Pfarrblatt

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PFARRBLATT FÜR MÜRZZUSCHLAG

63. Jg. - Nr. 10/2017

www.muerzzuschlag.org

500 Jahre Reformation – Freiheit und Verantwortung seit 1517 Niemand, schon gar nicht Martin Luther selbst, hätte sich träumen lassen, dass die 95 Thesen, die er verfasste, um eine Diskussion über den Ablasshandel anzuregen (dass er sie am 31. Oktober 1517 an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg nagelte, ist bis heute umstritten), zu einer Spaltung der Kirche führen würde. Die Lutherischen Kirchen feiern, basierend auf diesem Datum, das 500-JahrJubiläum. Ist dieser Anlass tatsächlich ein Grund zu feiern?

Martin Luther, obwohl selbst in seinem Denken noch dem Mittelalter verhaftet, hat mit seiner Theologie mit damals gültigen Vorstellungen gebrochen. Er hat mittelalterliche Verkrustungen der Kirche gesprengt und die Heilige Schrift lesbar für alle gemacht. Er hat den Blick weg vom strafenden und hin zum gnädigen Gott gelenkt, der dem Menschen im Voraus die Gnade der Rettung und des Angenommenseins schenkt. Das wurde damals und wird heute als erlösende Befreiung empfunden. Diese Freiheit bringt aber auch Verantwortung mit sich, gegenüber den Mitmenschen und der ganzen Schöpfung. Deshalb das Motto des

Reformationsjahres „Freiheit und Verantwortung“. Ein Blick in die Welt zeigt uns, wie sehr es bis heute an der Umsetzung dieser Verantwortung mangelt. Vom Beginn der Reformation an kam es zu einer unheilvollen Verquickung von Politik und Religion. 1617, hundert Jahre nach dem Thesenanschlag, stand Europa politisch und konfessionell zerrissen vor einem schrecklichen Krieg, 1717, zweihundert Jahre danach, wäre keinem Evangelischen in Österreich zu raten gewesen, öffentlich zu feiern, weil der reformierte Glaube nur im Geheimen weiter bestehen konnte. 1817, dreihundert Jahre danach, konnten die Evangelischen sich in unserer Heimat zwar zu ihrem Glauben bekennen, von einer Gleichstellung war man aber weit entfernt. Vierhundert Jahre nach dem Thesenanschlag, 1917, litten unzählige Menschen jeder Konfession und Religion unter dem Ersten Weltkrieg. Ein Jubiläum in Versöhntheit 2017 endlich – 500 Jahre nach der Reformation – besteht die Möglichkeit, das Jubiläum zu feiern. Es wird nicht ausgrenzend, sondern im Zeichen der Ökumene begangen. Vielerorts – auch in unserer Region – wurde und wird in gemeinsamen Veranstaltungen der Reformation gedacht und aufgezeigt, wie sehr Martin Luthers Lehre auch andere Kirchen beeinflusst hat. Endlich liegt der Fokus nicht mehr auf dem Trennenden sondern auf dem Verbindenden.

Papst Franziskus und Munib A. Younan in Lund

Beim gemeinsamen katholisch-lutherischen Reformationsgedenken am 31. Oktober 2016 in Lund setzte Papst Franziskus ein klares Zeichen in Richtung eines Miteinanders in versöhnter Verschiedenheit. In seiner Predigt sprach er den Einfluss der evangelischen auf die katholische Kirche an: „Dankbar erkennen wir an, dass die Reformation dazu beigetragen hat, die Heilige Schrift mehr ins Zentrum des Lebens der Kirche zu stellen. Die geistliche Erfahrung Martin Luthers hinterfragt uns und erinnert uns daran, dass wir ohne Gott nichts vollbringen können.“ Das Unterscheidende soll aber auch nicht geleugnet werden. Noch sind eine Reihe von Hürden auf dem Weg zu einem gleichberechtigten Miteinander in versöhnter Verschiedenheit zu überwinden. In der von Papst Franziskus und Munib A. Younan, dem Präsidenten des Lutherischen Weltbundes, unterzeichneten gemeinsamen Erklärung heißt es: „Wir erfahren den Schmerz all derer, die ihr ganzes Leben teilen, aber

Gottes erlösende Gegenwart im eucharistischen Mahl nicht teilen können. Wir erkennen unsere gemeinsame pastorale Verantwortung, dem geistigen Hunger und Durst unserer Menschen, eins zu sein in Christus, zu begegnen. Wir sehnen uns danach, dass diese Wunde im Leib Christi geheilt wird.“ Ausblick Gehen wir den jetzt eingeschlagenen Weg weiter, denn, wie Martin Junge, der Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes, in Lund sagte: „Besser, Gott findet uns beim Brückenbauen, damit wir einander näher kommen können, beim Bauen von Häusern, wo wir uns treffen können, und von Tischen, an denen wir Brot und Wein teilen können, die Anwesenheit Christi, der uns nie verlassen hat und der uns aufruft, ihm zu folgen, damit die Welt glaube.“ Dieter Röschel Dr. Dieter Röschel ist in den evangelischen Pfarrgemeinden Kindberg und Mürzzuschlag für die Veranstaltungen zu „500 Jahre Reformation“ verantwortlich.


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