 Kyrie-Text

Gott, wir weben gemeinsam an unserem Lebensteppich. Manchmal zerreißen schöne Fäden. Knüpfe Trost in meinen Faden und heile, was zerrissen ist.

HERR, ERBARME DICH.

Gott, wenn wir weben, verstricken wir uns oft: Fäden geraten ineinander und verknoten sich. Webe den Faden der Vergebung und löse, was im Hass und Streit gebunden ist. CHRISTUS, ERBARME DICH.

Gott, achtlos übersehen wir oft das Wunderbare in unserem Leben, die wunderschönen Muster und Farben. Wir vergessen auf dich, du Schöpfer und Weberin allen Lebens. Knüpfe deinen Faden an meinen und lass mich in mein Herz sehen.

HERR, ERBARME DICH.

 Biblische Erzählung: Mk 2,1–12

Begonnene Fäden für ein Exegetisieren: Der Gelähmte ist eingewoben in ein Freundschaftsnetz; die Freunde und Freundinnen suchen nach einer Lösung; an Seilen von oben – himmlisch – knüpft er an Jesus an; Jesus knüpft Fäden zu ihm …

Quellen und Literaturtipps

 Brade, Janine / Dühlmeier, Bernd: Die Herausforderung, in: Grundschule 2 (2016) 7–11: Meine neuen Erstklässler! Wie Sie den Übergang vom Kindergarten in die Schule erfolgreich gestalten können.

 Helbling, Dominik: Art. Übergänge, schulische, in: Das Wissenschaftlich-Religionspädagogische Lexikon, 2015, abrufbar unter: www.bibelwissenschaft.de/de/ stichwort/100035

 Hof, Christiane / Meuth, Miriam / Walther, Andreas (Hg.): Pädagogik der Übergänge: Übergänge in Lebenslauf und Biografie als Anlässe und Bezugspunkte von Erziehung, Bildung und Hilfe, Weinheim: Beltz Juventa 2014.

 Koch, Katja: Übergänge ressourcenorientiert gestalten: Von der Grundschule in die weiterführende Schule: Kinderstärken für den Übergang, Stuttgart: Kohlhammer 2017.

 Welt des Kindes 4 (2015): Nahtlos und mit Zuversicht: Übergänge.

„das Glück des Lebens besteht nicht darin, wenig oder keine Schwierigkeiten zu haben, sondern sie zu überwinden.“

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Kinderzeichnungen – Lebensfäden. Fotos: Andrea Scheer

dIE KuLTuR dES BEGINNENS

Jedem Anfang wohnt ein besonderer Zauber inne, der begleitet wird von Erwartungen, Hoffnungen, Interesse oder Neugierde. Gleichzeitig löst er unterschiedliche Stimmungen und Gefühle aus. Gerade die Schule ist ein Ort des Beginnens: der Beginn der Schulzeit, eines neuen Schuljahres oder Schultages, aber auch der Beginn von besonderen Stunden und Feiern

Simone RieserKurzmann

Eva Bacher

Verena Krenn

Herbert Stiegler

Wie sagte einst schon der römische Dichter Horaz: „Wohl begonnen, ist halb gewonnen.“ (www. aphorismen.de/zitat/10182) In vielen Kulturen und Religionen hat das Gestalten und Zelebrieren des Beginns eine lange Tradition, denkt man etwa an das Juden- und Christentum oder das antike Rom. Für Gläubige steht jeder Anfang unter dem Schutz und Segen Gottes, der alles Tun begleitet und mitgestaltet. Ein Beginn, geprägt durch Sorgfalt und Aufmerksamkeit, durch die Hin- und Zuwendung zu den Schüler*innen und durch ehrliches Interesse am Gegenüber, kann im Schulalltag einen sicheren Anker schaffen, der Halt und Orientierung gibt. Jeder Anfang ist zugleich auch immer eine Übergangsphase zwischen dem Davor und dem Danach. Menschen und Räume, aber auch zeitliche Strukturen wirken sich wesentlich auf die Kultur des Beginnens aus (vgl. Loidolt 2017, 43-44):

 Können neue Räume gemeinsam erkundet werden?

 Passen die Räume für das Alter der Schüler*innen?

 Leiten einfache, wiederholbare und verbindende Rituale den Beginn sinnhaft ein?

 Werden eigene Stärken, Kreativität und Fantasie gefördert und wird an Ressourcen erinnert?

 Wird die Vielfalt der Menschen und ihr Umgang mit Neuem wahrgenommen?

 Beginnt der Tag mit einem besonderen Morgenritual und einer gestalteten Mitte?

Beginnen als dynamischer Prozess Für die Theologin und Religionspädagogin Maria Juen stellt der Stundenbeginn eine Zeit vielfältiger Interaktionen und Kommunikationen seitens der Schüler*innen dar. Diese lösen verschiedenste Dynamiken aus, die teilweise nebeneinander stattfinden, miteinander in Konflikt treten oder übereinstimmen und die Beziehungsebene beeinflussen. Häufig geht es darum, eigene Interessen durchzusetzen. Deshalb erfordert der Beginn von Lernenden und Lehrenden die Bereitschaft, sich auf den Gegenstand bzw. das Gegenüber einzulassen (vgl. Juen 2013, 4-5).

Fünf Einflussfaktoren wirken sich, so Juen, auf die Kultur des Beginnens aus (vgl. Juen 2013, 5-7):

1. Beginnen im Spannungsfeld zwischen Chaos und Ordnung: So wie Gott aus dem Chaos Ordnung schafft, geht es auch beim Beginnen darum, eine Balance zwischen diesen beiden Polen herzustellen und Platz zu schaffen für ein gelingendes Miteinander.

2. Immer wieder neu beginnen: Schule hat stets mit Beziehung zu tun. Diese kann den Anfang einfach oder schwierig gestalten und von einem „Miteinander-anfangen-Wollen“ oder einem „Miteinander-anfangen-Müssen“ („Machtprobe“) geprägt sein. Ein Unterrichtsbeginn gelingt nur dann, wenn alle Beteiligten bereit sind, z. B. gemeinsam an Konflikten zu arbei-

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SYMBOLISIEREN und FEIERN
dem Methodenlabor
Gestaltete Mitte. Foto: Simone Rieser-Kurzmann
Aus

ten, störende Muster in der Interaktion und Kommunikation abzulegen oder sich bewusst mit den Verstrickungen innerhalb einer Klasse auseinandersetzen.

3. Zeit des In-Beziehung-Tretens: Der Stundenbeginn ist häufig geprägt von Interaktion, die kaum Zeit für persönliche Gespräche und Kontakte lässt. Doch gerade der Beginn ist der „Kairos“ (entscheidende Augenblick) der Kontaktaufnahme, der persönlichen Aufmerksamkeit, Intuition und Wachheit – immer mit Blick auf den Einzelnen, aber auch auf die ganze Klasse.

4. Anfangsrituale: Rituale können zu Beginn helfen, den Übergang von der Pause hin zum gemeinsamen Lernen für Schüler*innen zu erleichtern.

5. Der Beginn als Ausdruck der Schulkultur: Die strukturellen Rahmenbedingungen einer Schule wirken sich sehr stark auf das Miteinander des Beginnens aus. Deshalb braucht es Unterrichtssettings, die verschiedene Lernwege und -rhythmen unterstützen und die Schüler*innen den Unterricht mitgestalten lassen.

Beginnen – aber wie?

Am Beginn der Stunde geht es zuallererst um das wechselseitige Orientieren, Motivieren, Entdecken und Informieren. Wie intensiv und aktiv die Beteiligten sich hier einbringen, ist sehr unterschiedlich (vgl. Sinz 2009, 1). Ein Unterrichtsbeginn kann etwa Neugierde und Interesse wecken, zur Sache führen, Altes und Neues vernetzen, individuelle Zugänge ermöglichen, eine Einführung geben, aber z. B. auch disziplinieren, um eine gute und effektive Zusammenarbeit möglich zu machen. Begonnen werden kann mit (vgl. Paradies/Greving 2018, 13-16):

 Ritualen, die ohne Bezug zu Thema und Inhalt stehen, immer wiederkehren und fest institutionalisiert sind.

 einem Thema, das nahe am Unterrichtsthema angesiedelt ist.

 aufwendigeren Formen, die längere Zeit dauern und ebenfalls zum Thema hinführen, wie z. B. der Angebotstisch.

Bei dieser Methode können sich die Schüler*innen im Gehen und Schauen mit einem Thema vertraut machen. Sie können das Thema genau begutachten und einen ersten Eindruck gewinnen. Das Thema steht hier im Fokus und die Lehrperson tritt in den Hintergrund. Fast alle Unterrichtsthemen haben verschiedene Schwerpunkte und Aspekte, die von theoretischen bis zu praktischen und kreativen Zugängen reichen können.

der Angebotstisch ermöglicht einen ersten Zugang zur Gliederung, den Haupt- und Randthemen und auch dazu, ob man sich persönlich angesprochen fühlt (vgl. Paradies/Greving 2018, 48-49).

Ideen für die Praxis

 Beginnen im Gebet

Mein persönliches Gebetsbuch

Idee:

Die Schüler*innen dürfen am Beginn jeder Religionsstunde ein Gebet in ihrem persönlichen Gebetsbuch verfassen. Der Schreibprozess wird durch Signale begleitet. Im Anschluss ist es auch möglich, dass eines der Gebete vorgelesen undsse gemeinsam gebetet wird.

Material:

Notizhefte (A6), Stifte, evtl. Linienspiegel A6

Methodisch-didaktische Anmerkungen:

Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Schüler*innen bereits mit dem Verfassen eigener Gebete vertraut sind. Zudem benötigt es klare Strukturen, beispielsweise Signale, an denen sich die Schüler*innen orientieren können und unterstützende Angebote (z. B. Impulskärtchen).

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Vernetzter Unterricht.
SYMBOLISIEREN und FEIERN
Foto: Simone Rieser-Kurzman Angebotstisch. Foto: Simone Rieser-Kurzman

Organisatorische Anmerkung: Das Gebetsbuch kann auf der Innenseite des Umschlags im Religionsheft aufbewahrt werden. Zudem empfiehlt es sich, Hilfskinder einzuteilen, welche die Impulskärtchen an der Tafel platzieren und die Hefte an einem für alle Kinder gut zugänglichen Platz vorbereiten.

 Beginnen in Stille und Achtsamkeit Stilleübungen können im Religionsunterricht und darüber hinaus zu einer Förderung einer Kultur des Beginnens beitragen.

Diese Übungen helfen Schüler*innen, sich zu sammeln und ruhig zu werden. Die Ruhe wird als angenehm und entlastend empfunden. Primär geht es dabei nicht um Spiel und Unterhaltung. Schüler*innen erfahren, dass Stille guttut und zu einer inneren Ruhe beitragen kann.

Sinnvoll sind wenige und klare Vereinbarungen. Während einer Stilleübung soll nicht gesprochen werden. Die Schüler*innen werden gebeten, während der Übung die Augen zu schließen und sich auf sich und ihre Wahrnehmungen zu konzentrieren. Wer sich nicht mehr konzentrieren kann, braucht nicht weiterzumachen. Er oder sie verhält sich aber ruhig, damit die anderen nicht gestört werden.

Eine gute Praxis ist es, ein Ritual an den Beginn der Übung zu setzen (Kerze, Klangschale …). Weiters soll eine offene Körperhaltung gewählt werden, die eine freie Atmung ermöglicht. Empfehlenswert ist ein Abschlussritual, um langsam aus den Übungen aussteigen zu können.

Am häufigsten werden Wahrnehmungsübungen praktiziert. Stille und Achtsamkeit können auch durch Bewegungsübungen (Yoga, Sonnengebet …) oder durch Gedankenübungen (Fantasiereisen …) eingeübt werden (vgl. Stögbauer-Elsner, www.bibelwissenschaft.de/ stichwort/100244/).

– Stille wahrnehmen

Die Lehrperson lädt ein, Stille eine bestimmte Zeit „auszuhalten“. Nach einer Minute lässt die Lehrperson schätzen, wie lange diese Phase war.

Umgebung hören

Die Schüler*innen lauschen innerhalb einer vereinbarten Zeit (zwei bis drei Minuten) mit geschlossenen Augen den Alltagsgeräuschen in der Umgebung, anschließend tauschen sich alle über das Gehörte aus.

Einen Klang zu Ende hören

Die Schüler*innen schließen die Augen. Die Lehrperson schlägt auf einem Musikinstrument (Klangschale, Triangel …) einen Ton an und die Schüler*innen öffnen ihre Augen, wenn sie den Ton nicht mehr hören.

KIM Übungen

Diese fördern Ruhe und Achtsamkeit sich selbst und andern gegenüber (vgl. verlagmodernes-lernen.de/shop/pdf/8365/leseprobe2/8365.pdf).

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Ella, 9 Jahre. Foto: Verena Krenn Persönliches Gebetsbuch. Foto: Verena Krenn Impulskärtchen. Foto: Verena Krenn
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 Beginnen in Dynamik

Bevor mit einer Übung begonnen wird, ist es wichtig, die Befindlichkeit der Klasse wahrzunehmen. Mit der Formulierung eines „Einladungssatzes“ soll emotional Kontakt aufgenommen werden. Diesen Satz kann man natürlich variieren, er sollte jedoch die Schüler*innen direkt ansprechen (vgl. Rendle 2007, 18).

Atempause

„Einladungssatz: ‚Heute habt ihr schon einige Stunden arbeiten und euch konzentrieren müssen. Jetzt habt ihr eine Verschnaufpause verdient.‘

Bei dieser Übung Fenster öffnen. In beliebiger Haltung wiederholt hörbar und möglichst ganz ausatmen. ‚Nimm in dieses Ausatmen alles mit, was du jetzt loswerden möchtest, was du gerade nicht mehr brauchen kannst (…). Lass so viel frische Luft wieder ein, wie Platz hat - ohne zu pressen und zu pumpen! Je mehr Altes du ausatmest, desto mehr Neues hat Platz.‘“ (Rendle 2007, 18)

– Beinspiel

Einladungssatz (nach Rendle): „Vielleicht fühlt ihr euch manchmal unsicher und hin- und hergerissen. Dann tut es gut, sein Gleichgewicht wieder zu finden und einen festen Stand zu spüren. Beidbeiniger geschlossener Stand, Gewichtsverlagerung abwechselnd vom rechten auf das linke Bein und den gestreckten Körper leicht zur Seite neigen. Die Belastungsverteilung gut erspüren. Die Pendelbewegung immer mehr verkleinern bis man schlussendlich ruhig und auf beiden Beinen mit gleichverteiltem Gewicht steht. Die Übung mit geschlossenen Augen wiederholen.“ (Nikl/ Schwarz 2012, 36)

– Finde die Mitte Einladungssatz (nach Rendle): „Die folgende Übung kann dabei helfen, die eigene Mitte zu finden, um sich selbst ‚zu entschleunigen‘. In der Ruhe liegt die Kraft.

Anfangen vollzieht sich inmitten vielfältiger dynamiken und ist selbst ein äußerst dynamisches Geschehen.

Bei sich anklopfen

„Einladungssatz: ‚Alle Glieder, die müde, lahm und schwer geworden sind vom Schreiben, Hören, Sitzen, und Denken wollen wir wachklopfen.‘

Aus lockerem Handgelenk heraus leicht auf die Körperteile klopfen, die geweckt und belebt werden sollen: Arme, Schultern, Nacken, Brustraum, Beine. Dazwischen die Hände immer wieder lockern und ausruhen lassen. Sich nicht ‚schlagen‘, sondern liebevoll, aber bestimmt, aus Müdigkeit und Schlaffheit wecken.“ (Rendle 2007, 19)

Augenkur

„Einladungssatz: ‚Ihr müsst den ganzen Vormittag viel und genau schauen; Tabellen, Kurven, Vokabeln, Noten, … Eure Augen brauchen dazwischen eine Regeneration.‘

Nach dem Absetzen der Brillen die Handinnenflächen aneinanderreiben, bis sie ganz warm und durchblutet sind, dann wie eine gewölbte Schale über die Augen legen, ohne sie zu berühren. In dieser warmen Höhle können die Augen ausruhen, abwechselnd geschlossen und geöffnet. […] Nach der Ruhepause werden die Finger ganz langsam gespreizt. Immer mehr Licht fällt auf die Augen. Die Hände verabschieden sich. Die Augenlider gehen einige Male rasch auf und zu.“ (Rendle 2007, 19)

Ausruhen wie ein Droschkenkutscher

„Einladungssatz: ‚Immerzu sitzen ist anstrengend. Schulmöbel sind nicht gerade ideale Sitzgelegenheit. Abwechslung im Sitzen tut not.‘

Im Sitzen die Füße fest und möglichst breit auf den Boden stellen. Ellenbogen und Unterarme stützen sich auf die Oberschenkel. Der Oberkörper beugt sich dabei weit vor. Der Kopf darf hängen, wie er will, und mit ihm Wangen, Lippen, Nase, Stirne … Nach der Ruhepause richtet sich der Rücken ganz langsam wieder auf […]. Zuletzt hebt sich der Kopf. […] Ich schaue mich um. Ich bin da — auf meinem Platz.“ (Rendle 2007, 20)

Im beidbeinigen Stand Füße eng zusammenstellen. Augen offen und in Blickrichtung nach vorne gerichtet. Eine Hand auf den Bauchnabel und die andere Hand auf den Rücken, in Höhe des Steißbeins, legen. Die Hand am Rücken massiert nun ca. zwei Minuten lang das Steißbein. Dabei ruhig und tief ein- und ausatmen. Danach werden die Hände gewechselt und die Übung wiederholt.“ (Nikl/Schwarz 2012, 39)

Literatur und Internettipps:

 Der Dobler Weg, „Nicht nebeneinander, sondern miteinander“. Das Unterrichtsmodell an der PMS der Barmherzigen Schwestern in Dobl bei Graz, Rypka: Dobl 32015.

 Horaz, abrufbar unter: www.aphorismen.de/zitat/10182

 Huen, Maria: Der Stundenbeginn als Prozess inmitten vielfältiger Dynamiken, in: Reliplus, 09-10|2013, 4-7.

 Jäggle, Gabriele: Das Morgenkreisbuch. 111 Impulse zur kreativen Gestaltung, Weinheim, Basel: Beltz 2017.

 Loidolt, Helene: Den Geist des Anfangs bewahren –eine Kultur des Beginnens pflegen, in: Pendl-Todorovic, Neuhold Hans: Religion entdecken 1. Handbuch zu Religion entdecken 1, Graz: Finster-Verlag 2017.

 Nikl, Daniela/Schwarz, Werner: Vital4Brain. Programmstruktur und Vital4Brain Übungen, Wien: Eigenverlag 2012, abrufbar unter: www.simplystrong.at/ download/

 Paradies, Liane/Greving, Johannes: Unterrichtseinstiege, Berlin: Cornelsen 112018.

 Scheer, Andrea/Prettenthaler, Monika: Stilleübungen, in: Reliplus 09-10 (2015) 21. Rendle, Ludwig (Hg.): Ganzheitliche Methoden im Religionsunterricht, München: Kösel 2007.

 Sinz, Wolfgang: Motivierende Unterrichtseinstiege, abrufbar unter: Down-loads/Vorschau_45935_Unterrichtsmethoden_Motivierende_Unterrichtseinstiege.pdf

 Stögbauer-Elsner, Eva: Stilleübungen, abrufbar unter: www.bibelwissenschaft.de/stichwort/100244/ verlag-modernes-lernen.de/shop/pdf/8365/leseprobe2/8365.pdf)

 www.rpz-heils-bronn.de/Dateien/Arbeitsbereiche/ Mittelschule/10-Minuten-Uebungen/10_min_uebung-stilleuebungen.pdf

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SYMBOLISIEREN und FEIERN

dIE KuLTuR dES BEENdENS

Wer kennt es nicht, dieses Gefühl, wenn plötzlich die Schulglocke als Wächterin der Zeit auftritt und laut und deutlich das Ende der Stunde verkündet. Oft ist man noch mitten im Arbeiten oder möchte die Stunde noch angemessen abschließen, doch stattdessen entsteht eine ganz eigene Dynamik aus körperlichem und geistigem Zusammenpacken. Die Glocke beendet, was noch ein bisschen Zeit gebraucht hätte, denn zu einer guten Stunde gehört auch ein guter Abschluss.

Simone RieserKurzmann

Eva Bacher

Magdalena Schalk

Herbert Stiegler

Aus dem Methodenlabor

das Ende hat einen großen Einfluss auf das, was von einer Stunde, einem Inhalt im Gedächtnis bleibt. In William Shakespeares Stück „Ende gut, alles gut“ spiegelt sich jenes sinnstiftende und bewusste Ende wider, das auch im zeitgemäßen Unterricht eine bedeutende Rolle spielt. Nichtsdestotrotz kommt es selbst bei einem gut strukturierten und durchdachten Unterrichtsverlauf (Einstieg/ Orientierung, Erarbeitung, Vertiefung/Übung und Abschluss) immer wieder vor, dass für einen konzentrierten und ergebnisorientierten Abschluss einfach die Zeit fehlt. Doch gerade der Unterrichtsabschluss, d. h. jene Phase, die an die Erarbeitungs- bzw. Übungsphase anschließt und den Stundenabschluss einleitet oder die Stunde beendet, ist meist entscheidend dafür, ob das Thema einer Stunde verinnerlicht wird, so Alexandra Ferraÿ (vgl. Ferraÿ 2014, 8).

Nicht selten werden die letzten zehn Minuten vollgestopft, da die Zeit knapp ist und noch schnell alles erledigt werden soll, weiß Helene Loidolt. In diesen Minuten sollte der Fokus jedoch eigentlich auf etwas anderem liegen: dem Nachspüren, Ankern, Ordnen und Zusammenfassen. Es geht um das Auf-den-Punkt-Bringen (mit einer Symbolhandlung), das Besinnen und, Helene Loidolt nennt es sehr bildlich gesprochen, „Einholen der Ernte“. Die letzten

zehn Minuten können Platz für Überraschungen bieten, wenn z. B. etwas passiert, womit niemand rechnet. Dieses Andere kann die Konzentration am Ende noch einmal steigern und bündeln. Auch feste Bräuche, die zeitliche Struktur geben und Übergänge gestalten, aber auch Spaß haben hier ihren festen Platz. Ein gewisser Mut zum Fragmentarischen fördert und entwickelt jene Gelassenheit, die es braucht, um das Vertrauen aufzubauen, dass sich der Kairos im „Fluss der Zeit“ immer wieder einstellen wird (vgl. Loidolt 2016, 163ff).

Bildet der Abschluss einer Stunde einen Kontrapunkt, indem er ermöglicht, innezuhalten, zu akzentuieren und zu verschnaufen, bietet er zugleich die Chance für bewusste Erinnerung. Ein kurzer Rückblick am Ende, und seien es nur drei bis fünf Minuten, erlaubt das Nachdenken und Wahrnehmen über den eigenen Lernweg. Er kann dazu genutzt werden, z. B. in Form eines Lerntagebuches oder Leporellos, wichtige Schlussfolgerungen zu ziehen, über Fehler nachzudenken und sich Alternativen zu überlegen. Je öfter und ritualisierter über das eigene Lernen nachgedacht wird, desto ergiebiger und effizienter werden nicht nur die Ergebnisse der Schüler*innen, sondern die Lehrperson kann die Lernsettings auch besser auf die Lernenden abstimmen (vgl. Petersen 2016, 167).

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Sammeln. Foto: Simone Rieser-Kurzmann
SYMBOLISIEREN

Ein Stundenabschluss weist auf das nahende Ende hin und hat, so Hans Mendl, ganz unterschiedliche Funktionen:

 Ergebnissicherung – Abrundung (z. B. Hefteintrag)

 Ergebnispräsentation und -vergleich – Ko-Konstruktion (z. B. Diskussion)

 Strukturierung und Abschluss von Unterrichtseinheiten – Abschließen (z. B. Portfolio)

 Anregung zur Arbeit und Vertiefung zuhause (z. B. Rechercheaufträge)

 Feedback und Evaluation – Reflexion (z. B. Kompetenzüberprüfung)

 Nachspüren des Themas – spirituelle Abrundung (z. B. Stilleübung)

 Möglichkeit für Übergänge – Überleitung (z. B. Ausblick)

 Respektvoller Schluss – soziales AbschiedNehmen (z. B. Blickkontakt) (vgl. Mendl 2016, 172ff).

Nach Alexandra Ferraÿ gibt es vier didaktische Kriterien für einen guten Stundenabschluss:

 Nachvollziehbarmachen von erarbeiteten Inhalten – Nachvollziehbarkeit und Transparenz sind unverzichtbar, damit die Schüler*innen wissen, welche Inhalte relevant sind. Außerdem können die Lehrer*innen durch die Arbeiten der Schüler*innen nachvollziehen und prüfen, ob die Inhalte richtig erfasst wurden, wodurch der Erarbeitungsprozess ebenfalls transparent wird.

 Festigen, Üben und Vertiefen von erzielten Ergebnissen – die Übungen sollen produktiv, nicht zu lehrer*innenzentriert angelegt sein und auch Kompetenz- und Methodenübungen berücksichtigen.

 Veröffentlichen und kritisches Bewerten des Geleisteten – die Ergebnisse sollen geteilt, die geleistete Arbeit wertgeschätzt und gelobt, aber auch kritisch reflektiert werden.

 Reflektieren des eigenen Arbeits- und Lernverhaltens und der Ergebnisse – das Einschätzen der eigenen Fähigkeiten durch Verständigung über Gelungenes, Misslungenes und Schwierigkeiten unterstützt, ja erleichtert zukünftige Arbeiten (vgl. Ferraÿ 2014, 11f).

Das Ende einer Stunde, ob z. B. Heftarbeit oder spiritueller Impuls, hängt sicher vom Inhalt und auch von den Vorlieben der Lehrperson ab.

Ein Gedanke sollte jedoch immer mitbedacht

werden: „Erinnern (macht) Vergangenes gegenwärtig und verbindet wieder mit dem, was im Laufe der Stunde das Herz berührt hat, der Kopf gedacht hat, der ganze Leib getan hat“ (Loidolt 2016, 163).

Ein bewusst und sinnvoll gesetzter Schlusspunkt, der weder sehr zeitintensiv noch materialaufwendig sein muss, lohnt sich auf jeden Fall, denn: Die Lehrperson beendet die Stunde und nicht die Glocke.

Literatur und Internettipps:

 Akrostichon, in: Methodenwerkstatt. Zeit für Religion

2, Styria: Graz 2022, 139.

 Ferraÿ Alexandra: 77 effektive Unterrichtsabschlüsse für die Grundschule, Mülheim an der Ruhr: Verlag an der Ruhr 2014.

 Mendl, Hans: Religionspädagogische Funktionen und Modi von Schlusssequenzen, in: Katechetische Blätter 3/16, 172–177.

 Loidolt, Helene: Arbeiten, als ob es kein Ende gäbe?, in: Katechetische Blätter 3/16, 162–165.

 Lütge, Jessica: Die besten Spiele für den Abschluss mit Gewinn, Mülheim an der Ruhr: Verlag an der Ruhr 2009.

 Petersen, Susanne: Den Stundenabschluss gestalten – Chance und Herausforderung, in: Katechetische Blätter 3/16, 166–171.

 Shakespeare, William: Ende gut, alles gut, Leipzig: Brockhaus 1871.

 Thömmes, Arthur: Unterrichtseinheiten erfolgreich abschließen. 100 ergebnisorientierte Methoden für die Sekundarstufen, Mülheim an der Ruhr: Verlag an der Ruhr 2006

 Tschekan, Kerstin: Kompetenzorientiert unterrichten. Eine Didaktik, Berlin: Cornelsen 2011.

 www.evpfalz.de/dummy-6.1/fileadmin/user_upload/ ru-pfalz/Kompetenzorientierte_Methoden_22.09.2014/ Reflexionsfragen_fuer_den_RU.pdf

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SYMBOLISIEREN und FEIERN
Mein Lebensbaum. Foto: Simone Rieser-Kurzmann

Auch in dieser Ausgabe möchten wir wieder ganz unterschiedliche Möglichkeiten für die Umsetzung in der Praxis zeigen, ohne diese jedoch auf eine bestimmte Schulstufe einzuschränken. Alle Methoden können adaptiert und an die jeweilige Altersgruppe angepasst werden. Einige Methoden eignen sich gut für die Heftarbeit, andere sind etwa in Kooperation mit Informatik/digitalem Lernen gut einsetzbar und fördern das fächerübergreifende Lernen.

Reflexionsmethode: Meine RELI-Schätze

Die Reflexionsmethode „Meine RELI-Schätze“ möchte dazu anregen, dass sich die Schüler*innen am Ende einer Unterrichtsstunde überlegen, was sie sich merken möchten oder was ihnen besonders wichtig/wertvoll geworden ist.

Diese Reflexionsmethode kann sehr unterschiedlich ausgeführt werden:

 Mündlich im Plenum erzählen

– Verschriftlichen und danach evtl. im Plenum teilen.

Ein Symbol dafür finden und ins Heft zeichnen.

Austausch mit der/dem Sitznachbar*in. – In die persönliche Reli-Schatzkiste (kleine Schachtel/Box) eine Murmel/ein Herz/ein Steinchen hineinlegen.

 Schriftlich im Heft festhalten

– Das Arbeitsblatt „Meine RELI-Schätze“ wird auf die letzte Seite des Religionsheftes geklebt. Am Ende der Religionsstunde gibt es ein paar Minuten Zeit, in der die Schüler*innen einen Satz, einen Aspekt aufschreiben, den sie sich merken möchten/der ihnen wichtig geworden ist. Anschließend können zwei bis drei Schüler*innen freiwillig ihren Schatz mit der Klasse teilen. Das Verschriftlichen ermöglicht den Schüler*innen, dass sie sich ganz individuell einige Minuten Zeit nehmen können, um die Religionsstunde Revue passieren zu lassen. Sie haben Zeit, darüber nachzudenken, was für sie heute ihr ganz persönlicher Schatz ist, den sie mitnehmen möchten und der ihnen wichtig ist.

Besinnungsmethode:

Akrostichon – Mesostichon – Telestichon

Eine einfache und zeitlich gut umsetzbare Methode, um sich als Abschluss noch einmal wesentliche Inhalte und Begriffe vor Augen zu führen und in Ruhe zu sammeln, ist z. B. ein Akrostichon. Bei dieser auf die Antike zurückgehenden Text- oder Gedichtform wird ein Wort als Leitwort senkrecht oder waagrecht aufgeschrieben (vgl. Zeit für Religion 2022, 139).

Die Lehrperson sucht hierfür einen zentralen Begriff heraus und die Schüler*innen schreiben zu jedem Buchstaben ein Wort oder einen Satz auf, das bzw. der ihnen im Zusammenhang mit diesem Begriff wesentlich erscheint. Wo sie den Buchstaben einbauen (Anfang – Akrostichon, Mitte – Mesostichon, Ende – Telestichon), bleibt ihnen überlassen.

Reflexionsmethode. Foto: Magdalena Schalk

Evaluationsmethode: Kompetenzcheck

www.zeitfuerreligion.at/

Das Unterrichtswerk „Zeit für Religion“ beinhaltet in jedem Kapitel einen vierteiligen Kompetenzcheck, mit dessen Hilfe Schüler*innen die Inhalte und Kompetenzen des Kapitels festigen können.

1. Was ich in diesem Kapitel gelernt habe: Selbstgeleitete Auseinandersetzung zu den Kompetenzen des Kapitels.

2. Was ich jetzt draufhabe: Konkrete Anwendungen für eine inhaltliche Auseinandersetzung.

3. Was mich in diesem Kapitel beschäftigt hat: Eine persönliche Auseinandersetzung.

4. Was du ausprobieren kannst: In diesem Punkt werden weiterführende Impulse und Handlungsanregungen zu den Inhalten des Kapitels angeführt. Zudem gibt es im begleitenden Handbuch für Lehrer*innen konkrete Impulse für den Unterricht. Für jede Doppelseite wird ein dreistufiges didaktisches Modell mit Arbeitsanregungen vorgestellt.

Besonders im Teil Vertiefung/Stundenabschluss finden sich zahlreiche Beispiele und Methoden für einen strukturierten Abschluss einer Einheit.

Aktuell werden im DigiPool auf der Homepage digitale Anwendungen entwickelt, mit denen Schüler*innen ein Kapitel selbstgeleitet festigen und abschließen können.

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Auferstehung. Foto: Simone Rieser-Kurzmann

Reflexionsmethode: digitale Tools

Als Abschluss einer Stunde oder einer Themeneinheit eignet sich eine Reflexion, also ein individuelles Nachdenken über die Inhalte des vergangenen Unterrichts. Einige Methoden können auch als Feedbackinstrument fungieren, wobei die Reflexion in jedem Fall dem Feedback vorausgeht (vgl. Tschekan 2011, 110).

Die folgenden Methoden können mit Hilfe digitaler Tools eingesetzt werden. Bei einigen wird aus der persönlichen Reflexion gleichzeitig ein Feedback, weil die Lehrperson die Ergebnisse gesammelt erhält. Für eine gemeinsame Rückschau können diese Ergebnisse gegebenenfalls auch in der Klasse präsentiert werden.

 pickerwheel.com

Pickerwheel ist ein simples Glücksrad, das man selbst befüllen kann. Für eine Reflexion in Partner*innenarbeit kann man auf dieser Seite das Glücksrad mit Reflexionsfragen bestücken, den Link teilen und den Schüler*innen zu Verfügung stellen. Diese können sich dann gegenseitig mit Hilfe der Fragen interviewen. Möglich wäre auch, dass die Schüler*innen selbst Fragen formulieren und ihr eigenes Glücksrad erstellen.

 bookcreator.com

Bookcreator gibt es als App und als Onlineversion. Damit lassen sich ganz einfach eBooks erstellen und gestalten. Eine Möglichkeit für den Einsatz im Religionsunterricht ist es, ein Lern- oder Reflexionstagebuch zu führen, über eine längere Unterrichtssequenz, ein Semester oder auch über ein ganzes Schuljahr. Der Vorteil dabei ist, dass die Schüler*innen freie Gestaltungsmöglichkeiten haben und diese Reflexion sehr kreativ und auch persönlich ausfallen kann.

Religionslehrer*innen sind Erntearbeiter*innen.

Helene Loidolt

 oncoo.de

Dieses sehr einfach gestaltete Webtool ist für kollaboratives Arbeiten gedacht. Aber es lassen sich damit auch Reflexionsfragen erstellen und anonym beantworten. Eine Anmeldung ist nicht notwendig. Mit der „Kartenabfrage“ kann man eine Frage formulieren, z. B.: Was möchtest du heute aus dieser Stunde mitnehmen? Die Schüler*innen kommen dann über einen Link bzw. QR-Code zur Frage und können ihre Antworten zunächst „auf den Stapel legen“ und dann „absenden“. Die Lehrperson erhält die Antworten gesammelt auf einer Pinnwand und kann diese sortieren und präsentieren. Eine Sicherung der Antworten ist allerdings nicht möglich.

 mentimeter.com

Dieses Tool wurde bereits im Reli+plus 03-04/2021 auf Seite 27 als Feedback-Methode genauer vorgestellt. Die Gratisversion lässt 2 Folien pro Umfrage und 5 Umfragen zu. Für eine Reflexion empfiehlt sich dabei der Typ „Open Ended“, weil hier offene Antworten eingegeben werden können, z. B.: „Das habe ich heute gelernt/Das habe ich schon gewusst.“ Mit „Open Ended“ lassen sich auch Reflexionsfragen stellen, die eine umfangreichere Antwort erfordern, wie z. B.: „Was würdest du einem Freund/einer Freundin über das heute Erfahrene erzählen?“ Die Lehrperson erhält die Antworten, kann diese präsentieren und auch speichern.

Als kurze Blitzlicht-Reflexion eignet sich die „Wortwolke“ mit Mentimeter, z. B. mit der Frage: „Welches Wort ist dir aus dieser Stunde in Erinnerung geblieben?“

Durch diese digitalen Tools kann der Religionsunterricht auch einen Beitrag zur Digitalen Grundbildung leisten, die in den österreichischen Lehrplänen, Bildungsanliegen und Unterrichtsprinzipien schon seit einigen Jahren verankert und festgeschrieben ist. 

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Oncoo. Foto: Eva Bacher Bookcreator. Foto: Eva Bacher Pickerwheel. Foto: Eva Bacher Mentimeter. Foto: Eva Bacher
SYMBOLISIEREN und FEIERN

ÜBEN uNd WIEdERHOLEN IM Ru

Die Vermittlung von Orientierungswissen ist eines der zentralen Ziele des Religionsunterrichts. Damit das erreicht werden kann, baut der Unterricht auf eine solide Basis von inhaltlichem und methodischem Fachwissen auf. Üben und Wiederholen leisten nicht nur dabei einen zentralen Beitrag, sondern fördern auch nachhaltiges Lernen.

Andrea

„Religionsunterricht präsentiert und repräsentiert einen spezifischen Modus der Welterschließung: Wie wird die Welt mit ihren beglückenden, schmerzenden und widersprüchlichen Erfahrungen unter der Perspektive eines Glaubens an eine letzte Sinnhaftigkeit gesehen?“ (Fischer 2013, 4). Damit dieser Anspruch, orientierendes und für das Leben bedeutsames Wissen zu erarbeiten, erfüllt werden kann, muss das Augenmerk auf nachhaltige Lernprozesse gerichtet werden.

Nachhaltiges Lernen

Georg Gnandt charakterisiert dieses wie folgt:

 Lernen braucht Zeit.

 Weniger ist mehr.

 Wiederholungen sind nötig.

 Eigentätigkeit und Verarbeitungstiefe: Anknüpfen an Vorwissen und Vernetzung sind wesentlich für eine Speicherung, die zugänglich und abrufbar bleibt.

 Das zu Erlernende muss sich als einsichtig, plausibel und nützlich erweisen – in der Schule und darüber hinaus.

 Es bedarf der Metakognition, der Reflexion über die Lernprozesse.

 Verknüpfung und die Möglichkeit zur Entkontextualisierung müssen in Balance gehalten werden (vgl. Gnandt 2013, 10).

Zeitgemäßer Religionsunterricht legt also in der Konzeption Wert auf das Wiederholen und Üben, das so angelegt ist, dass es sich auf die Lebenswelt der SchülerInnen bezieht (kontextualisierte Formen des Übens).

Wiederholen

„Biologisch gesehen ist das Wiederholen von Bewegungen, Gesten oder Worten ein notwendiger Bestandteil des kindlichen Lern- und Ent-

wicklungsprozesses. Die Wiederholung führt zur Myelinisierung der Nervenbahnen im Gehirn, d. h. zu ihrer Ummantelung mit Myelin, was zu einer ,Automatisierung‘, einem ,Nicht-mehr-darüber-Nachdenken-Müssen‘, bei der entsprechenden Handlung führt. Über Gehen, Stehen, Sprechen denkt ein erwachsener, gesunder Mensch nicht weiter nach. Er kann es einfach, es geschieht automatisch. […] Das, wozu Pädagogen Kinder oft vergebens zu motivieren versuchen, nämlich Üben durch Wiederholung, leisten diese im Spiel aus eigenem Antrieb, freiwillig und lustvoll.“ (Gründler/ Schäfer 2000, 22)

Phasen des Wiederholens, in denen SchülerInnen sich eigenständig Lerninhalte wieder her holen und komplexe Aufgabenstellungen lösen, zählen zu den Grundmerkmalen nachhaltigen Religionsunterrichts. Dabei kann der kompetenzorientierte Blick auf den Unterricht eine Hilfe sein, in dem der Lernertrag mit unterschiedlichen Aufgabenstellungen und Transfersituationen wiederholt und gesichert wird (vgl. Zimmermann/Lenhard 2015, 128).

Üben

Intelligentes Üben ist fachlich zielgerichtet, geht aber über das Verfügen von Fachwissen hinaus. Nach Michael Fischer können Übungsbeispiele und -aufgaben unterschiedlichen Formen des Übens zugeordnet werden:

 Reflexives Üben: Festigung des Lernertrags, Feedback geben und nehmen, ‚Bilanzierung‘ im Sinne einer Zusammenfassung des Erkenntnisgewinns am Ende einer Lernsequenz. Wichtig ist dabei auch, offene Fragen und Ideen für zukünftige Lernvorhaben festzuhalten.

 Anwendung: Inhalte übertragen, konstruieren, an anderen Beispielen, Problemen, Aufgaben ‚zeigen‘.

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01–02|2017 ÜBEN und WIEDERHOLEN Aus dem Methodenlabor
Wiederholen und üben mit der Methode Glückstopf. Foto: Monika Prettenthaler

 Öffnendes Üben: Inhalte vernetzen, verstärken, strukturieren, sichern. Konkret werden durch Vernetzungsaufgaben die erarbeiteten und geübten Inhalte strukturiert und Methoden angewandt. Dabei sind ‚geschützte‘ Räume sinnvoll, in denen die Lernenden allein, in PartnerInnenarbeit oder in Teams durch kooperative Lernformen vor einer Plenumsphase ihre Wissensbestände einbringen und deren ‚Veröffentlichung‘ sprachlich vorab üben (vgl. Fischer, 2013), wie es z. B. die Methode ‚ThinkPair-Share‘ anregt.

 Kleinschrittiges Üben festigt Gelerntes und hilft bei der Feststellung von Lernstärken und Lernschwächen, beachtet unterschiedliche Lernzugänge, ist eher einfach und konkret gehalten und zielt auf überschaubare Antworten. Dazu gehören das Wiederholen, Einprägen, Aneignen und beispielsweise

Übungen, die helfen, sich viel zu merken: Die Aneignung von deklarativem Wissen wird dann für SchülerInnen nicht sinn- und lustlos, wenn sie dazu durch methodisch abwechslungsreiche Impulse angeregt werden (siehe Beispiel ‚Glückstopf‘).

– Üben, um zu ‚automatisieren‘: Basic skills sind bestimmte rasch verfügbare Kompetenzen, die den Kopf frei halten für das Bearbeiten komplexerer Probleme (z. B. eine Textstelle in der Bibel finden).

– Üben durch Ausprobieren. Institutionalisiertes Lernen ist meist so konzipiert, dass das Lernen vor dem Üben stattfindet. Aber alle Menschen kennen auch Lernsituationen, in denen sie sich durch oftmaliges Ausprobieren Welt aneignen und lernen: ein Kleinkind, das erste Wörter spricht, ein Schulkind, das sich auf eine Stilleübung einlässt. Ein weiteres Beispiel dazu sind die Übungen des täglichen Lebens in der Montessori-Pädagogik, die Kindern zur Selbständigkeit verhelfen können. Das Kind hat dabei die Möglichkeit, in Ruhe Fertigkeiten (Schüttübungen, Schuhbänder binden, einen Tisch decken) einzuüben und dabei Sicherheit zu gewinnen. Die Beispiele zeigen, dass es um ein Herantasten, ein Ausprobieren, ein Scheitern, ein wieder neues Anfangen geht.

Eine praktische Idee: Wiederholen mit dem ‚Glückstopf‘

Am Ende jeder Religionsstunde wird mindestens eine kleine Aufgabenstellung formuliert, auf ein Zettelchen geschrieben und in den Pool für Aufgaben zur mündlich Wiederholung in der nächsten Relistunde gelegt.

Im Sinne der Transparenz von Beurteilungskriterien ist auf dem Zettel auch notiert, wie viele (Plus-)Punkte oder andere ‚Mitarbeitszähler‘ die SchülerInnen erreichen können, wenn sie die jeweilige Aufgabe richtig und vollständig lösen. Zur Steigerung der Motivation, sich aktiv an der Wiederholung zu beteiligen, kann dieser Pool als sogenannter ‚Glückstopf‘ gestaltet werden (Die Anregung dazu verdankt sich einem Hochschuldidaktikseminar an der Universität Graz mit Stefan Braun, M.A., im Jahr 2008.): Neben dem Glücksgefühl, welches eine erfolgreich gelöste Aufgabe mit sich bringt, findet sich im Wiederholungspool auch ein Zettel mit folgendem Text:

GLÜCK GEHABT!

Ein + (oder 2 Punkte, …) als Geschenk!

… wenn du möchtest, kannst du noch einen Zettel ziehen und die Aufgabe lösen.

Das Glück, das durch das Ziehen dieses Zettels durchschnittlich zwei bis drei Mal je Schuljahr ausgelöst wird, rechtfertigt den Namen ‚Glückstopf‘ wirklich!

Insgesamt sind im Glückstopf fünf bis sechs Zettel – kommt eine neue Aufgabe dazu, wird zugleich ein Zettel mit einem bereits öfters wiederholten Inhalt herausgenommen.

Bei einer etwaigen schriftlichen Wiederholung kann im Sinne einfachen Wiederholens und Festigens auf die durch die mündliche Wiederholung vertrauten Aufgaben zurückgegriffen werden oder es werden vertraute Methoden oder Inhalte auf andere Beispiele bezogen und damit auch ein Beitrag zu nachhaltigem, kompetenzorientiertem Lernen geleistet. 

Quellen und Literaturtipps

 Fischer, Michael: Perspektivenwechsel einüben. Was kann und wozu soll im Religionsunterricht geübt werden?, in: RelliS. Zeitschrift für den katholischen Religionsunterricht SI/SII, 8 (2013) 2, 4–8.

 Fördermagazin Grundschule, 37 (2015).

 Gnandt, Georg: Nachhaltigkeit erreichen. Lernen im Religionsunterricht mit wiederkehrenden Motiven, in: RelliS. Zeitschrift für den katholischen Religionsunterricht SI/SII, 8 (2013) 2, 9–11.

 Gründler, Elisabeth C. / Schäfer, Norbert: Naturnahe Spiel- und Erlebnisräume, Köln: Luchterhand 2000.

 Zimmermann, Mirjam / Lenhard, Hartmut: Praxissemester Religion, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2015.

Nicht „Übung macht den Meister“, sondern „Intelligentes Üben macht den Meister bzw. die Meisterin.

nach Hilbert Meyer

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01–02|2017 ÜBEN und WIEDERHOLEN
Üben mit der Methode Glückstopf. Foto: Monika Prettenthaler

BILdER uNSERER WELT

Menschen haben immer versucht, ein Bild von der Welt zu entwerfen. Diese „Weltbilder“ sahen im Lauf der Geschichte unterschiedlich aus: Zunächst bedienten sich Menschen nur ihrer Sinne und ihrer Vorstellungskraft. Dann machten sie genauere Beobachtungen und entwickelten dazu mathematische Modelle und technische Instrumente.

Erdscheibe

Säulen der Erde

das biblische Weltbild

das altägyptische Weltbild

Das Sinnbild für die Entstehung von Himmel und Erde aus dem Totenbuch der Nasitanebtaschera (ca. 1025 v. Chr.) zeigt die Göttin Nut, die sich als „Himmelsgewölbe“ über ihren Bruder, den Erdgott, beugt, der flach am Boden liegt. Ihre Füße und Hände berühren die Erde, der Luftgott Schu stützt die Himmelsgöttin.

Die Erde ist wie eine Scheibe, die auf dem Weltmeer schwimmt, Erde und Weltmeer ruhen auf Säulen. Sonne, Mond und Sterne sind keine Götter mehr, sondern wie Lampen am Himmelsgewölbe, am Firmament aufgehängt. Erde und Meer sind Bereiche der Menschen und der anderen Lebewesen. Die Unterwelt ist das Reich der Toten. Gott ist jenseits des Himmels, er hat alles geschaffen.

das griechische Weltbild

Ptolemäus (70–147 n. Chr.) war der bedeutendste Astronom der Antike. Er verstand die Erde als Kugel. Um die Erde kreisen Sonne und Mond, die anderen Planeten und die Sonne. Der gesamte Kosmos hat die Form einer Kugel, sein Raum ist begrenzt. Die Erde ist der Mittelpunkt des gesamten Weltalls = geozentrisches Weltbild.

das Weltbild unserer Zeit

Es gibt nicht nur ein Sonnensystem, sondern allein in unserer Galaxie, der Milchstraße, Milliarden von Sonnensystemen, und nicht nur eine Galaxie, sondern mehr als 100 Milliarden. Das Universum ging vor etwa 13,7 Milliarden Jahren aus dem Urknall hervor, seitdem breitet es sich bis heute aus, Sterne entstehen und sterben, alles verändert sich. Der sichtbare Kosmos macht nur etwa 4% aus, der Großteil besteht aus dunkler Materie und dunkler Energie.

das Weltbild des Kopernikus

Der Domherr und Astronom Nikolaus Kopernikus (1473–1543) beschreibt in seinem Hauptwerk, dass sich die Erde um die Sonne dreht und auch alle anderen Planeten im Sonnensystem. Nicht Erde und Mensch stehen im Mittelpunkt des Kosmos, sondern die Sonne = heliozentrisches Weltbild.

… der Mensch: von Gott berührt.

Religiöse und künstlerische Sprache (wie hier bei Michelangelo, Rom, Sixtinische Kapelle, 1508–1512) fragt nicht nur: „Wie funktionieren Welt und Kosmos?“, sondern auch: „Welchen Sinn haben Welt und Kosmos?“ Für glaubende Menschen sind Welt und Kosmos eine Schöpfung Gottes.

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Redaktion: Monika Prettenthaler; Grafik: Julia Potocnik

WEIHNACHTEN FEIERN IN EuROPA

ChristInnen haben einen Grund zu feiern: Gott lässt sich ganz und gar auf die Menschen ein – er wird einer von ihnen! Wie das „Zur-Welt-Kommen“ Jesu gefeiert wird, ist nicht überall gleich. Im Laufe der Zeit haben sich verschiedene Bräuche und Traditionen entwickelt.

Antonio aus Italien erzählt:

Zu Weihnachten stellen wir eine Krippe mit handgeschnitzten Figuren auf. Die Geschenke bringt bei uns die gute Hexe Befana. Sie kommt aber erst am 6. Jänner. „Frohe Weihnachten“ heißt auf italienisch: „Buon Natale“. Am Weihnachtsabend erhalten wir Kinder kleine Geschenke.

Nana aus Griechenland erzählt:

Zu Weihnachten ziehen wir Kinder singend von Haus zu Haus. Wir nennen es Kalanda, die Menschen schenken uns Feigen und süßes Gebäck. Einen Christbaum gibt es selten. Nur reiche Familien oder frühere Gastarbeiterfamilien, die einmal in Deutschland gelebt haben, lassen sich einen Weihnachtsbaum von weither schicken. Die Geschenke gibt es am 31. Dezember, das ist der Tag des Heiligen Basilius.

Svenja aus Schweden erzählt: In Schweden feiern wir am 14. Dezember den „Lucia-Tag“. Die Lucia-Braut trägt ein weites, weißes Gewand, auf dem Kopf Kerzen in einem Kranz aus Preiselbeerblättern. Lucia bringt Licht und Freude in die Häuser und bekommt dort kleine Geschenke. Sie wird dabei von Brautjungfern begleitet.

Christine aus Deutschland erzählt: Bei uns in Deutschland feiern wir Weihnachten ähnlich wie in Österreich. In der Adventzeit haben wir einen Adventkranz. Der Adventkranz wurde vor etwa 100 Jahren in Norddeutschland erfunden. Die Geschenke bringt das Christkind am 24. Dezember.

Frerik aus Holland erzählt: Bei uns wird die Bescherung am Abend vor dem Nikolaustag, also am 5. Dezember, gefeiert. Während der Vorbereitungen treffen sich Frauen zum "Vergoldenstag". Sie dekorieren das Weihnachtsgebäck mit Flittergold. Sankt Nikolaus wird überall feierlich empfangen. Abends werden die Geschenke verteilt. Sankt Nikolaus reist auf einem Schimmel, und auch der soll nicht leer ausgehen. Die niederländischen Kinder stellen ihm Heu, Brot und Möhren hin.

Brian aus England erzählt: Weihnachten ist bei uns ein fröhliches Fest. Wir laden Freunde ein und schmücken die Wände mit Bändern und immergrünen Zweigen. Wir tragen bunte Papierhüte und lachen, trinken und essen viel. Es gibt Truthahn und heißen Plumpudding. Unter einer Lampe ist ein Mistelzweig aufgehängt. Trifft dort beim Tanzen ein junger Mann mit einem Mädchen zusammen, so darf er es küssen. Am Morgen des 25. Dezember stecken die Geschenke in einem Strumpf. Santa Claus hat sie gebracht. Wir wünschen uns „Merry Christmas“.

Jose aus Spanien erzählt: Weihnachten ist bei uns ein lärmendes, fröhliches Fest. Am Weihnachtsabend gibt es ein großes, buntes Feuerwerk. Wir essen, trinken und tanzen die ganze Nacht und machen mit Trommeln viel Krach. Den Christbaum kennen die Spanier erst seit einigen Jahren. Für viele Familien ist er zu teuer, denn Tannen wachsen nur im hohen Gebirge. Am Weihnachtsabend erhalten wir Kinder kleine Geschenke.

Boris aus Russland erzählt: In der Weihnachtszeit finden bei uns in der Schule große Feste statt. Unser Weihnachtsmann heißt Väterchen Frost und wir erwarten ihn ganz aufgeregt. Einen Tannenbaum mit Kerzen hat man in Russland selten. Aber den älteren Leuten, wie meiner Großmutter, der „Babuschka“, ist er aus früherer Zeit noch gut bekannt. Da zogen auch die Weihnachtssinger mit dem Schlitten durch die Straßen. Sie wurden von dem Mädchen Kolyada, das ganz weiß gekleidet war, angeführt.

Pavel aus Kroatien erzählt: Weihnachten liegt bei uns Schnee und wir holen mit dem Schlitten einen Tannenbaum. Manchmal hören wir auf dem Weg einen Wolf heulen. Zu Hause schmücken wir den Baum mit Engeln, Trompeten, Herzen und kleinen Kreuzen aus Teig. Wenn es dunkel ist, schütten wir Stroh in den Hausflur. Es soll bei uns wie im Stall von Bethlehem aussehen. Der Vater holt einen Korb mit Walnüssen und wirft in jede Ecke eine Handvoll. Wir wissen, was das bedeutet: So wie die Nüsse in alle vier Himmelsrichtungen fliegen, so soll auch die Botschaft der Weihnachtsgeschichte, die Liebe, in alle Welt verstreut werden.

Lidia aus Polen erzählt:

Am 24. Dezember sitzt unsere ganze Familie zusammen. Der Großvater holt eine große Oblate, jeder isst ein Stück davon. Der Tisch ist mit einer weißen, festlichen Decke geschmückt, unter der Heu liegt. Darauf stehen bunte Speisen: Rote-Rüben-Suppe, Steinpilzsuppe, getrocknetes Obst und Fisch. Fleisch dürfen wir an diesem Abend nicht essen. Nach dem Essen bringt der „Gwiazdor“, unser Weihnachtsmann, die kleinen Geschenke. Frohe Weihnacht auf polnisch heißt: „Bozego Narodzenia“. Pünktlich um Mitternacht holen wir das Heu unter dem Tischtuch heraus und verteilen es an die Tiere im Stall.

Yvonne aus Frankreich erzählt: Am Weihnachtsabend bringen meine älteste und jüngste Schwester einen dicken Holzklotz von einem fruchttragenden Baum ins Haus. Wir brennen ihn im Kamin an. Mein Vater gießt ein Glas Wein darüber und spricht einen Segen. Unsere Familie setzt sich um den Kamin und singt Weihnachtslieder. Von der Asche streuen wir dem Vieh etwas ins Futter und den Hühnern in den Stall. Das soll sie fruchtbar machen. Wir essen Weihnachtsstollen und wünschen uns „Joyeux Noël“. Père Noël bringt den Kindern vom 24. auf den 25. Dezember Geschenke.

Jan aus Tschechien erzählt: Zu uns kommt am Abend des 5. Dezember der Nikolaus. Er hat den „Tschert“ dabei, das ist ein kleiner Teufel. Davor fürchten sich die Kinder. Alle Kinder hoffen, dass sie Süßigkeiten bekommen. Wer nicht brav war, bekommt nur einen Kohlkopf. Am Heiligen Abend schmücken wir einen Tannenbaum mit Äpfeln, Nüssen, Kugeln, Kerzen und Strohsternen. Wir singen das alte Lied vom „Guten König Wenzel“, der einem armen Bauern zu essen gab.

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Redaktion: Monika Prettenthaler auf Basis Martina Meister-Wolf & Edda Sterl-Klemm, erstellt für den Wiener Bildungsserver www.lehrerweb.at www.kidsweb.at | www.elternweb.at | Grafik: Julia Potocnik
11–12|2013

Das Matthäus-Evangelium (Mt 2,1–12) erzählt von Magiern aus dem Osten, die sich – von einem Stern geführt – zum Kind in der Krippe aufmachen. Sie sind weder „drei“ noch „Könige“ und sie werden auch nicht mit ihren Namen genannt … eine Entdeckungsreise auf den Spuren der Heiligen Drei Könige.

Die Anbetung der Magier – das frühchristliche Fresko aus der Priscilla-Katakombe, Rom – ist eine der ersten Darstellungen (2. Hälfte des 2. Jh.). In der Bibel steht nichts über die Anzahl der Weisen. Origenes (um 185–254) legte ihre Zahl auf drei fest, wahrscheinlich wegen der drei Gaben Gold, Weihrauch und Myrrhe.

Auf dem Kapitell, das Gislebertus – ein französischer Bildhauer um 1125 in St. Lazare, Autun – gestaltet hat, berührt ein Engel leicht mit seinem Finger die Hand eines der drei schlafenden Könige. Seine andere Hand weist auf den Stern. Von drei Königen wird seit dem 6. Jahrhundert gesprochen (Cäsarius von Arles, 469–542), weil die kostbaren Geschenke auf eine königliche Herkunft schließen lassen.

Der Legende nach hat Bischof Eustorgius – er war ursprünglich Botschafter des Königs von Konstantinopel und in Mailand zum Bischof gewählt worden – im 4. Jahrhundert vom Kaiser die Gebeine der Heiligen Drei Könige als Geschenk bekommen. In der Kirche Sant‘Eustorgio wurden die Gebeine von Friedrich I. Barbarossa um 1160 gefunden.

In den 1950er-Jahren wurde der alte Sternsinger-Brauch in Österreich von der Katholischen Jungschar neu belebt. Die jungen Sternsinger tragen die Weihnachtsbotschaft in die Häuser und bringen vielfältigen Segen: zu den Menschen bei uns und durch das gesammelte Geld jenen Menschen in aller Welt, die durch die Projekte der Dreikönigsaktion unterstützt werden.

Das Mosaik in Sant’Apollinare Nuovo in Ravenna zeigt die Magier in persischer Kleidung. Die Inschrift ist einer der ältesten Belege für die Namen der drei. Ihre Herkunft ist unbekannt. Kaspar ist ein persischer („Schatzmeister“), Balthasar ein babylonischer („Gott schütze sein Leben“) und Melchior ein hebräischer („König des Lichts“) Name. Schon sehr früh werden die Magier in drei Lebensaltern dargestellt, als Jüngling, reifer Erwachsener und alter Mann.

Ab dem 7. Jahrhundert werden die drei Könige oft den Erdteilen Afrika, Europa und Asien zugeordnet und ab dem 12. Jahrhundert werden sie meist mit einer bestimmten Geste dargestellt: Der erste König kniet, der zweite zeigt auf den Stern, der dritte steht mit seinem Geschenk in Händen dahinter.

Als Friedrich Barbarossa nach der Eroberung Mailands die (von dort geraubten) Gebeine im Jahr 1164 dem damaligen Kölner Erzbischof schenkte, entwickelte sich dort bald eine lebendige Verehrung. Aus ganz Deutschland führten Wallfahrten in den Kölner Dom. Gasthäuser mit dem Namen „Zum Mohren“, „Zum Stern“ oder „Zur Krone“ erinnern noch an die Wallfahrtstradition.

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01–02|2014 sternsinger.de SEGEN BRINGEN SEGEN SEIN DIE StERNSINGER kommEN ! STE_7368_2-sp-92-4c.indd 1 14.10.13 12:44
Redaktion: Monika Prettenthaler | Grafik: Julia Potocnik.
Die Anbetung der Magier, 2. Jh., Priscilla-Katakombe, Rom. Traum der drei Könige, um 1125, St. Lazare, Autun. Sant’Eustorgio, Mailand. Der Zug der Magier, 6. Jh., Sant’Apollinare Nuovo, Ravenna. Die Sternsinger heute. Hieronymus Bosch, Die Anbetung der Heiligen Drei Könige, um 1510. Dreikönigsschrein im Kölner Dom, gestaltet zwischen 1181–1230 durch Nikolaus von Verdun.

Die Drei Dimensionen Des Fastens

Soziale (politische) Dimension Medizinische Dimension Spirituelle Dimension

Materiell

Der ertrag, der durch die eigene einschränkung anfällt, wird an Bedürftige gegeben.

SoliDariSch

Fasten als akt der solidarität mit den mitmenschen, um Unrecht zu beseitigen.

Fasten als gewaltloser Widerstand gegen eine empfundene Ungerechtigkeit (z.B. Gandhi, Friedensgruppen, Hungerstreik)

phySiologiSche Folgen entwässerung, abbau von Fett, regeneration von Körperzellen

pSychiSche Folgen

Phase der Krisen (Kopfschmerzen, nervosität, schwindel) Phase der ruhe und entspannung (Gefühl der Leichtigkeit)

heilenDe Wirkungen

durch Umschaltung auf „innere“ ernährung durch Änderung der essgewohnheiten für heilwirkung wichtig: Freiwilligkeit des Fastens

Ziel DeS FaStenS

Durch die ehrliche selbstbegegnung offen werden für eine Begegnung mit Gott.

DaS FaSten

führt zu stille und meditation

... weist über das sichtund Hörbare hinaus

... befreit von abhängigkeiten und schenkt innere Freiheit

... führt zur anbetung Gottes „mit Leib und seele“

nächstenliebe Selbstliebe gottesliebe

FastentraDitionen

kath. christentum Judentum islam Buddhismus hinduismus

Fastenzeiten

Feste Zeiten

» Fastenzeit vor Ostern (Aschermittwoch bis Abend des Karsamstag)

» Advent Fast- und abstinenztage

» Jom Kippur (Versöhnungstag)

» Tischa be-Aw (Tag der Trauer), Erinnerung an die zweimalige Zerstörung des Tempels in Jerusalem

» Fasten im Fastenmonat Ramadan ist eine der „5 Säulen des Islam“

» keine festen Fastenzeiten

» asketisch lebende Mönche und Nonnen: keine Nahrung nach zwölf Uhr

» Fasten als Vorbereitung auf religiöse Feste und Rituale

» häufig auch an Vollbzw. Neumondtagen

Wie wird gefastet?

» Aschermittwoch

» Karfreitag

» Im islamischen Kalender (Mondkalender) verschiebt sich der Ramadan jedes Jahr im Vergleich zum gregorianischen Kalender um elf Tage nach vorne.

» das Abstinenzgebot (Verzicht auf Fleischspeisen) verpflichtet alle ab 14

» das Fastengebot (nur einmalige Sättigung am Tag) verpflichtet alle Volljährigen bis 60

» Ausnahmen: Kinder und Jugendliche, alte, kranke und schwer arbeitende Menschen, Reisende

» in der Fastenzeit: der Einzelne wählt Verzicht (Speisen, Alkohol, Auto…) und gute Vorsätze selbst

» an den Fasttagen: nur eine Sättigung am Tag

» an Abstinenztagen: keine Fleischspeisen

» andere christliche Konfessionen haben eigene Formen des Fastens entwickelt

» Mädchen ab 12 Jahren

» Knaben ab 13 Jahren

» alle Muslime ab der Pubertät; ausgenommen: Schwangere, Stillende, Reisende, Kranke, Frauen während ritueller Unreinheit (Menstruation, Wochenbett)

» Fastende müssen sein:

in vollem Besitz ihrer Geisteskräfte

– volljährig

körperlich dazu imstande

nicht auf Reisen

» asketisch lebende Mönche und Nonnen in den Klöstern

» Freiwillige, da es keine Verpflichtung zum Fasten gibt

» Freiwillige

» es ist möglich, als Fürbitte für andere ein Fastengelübde abzulegen

» keine festen allgemeinen Fastenzeiten Wer fastet?

» 25 Stunden: von Sonnenuntergang bis eine Stunde nach Sonnenuntergang

» weder Nahrung noch Getränke

» Abstinenz von Essen, Trinken, Waschen aus Vergnügen, Leder tragen, Geschlechtsverkehr, Salben

» zwischen Morgendämmerung und Sonnenuntergang (dann: Fastenbrechen)

» Verzicht auf: Essen, Getränke, Rauchen, Parfüm, Geschlechtsverkehr, Injektionen

» gemieden werden: Worte der Rache, Streit, unangemessenes Verhalten

» empfohlen: Versöhnung zwischen Zerstrittenen

» allgemein: nicht im extremen Ausmaß

» gemäß dem Grundsatz der Gewaltlosigkeit wird

vegetarische Nahrung empfohlen

» kein generelles Fleischverbot

» 43% der religiösen Hindus leben ständig vegetarisch

F A S T E N
Heinz Finster, Florian Krizaj; Foto: fotolia; Grafik: franzpietrografik
Redaktion:
03–04|2014 reli+plus

FEIER-LICHE RÄuME

Sakralräume sind mehr als ein Rahmen für Feste und Feiern. Sie sind Einladungen, den Glauben und das Leben zu feiern. Sakralräume bergen und schützen, zugleich öffnen sie sich, weiten den Raum und geben die Möglichkeit, Grenzen zu überschreiten. Romanik, Gotik oder Barock tun es in anderer Weise als Sakralräume, die heute in aller Welt gebaut werden …

142 infografik reli+plus infografik reli+plus 03–04|2014 142
05–06|2014 142
Midrash Cultural Center Rio de Janeiro, Brasilien 2009 (Architekt: Isay Weinfeld), Foto: Leonardo Finotti. St. Henry’s Ecumenical Art Chapel, Finnland 2008 (Sanaksenaho Architects), Foto: Jussi Tiainen. Portable, ecumenical Lilja Chapel of Silence, Finnland 2005 (Architekt: Vesa Oiva), Foto: Jussi Tiainen. Santa Luzia Kapelle, Brasilien 2007 (Architekt: Stephan Doitschinoff), Foto: Calil Neto. Islamisches Forum in Penzberg, Deutschland 2005 (Jasarevic Architekten), Foto: Ralf Gerard.

EIN GLAS WASSER, BITTE!

In Globo, dem Dorf mit 100 Menschen, leben viele Menschen in lebensbedrohlichen Umständen. Schon heute haben 20 Menschen im Dorf kein sauberes Wasser. Bis zum Jahr 2025 dürfte die Zahl der Menschen, die unter „Wasserstress“ oder Wasserknappheit leiden, in Globo von derzeit 13 auf 49 steigen.

143 infografik reli+plus
Grafikbearbeitung:
Sonntagsblatt/Lisa Pendl, 2014.
09–10|2014
Grafik aus: Nussbaumer, Josef / Exenberger, Andreas / Neuner, Stefan: Unser kleines Dorf. Kufstein: IMT Verlag 102010, 135.

... mit dem 40. Tag. Islam: Tag der Beseelung.

... mit der Hirnaktivität: Zwischen 40. und 43. Tag tritt erste elektrische Hirnaktivität auf.

... der Befruchtung. Verschmelzung von Ei- und Samenzelle.

... der Nidation: Befruchtete Eizelle nistet sich in der Gebärmutterschleimhaut ein.

... der Empfängnis. Hinduismus, Buddhismus, Christentum: Tag der Beseelung.

... der Unteilbarkeit des Embryos: Ab dem 13./14. Tag ist eine Zwillingsbildung nicht mehr möglich.

... mit der 9. Woche: „schaut aus wie ein menschliches Wesen“.

... mit der psychischen Bindung der Mutter. Ab der 16. Woche sind die Bewegungen des Fötus im Mutterleib für die Mutter spürbar.

... mit dem 120. Tag. Islam: Tag der Beseelung.

Brutkasten überleben..

... mit der Geburt.

144 infografik reli+plus LEBENSBEGINN dES MENSCHEN MIT ... 11–12|2014 Monika Prettenthaler, Ottilie Kumpitsch | Bildquellen: http://www.bewegung-fuer-das-leben.com/entwicklung.html http://jeanvilarsciences.free.fr/images/quatriemes/repro%20homme/fecondation/nidation1.jpg | http://www.mscperu.org/aborto/abortalem/08_semanvivo.htm | http://www.alles-ueber-kinder.net/ entwicklung_embryo_2.htm

sterBeritUaLe

CHRISTENTuM

KatholikInnen bekommen vor dem Sterben vom Priester die Eucharistie, die sogenannte Wegzehrung (Viaticum). Wenn diese nicht mehr empfangen werden kann, wird oft die Krankensalbung gegeben. Evangelische ChristInnen werden in dieser Situation vom Pfarrer gesegnet. In den orthodoxen Kirchen werden von Priester und den Angehörigen mit Sterbende bestimmte Gebete gesprochen.

ISLAM

In Anwesenheit eines Imams sprechen die Angehörigen mit der sterbenden Person das islamische Glaubensbekenntnis (Schahada: Es gibt keinen Gott außer Gott, und Muhammed ist sein Prophet). Sie erinnern ihn an seine gottgefälligen Taten und an das Gute, das Allah ihm im Leben geschenkt hat. Sein Blick soll dabei nach Mekka gerichtet sein.

JudENTuM

Jüdinnen und Juden bekennen auf dem Sterbebett die Sünden, die sie im Lauf des Lebens begangen haben. Dann sprechen sie gemeinsam mit dem Rabbiner und den Angehörigen das Gebet „Schema Israel“ (Höre Israel! Adonai ist unser Gott. Adonai ist eins).

BuddHISMuS

Wenn ein/e BuddhistIn stirbt, sind neben den Angehörigen in vielen Ländern oft auch Mönchen oder Nonne dabei. Die Familie sorgt für eine möglichst ruhige, friedliche Atmosphäre – sie soll eine gute Wiedergeburt auf dem langen Weg ins Nirwana erleichtern.

HINduISMuS

Traditionell werden Hindu vor ihrem Tod auf eine Bastmatte gelegt. Bei Personen, die einer höheren Kaste angehören, soll dabei neben der Familie auch ein Brahmane anwesende sein. Er rezitiert religiöse Verse und flüstert dem sterbenden Menschen den Namen des „Familiengottes“ ins Ohr.

In allen Religionen werden Menschen im Sterben nicht allein gelassen. Neben dem Da-Sein von Angehörigen oder PflegerInnen, werden Gläubige in seiner letzte Lebensphase durch bestimmte Rituale begleitet.

reli+plus 145
Stern vom 20.11.2014, 34-34: Infografik: Daniela Duckhorn; Text und Recherche: Michael Chmurycz, Michael Lehmann-Morgenthal; Quellen u.a.: Museum für Sepulkralkultur, Kassel: Dr. Carola Roloff, Uni Hamburg; Prof. Dr. Elisabeth Schömbucher-Kusterer, Uni Würzburg; Mechthild Klein, Prof. Dr. Andreas Grünschloss, Uni Göttingen.
01–02|2015

HERZ-LICH ...

HERZ-LICH ...

Weder Leben, noch Liebe: Ohne Herz geht es nicht. Herzen umgeben uns – als Krankheit, auf T-Shirts, auf die Tafel gekritzelt,

Weder Leben, noch Liebe: Ohne Herz geht es nicht. Herzen umgeben uns – als Krankheit, auf T-Shirts, auf die Tafel gekritzelt, aus Lebkuchen oder Schokolade, auf Glückwunschkarten, als Grafik im Biologiebuch oder brennend am Seitenaltar in der Hand des Hl. Augustinus …

Das Organ-HERZ

Das Schmuck-HERZ

Die HERZ-LungenMaschine

Das HERZ der Steiermark Die HERZ-Jesu-Kirche München

Das Glaubens-HERZ

Das HERZ-Licht

Das Kitsch-HERZ

Das HERZ-Jesu

Das Dankes-HERZ

Prettenthaler, Heinz Finster | Bilder im Uhrzeigersinn von links oben: http://sz-magazin.sueddeutsche.de; Fotolia (2x); mein.salzburg.com; c214210.r10.cf3.rackcdn.com; Fotolia; www.ewige-anbetung.de; www.sousou-diysign.de; Fotolia (2x); Hintergrundfoto: Heinz Finster.

Monika

03–04|2015

Sonnengruß mit Vaterunser. Der Sonnengruß wird seit Jahrhunderten in Indien gepflegt und ist eine Reihe von zwölf Positionen, die dynamisch und fließend aneinander gereiht werden. Der Sonnengruß kann Körper und Geist in Einklang bringen – und ist in der hier vorgestellten Version eine besondere Form, das Vater unser zu beten.

soaufErden.

AdVENT–WARTEZEIT GESTALTEN

eins

zwei drei vier fünf sechs

sieben

acht

neun

zehn elf zwölf

dreizehn

vierzehn

fünfzehn

sechzehn

siebzehn

achtzehn

neunzehn

zwanzig

einundzwanzig

zweiundzwanzig

dreiundzwanzig

vierundzwanzig

fünfundzwanzig

sechsundzwanzig

SECHSUNDZWANZIGTAGEVORFREUDE

148 infografik reli+plus
11–12|2015
Texte und Grafik: IdeeMonika Prettenthaler nach: VIERUNDZWANZIGTAGEVORFREUDE (Ansichtskarte), © www.frieda-werkstattladen.de; artconcept GmBH; www.moderntimes.de

dIE WELT VERÄNdERN

DiE wELT VERÄnDERn

Im Jahre 1992 fand in Rio de Janeiro die erste große internationale Umweltkonferenz statt. Severn Cullis-Suzuki aus Kanada war damals 12 Jahre alt und hielt dort eine beeindruckende Rede, die alle TeilnehmerInnen sehr nachdenklich stimmte und bewusst machte, wie sehr Kinder und Jugendliche die Welt verändern wollen.

Alex Lin aus den USA hat mit 11 Jahren begonnen, Elektromüll zu verringern. Von 2005 bis 2011 wurden 180 t Elektrogeräte recycelt und 350 Computer erneuert.

Parrys Raines ist 16 Jahre alt und lebt in Australien. Sie hat erreicht, dass an ihrer Schule Plastikflaschen verboten und durch wiederverwertbare Metallflaschen ersetzt wurden.

Juan Ignacio Ordónez aus Argentinien hat als 14-Jähriger an der UN-Umweltkonferenz für Jugendliche teilgenommen und 2011 einen Umweltplan für seinen Rugbyclub erarbeitet.

Mária Ocsendás und ihre MitschülerInnen aus Ungarn haben sich dafür eingesetzt, dass ein Bauprojekt gestoppt wurde und die letzten Moorgebiete in Budapest erhalten blieben.

AnupRajChaliceausNepal hatmit15JahreneineKampagne organisiert,umheiligePipal-Bäumezu pflanzen.DasProjektgegendenKlimawandel wurdein14Regionenwiederholt.

Matthew Smith und seine Freunde haben in Madagaskar mitTheaterstücken über Meereslebewesen informiert,die vomAussterben bedroht sind.

JahmaliBridgewaterwar 10Jahrealt,alseraufden BermudaseinenUmweltclubgegründethat.2010verfassteerdasBuch

Arthus-Bertrand, Kinder, die die Welt verändern,

Prettenthaler, nach: Yann

Redaktion: Monika

Stuttgart/Wien: Gabriel 2014; Grafik: Heinz Finster, Hintergrund: fotolia.de

149 infografik reli+plus 01–02|2016
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„GrowingGreen“,dasviele Umwelttippsenthält.

DIE oRGEL, DIE KönIGIn

Dom Bédos de Celles, L‘Art du Facteur d‘orgues, Paris 1766/1778

Sh’ma Israel – Die Seele der orgel

„Höre, Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft.“ (Dtn 6,4)

Dieser von der 1914 in Lockenhaus als Jonka Stössel geborenen Johana Baron, die seit 1938 in London lebt, in hebräischer Sprache auf ein Pergament geschriebene Text wurde bewusst in den Blasbalg der 2003 erbauten Orgel in Lockenhaus gesetzt: So bekommt die Orgel ihren „Lebensatem“ (griech. πνευμα – pneuma = Wind, Hauch, Atem, Seele, Geist) vom Wort Gottes, und es ist Gottes Geist, der durch die Musik, die auf dieser Orgel gespielt wird, die Herzen bewegt.

Die Königin der Instrumente

Die orgl ist doch in meinen augen und ohren der könig aller instrumenten.

Wolfgang Amadeus Mozart, Brief an Leopold Mozart anlässlich eines Vergleichs mit dem Pianoforte [Klavier] vom 17. Oktober 1777

Aus

dem orgelweihegebet

Segne diese Orgel, damit sie zu deiner Ehre ertöne und unsere Herzen emporhebe zu dir.

Wie die vielen Pfeifen sich in einem Klang vereinen, so lass uns als Glieder deiner Kirche in gegenseitiger Liebe und Brüderlichkeit verbunden sein, damit wir einst mit allen Engeln und Heiligen in den ewigen Lobgesang deiner Herrlichkeit einstimmen dürfen.

150 infografik reli+plus dIE
05–06|2016 22 infografik reli+plus 05–06|2016
ORGEL, dIE KÖNIGIN
Redaktion: Karl Dorneger, Konservatorium für Kirchenmusik der Diözese Graz-Seckau.

Der Bildungswissenschaftler Ortfried Schäffter hat sich intensiv mit dem Unterschied von Eigenem und Fremdem auseinandergesetzt und vier verschiedene Möglichkeiten gefunden, wie Menschen Fremdes –immer in Beziehung zum Eigenen – verstehen können.

1. Einordnen: das Fremde als Resonanzboden

Hier wird kein Bruch zwischen dem Eigenen und dem Fremden gesehen, sondern ein Verhältnis spannungsreicher Verbundenheit. Das Eigene ist erst durch eine Trennung aus der ursprünglichen Ganzheit hervorgegangen – auch das Fremde geht auf diese Ganzheit zurück. Alles Fremde gilt als prinzipiell verstehbar, wenn ein Zugang zur gemeinsamen Basis gefunden wird.

„Ich habe keine Angst vor Fremden, sie sind doch Menschen wie du und ich.“

2. Abgrenzen: das Fremde als Gegenbild

Das Eigene und das Fremde sind unvereinbar. Eine feste und klar definierte Grenzlinie trägt dazu bei, das Eigene zu bewahren. Das Fremde könnte die eigenen Ordnungen stören oder in Frage stellen. Hier wird vor allem das Unterscheidende des Fremden gesehen, und oft trägt es dadurch zur Stärkung der eigenen Identität bei.

„Weil ich mit Salma oft über den Islam spreche, entdecke ich auch meine Religion, das Christentum, wieder neu.“

3. Aneignen: das Fremde als Bereicherung

Diese Weise, Fremdes zu verstehen, benötigt keine schützende Abgrenzung. Der Unterschied zwischen dem Eigenen und dem Fremden wird als temporäres Problem gesehen – die gegenseitige Anschlussfähigkeit ist eine Frage der Entwicklung. Das Fremde hilft, das Eigene auszuweiten und darin bisher ungeahnte Möglichkeiten zu entdecken.

„Wenn es Pizza, Sushi und Kebap nicht gäbe, könnte ich mich nicht ernähren.“

4. Anerkennen: das Fremde als Komplement

Das Muster, Fremdes im Sinne einer Komplementarität des Eigenen zu verstehen, geht davon aus, dass Eigenes und Anderes eine wechselseitige Fremdheit hervorrufen und sich dadurch gegenseitig relativieren und bestimmen. In Beziehung bleiben und die gegenseitige Anders-/Fremdheit zu respektieren, ist Ausdruck der Anerkennung einer prinzipiellen Unterschiedlichkeit der Einzelnen.

„Jede/r ist fremd – fast überall.“

151 infografik reli+plus 09–10|2016 FREMdE/S ENTdECKEN uNd VERSTEHEN
Redaktion: Monika Prettenthaler, Grafik: Heinz Finster.

60 MILLIONEN FLuCHTGESCHICHTEN

Das Matthäusevangelium (Mt 2,13–15) erzählt, dass Josef und Maria mit ihrem Baby fliehen, um Jesus vor dem aus Machtgelüsten blind mordenden Herodes zu schützen. Bis heute sind jährlich zig Millionen Menschen auf der Flucht. Eine unvorstellbar hohe Zahl – aber keine anonyme Größe, denn: Jeder Mann, jede Frau, jede und jeder Jugendliche, jedes Mädchen und jeder Bub –sie alle, die ihre Heimat verlassen mussten, könn(t)en ihre ganz persönliche Geschichte erzählen …

Jedes Jahr werden von der UNHCR am 20. Juni, dem von den Vereinten Nationen eingerichteten Weltflüchtlingstag, die aktuellen Weltflüchtlingszahlen veröffentlicht.. Die Grafik zeigt, wie laut Daten des UNHCR die Zahl der Flüchtlinge weltweit auf über 65 Millionen Menschen gestiegen ist.

31 Millionen Kinder und Jugendliche leben außerhalb ihres Geburtslandes. Das geht aus einem Bericht von UNICEF hervor.

Elf Millionen von ihnen sind Flüchtlingskinder oder Kinder, die Asyl suchen, weitere 17 Millionen sind Binnenvertriebene im eigenen Land. Damit ist jeder zweite Vertriebene oder flüchtende Mensch auf der Welt ein Kind oder ein Jugendlicher, eine Jugendliche. In der Gesamtbevölkerung ist ihr Anteil um einiges niedriger, wie diese Grafik zeigt.

152 infografik reli+plus 11–12|2016
Redaktion: Monika Prettenthaler, Grafik: Heinz Finster.

FrieDe

AUF ERDEN IST FRIEDE BEI DEN MENSCHEN SEINER GNADE LK 2,14b

Bei Den menscHen seiner GnaDe LK 2,14b

Friedensschluss Friedensvertrag

Abwesenheit von Gewalt und Krieg

Harmonisches Miteinander

Vertragliches Miteinander verschiedener Staaten

Erfüllung

Segen

Fülle

Ruhe Stille

Redaktion und Grafik: Heinz Finster, Ingrid Hohl

(Neu-)Griechisch: iríni | Latein: pax | Hebräisch: schalom | Arabisch: sala:m(un) | Italienisch: pace | Französisch: paix | Spanisch/ Portugiesisch: paz | Englisch: peace | Deutsch: Friede | Tschechisch/Kroatisch/Slowenisch: mír | Slowakisch: mier | Ungarisch: béke | Serbisch: mir | Türkisch: barış, sulh | Kurdisch: aştî | Ukrainisch: myr | Persisch (gesprochen im Iran als Fārsi, in Afghanistan als Dari und in Tadschikistan als Tādschikī): سلام (salam).

Redaktion und Grafik: Heinz Finster, Ingrid Hohl

153 infografik reli+plus
aUF erDen ist
6. Dezember 2015 www.sonntagsblatt.at 4 SONNTAGSBLATT PLUS GRAFIK
01–02|2017

AuFSTEHEN FÜR dEN FRIEdEN…

Der Friedensnobelpreis ist eine Auszeichnung für besondere Verdienste in der Friedensarbeit. Er wurde vom schwedischen Erfinder und Industriellen Alfred Nobel gestiftet. Diese Auszeichnung wird seit 1901 jedes Jahr am Todestag Alfred Nobels, dem 10. Dezember, in Oslo verliehen. Der Friedensnobelpreis wurde bis 2016 insgesamt 130-mal verliehen, davon gingen 88 Auszeichnungen (67,7 Prozent) an Männer, 16 (12,3 Prozent) an Frauen und 26 (20 Prozent) an Organisationen. Die Liste der PreisträgerInnen gibt Mut:

Jane Addams • Martti Ahti- saari • American Friends Service Committee • Amnesty International

• Norman Angell • Kofi Annan • Jassir

Arafat • Óscar Ari- as Sánchez • Klas

Pontus Arnoldson • Ärzte ohne Gren-

zen • Tobias Asser •

Aung San Suu Kyi •

Fredrik Bajer • Emily Greene Balch • Mo-

hammed el-Baradei • Auguste Beer-

naert • Menachem Begin • Carlos Filipe

Ximenes Belo • Nor- man Borlaug • Léon

Bourgeois • John Boyd Orr, 1. Baron Boyd-Orr •

Willy Brandt • Hjalmar Bran- ting • Aristide Briand • Ferdinand Buisson • Ralph Bunche • Bureau International Permanent de la Paix • Nicholas Murray Butler • Jim- my Carter • René Cassin • Robert Cecil, 1. Viscount Cecil of Chelwood • Austen Chamberlain • Mairead Corrigan • William

Randal Cremer • Charles Gates Dawes • Élie Ducommun • Henry Dunant • Shirin

Ebadi • Paul Henri d’Estournelles de Constant • Europäische Union • Alfred

Hermann Fried • Friedenstruppen der Vereinten Nationen • Alfonso García

Robles • Leymah Gbowee • Albert Gobat

• Michail Sergejewitsch Gorbatschow •

Al Gore • Grameen Bank • Dag Ham- marskjöld • Arthur Henderson • Hoher

tionen • Cordell Hull • John Hume • Institut de Droit international • Intergovernmen-

Flüchtlingskommissar der Vereinten Na-

tal Panel on Climate Change • International Campaign to Ban Landmines • Inter- nationale Arbeitsorganisation • Internationale Atomenergie-Organisation

• IPPNW • Léon Jouhaux

• Internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung

• Tawakkol Karman • Frank Billings Kellogg •

Kim Dae-jung • Martin Luther King • Henry

Kissinger • Frederik Willem de Klerk •

Henri La Fontaine • Carlos Saavedra

Lamas • Christian Lous Lange • Lê

Đú’c Tho • Liu Xiao- bo • Albert John

Luthuli • Wanga- ri Maathai • Seán

MacBride • Nelson Mandela • George

C. Marshall • Rigober ta Menchú • Ernesto

Teodoro Moneta • John Raleigh Mott • Alva

Myrdal • Fridtjof Nansen • Philip Noel-Baker • Barack

Obama • Office international Nan- sen pour les réfu- giés

chemischer Waffen • Carl von Ossietzky • Frédéric Passy • Linus Pauling • Lester Pearson • Schimon Peres • Adolfo Pérez Esquivel • Dominique Pire • Pugwash Conferences on Science and World Affairs • Quaker Peace and Social Witness

• Organisation für das Verbot

• Quartet du dialogue national • Ludwig Quidde • Jitzchak Rabin • José Ramos-Horta • Louis Renault (Jurist) • Theodore Roosevelt • Elihu Root • Józef Rotblat • Andrei

Sacharow • Anwar as-Sadat • Juan Manuel Santos •

Satō Eisaku • Kailash Satyarthi • Albert Schweitzer • Ellen Johnson Sirleaf • Nathan Söderblom • Gustav Stresemann

• Bertha von Suttner • Tenzin Gyatso • Mutter Teresa

David Trimble

Lech Wałęsa • Elie Wiesel • Betty Williams • Jody Williams

Desmond Tutu

Woodrow Wilson

Malala Yousafzai • Muhammad Yunus Grafik: Heinz Finster; Fotos: wmc

UNICEF • Vereinte Nationen •

154 infografik reli+plus 03–04|2017
Dmitrijewitsch

SPIELEN WIE FRÜHER

Kaiser, wie weit darf ich reisen?

Ein Kind spielt den ,Kaiser’ und stellt sich an das eine Ende des Spielfeldes. Die anderen SpielerInnen stehen ihm gegenüber am anderen Ende. Nacheinander stellt jedeR SpielerIn die Frage: „Kaiser, wie weit darf ich reisen?“ Der Kaiser antwortet mit einer beliebigen Anzahl an Schritten und einer frei gewählten Schrittart (zwei Riesenschritte vorwärts, vier kleine Schritte rückwärts, einen Flohhüpfer, auf einem Bein, auf zwei Beinen ...) und das jeweilige Kind ‚reist‘ auf die ‚erlaubte‘ Weise weiter. Das Kind, das als erstes beim Kaiser ankommt, ist der nächste Kaiser.

Figuren werfen

Ein Kind ist die Figurenwerferin und die anderen Kinder stellen sich vor ihr auf. Das Kind fasst nun einen ersten Mitspieler an einer Hand, dreht ihn mehrmals um sich herum und lässt ihn dann los usw. Die Spieler verharren je in der Position, in der sie zum Stehen/Liegen gekommen sind.

Blinde Kuh

Einem ausgewählten Kind werden mit einem Tuch die Augen verbunden. Dieses versucht, in einem abgegrenzten Gelände die anderen Kinder zu fangen. Die Sehenden laufen so nahe wie möglich an der ‚blinden Kuh‘ vorbei, berühren, zupfen oder necken sie – ohne dabei jedoch gefangen zu werden!

Schneider, leih mir die Schere

Es wird ausgezählt, wer die Rolle des Schneiders übernimmt. Die übrigen Kinder stellen sich an einzelne Bäume oder auch an anderen festgelegten Plätzen auf. Das als Schneider ausgezählte Kind geht von einem zur anderen und bittet: „Schneider, Schneider, leih mir die Schere!“ Der Angesprochene schickt ihn zu einer anderen und sagt: „Da drüben liegt sie ja!“ oder „Geh zur Nachbarin, die leiht sie auch her!“ Inzwischen wechseln alle Kinder ihren Platz (Baum) und das scherensuchende Kind muss versuchen, einen unbesetzten Baum/Platz zu bekommen.

Bockspringen

Für dieses Spiel braucht es mindestens zwei SpielerInnen: Ein Kind macht einen Buckel und stützt sich mit den Händen auf den Knien (oder unterhalb) ab und lässt sich vom anderen Kind mit gegrätschten Beinen überspringen. Dann geht der/die SpringerIn in die gebückte ‚Bockhaltung’ und wird selber übersprungen usw. Variante für mehrere SpielerInnen: Entweder stellen sich die SpielerInnen zu einer längeren ‚Böcke-Reihe‘ auf oder zwei Gruppen springen auf einer Strecke, die mit einer Start- und Ziellinie festgelegt ist, um die Wette.

Variante: Es werden zwei Teams gebildet, jedes Team hat eine ‚blinde Kuh‘ und versucht, diese mit Zurufen durch einen Parcours zu lotsen. Das Team, welches seine ‚blinde Kuh‘ als erste durchs Ziel bringt, hat gewonnen.

Wer fürchtet sich vor dem gefräßigen Wolf?

Ein Kind aus der Gruppe ist der ‚gefräßige Wolf‘ – es steht auf der einen Seite der Spielfläche. Die anderen stellen sich in einer Reihe nebeneinander auf der gegenüberliegenden Seite auf. Auf die Frage des Wolfes: „Wer fürchtet sich vor dem gefräßigen Wolf?“, antwortet die Gruppe: „Niemand!“ Nach dem Ruf des Wolfes: „Und wenn er aber kommt …?“, folgt die Antwort der Gruppe „Dann laufen wir davon!“ und alle aus der Gruppe versuchen, so rasch wie möglich auf die ‚Wolfseite‘ zu kommen. Dieser versucht, (zumindest) ein Kind zu fangen – das gefangene Kind ist in der nächsten Runde der/ die HelferIn des ‚gefräßigen‘

Wolfes …

Reise nach Jerusalem

Sessel – einer weniger als MitspielerInnen – werden Sesselrücken an Sesselrücken in zwei Reihen oder im Kreis aufgestellt. Die Kinder stellen sich um die Sessel herum auf. Die/die SpielleiterIn schaltet Musik ein. Solange Musik spielt, laufen die MitspielerInnen um die Stühle herum. Wird die Musik gestoppt, setzten sich die Kinder blitzschnell auf einen Sessel. Das Kind, das keinen Sessel erwischt, scheidet aus. Alle Kinder stehen wieder auf, ein Sessel wird weggenommen und die Reise beginnt mit dem Einsetzen der Musik erneut … Das Spiel wird so lange fortgesetzt, bis nur noch einE MitspielerIn übrig bleibt – dieseR ist dann der/ die SiegerIn.

Variante: Anstelle der Sessel können auch Esslöffel (Anzahl wieder: MitspielerInnen minus 1) aufgelegt werden. Beim Musik-Stopp schnappt sich jedeR einen Löffel.

05–06|2017
Grafik: Ingrid Hohl

Dimensionen von reLiGion

Der persönliche Glaube von Menschen bekommt in der jeweiligen Religion ein konkretes Gesicht. Eine große Vielfalt kennzeichnet die Welt der Religionen. Eine Idee, die Bedeutung von Religion zu beschreiben, ist der Versuch, verschiedene Dimensionen zu benennen, die – hier am Beispiel des Christentums – zeigen, wie vielschichtig der Zusammenhang zwischen Glauben, Leben und Kultur gesehen werden kann.

NARRATIVE dIMENSION

Erzähltraditionen, die identitätsstiftend wirken: Bibel, Legenden, geistliches Erzählgut, Erbauungsliteratur; religiöse Romane und Filme.

HISTORISCHE dIMENSION

Geschichtliches Erbe, auch Erinnerung an historische Krisen und Konflikte: Entstehungszeit, Kämpfe zwischen Orthodoxie und Heterodoxie, Zeiten der Verfolgung und Kreuzzüge, Reformation, Hexenverbrennung, Heilige und prägende Persönlichkeiten; regionale und familiäre Überlieferungen.

WELTANSCHAuLICH-KOGNITIVE dIMENSION

Begrifflich-systematische Darstellungen der religiösen Weltansicht und der Glaubensinhalte: Glaubensbekenntnisse und Kurzformeln des Glaubens; Katechismen, Lehrschreiben und Dogmen; Theologien.

ETHISCHE dIMENSION

Gebote, Normen, Werte und Tugenden.

POLITISCHE dIMENSION

Impulse für die Gestaltung der Gesellschaft: Kampf für eigene politische Interessen und Ziele; Beiträge zur Meinungsbildung; Denkschriften, Stellungnahmen und Aktionen.

ÖKONOMISCHE dIMENSION

Geld und Besitz:

Spenden, Kirchensteuer (Kirchenbeitrag) und Zuschüsse; Vermögen und Grundbesitz; Bezahlung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

INSTITuTIONELLE dIMENSION

Kirchliche Einrichtungen und Verwaltungen: Klerus und Ämter; Kirchenrecht; kirchliche Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, Telefonseelsorge u. v. a.

PÄdAGOGISCH-WISSENSCHAFTLICHE dIMENSION

Katechese und Religionsunterricht, Akademien, Medienarbeit; theologische Hochschulen und Fakultäten.

SOZIALE dIMENSION

Gemeinschaften und Zusammenschlüsse: zum Beispiel Gemeinden, Klöster, Orden; kirchliche Vereine, Bibelkreise, Weltjugendtreffen, Kirchenchöre, MinistrantInnengruppen.

KuLTISCH-RITuELLE dIMENSION

Gottesdienste, Sakramente, Riten; Feste und Brauchtum, Prozessionen, Wallfahrten.

EMOTIONALE uNd SPIRITuELLE dIMENSION

Lebensgefühl, Atmosphäre christlicher Gemeinschaften, seelische Beheimatung, geistliche Formung; Rhythmus und Feste des Kirchenjahres.

ÄSTHETISCHE dIMENSION

Architektur (Kirchen, Kapellen, Klöster), Bilder, Musik (Lieder, Messen und Orgelwerke), religiöse Gedichte, Gesänge und Gebete; kirchliche Museen.

SYMBOLISCHE dIMENSION

Symbole und ikonografische Traditionen: zum Beispiel Kreuz, Madonna; Gottes- und Christusbilder; Himmel und Hölle, Engel, Teufel; Paradies, Arche Noah usw.; Kreuzweg, Kreuzigung, Pietà; Pfingsten/Heiliger Geist.

Anmerkung: Zwischen den verschiedenen Dimensionen gibt es vielfältige Überschneidungen; und natürlich sind die Stichwörter zu den einzelnen Dimensionen keineswegs vollständig.

156 infografik reli+plus 09–10|2017
Quelle: Rüdiger Kaldewey, Franz W. Niehl: Grundwissen Religion. München: Kösel 4 2013; Bearbeitung und Grafik: Heinz Finster.

VON TRÄuMEN uNd WÜNSCHEN

Junge Menschen haben Träume, Wünsche, Hoffnungen. Auf dieser Seite stellen einige Kinder und Jugendliche vor, wie sie sich die Welt und ihre Zukunft wünschen. Allen gemeinsam ist, dass ihnen die Caritas dabei hilft, eine gute Basis für die Verwirklichung ihrer Träume zu bauen.

Abdiunbegleiteterist17undkamalsminderjähriger FlüchtlingausSomalianachÖsterreich träumtundwohntineinemCaritasFlüchtlingsheim.Erdavon,dasseskeineKriegemehrgibt.Fürsich persönlichwünschtersicheineFamilie,dasser inÖsterreichbleibendarfunderwünscht sicheinenJob.

Kennedy, Cynthia und Kimberly –9 und 11 Jahre alt – besuchen

ein Caritas Lerncafé und gehen gerne dorthin. Sie träumen von einer Erde, auf der es keine Kriege, keine Umweltverschmutzung und Gesundheit für alle Menschen und Tiere gibt und am besten soll niemand sterben müssen.

Hagar–17Jahre–istselbstbewusst undzielstrebig.SiestehtjedenTagumfünf Uhrauf,damitsieausderWeststeiermarknach GrazindieSchulekommt.IhrgroßerTraumistes, entwederTierärztinzuwerdenoderinDubai–wieihrVater–alsInformatikerinBekanntheitzuerlangen.

Dinuhatmit16 beschlossen,dasseraufeigenenBeinenstehen möchteundkämpftsichseitherohnefinanzielleUnterstützungdurchdieWelt,dieesnichtimmergutmitihm gemeinthat. SeingroßesZielistes,eineLehrstelle alsLagerlogistikerzufinden.

DasTeamSchmetterlingbietet Freizeitassistenzfürjährlichrund50 MenschenmitBehinderungab15Jahren.

Szabi–16

Operation.

Jahre–istimAltervonsieben JahrenineinenUnfallgeraten.100 TagewarerimKoma,seitherleideteran vielenFolgen.Erträumtvorallemdavon,dass ereinmöglichstgesundesLebenführen kannundseineFamiliehofftaufeine

Shirin, 16, sieht in ihrer Mitarbeit im Caritas-Projekt tag.werk einen Zwischenstopp. Nachdem sie im vergangenen Jahr entschieden hat, nicht mehr zur Schule zu gehen, träumt sie jetzt davon, KFZ-Mechanikerin zu werden.

Sabrinas Lebensfreude ist ansteckend. Obwohl sie in ihrem jungen Leben schon viel durchgemacht hat, ist ihre ungebremste Energie spürbar. Sie sehnt sich nach einem ruhigen Leben und seit sie einer Freundin eine besonders tolle Frisur gezaubert hat, träumt sie davon, Friseurin zu werden –und sie wünscht sich mehr Toleranz und Gleichberechtigung.

157 infografik reli+plus
Die sieben steirischen Lerncafés bieten SchülerInnen im Alter von 6–15 Jahren ein kostenloses Nachmittagsangebot. Gemeinsam wird gelernt, gespielt und die Freizeit gestaltet. Foto: J.J. Kucek Im Lerncafé mit Kennedy, Cynthia & Kimberly Kennedy und Cynthia (beide Jahre) sind sich einig, ihr großer Wunsch ist es, einmal mit dem Flugzeug zu fliegen. „Am besten nach Nigeria, um Verwandte zu besuchen, oder nach London“, wirft Kennedy ein einer seiner vielen Cousins lebt dort. Die zurückhaltende Kimberly (11 Jahre) hingegen hätte lieber ein Fahrrad in Pink. Lächelnd verrät das Mädchen mit der schönen rosa Schleife im Haar auch noch, dass sie gerne neue Kleider hätte. Alle drei besuchen das Lerncafé Lend in Graz und gehen gerne dorthin – obwohl hin und wieder auch einmal 32
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Aus: Caritas-Jahresbericht 2014 bzw. Fotograf: Max Wegscheider alias J.J. Kucek 11–12|2017

WACHSENdE RELIGIOSITÄT?

Wenn Menschen komplexe Inhalte verstehen möchten, helfen sie sich oft mit Modellen. Der Schweizer Psychologie Jean Piaget (1896–1980) hat in seinen Forschungen aus Antworten von Kindern auf deren kognitive Entwicklung geschlossen und entsprechende Schemata entworfen. Vielen PägagogInnen sind diese Modelle eines stufenweisen Wachstums der geistigen Fähigkeiten vertraut. Später wurde auch die moralische und religiöse Entwicklung in den Blick genommen. Drei unterschiedliche Theorien möchten zur Auseinandersetzung mit den Chancen und Grenzen solcher Stufenmodelle anregen: Worauf können diese aufmerksam machen? Welche Aspekte religiöser Entwicklung (z. B. Denken und verbale Ausdrucksfähigkeit, menschliche Entwicklung als natürlicher Wachstumsprozess oder Frucht von Rahmenbedingungen in Familie und Umfeld) können in diesen Schemata nicht abgebildet werden? …

Instrumentalreziproker Stil: Die Bedürfnisse im Umfeld werden wahrgenommen – Verhandlungsstrategien (do ut des); schlüssige Geschichten und Bilder mit wörtlichem Verständnis.

Stufe 6: Universalisierender Glaube

Stufe 3: Synthetisch-konventioneller Glaube (ab dem Jugendalter)

Stufe 1: Intuitiv-projektiver Glaube (Vorschulalter)

Stufe 5: GlaubeVerbindender(mittleres Lebensalter)

Stufe 4: Individuierend-reflektierender Glaube (Jugend, frühes Erwachsenenalter)

Subjektiver religiöser Stil: Intuitivprojektive Geschichten und Bilder für religiöse Vorstellungen und Empfindungen werden aus einer egozentrischen Perspektive heraus entworfen.

Individuierendsystemischer religiöser Stil: Einzelne sehen sich als Teil eines sozialen Systems, haben bestimmte Rolle und können Grad der Nähe oder Distanz bestimmen; Geschichten, Bilder, … werden kritisch befragt. Wechselseitiger religiöser Stil: Einzelne sehen sich als PartnerInnen in zwischenmenschlichen Beziehungen im Umfeld, sind Quelle und Maßstab für Bilder, Geschichten, religiöse Empfindungen.

religiöserDialogischStil: Fremdes und Differenz werden als Bereicherung des Eigenen wahrgenommen und als Ergänzung gesehen (zweite „Naivität“).

Stufe 0: Erster Glaube, Glaube als Urvertrauen (erste Lebensmonate)

Stufe 2: Mythisch-wortgetreuer Glaube („Buchstabenglaube“; Kindheit im Grundschulalter, frühe Jugend)

James Fowler: Theorie zum

Heinz Streib: „religiöse Stile“

Stufe 3: Autonomie der Person durch Abtrennung des Ultimaten vom genuin humanen Bereich (Deismus).

Stufe 2: Sicht der Beeinflussung alles Ultimaten durch Riten, Erfüllungen, Gebete usw. (do ut des). Erste Subjektivität.

Stufe 5: Sicht einer kommunikativ-religiösen Praxis, in der das Ultimate in jedem Handeln Voraussetzung und Sinngebung bildet. Höchste menschliche Autonomie (Kommunikativität).

Stufe 4: Autonomie von Person durch Annahme apriorischer (= von Erfahrung unabhängiger) Voraussetzungen aller menschlichen Möglichkeiten.

Stufe 1: Sicht einseitiger Macht und Autorität eines Ultimaten (= Letztendliches) (Deus ex machina).

158 infografik reli+plus
Piaget u.a.
zurreligiösenEntwicklung
FritzOser: Stufenschema
(‚faith‘)Lebensglauben
? 01–02|2018

Reli+Plus bietet:

fünf Mal jährlich neues Material für Schule und Kindergarten

jeweils ein Thema in Theorie und Praxis

speziell aufbereitet für Elementarpädagogik, Primarstufe sowie Sekundarstufe 1 und 2

zum Sammeln: Infografiken und Methodenlabor

Methodenlabor Religion bietet:

eine Sammlung mit den besten Methodenlabor-Beiträgen aus 10 Jahren Reli+Plus

66 kreative Ideen für Religionsunterricht und Elementarpädagogik

nach 10 Kategorien geordnet: von Arbeit mit Filmen bis Brauchtum im Jahreskreis

Kopiervorlagen und kreative Gestaltungsideen

Infografiken: von Bilder unserer Welt über Fastentraditionen bis Lebensbeginn

FinsterVerlag 2023

Reli+Plus » Religionspädagogische Zeitschrift für Praxis & Forschung plus

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