Das Makedonische - auf dem Weg zur Anfangsbetonung? - Sebastian Kempgen

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Das Makedonische – auf dem Weg zur Anfangsbetonung? Sebastian Kempgen (Bamberg) Sein Wortakzent gibt dem Makedonischen eine besondere Stellung innerhalb der slavischen bzw. südslavischen Sprachen, aber auch darüber hinaus typologisch insgesamt. Franks (1987, 95) nennt den makedonischen Akzent sogar “virtually unique among the world’s languages”. Normalerweise benennt man den makedonischen Akzent als Antepaenultima-Akzent, also als Akzent auf der drittletzten Silbe (mak. tretosložniot akcent, tretosložnata akcentovka) – im übrigen kein Balkanismus, sondern eine echte Innovation. Der AntepaenultimaAkzent gehört zweifellos zu den Merkmalen, die bei der Normierung des Makedonischen dazu dienten, es möglichst weit sowohl gegenüber dem Serbischen wie dem Bulgarischen abzugrenzen; er gilt als eines der wichtigsten seiner distinktiven Merkmale – so ist denn auch der erste Artikel in der ersten Nummer von Makedonski jazik dem Akzent dieser Sprache gewidmet (TOŠEV 1950). Das Anliegen des vorliegenden Beitrages ist ein zweifaches: a) erstens sollen verschiedene Formulierungen der Beschreibung des makedonischen Akzentes diskutiert werden, b) sollen weitere Überlegungen angestellt und empirische Daten ausgewertet werden, die zusammen darauf hinauslaufen, daß das Makedonische als Sprache in einem Übergangsstadium zu einer neuen Akzentregel betrachtet werden könnte, die zugleich erklären helfen, warum c) der Antepaenultimaakzent typologisch gesehen selten ist. 1. Der Antepaenultima-Akzent Zunächst sei kurz resümiert, wie sich der Wortakzent im Makedonischen tatsächlich darstellt: Der (am Westmakedonischen orientierte) Akzent fällt auf die drittletzte Silbe, in Fremdwörtern jedoch auch auf andere Silben. Wenn ein Wort (korrekter müßten wir immer sagen: eine Wortform) weniger als drei Silben umfaßt, so fällt der Akzent bei einsilbigen Wortformen auf die erste = letzte = einzige Silbe, bei zweisilbigen Wortformen auf die zweitletzte = erste Silbe, bei dreisilbigen Wortformen auf die drittletzte = erste Silbe.1 Beispiele: einsilbig: zweisilbig: dreisilbig: viersilbig: fünfsilbig:

A AS ASS SASS SSASS

јас ‘ich’, сум ‘bin’ глагол ‘Verb’, преглед ‘Überblick’ домашно ‘einheimisch’, потекло ‘Herkunft’ представува ‘stellt dar’ Македонија ‘Makedonien’

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Zum typologischen Zusammenhang zwischen Wortlänge und Akzent am Beispiel des ‘Minimalpaares’ Makedonisch – Bulgarisch vgl. KEMPGEN (1990). © S. Kempgen 2008. Orig. publ. in: Problems of General, Germanic and Slavic Linguistics. Papers fo the 70th Anniversary of Professor V. Levickij, Černivci 2008, 311–318.


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