Aktuelle und künftige Anforderungen an das Gatekeeping im präklinischen Bereich

Page 1

Christoph Redelsteiner

an der Donau Universität Krems. Redelsteiner ist Sozialarbeiter, Notfallsanitäter (A), Parame­ dic (USA) und Lehrrettungsassistent (D) und seit 1984 in unterschiedlichen Funktionen in Rettungsdiensten aktiv.

Der Rettungsdienst wird als rund um die Uhr erreichbare Einrichtung zunehmend mit Auf­ gaben der nicht dringlichen „einfachen“ sozi­ alen, pflegerischen und medizinischen Pri­ märversorgung konfrontiert. Wie müssten die Strukturen eines Gatekeeping für „Akutfälle“ aussehen, um die Versorgung zu gewährleis­ ten? Anhand zweier ländlicher Regionen wird den Auswirkungen der demografischen Ände­ rungen auf die rettungsdienstlichen Einsatz­ zahlen nachgegangen. Modelle der internationalen Patientenlenkung durch Leitstellen oder Rettungsfachkräfte vor

Ort durch Behandlung, Transport oder Verwei­ sung zu passenden Ressourcen werden ver­ glichen. Sieben standardisierte Fallbeispiele zeigen die unterschiedlichen Reaktionsmuster von 25 Rettungsdiensten aus 17 europäischen Nationen und den USA. Möglichkeiten der Adaptierung von Einsatzund Dispositionsstrategien und Überlegungen zu Formen der Vernetzung zwischen den Insti­ tutionen, den pflegerischen und sozialen Ein­ richtungen werden dargestellt. Ziel ist die Sicherstellung einer adäquaten Hilfe für alle Altersgruppen und sozialen Schichten – insbe­ sondere auch für den ländlichen Raum.

Dissertation Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften

Aktuelle und künftige Anforderungen an das Gatekeeping im präklinischen Bereich

Christoph Redelsteiner ist Professor an der Fachhochschule St. Pölten und unterrichtet in den Departments Soziales und Gesundheit. Er ist fachwissenschaftlicher Leiter des Universi­ tätslehrgangs für Rettungsdienstmanagement

Christoph Redelsteiner

Aktuelle und künftige Anforderungen an das Gatekeeping im präklinischen Bereich

Aktuelle und künftige Anforderungen an das Gatekeeping im präklinischen Bereich unter besonderer Berücksichtigung der soziodemografischen Entwicklung am Beispiel zweier Grenzregionen im Burgenland ISBN 378-3-943174-72-4

www.skverlag.de

unter besonderer Berücksichtigung der soziodemografischen Entwicklung am Beispiel zweier Grenzregionen im Burgenland


Â

II


Aktuelle und künftige Anforderungen an das Gatekeeping im präklinischen Bereich unter besonderer Berücksichtigung der soziodemografischen Entwicklung am Beispiel zweier Grenzregionen im Burgenland

Christoph Redelsteiner

Verlagsgesellschaft Stumpf + Kossendey mbH, Edewecht 2016


Anmerkungen des Verlags Der Autor und der Verlag haben höchste Sorgfalt hinsichtlich der Angaben von Richtlinien, Verordnungen und Empfehlungen aufgewendet. Für versehentliche falsche Angaben übernehmen sie keine Haftung. Da die gesetzlichen Bestimmungen und wissenschaftlich begründeten Empfehlungen einer ständigen Veränderung unterworfen sind, ist der Benutzer aufgefordert, die aktuell gültigen Richtlinien anhand der Literatur zu überprüfen und sich entsprechend zu verhalten. Die Angaben von Handelsnamen, Warenbezeichnungen etc. ohne die besondere Kennzeichnung ®/™/© bedeuten keinesfalls, dass diese im Sinne des Gesetzgebers als frei anzusehen wären und entsprechend benutzt werden könnten. Der Text und/oder das Literaturverzeichnis enthalten Links zu externen Webseiten Dritter, auf deren Inhalt der Verlag keinen Einfluss hat. Deshalb kann er für diese fremden Inhalte auch keine Gewähr übernehmen. Für die Inhalte der verlinkten Seiten ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber der Seite verantwortlich. Aus Gründen der Lesbarkeit ist in diesem Buch meist die männliche Sprachform gewählt worden. Alle personenbezogenen Aussagen gelten jedoch stets für Frauen und Männer gleichermaßen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen ­Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen oder Textteilen, vorbehalten. Einspeicherung in elektronische Systeme, Funksendung, Vervielfältigung in jeder Form bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors und des Verlags. Auch Wiedergabe in Auszügen nur mit ausdrücklicher Genehmigung.

Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades (Dr. PH) an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften Universität Bielefeld

© Copyright by Verlagsgesellschaft Stumpf + Kossendey mbH, Edewecht 2016 Gesamtherstellung: Bürger Verlag GmbH & Co. KG, Edewecht Umschlagbild: Christoph Redelsteiner ISBN 378-3-943174-72-4


Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades (Dr. PH) an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften Universität Bielefeld Aktuelle und künftige Anforderungen an das Gatekeeping im präklinischen Bereich unter besonderer Berücksichtigung der soziodemografischen Entwicklung am Beispiel zweier Grenzregionen im Burgenland Akteure, Problemanalyse, Lösungsansätze vorgelegt von Christoph Redelsteiner Bielefeld, im Dezember 2015

Gutachter/in: Prof. Dr. Dr. Rainer Fehr (Universität Bielefeld) Prof.in Dr. Claudia Hornberg (Universität Bielefeld)


Â

II


„Die Medicin ist eine sociale Wissenschaft, und die Politik ist nichts weiter als Medicin im Großen.“

Dr. Rudolf Ludwig Karl Virchow Arzt und Politiker (1821–1902)

Widmung Gewidmet meinem langjährigen freundschaftlichen Mitstreiter Dr. med. Reinhard Malzer († 2013), Ausbildungsleiter der Berufsrettung Wien, mit dem ich gemeinsam viele organisations-­ und berufsgruppenübergreifende Projekte, beispielsweise die Implementierung der Ausbildungskonzepte AMLS, PHTLS und AMPDS, durchführen durfte und der mir in den Anfangszeiten der Dissertation immer ein fördernder und kritischer Diskussionspartner und Freund war.

III


Abstract Aktuelle und künftige Anforderungen an das Gatekeeping im präklinischen Bereich unter besonderer Berücksichtigung der soziodemografischen Entwicklung am Beispiel zweier Grenzregionen im Burgenland. Akteure, Problemanalyse, Lösungsansätze. Redelsteiner, Christoph Ist-­Situation Der Rettungsdienst wird, als rund um die Uhr niedrigschwellig erreichbare Einrichtung, ungeplanterweise, aber mit hoher Frequenz, mit Aufgaben der nicht dringlichen, „einfachen“ sozialen, pflegerischen und medizinischen Primärversorgung konfrontiert. Forschungsfrage Wie müssten die Strukturen eines Gatekeepings für „Akutfälle“, insbesondere unter Einbindung der primären operativen Akteure – Rettungsleitstellen, niedergelassenen Ärzte, ärztlichen Notdienste und der Rettungsdienste –, aussehen, um die Versorgung zu gewährleisten? Ziele • Darstellung der beteiligten Akteure und Institutionen • Ermittlung der Auswirkungen demografischer Veränderungen auf die rettungsdienstlichen Einsatzzahlen der beiden Regionen • Überlegung, welche Ausbildungsmodelle und Berufsgruppen für die adäquate Patientenbetreuung künftig erforderlich sind • Analyse von nationalen und internationalen Modellen der Patientenlenkung durch Rettungsleitstellen oder durch Rettungsfachkräfte vor Ort durch Verweisung zu passenden Ressourcen • Überlegungen zur Adaptierungen der Einsatz-­ und Dispositionsstrategien und zu Formen der Vernetzung zwischen den in der Hauptfrage erwähnten Institutionen und benachbarten pflegerischen und sozialen Einrichtungen, auch um ethische Aspekte wie die Sicherstellung adäquater Hilfe für alle Altersgruppen, soziale Schichten und nicht nur für urbane Gebiete – also eine faire Verteilung und Zugänglichkeit zur Hilfe – zu unterstützen Methoden Mixed Method Research, qualitative und quantitative Erhebungs-­ und Auswertungsmethoden, beispielsweise durch Einsatzfrequenzanalysen, teilnehmende Beobachtungen oder Fallbeispiele. Ausgewählte Ergebnisse • Je nach Berechnungsvariante und demografischem Szenario werden in den beforschten Regionen im Vergleich zum Jahr 2013 im Jahr 2020 bis zu 12 % und im Jahr 2030 bis zu 34 % mehr Einsätze zu absolvieren sein. • Das erfordert eine Steuerung von Patienten, auch zu nicht klinischen Ressourcen. Diese Lenkung kann auch bereits telefonisch erfolgen, durch Einsatz eines Rettungsmittels zur Lageklärung oder Verweisung der Patienten in passendere Hilfswege. • Diese Steuerung erfordert eine enge logistische Verknüpfung der Ressourcen Hausarzt, Hauskrankenpflege, Rettungsdienst und Krankenhäuser. • Die Lageklärung vor Ort erfordert eine entsprechend niedrigschwellig, systematisch und verlässlich einsetzbare mobile Ressource. Hausärzte, Krankenpfleger, Sozialarbeiter oder Sanitäter würden bei entsprechender spezifischer transdisziplinärer Aus-­ und Weiterbildung für diese Aufgabenstellung infrage kommen. • Insbesondere für ländliche Regionen ist die Konzeption eines diese Berufsgruppen verknüpfenden Lehrganges „Community Care Specialist“ sinnvoll, der interdisziplinär ein erstes Clearing von Patienten, die keine Notfallpatienten sind, durchführt. Schlüsselwörter Ärztlicher Bereitschaftsdienst, Anruferberatung, Clearing, Gatekeeper, Hausarzt, Notarzt, Paramedic, Patientenlenkung, Patientenpfade, Primärversorgung, Rettungsdienst, Sanitäter, Telefontriage, Versorgung und Belassung vor Ort, Verweisung IV


English Abstract Current and future requirements for gatekeeping in the prehospital setting with special consideration of sociodemographic requirements, with a special focus on two rural border regions in the Austrian state of Burgenland. Stakeholders, problem analysis, possible solutions. Redelsteiner, Christoph Current Situation Prehospital Emergency Medical Services is an 24/7 institution with low threshold for contact and is hence faced with a high volume of requests for ‚simple‘ social, nursing and medical interventions that could be served better by other primary health and social care providers. Research question What structure for an integrated gatekeeping for ‚urgent cases‘ is required to assure care, including primary care actors such as Emergency Dispatch, General Practitioners and their out-­of-­hours service and Emergency Ambulance Services? Goals • Description of stakeholders and institutions • Highlighting the impact of demographic changes on Ambulance Services with focus on call volume in the two rural border regions • Advisement of future training models and professions needed for an adequate patient care • Analysis of national and international models to steer patients to appropriate ressources via caller advice or on scene clearing and referral by prehospital care professionals • Adapting strategies of caller handling in dispatch centers and on scene, advisement on networking between the main primary care institutions and related social and nursing ressources with the goal of ensuring fair, ethical and non discriminatory distribution of care, especially also for the elderly, for all social levels and not for urban settings only Methods Mixed Method Research, qualitative and quantitative investigation und analysis, e.g. by assessment of call demand, field emergency call research and analysis of anwers to hypothetical patient szenarios. Selected Results • Depending on the (demographic) scenario, the two regions will have to handle a call increase of up to 12 % by 2020 (2030: 34 %) compared to 2013. • This requires steering patients to non-­hospital based resources, either by phone or by on-­ scene assessment via ambulance and guiding patients to appropriate community resources. • To control this process, a tight logistical connection between general practitioners, home nursing, emergency medical services and hospitals is needed. • On-­scene patient assessment requires a systematic, reliable and specific low threshold mobile resource. General practitioners, nurses, social workers and paramedics could be utilized, depending on a specific interprofessional training and education for this task. • Especially for rural regions, a concept for a new interdisciplinary degree program „Community Care Specialist“, connecting social and health professions, is required, teaching assessment, clearing and basic treatment of non-­emergent, e.g. psychosocial and simple medical patients. Keywords Ambulance, Caller Advice, Clearing, Emergency Medical Services, Gatekeeper, General Practitioner, Emergency Physician, Out-­of-­Hours Service, Paramedic, Primary Care, Patient Pathways, Referral, Telephonetriage, Treat and Release

V


Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung ......................................................................................................... 1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.1.5 1.1.5.1 1.1.5.2

Die Tür zum österreichischen Gesundheitswesen ......................................... 1 Wohin soll ich mich wenden? – Der Blickwinkel der Patienten ........................... 1 Der Rettungsdienst als Auffangnetz ..................................................................... 1 Der Blickwinkel des klinischen Versorgungssystems ........................................... 2 Der Blickwinkel der Kostenträger ......................................................................... 3 Grundlegende Begriffe ......................................................................................... 4 Der Begriff des Gatekeepers ....................................................................................... 4 Primary Care – Primärversorgung ............................................................................... 4

1.2

Public-­Health-­Relevanz ...................................................................................... 6

1.3

Aufbau der vorliegenden Arbeit ........................................................................ 8

1.4

Bezug des Verfassers zum Thema ................................................................... 9

2 Das Problem und seine Hintergründe ......................................................... 11 2.1

Ineffektiv und ineffizient – Der Fehleinsatz hochwertiger und begrenzter Ressourcen ....................................................................................................... 11

2.2 2.2.1

Ursachen und verstärkende Faktoren ............................................................ 15 Komplexität – Viele mögliche Wege, um Hilfe im Gesundheitssystem zu bekommen .......................................................................................................... 15 2.2.2 Einsatzstrategien – Zur „Sicherheit“ ins Krankenhaus? ..................................... 23 2.2.3 Psychosoziale Notlagen – Einsamkeit und psychosomatische Probleme als verborgener Einsatzgrund .................................................................................. 27 2.2.4 Demografische Entwicklung ............................................................................... 30 2.2.4.1 Die alternde Bevölkerung .......................................................................................... 30 2.2.4.2 Steigende Konkurrenz für Gesundheitsberufe auf dem Arbeitsmarkt ....................... 32 2.2.4.3 Ärztemangel .............................................................................................................. 33 2.3

Zusammenfassender Überblick über Ursachen und verstärkende Faktoren ............................................................................................................................ 35

3 Überblick über den Stand der Forschung .................................................. 36 3.1

Ermittlung des Forschungsstandes ............................................................... 36

3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.2.6

Literatur-­ und Quellenrecherche ..................................................................... 36 Recherche in Fachbüchern ................................................................................ 36 Recherche in Datenbanken ................................................................................ 38 Zwischenergebnis ............................................................................................... 40 Recherche im Internet ........................................................................................ 40 Recherche in sonstigen Quellen ......................................................................... 41 Recherche bei wesentlichen Fachorganisationen des Gesundheitswesens ...... 42

3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5

Ergebnisse ausgewählter Studien .................................................................. 44 European Emergency Data Project .................................................................... 44 Studie der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse .................................. 46 Fiktive Rettungsdienstlandschaft in Niederösterreich ......................................... 47 Kontrollamtsbericht der Stadt Wien .................................................................... 49 Die präklinische Akut-­ und Notfallversorgung pädiatrischer Patienten in Wien .. 51

3.4

Fazit ................................................................................................................... 53

XII


4 Ziele und wissenschaftliche Fragestellung ................................................ 55 4.1

Ziele der Arbeit ................................................................................................. 55

4.2

Wissenschaftliche Fragestellungen ............................................................... 56

4.3

Erwartbare Ergebnisse .................................................................................... 57

5 Untersuchungsmethodik und Forschungsdesign ..................................... 59 5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3

Grundlegendes ................................................................................................. 59 Zur Einordnung der Arbeit .................................................................................. 59 Mixed Method Research ..................................................................................... 61 Ethische Aspekte und Datenschutz .................................................................... 63

5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.2.4.1 5.2.4.2 5.2.4.3 5.2.5

Forschungsdesign – Methoden der Erhebung und Auswertung ................ 64 Literaturrecherche .............................................................................................. 64 Feldbesuche ....................................................................................................... 64 Teilnehmende Beobachtung ............................................................................... 67 Interviews und Fallbeispiele ............................................................................... 71 Persönliche Interviews im Rahmen der Feldbesuche ............................................... 71 Schriftliche Interviews ................................................................................................ 72 Fallbeispiele ............................................................................................................... 73 Gespräche mit Führungskräften aus Politik, Verwaltung und Krankenkassen ... 76

6 Professionen in der präklinischen und extramuralen Versorgung .......... 77 6.1

Einleitung und Methodik .................................................................................. 77

6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.2.1 6.2.2.2

In Österreich aktive Professionen .................................................................. 78 Vorprofessionelle Mitarbeitergruppen ................................................................. 78 Sanitätsdienstliche und pflegerische Gesundheitsfachberufe ............................ 80 Sanitäter und Krankenpfleger in Österreich .............................................................. 80 Gegenüberstellung konkreter Tätigkeiten von Sanitätern und Krankenpflegern in Österreich auf Basis der Berufsgesetze .................................................................... 83 6.2.3 Ärztliches Personal ............................................................................................. 86 6.2.3.1 Notärzte ..................................................................................................................... 86 6.2.3.2 Hausärzte .................................................................................................................. 87 6.2.3.3 Der Hausarzt als Gatekeeper .................................................................................... 88 6.3 6.3.1 6.3.1.1 6.3.1.2 6.3.1.3 6.3.1.4 6.3.1.5 6.3.2 6.3.3

International aktive Professionen ................................................................... 90 Krankenpfleger im Rettungsdienst ..................................................................... 90 Italien ......................................................................................................................... 90 Niederlande ............................................................................................................... 91 Norwegen und Schweden ......................................................................................... 91 Slowenien .................................................................................................................. 92 Tschechien ................................................................................................................ 92 Paramedics – Fachkräfte für präklinische Notfallmedizin ................................... 92 Überblick über international aktive Professionen in der extramuralen Versorgung und Präklinik ....................................................................................................... 94

6.4

Aufgabenbereiche und Kompetenzen der Professionen in der Patientenbetreuung .......................................................................................... 97 Überblick über die Kompetenzrahmen in der Präklinik aktiver Professionen ..... 97 Spezielle Aufgabenstellung – Die Entscheidung über Visite oder Hospitalisation .......................................................................................................................... 102

6.4.1 6.4.2

XIII


7 Interessenspartner im präklinischen Bereich des Bundeslandes Burgenland .................................................................................................. 104 7.1

Einleitung und Methodik ................................................................................ 104

7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3

Begriffserklärungen ....................................................................................... 105 Agent ................................................................................................................ 105 Akteur ............................................................................................................... 106 Interessenspartner ............................................................................................ 106

7.3 7.3.1 7.3.2

Interessenspartner aus Fallsicht .................................................................. 107 Die Fallsicht im Rettungsdienst – Die Rettungskette nach Ahnefeld ................ 107 Der Rettungsdienst im Burgenland aus Fallsicht .............................................. 108

7.4 7.4.1 7.4.1.1 7.4.1.2 7.4.1.3 7.4.1.4 7.4.1.5 7.4.1.6 7.4.2 7.4.2.1 7.4.2.2 7.4.3 7.4.3.1 7.4.3.2 7.4.4 7.4.4.1 7.4.4.2 7.4.4.3 7.4.4.4 7.4.4.5 7.4.4.6 7.4.4.7 7.4.4.8 7.4.4.9 7.4.5 7.4.5.1 7.4.5.2 7.4.5.3 7.4.5.4 7.4.5.5

Interessenspartner aus organisatorischer Sicht ......................................... 110 Politik und Verwaltung ...................................................................................... 110 Politische Parteien ................................................................................................... 110 Landesrat für Gesundheit und Soziales .................................................................. 110 Abteilung „Gesundheit“ der Landesverwaltung ....................................................... 111 Gesundheits-­ und Patientenanwaltschaft ................................................................ 111 Bezirksverwaltungsbehörden und Amtsärzte .......................................................... 112 Landesrettungsbeirat ............................................................................................... 112 Institutionen, die normative Vorgaben erstellen ............................................... 113 Austrian Resuscitation Council / European Resuscitation Council .......................... 113 Austrian Standards Institute .................................................................................... 113 Kostenträger ..................................................................................................... 114 Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger .............................. 114 Burgenländische Gebietskrankenkasse (BGKK) ..................................................... 114 Interessenvertretungen ..................................................................................... 115 Burgenländischer Gemeindebund ........................................................................... 116 Städtebund Landesgruppe Burgenland ................................................................... 117 Arbeiterkammer – Arbeitnehmervertretung ............................................................. 117 Österreichischer Gewerkschaftsbund ...................................................................... 117 Österreichischer Berufsverband für SanitäterInnen ................................................ 118 Wirtschaftskammer – Arbeitgebervertretung ........................................................... 119 Ärztekammer Burgenland ........................................................................................ 119 Apothekerkammer ................................................................................................... 120 Österreichische Gesellschaft für Notfall-­ und Katastrophenmedizin ....................... 120 Operative Dienstleister ..................................................................................... 121 Landessicherheitszentrale ....................................................................................... 121 Österreichisches Rotes Kreuz, Landesverband Burgenland ................................... 122 Arbeiter-­Samariter-­Bund Burgenland ...................................................................... 122 ÖAMTC Flugrettungsverein, Christophorus 16 ....................................................... 122 Krankenanstalten ..................................................................................................... 123

8 Grunddaten zum Bundesland Burgenland am Beispiel der Bezirke Jennersdorf und Neusiedl am See – Geografie, Soziodemografie, Epidemiologie, Gesundheitssystem ......................................................... 124 8.1 8.1.1 8.1.2 8.1.3

Einleitung und Methodik ................................................................................ 124 Die Forschungsgebiete ..................................................................................... 124 Daten der Einsatzorganisationen ..................................................................... 126 Anzahl der Mitarbeiter im Gesundheitswesen .................................................. 127

8.2 8.2.1 8.2.2 8.2.3

Geografische Daten ........................................................................................ 127 Allgemein .......................................................................................................... 127 Gemeinden, Flächen, Einwohnerzahl ............................................................... 129 Topografie ........................................................................................................ 130 XIV


8.3 8.3.1 8.3.2

Soziodemografische Daten ........................................................................... 130 Erwerbspersonen, Arbeitslose, Pendler, Mobilität ............................................ 130 Fertilität, Eheschließungs-­ und Scheidungsraten, Altersverteilung .................. 132

8.4 8.4.1 8.4.2 8.4.3 8.4.4

Epidemiologische Daten ................................................................................ 133 Sterberate, Lebenserwartung bei Geburt, Säuglingssterblichkeit, Body-­Mass-­ Index, Lebensstil ............................................................................................... 133 Todesursachen nach ICD-­10 ............................................................................ 134 Myokardinfarkt und Schlaganfall ...................................................................... 136 Verkehrsunfälle ................................................................................................. 139

8.5 8.5.1 8.5.2 8.5.3 8.5.4 8.5.5 8.5.6

Daten zum Gesundheitssystem .................................................................... 139 Primary Care .................................................................................................... 139 Hebammen ....................................................................................................... 140 Hauskrankenpflegedienste ............................................................................... 141 Ärzte und Hausärzte ......................................................................................... 142 Krankenanstalten .............................................................................................. 143 Apotheken ........................................................................................................ 144

9 Der rettungsdienstliche Leistungserstellungsprozess in den Bezirken Jennersdorf und Neusiedl .......................................................................... 145 9.1

Einleitung und Methodik ................................................................................ 145

9.2

Finanzierung ................................................................................................... 146

9.3 9.3.1 9.3.2 9.3.3 9.3.3.1 9.3.3.2 9.3.3.3 9.3.4 9.3.4.1 9.3.4.2 9.3.4.3 9.3.5 9.3.5.1 9.3.5.2 9.3.5.3

Systembeschreibung: Infrastruktur, Personal, Disposition, Einsatz, Transport ......................................................................................................... 148 Einsatzführende Rettungsleitstelle ................................................................... 148 First Responder ................................................................................................ 149 Rettungsdienst .................................................................................................. 151 Einsatzmittelvorhaltung ........................................................................................... 151 Fahrzeugtypen und Personal .................................................................................. 154 Rettungsdiensteinsätze ........................................................................................... 156 Notarztdienst .................................................................................................... 158 Notarzteinsätze im Burgenland ............................................................................... 158 Jennersdorf .............................................................................................................. 160 Neusiedl ................................................................................................................... 160 Hausärzte ......................................................................................................... 161 Jennersdorf .............................................................................................................. 163 Exkurs: Die Situation aus Sicht des Hausarztes ..................................................... 164 Neusiedl ................................................................................................................... 165

9.4

Fallbeispiele .................................................................................................... 166

9.5

Exkurs: „Ich weiß nicht, was ich mit Ihnen tun soll?!“ – Psychosozialer Einsatz im Bezirk Jennersdorf ...................................................................... 168

9.6 9.6.1 9.6.2 9.6.2.1 9.6.2.2 9.6.2.3 9.6.2.4

Nachbarstaatliche Hilfen und klinische Versorgungslandschaft .............. 171 Bodengebundene nachbarstaatliche Hilfen ...................................................... 171 Klinische Versorgungslandschaft und Patientenbewegungen .......................... 173 Fahrtdistanzen zu Kliniken allgemein ...................................................................... 173 Fahrtdistanzen aus Jennersdorf .............................................................................. 176 Fahrtdistanzen aus Neusiedl ................................................................................... 177 Fahrtdistanzen bei Myokardinfarkt und Schlaganfall ............................................... 179

XV


10 Einsatzzahlen des Rettungsdienstes – Einflussfaktoren und Prognose ................................................................. 182 10.1

Einleitung und Methodik ................................................................................ 182

10.2 10.2.1 10.2.2 10.2.3 10.2.4 10.2.5

Allgemeine Einflussfaktoren ......................................................................... 183 Individuelle Faktoren ........................................................................................ 185 Unmittelbares soziales Netzwerk ..................................................................... 186 Erweitertes soziales und kommunales Netzwerk ............................................. 186 Lebens-­ und Arbeitsbedingungen ..................................................................... 187 Allgemeine Bedingungen der sozioökonomischen, kulturellen und physischen Umwelt .............................................................................................................. 188

10.3 10.3.1 10.3.2 10.3.3 10.3.3.1 10.3.3.2 10.3.4 10.3.4.1 10.3.4.2 10.3.5

Prognose – Berechnungsszenarien ............................................................. 189 Berechnungsszenario: Durchschnittliche Jahressteigerung ............................. 189 Berechnungsszenario: Bevölkerungsprognose ................................................ 190 Berechnungsszenario: Hausarztmangel ........................................................... 192 Entwicklung der Hausarztzahlen und Auswirkungen ............................................... 192 Einsatzvorberechnung auf Basis verminderter Hausarztzahlen .............................. 195 Berechnungsszenario: Stationäre Pflegebedürftigkeit ...................................... 196 Einsätze zu Pflegeheimen ....................................................................................... 196 Einsatzvorberechnung auf Basis der Zunahme pflegebedürftiger Personen .......... 198 Berechnungsszenario: Bevölkerungsprognose mit Berücksichtigung der Alterskohorten .................................................................................................. 199 10.3.5.1 Einsätze nach Alterskohorten .................................................................................. 199 10.3.5.2 Einsatzvorberechnung nach Alterskohorten ............................................................ 202 10.3.5.3 Tendenzen bei Hochbetagten ................................................................................. 204 10.3.6 Zusammenfassung der Berechnungsszenarien ............................................... 207 10.4

Beispielberechnung – Auswirkungen einer geringen Einsatzsteigerung auf die Bediensicherheit in Jennersdorf und Neusiedl bei gleichbleibenden Ressourcen ..................................................................................................... 208

11 Gatekeeping an der Schnittstelle zum Rettungsdienst – Modelle zur Verbesserung der Patientenlenkung in Österreich ................................. 211 11.1 11.1.1 11.1.2 11.1.3 11.1.4

Kleinwalsertal, Vorarlberg ............................................................................. 211 Einleitung und Methodik ................................................................................... 211 Systembeschreibung ........................................................................................ 212 Fallbeispiele ...................................................................................................... 213 Diskussion ........................................................................................................ 215

11.2 11.2.1 11.2.2 11.2.3 11.2.4

Raabs, Bezirk Waidhofen / Thaya, Niederösterreich ................................... 216 Einleitung und Methodik ................................................................................... 216 Systembeschreibung ........................................................................................ 216 Fallbeispiele ...................................................................................................... 218 Diskussion ........................................................................................................ 219

12 Gatekeeping an der Schnittstelle zum Rettungsdienst – Strategien der Patientenlenkung im europäischen Raum ................................................ 221 12.1

Einleitung und Methodik ................................................................................ 221

12.2 12.2.1 12.2.2 12.2.3

Belgien ............................................................................................................. 222 Der belgische Rettungsdienst und sein Stellenwert in der Primärversorgung .. 222 Fallbeispiele ...................................................................................................... 222 Diskussion ........................................................................................................ 223

XVI


12.3 12.3.1 12.3.2 12.3.3

Dänemark ........................................................................................................ 223 Der dänische Rettungsdienst und sein Stellenwert in der Primärversorgung .. 223 Fallbeispiele ...................................................................................................... 224 Diskussion ........................................................................................................ 225

12.4 12.4.1 12.4.2 12.4.3

Deutschland .................................................................................................... 225 Der deutsche Rettungsdienst und sein Stellenwert in der Primärversorgung .. 225 Fallbeispiele ...................................................................................................... 229 Diskussion ........................................................................................................ 231

12.5 12.5.1 12.5.2 12.5.3

Finnland ........................................................................................................... 231 Der finnische Rettungsdienst und sein Stellenwert in der Primärversorgung ... 231 Fallbeispiele ...................................................................................................... 232 Diskussion ........................................................................................................ 233

12.6 12.6.1 12.6.2 12.6.3

Frankreich ....................................................................................................... 233 Der französische Rettungsdienst und sein Stellenwert in der Primärversorgung .......................................................................................................................... 233 Fallbeispiele ...................................................................................................... 234 Diskussion ........................................................................................................ 234

12.7

Großbritannien ................................................................................................ 235

12.8 12.8.1 12.8.2 12.8.3

Italien ............................................................................................................... 235 Der italienische Rettungsdienst und sein Stellenwert in der Primärversorgung 235 Fallbeispiele ...................................................................................................... 236 Diskussion ........................................................................................................ 238

12.9 12.9.1

Luxemburg ...................................................................................................... 238 Der luxemburgische Rettungsdienst und sein Stellenwert in der Primärversorgung ............................................................................................. 238 Fallbeispiele ...................................................................................................... 238 Diskussion ........................................................................................................ 239

12.9.2 12.9.3

12.10 Niederlande ..................................................................................................... 239 12.10.1 Der niederländische Rettungsdienst und sein Stellenwert in der Primärversorgung ............................................................................................. 239 12.10.2 Fallbeispiele ...................................................................................................... 240 12.10.3 Diskussion ........................................................................................................ 240 12.11 Norwegen ........................................................................................................ 241 12.11.1 Der norwegische Rettungsdienst und sein Stellenwert in der Primärversorgung .......................................................................................................................... 241 12.11.2 Fallbeispiele ...................................................................................................... 243 12.11.3 Diskussion ........................................................................................................ 244 12.12 Schweden ........................................................................................................ 244 12.12.1 Der schwedische Rettungsdienst und sein Stellenwert in der Primärversorgung .......................................................................................................................... 244 12.12.2 Fallbeispiele ...................................................................................................... 246 12.12.3 Diskussion ........................................................................................................ 249

XVII


12.13 12.13.1 12.13.2 12.13.3

Schweiz ........................................................................................................... 249 Der Schweizer Rettungsdienst und sein Stellenwert in der Primärversorgung 249 Fallbeispiele ...................................................................................................... 250 Diskussion ........................................................................................................ 251

12.14 Slowakei .......................................................................................................... 252 12.14.1 Der slowakische Rettungsdienst und sein Stellenwert in der Primärversorgung .......................................................................................................................... 252 12.14.2 Fallbeispiele ...................................................................................................... 253 12.14.3 Diskussion ........................................................................................................ 254 12.15 Slowenien ........................................................................................................ 254 12.15.1 Der slowenische Rettungsdienst und sein Stellenwert in der Primärversorgung .......................................................................................................................... 254 12.15.2 Fallbeispiele ...................................................................................................... 254 12.15.3 Diskussion ........................................................................................................ 255 12.16 12.16.1 12.16.2 12.16.3

Spanien ............................................................................................................ 255 Der spanische Rettungsdienst und sein Stellenwert in der Primärversorgung . 255 Fallbeispiele ...................................................................................................... 257 Diskussion ........................................................................................................ 257

12.17 Tschechien ...................................................................................................... 258 12.17.1 Der tschechische Rettungsdienst und sein Stellenwert in der Primärversorgung .......................................................................................................................... 258 12.17.2 Fallbeispiele ...................................................................................................... 259 12.17.3 Diskussion ........................................................................................................ 260 12.18 12.18.1 12.18.2 12.18.3

Ungarn ............................................................................................................. 261 Der ungarische Rettungsdienst und sein Stellenwert in der Primärversorgung 261 Fallbeispiele ...................................................................................................... 261 Diskussion ........................................................................................................ 262

13 Gatekeeping an der Schnittstelle zum Rettungsdienst – Strategien zur Verbesserung der Patientenlenkung in Großbritannien und den USA .. 263 13.1

Einleitung und Methodik ................................................................................ 263

13.2 13.2.1

Großbritannien ................................................................................................ 263 Der Rettungsdienst in Großbritannien und sein Stellenwert in der Primärversorgung ............................................................................................. 263 Veränderte Dispositionsstrategien und telefonische Beratung ......................... 265 Pilotprojekt zum integrierten Gatekeeping in Pitlochry, Schottland .................. 269 Die neue Rolle des Paramedic Practitioners .................................................... 271 Fallbeispiele ...................................................................................................... 272 Diskussion ........................................................................................................ 273

13.2.2 13.2.3 13.2.4 13.2.5 13.2.6 13.3 13.3.1 13.3.2 13.3.3

Spokane, USA ................................................................................................. 273 Der Rettungsdienst in Spokane und sein Stellenwert in der Primärversorgung .......................................................................................................................... 273 Fallbeispiele ...................................................................................................... 276 Diskussion ........................................................................................................ 277

XVIII


14 Design eines integrierten Modells zur präklinischen Lenkung von Patienten ...................................................................................................... 278 14.1

Strukturen und Prozesse eines integrierten Gatekeepings der Zukunft ... 278

14.2

Nationale und internationale Strategien der präklinischen Patientenlenkung im Vergleich ..................................................................... 279

14.3 14.3.1 14.3.1.1 14.3.1.2 14.3.1.3 14.3.1.4 14.3.1.5 14.3.2 14.3.3 14.3.4 14.3.4.1 14.3.4.2 14.3.4.3 14.3.4.4 14.3.4.5 14.3.4.6 14.3.4.7 14.3.4.8 14.3.4.9 14.3.5

Der rettungsdienstliche Leistungserstellungsprozess der Zukunft .......... 286 Organisatorische Rahmenbedingungen ........................................................... 287 Beteiligung der Interessenspartner .......................................................................... 287 Gesetzliche Vorgaben ............................................................................................. 288 Finanzierung ............................................................................................................ 289 Technologie – Voraussetzungen für telemedizinische Beratung ............................ 292 Öffentlichkeitsarbeit ................................................................................................. 293 Bedarfsplanung ................................................................................................ 293 Infrastruktur ...................................................................................................... 295 Personal – Bestehende und neue Berufsgruppen und Ausbildungsformen ..... 295 Rettungssanitäter .................................................................................................... 297 Notfallsanitäter ......................................................................................................... 298 Hauskrankenpfleger ................................................................................................ 298 Hausarzt und Notarzt ............................................................................................... 298 Leitstellenfachkraft ................................................................................................... 299 Paramedic Practitioner ............................................................................................ 299 Krankenpfleger mit Sanitäterausbildung – Rettungspfleger .................................... 300 Family Nurse ........................................................................................................... 301 Community Social Care Specialist .......................................................................... 303 Die Leitstelle – Konzepte für eine neue Rolle als „leitende Stelle“ zum passenden Versorgungspfad ............................................................................ 306 Allgemeine Gesundheitsinformationen via Telefon oder Social Media .................. 306 Systematische Abfrage unabhängig von der gewählten Rufnummer ..................... 308 Die Leitstelle als Clearingzentrum gesundheitlicher und sozialer Anliegen ............ 309 Einsatzstrategie und Disposition von Einsatzressourcen ........................................ 313 Kooperationen mit Nachbarstaaten ......................................................................... 315 Hauskrankenpflegedienste als einsatztaktisches Mittel .......................................... 315 Kombination von ärztlichem Bereitschaftsdienst und Notarzt ................................. 316 Einsatz von Rettungspflegern und anderen künftigen Professionen ....................... 317 Einsatz und Transport – Strategien vor Ort ...................................................... 317 Nachbereitung .................................................................................................. 320

14.3.5.1 14.3.5.2 14.3.5.3 14.3.5.4 14.3.5.5 14.3.5.6 14.3.5.7 14.3.5.8 14.3.6 14.3.7

15 Schlussbetrachtung .................................................................................... 321 15.1

Einleitung ........................................................................................................ 321

15.2

Review der erwartbaren Ergebnisse ............................................................. 321

15.3 15.3.1 15.3.2 15.3.3

Zusammenfassende Beantwortung der Forschungsfragen ....................... 324 Forschungsfrage 1 ............................................................................................ 324 Forschungsfrage 2 ............................................................................................ 324 Rahmenfrage und Forschungsfrage 3 .............................................................. 325

15.4

Offene und neue Forschungsfragen ............................................................. 326

15.5

Persönliches Fazit zum Forschungsprojekt ................................................ 328

XIX


Glossar ............................................................................................................... 331 Literatur-­ und Quellenverzeichnis ................................................................... 339 Monografien und Beiträge in Sammelbänden ............................................................ 339 Gesetze, Normen, Statuten gesetzlicher Krankenversicherungen .......................... 342 Gutachten, Studien für Auftraggeber, unveröffentlichte wissenschaftliche Arbeiten, Jahresberichte, Statuten von Vereinen ........................................................ 343 Publikationen in (Fach-­)Zeitschriften .......................................................................... 347 Quellen aus Vorlesungsskripten ................................................................................. 353 Persönliche Quellen ...................................................................................................... 353 Internetquellen .............................................................................................................. 356

Abbildungsverzeichnis ..................................................................................... 364 Tabellenverzeichnis .......................................................................................... 365 Anhang ............................................................................................................... 369 Anhang 1: Suchstrategien in Datenbanken ................................................................ 369 Anhang 2: Einschätzung der Einflussmöglichkeiten der Interessenspartner ........ 373 Anhang 3: Interviewleitfaden und Fallbeispiele ......................................................... 375 Anhang 4: Berechnungsgrundlagen Einsatzraten Jennersdorf und Neusiedl ...... 377

Eidesstattliche Erklärung ................................................................................. 383 Über den Verfasser ........................................................................................... 384 Anmerkung: Aus Gründen der Lesbarkeit wurde zur Personenbezeichnung das generische Maskulinum verwendet (z. B. „der Patient“, „der Krankenpfleger“). Selbstverständlich sind diese Formulierungen geschlechtsneutral zu verstehen.

XX


1

Einleitung

1.1

Die Tür zum österreichischen Gesundheitswesen

1.1.1

Wohin soll ich mich wenden? – Der Blickwinkel der Patienten

„Wohin soll ich mich wenden, wenn Gram und Schmerz mich drücken?“, lautet die erste Zeile eines Kirchenliedes von Johann Philipp Neumann, vertont von Franz Schubert. Während das Kirchenlied diese Frage unmissverständlich beantwortet („Zu dir, o Vater, [...] Du heilest jeden Schmerz“), ist für viele Menschen der Weg zu rascher Hilfe nicht so eindeutig vorgegeben. Schon für klar erkennbare Notlagen wie Feuer, Gewalt oder medizinische Notfälle gibt es unterschiedliche Optionen und unterschiedliche Rufnummern.1 Was aber, wenn das Problem einfacher ist und unter diesem lebensbedrohenden Niveau liegt? Hier tun sich zahllose Fragen auf. Wer ist wofür zuständig? Wer ist wann erreichbar? Was genau ist mein Problem, was das Hauptproblem? Wer hilft mir, das zu klären? Wie rasch kann ich Hilfe bekommen? Welcher Einrichtung muss oder kann ich in dieser Situation vertrauen? Und sprechen die Menschen dort meine Sprache? Verfügen die Betroffenen über kein unmittelbar ansprechbares soziales Netzwerk, keine detaillierten Kenntnisse über Infrastruktur und Erreichbarkeit der lokalen Sozial-­ und Gesundheitseinrichtungen und keine anderen persönlichen Ressourcen zur Lösung ihres Problems, wird in vielen Fällen der Rettungsdienst gerufen.

1.1.2

Der Rettungsdienst als Auffangnetz

Der Rettungsdienst ist häufig der einzige, in Österreich jedenfalls der leistungsstärkste niedrigschwellig und permanent erreichbare mobile und aufsuchende

Gesundheitsdienstleister.

Er

nimmt

dadurch

zwangsläufig

Aufgabenstellungen, Verantwortungen und Rollen von Einrichtungen der sozialen

1

In Österreich existiert neben den weithin bekannten Nummern 122 (Feuerwehr), 133 (Polizei) und 144 (Rettungsdienst) noch eine größere Anzahl weiterer Notrufnummern für Ärztenotdienst, Apothekennotruf, Bergrettung, Telefonseelsorge u.v.m., die in der Regel von unterschiedlichen Einrichtungen betrieben werden. In den letzten Jahren wird zunehmend an einer Vereinheitlichung gearbeitet. In den Bundesländern Vorarlberg, Burgenland und Tirol werden die Rufnummern für Feuerwehr (122) und Rettungsdienst (144) auf dieselbe Einrichtung – eine Landesleitstelle – aufgeschaltet. Die Infonummer für den ärztlichen Bereitschaftsdienst (141) wird in Vorarlberg und im Burgenland ebenfalls in die Landesleitstelle geroutet. In Niederösterreich und Kärnten laufen Anrufe unter 144 und 141 (Ärztedienst) bei der Landesleitstelle Notruf 144 auf. Die einheitliche europäische Notrufnummer 112 wird (anders als in den meisten EU-­Staaten, wo sie zum Rettungsdienst bzw. zur Feuerwehr gelenkt wird) in Österreich zur Polizei geschaltet, kaum beworben und selten genutzt.

1


Arbeit und psychosozialen Intervention sowie anderer Gesundheitsdienstleister wahr (vgl. Redelsteiner 2013). Insbesondere in Regionen, in denen niedergelassene Ärzte nicht mehr auf Hausbesuche gehen bzw. in denen die Wartezeit auf eine Visite aus Sicht des Betroffenen zu lange ist, erfüllt der Rettungsdienst auch Funktionen der allgemeinmedizinischen Versorgung. Ambulante Pflegedienste verfügen oft über keine Nacht-­ und mancherorts auch über keine Wochenendbereitschaft. Als Rückfallebene wird ebenso der Rettungsdienst verwendet. Weil der Anruf zumeist für Anrufer und Nutzer kostenfrei ist, zieht der Rettungsdienst nicht nur medizinische Anfragen, sondern auch eine enorme Bandbreite sozialer und gänzlich sachfremder Hilfeersuchen an. Einmal soll ein Obdachloser, der in der Geschäftspassage als störend empfunden wird, abtransportiert werden, ein andermal braucht eine alleinstehende, bettlägerige Person jemanden, der die heruntergefallene Fernbedienung aufhebt. Auch nächtliche Anfragen nach den Terminen der Fahrschul-­Erste-­Hilfe-­Kurse und den Öffnungszeiten des Tiergartens sind keine Seltenheit. Rettungsleitstellen erfüllen somit – meist unfreiwillig und ohne politisches Mandat – insbesondere nachts und am Wochenende die Funktion einer psychosozialen, pflegerischen und medizinischen Serviceeinrichtung. Diese Aufgabenstellung ist weder im offiziellen Auftrag der Organisation festgehalten, noch wird sie beworben. Durch die Niedrigschwelligkeit und die Erreichbarkeit rund um die Uhr ergibt sie sich aber zwangsläufig.

1.1.3

Der Blickwinkel des klinischen Versorgungssystems

Weil Optionen wie die Versorgung vor Ort oder der Transport in eine nichtklinische Einrichtung, beispielsweise in eine Notschlafstelle für Obdachlose, dem Rettungsdienst Kosten verursachen, die meist nicht erstattet werden, ist die primäre Vorgangsweise immer die Hospitalisation des Patienten, die von den Krankenkassen bezahlt wird. Der Rettungsdienst als mobiles Auffangnetz leitet den Patienten an die Klinik als stationäres Auffangnetz weiter und trägt so zur weiteren Ressourcenüberlastung der Krankenhäuser bei. „Warum bringen Sie diese Person ins Krankenhaus?“ ist ein Satz, den Rettungsdienstmitarbeiter bei der Patientenübergabe vom klinischen Personal häufig zu hören bekommen.

2


1.1.4

Der Blickwinkel der Kostenträger

Die passende Zuteilung von Hilfeanfragen zu Hilferessourcen müsste zur Vermeidung unnötiger Kosten vor allem für die Kostenträger von Interesse sein. Die wesentlichen Kostenträger des Rettungsdienstes sind Kommunen und Krankenkassen. Den Kommunen ist an einer raschen und unbürokratischen Versorgung von Menschen auch außerhalb klassischer Bürozeiten gelegen. Eine größere Zahl von Transporten, die jeweils von den Krankenkassen bezahlt werden, verursacht den Kommunen keine höheren Ausgaben für den Rettungsdienst. Aus Krankenkassensicht ist der Rettungsdienst keine medizinische Dienstleistung, sondern

gemäß

den

Statuten

der

Krankenkasse

eine

reine

Transportdienstleistung, die auch auf den entsprechend benannten Kostenblättern als solche ausgewiesen wird. Somit ist eine Leistung aus Sicht der Kassen nur dann gegeben, wenn der Patient, unabhängig von Ausmaß und Umfang der präklinischen Versorgung, auch tatsächlich in ein Krankenhaus gebracht wird. Belassungen vor Ort werden daher in den meisten Fällen nicht abgegolten. Dadurch besteht für die Rettungsdienste ein Anreiz zur generellen Hospitalisierung von Patienten – unabhängig davon, ob das erforderlich und im besten Interesse des Patienten ist. Die daraus resultierende hohe Frequenz und Fallzahl von Patienten trifft den Nächsten in der Betreuungskette – das klinische Versorgungssystem. Die statutarisch festgelegte Sicht, dass es sich bei den Dienstleistungen des Rettungsdienstes um Transportdienstleistungen handelt, wird auch durch dessen unklare medizinische Qualität verstärkt. Der Servicelevel, also der Grad der angebotenen notfallmedizinischen Leistungen des Rettungsdienstes, ist für die Krankenkassen und Kommunen schwer ersichtlich. Der Qualifikationslevel der Mitarbeiter und der Ausstattungslevel der Fahrzeuge divergieren stark. Mit der Bezeichnung „Rettungswagen“ können im Extremfall selbst innerhalb einer lokalen Einheit in einer Schicht zwei zivildienstleistende Rettungssanitäter, vielleicht einer davon noch Lenker mit Probeführerschein, gemeint sein und in der Folgeschicht ein Team aus einem hauptberuflichen Notfallsanitäter mit Zusatzkompetenz „Arzneimittel“ zusammen mit einem ehrenamtlichen Notfallsanitäter, der im beruflichen Alltag als Intensivpfleger arbeitet. Da ein besseres Versorgungsniveau 3


nur gelegentlich und mit Zufallscharakter geboten werden kann, sind auch die Anreize für die beiden primären Kostenträger gering, die Dienstleistung höher einzuschätzen.

1.1.5

Grundlegende Begriffe

1.1.5.1 Der Begriff des Gatekeepers Mit „Gatekeeper“ ist im Kontext dieser Arbeit nicht – wie häufig im Diskurs der Gesundheitsplanung und -­ökonomie – die Funktion des niedergelassenen Allgemeinmediziners gemeint.2 Aus Sicht der Patientenversorgung ist der Gatekeeper jene Person, die durch die Entscheidung, an dieser konkreten Stelle – beispielsweise bei Hausarzt, Rettung oder Krankenhausambulanz – um Hilfe zu bitten, die Tür zum Gesundheitswesen öffnet. Das kann beispielsweise der Patient selbst sein, wenn er mit dem Taxi ins Krankenhaus fährt und sich vor Ort in der Ambulanz zur Untersuchung anmeldet. Es kann ein Angehöriger sein, der durch Telefonate mit Klinik und Hausarzt aufgrund der Uhrzeit und Informationslage entscheidet, den Verwandten ins Krankenhaus zu bringen. Es kann der Portier der Klinik sein, wenn er einen Patienten informell zu einer Ressource außerhalb des Krankenhauses lenkt. Oder es kann der Rettungsdienst sein, der in eine Notschlafstelle zu einem Fiebernden gerufen wird, da vom dortigen stationären Telefon nur Notrufnummern wählbar sind. Sind keine niedrigschwellig ansprechbaren Institutionen vorhanden, werden die Patienten oder ihre Angehörigen zu „selbsteinweisenden“ Gatekeepers. Die Aufgaben der Gatekeepers in der präklinischen Versorgung sind: • Ersteinschätzung (Screening) der Hilfeersuchen, als Grundlage o für die Auswahl der richtigen Ressource und o für die Referenzierung bzw. Zuteilung des geeigneten Hilfsmittels. 1.1.5.2

Primary Care – Primärversorgung

„Unter primärer Gesundheitsversorgung ist eine grundlegende Gesundheitsversorgung zu verstehen, [...] die auf praktischen, wissenschaftlich fundierten und sozial akzeptablen Methoden und

2

In einigen europäischen Modellen ist dies bereits institutionalisiert. Beispielsweise in den Niederlanden ist der Allgemeinmediziner der erste Ansprechpartner bei allen Beschwerden zu Bürozeiten und entscheidet alleine, ob ein Patient zum Facharzt, ins Krankenhaus oder in eine andere Gesundheitseinrichtung weitergeschickt wird. Er lenkt in diesem Modell, in dem es praktisch keine freie Arztwahl gibt, die bei ihm eingeschriebenen Patienten durch das Gesundheitssystem. (vgl. van Trotsenburg 2009) Ein ähnliches System existiert in Norwegen, wo Patienten sich bei einem Arzt einschreiben müssen, der ihr „regulärer Allgemeinmediziner“ genannt wird. (vgl. Raknes 2015)

4


Technologien basiert, die für Einzelpersonen und [...] für die Gesellschaft [...] flächendeckend bereitgestellt wird. Sie bildet einen integralen Bestandteil sowohl im Gesundheitssystem eines Landes, dessen zentrale Aufgabe und hauptsächlichen Schwerpunkt sie darstellt [...]. Sie ist die erste Ebene, auf der Einzelpersonen [...] in Kontakt mit dem nationalen Gesundheitssystem treten, sodass die Gesundheitsversorgung so nahe wie möglich an Wohnort und Arbeitsplatz der Menschen gerückt wird, und stellt das erste Element eines kontinuierlichen Prozesses der Gesundheitsversorgung dar.“ (WHO 1978: Declaration of Alma-­Ata)

Aufgaben der primären Gesundheitsversorgung sind gemäß WHO unter anderem die „angemessene Behandlung der häufigsten Krankheiten und Verletzungen“. Sie wird

„durch

integrierte,

funktionsfähige

und

einander

unterstützende

Überweisungssysteme aufrechterhalten“ [...] und ist auf „der lokalen Ebene und bei Überweisungen auf Gesundheitsfachkräfte wie Ärzte, Pflegekräfte, Hebammen, Hilfskräfte und Sozialarbeiter, gegebenenfalls aber auch auf die Hilfe traditioneller Mediziner angewiesen“. (WHO 1978) Diese Fachkräfte müssen „allesamt sozial wie fachlich angemessen für die Arbeit als Gesundheitsteam und für eine Antwort auf die erklärten gesundheitlichen Bedürfnisse der Bevölkerung geschult sein.“ (ebd.) Diese erste Versorgungsebene der Patientenversorgung umfasst

beispielsweise

Hausärzte,

niedergelassene

Fachärzte,

Gemeinschaftspraxen, Apotheken oder Ambulatorien der Krankenkassen. Untersuchung und Behandlung im Krankenhaus oder in anderen stationären Einrichtungen sind Aufgaben der zweiten Versorgungsebene („Secondary Health Care“).3 In Österreich verpflichtet das Gesundheits-­Zielsteuerungsgesetz Bund und Länder zu gemeinsam festgelegten Zielen im Gesundheitswesen. Darin wird auch die Stärkung der Primärversorgung als zentrales Anliegen festgehalten. Das Gesetz definiert Primärversorgung als die „allgemeine und direkt zugängliche erste Kontaktstelle für alle Menschen mit gesundheitlichen Problemen im Sinne einer umfassenden Grundversorgung. Sie soll den Versorgungsprozess koordinieren und gewährleistet ganzheitliche und kontinuierliche Betreuung. Sie berücksichtigt 3

Patienten orientieren sich bei der Auswahl ihrer ersten Versorgungseinrichtung in der Praxis nicht an einer theoretischen oder politisch gedachten Sektorierung des Gesundheitswesens. Nur wer niedrigschwellig, also ohne große zeitliche und räumliche Barrieren, zur Verfügung steht, kann als echter Primärversorger gelten. Eine gute Steuerung und Lenkung der Patienten hin zu den passenden Ressourcen sollte aus Sicht des Verfassers als integrierte Primärversorgung konzipiert sein, als erste Versorgungsebene für soziale, psychosoziale, pflegerische und medizinische Anliegen.

5


3.3

Ergebnisse ausgewählter Studien

Die im Folgenden herausgegriffenen Arbeiten blicken über den unmittelbaren rettungsdienstlichen Transportbereich hinaus und analysieren auch den Aspekt der Leitstelle als Steuerungsinstrument des Einsatzvolumens.

3.3.1

European Emergency Data Project

Das European Emergency Data Project ist die umfassendste internationale Studie im Bereich der Wirksamkeit von Rettungsdiensten.29 Ziele waren unter anderem die Effizienzanalyse regionaler Rettungsdienstsysteme in Europa und den USA und die Erarbeitung von Gesundheitsindikatoren für den Bereich der präklinischen Notfallrettung. (vgl. Krafft et al. 2006) Einzelne Diagnosegruppen wie etwa Reanimation werden in Bezug auf Outcome zusammengefasst und anhand einzelner regionaler Rettungsdienstsysteme verglichen. Krafft et al. (2006) erarbeiteten dafür folgendes Beobachtungsmodell des öffentlichen Gesundheitswesens für den Bereich Rettungsdienst: Abbildung 4: Gesundheitsberichterstattung auf der Grundlage von Daten des Rettungsdienstes

Quelle: vgl. Krafft et al. 2006: 22, Übers. d. Verf.30

Dieses Denk-­ und Analysemodell ist in sich logisch und umfassend, entscheidend ist aber, welche Subdatensätze im Bereich der Einsatzdaten (operativen Daten) 29

Der Verfasser bedankt sich an dieser Stelle bei Janette Turner, Director Medical Care Research Unit, School of Health and Related Research, University of Sheffield, und Thomas Krafft, Department of International Health, Maastricht University. 30 Soweit Abbildungen nicht vom Verfasser gestaltet wurden, liegen für sämtliche verwendeten Abbildungen Genehmigungen der entsprechenden Stelle vor.

44


verwendet

werden.

Die

Studie

greift

hier

ausschließlich

auf

die

rettungsdienstlichen Daten zurück, Daten korrespondierender Systeme der jeweiligen Region wie des Hausarzt-­ bzw. Hauskrankenpflegesystems oder einfacher Krankentransporte und die wechselseitigen Beziehungen und Schnittstellen zwischen den Partnern werden nicht betrachtet. Die Studie beschreibt bereits einen ganzheitlicheren Einsatzablauf nach dem primären Kontakt mit dem Rettungsdienst für Notfälle im engsten Sinne, die verwendete

Terminologie

lässt

aber

alternative

Reaktionswege

und

Behandlungspfade zu: „The following are the key steps of the ‚Patient Journey’: • Access • Switch Board • Sorting / Primary Assessment • Response (Best Local Solution) • On Scene / Evaluation & Treatment • Disposal and Referral • Transport & Ongoing Care • Handover / Disposal & Documentation • Outcome“ (vgl. Krafft et al. 2006: 23, Hervorh. d. Verf.)

Die im Zitat kursiv hervorgehobenen Schritte (Schaltzentrale, „Sortieren“ der Anrufe im Rahmen einer ersten telefonischen Analyse und das Finden der besten lokalen Lösung für einen Einsatz) lassen alle konkreten Optionen der Lenkung von Patienten zu den geeigneten Ressourcen offen. Ebenso werden die Aspekte der Evaluation und Behandlung vor Ort als Grundlage für eine mögliche Belassung oder Überweisung genannt, aber nicht konkretisiert.31 Krafft et al. (2006) bestätigen den Forschungsbedarf im Feld insgesamt: „Much of the care that is currently provided is not evidence based and emergency medical care is a greatly under-­researched area.“ (Krafft et al. 2006: 52) Außerdem postulieren die Autoren die Notwendigkeit einer Schnittstellenentwicklung zwischen den Beteiligten im Bereich Primary Care, sprechen sich aber für eine Reduktion der Aufgaben des Rettungsdienstes auf den unmittelbaren notfallmedizinischen Kernbereich aus.

31

Das Wort „Disposal“ ist von Krafft et al. nicht ganz zutreffend gewählt, ein Einsatz oder ein Patient wird nicht wirklich „abgegeben“ oder „verworfen“, sondern „belassen“ oder „referenziert“.

45


3.3.2

Studie der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse

Die aktuellste und bisher einzige detaillierte österreichweite Studie zum Themenkreis Rettungsdienst und Rettungsmittelbedarf ist 2005 von der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse veröffentlicht worden. (vgl. NÖGKK 2005) Neben dem Hauptziel, dem Design einer bundesweit einheitlichen und ausgewogenen Tariflandschaft, werden folgende Ziele genannt: „[D]ie Darlegung der Kompetenzen und Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Kranken-­ und Rettungstransportes sowie der Qualitätsstandards der Rettungsunternehmen, zudem die Erarbeitung von einheitlichen Begriffsdefinitionen und schlussendlich eine Vorschau wie eine effiziente Versorgung der Versichertengemeinschaft mit gleichzeitiger Dämpfung der Ausgabensteigerung auf diesem Sektor aussehen könnte (Fiktive Rettungsdienstlandschaft)“ (NÖGKK 2005: 2)

Die

genannten

Ziele

würden

erwarten

lassen,

dass

auch

die

Schnittstellenproblematik zwischen niedergelassenen Ärzten und Aspekte des Gatekeepings beleuchtet werden. Diesbezüglich sind jedoch keine Ansätze zu finden. Die vorhandenen Abrechnungsdaten werden nach Regionen verdichtet, ohne die Treffsicherheit bzw. korrekte Indikationsstellung der eingesetzten Ressource infrage zu stellen. Die mit Sicherheit in den Daten vorliegende Einsatzklassifizierung nach dem NACA-­Schema wird nicht dargelegt. Sie würde Rückschlüsse auf die Notwendigkeit der rettungsdienstlichen Intervention zumindest für den Bereich der Notarzteinsätze erlauben.32 Die 364 Seiten umfassende Studie stellt auch die kompetenzrechtlichen Zuständigkeiten für das Rettungswesen dar und befasst sich dabei mit den Grenzen zwischen den Kostenträgern, den Beziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden und den Rettungsdienstgesetzen auf Länderebene. Die Kompetenzabgrenzungen bzw. Überschneidungen von Versorgungsaufträgen der niedergelassenen Ärzte, der Pflegedienste und des Rettungsdienstes werden nicht diskutiert. Die Studie folgt weitgehend einer sektoralen Organisationslogik des zahlenden Kostenträgers, ohne dabei jene Bereiche, die die extramural-­rettungsdienstliche Versorgung mit beeinflussen, zu betrachten – wobei diese Bereiche ebenfalls in 32

Das Fehlen dieser Auswertung ist umso bemerkenswerter, da Notarzteinsätze in diesem Bundesland erst ab der Stufe NACA III abgegolten werden, alle Einsätze darunter zu einem Krankentransporttarif.

46


11

Gatekeeping an der Schnittstelle zum Rettungsdienst – Modelle zur Verbesserung der Patientenlenkung in Österreich

11.1

Kleinwalsertal, Vorarlberg

11.1.1

Einleitung und Methodik

Das Kleinwalsertal mit seinen rund 6.000 Einwohnern liegt im Nordosten des österreichischen

Bundeslandes

Vorarlberg

und

ist

eine

klassische

Fremdenverkehrsregion für Skifahrer und Wanderer. Die Struktur des Einsatzgebietes ist anspruchsvoll: Die Region Kleinwalsertal ist ein Hochgebirgstal zwischen 1.100 und 2.536 Metern Seehöhe. Insgesamt umfasst die Region 97 Quadratkilometer. Zu den rund 6.000 Einwohnern kommen pro Jahr knapp 280.000 Gäste. (vgl. Redelsteiner 2010: 47–51) Politisch gehört das Tal zu Österreich, eine Straßenanbindung besteht aber nur mit Deutschland – das Kleinwalsertal ist also per Fahrzeug nur über eine einzige „Sackstraße“ über das deutsche Oberstdorf zu erreichen und somit eine funktionale Enklave. Den Rettungsdienst stellen diese politischen und geografischen Rahmenbedingungen vor spezifische Herausforderungen. Der verwaltungspolitisch zuständige Notarzt aus dem Bezirk Bregenz wäre rund 93 Kilometer bzw. 1,5 Stunden zur Einsatzstelle im Kleinwalsertal unterwegs. Der nächste österreichische RTW ist in Egg stationiert und hätte immer noch eine Anfahrt von 60 Kilometern, was einer etwa 75-­minütigen Alarmfahrt entspräche. Über viele Jahre wurde die Region daher vom bayerischen Roten Kreuz (BRK) Oberstdorf rettungsdienstlich versorgt. Die deutschen Kollegen benötigen bis ins Tal nach Mittelberg, rund 18 Kilometer entfernt, aufgrund der kurvigen und engen Straßenführung eine halbe Stunde und arbeiten eigentlich unter österreichischen rechtlichen Bedingungen. Diese besondere Situation zwingt den Rettungsdienst und die niedergelassenen Ärzte zu einem besonders pragmatischen Vorgehen. Lösungen, die andernorts aus rechtlichen Gründen unmöglich oder zu riskant scheinen, gehören im Kleinwalsertal zum gelebten Alltag. Daher wurde ein übernationales Mischsystem geschaffen, in dem deutsches und österreichisches Rettungsfachpersonal bei der „Walser Rettung“ direkt im Tal auf österreichischem Boden kooperieren. Der 211


Verfasser hat den Rettungsdienst im Sommer 2009 besucht, Einsätze mitbegleitet und vor Ort Daten erhoben. Im Herbst 2015 wurden die Informationen durch E-­Mail-­Befragung eines lokalen Experten aktualisiert.

11.1.2

Systembeschreibung

Um dieses Einsatzgebiet versorgen zu können, stehen vier hauptamtliche Kräfte, drei Zivildienstleistende und rund 30 Ehrenamtliche zur Verfügung. Gemeinsam besetzen sie die Rettungswache Wals und das Fahrzeug rund um die Uhr. Der RTW wird mit Zivildienern des Roten Kreuzes Vorarlberg, die über die österreichische Rettungssanitäterausbildung verfügen, mit hauptamtlichen Mitarbeitern des Bayerischen Roten Kreuzes, die Rettungsassistenten gemäß deutscher Rechtslage sind, oder mit ehrenamtlichen Rettungssanitätern deutscher oder österreichischer Ausbildung besetzt. Formalrechtlich beginnt der Einsatz durch einen Alarm der Rettungsleitstelle in Vorarlberg, die Patientenversorgung beginnt in Österreich, unter Anwendung des dortigen Sanitäter-­ bzw. Ärztegesetzes. Mit Passieren des Grenzbalkens ändert sich die rechtliche Situation: Ab hier befindet sich das Einsatzmittel im Dispositionsbereich der integrierten Leitstelle Allgäu. Es gilt das Rettungsassistentengesetz bzw. das deutsche Notfallsanitätergesetz, Notärzte benötigen den Fachkundenachweis Rettungsdienst. In der Praxis stellen diese juristischen Schranken aber kein Problem dar. So sind beispielsweise alle deutschen Rettungsassistenten auch in Österreich gesetzlich anerkannte Notfallsanitäter. Da nur ein ständig besetztes Rettungsmittel zur Verfügung steht, ist es auch von Bedeutung, dieses nicht für einfache Einsätze aufzubieten. Es wird konsequent versucht, unnötige Hospitalisierungen zu vermeiden. Für einfachere Erkrankungen oder Verletzungen teilen sich daher die vier im Kleinwalsertal niedergelassenen Ärzte einen Bereitschaftsdienst tagsüber von Montag bis Freitag.186 Drei von ihnen besitzen die Qualifikation zum Notarzt. Werden sie zur Einsatzstelle gerufen, machen sie sich in ihrem Privat-­Pkw auf den Weg zum Patienten und treffen dann mit der Besatzung des RTW zusammen. So wird bei einfachen internistischen Fällen eine Untersuchung und Behandlung vor Ort versucht.

186

Beim Feldbesuch 2009 wurde dieser Bereitschaftsdienst von den lokalen Ärzten noch rund um die Uhr angeboten. Der diensthabende Hausarzt wird in den nachfolgenden Fallbeispielen als „Hausarzt-­Tag“ bezeichnet.

212


Die Hausärzte sind auch im unfallchirurgischen Bereich aktiv. Ein Patient mit unkompliziertem Beinbruch nach einem Skiunfall wird in die Praxis gebracht, geröntgt und – wenn keine chirurgische Intervention erforderlich ist – gleich in der Praxis gegipst. Alle Hausärzte verfügen in ihren Praxen über ein Labor, Röntgen und Ultraschall und können somit eine erweiterte Diagnostik durchführen. Als regulärer Notarzt kommt bei entsprechender Indikation das NEF Wals aus Oberstdorf zum Einsatz, das bis nach Baad, der Ortschaft am Talende, rund 20 km und 35 Minuten Anfahrt hat. Nachts und bei schwereren Erkrankungen müssen die Patienten nach Immenstadt oder Kempten – bei guten Straßenverhältnissen rund 45 Minuten bis eine Stunde Fahrt – transportiert werden. Rechnet man noch die Zeit für Patientenübergabe und Rückfahrt hinzu, ist das Einsatzgebiet ca. zwei bis drei Stunden ohne Rettungsmittel. Der lokale Experte berichtet über bilaterale Strategien zwischen Rettungsfachpersonal und diensthabendem Bereitschaftsarzt, um auch nachts unnötige Hospitalisierungen zu vermeiden, die aber von den jeweiligen Fachkräften abhängig sind und stärker variieren. Im Jahr 2014 wurden rund 1200 Einsätze durchgeführt, davon waren ca. 500 Krankentransporte und ca. 700 Notfalleinsätze (davon 300 mit Notarzt). (vgl. Ernst 2015: persönliche Mitteilung) Rund 60 % der Einsätze führen zu Urlaubern. Die Einsatzrate beträgt unter dieser Annahme ca. 80 pro 1.000 Einwohner (ca. 200, wenn man die Einsätze zu Touristen nicht herausrechnet). Rein auf die Einwohner bezogen beträgt die Notfallrate pro 1.000 Einwohner 47, die Notarztrate 20 und die Krankentransportrate ca. 33. (ebd.) Beim Feldbesuch des Verfassers 2009 lag die Einsatzrate noch bei rund 54. (vgl. Grosse 2009).

11.1.3

Fallbeispiele

Die Fallbeispiele (siehe Anhang 3) wurden ursprünglich bei der diensthabenden RTW-­Mannschaft Oliver Grosse (deutscher Rettungsassistent) und Severin Hilbrand (österreichischer Rettungssanitäter) vor Ort im Rahmen des Feldbesuches

am

24.08.2009

erhoben.

Durch

die

Reduktion

der

Bereitschaftsdienste der lokalen Ärzte ergab sich eine Strategieänderung. Daher

213


wurden die Fallbeispiele 2015 vom Rettungsdienstleiter Julian Ernst erneut bearbeitet.187 (vgl. Ernst 2015: persönliche Mitteilung) Fallbeispiel A: Einfache Wunde 2009 Der Patient würde in die Ordination des diensthabenden Hausarztes gebracht. 2015 Bei Tage würde der Patient in die Ordination des diensthabenden Hausarztes („Hausarzt-­Tag“) gebracht. Bei Nacht bzw. am Wochenende würde mit dem ärztlichen Bereitschaftsdienst telefoniert. Wäre ein Arzt aus dem Walsertal im Dienst, würde er in dessen Ordination gebracht werden, ist der Arzt aus Oberstdorf, würde in Abstimmung mit ihm entschieden, ob der Patient tags darauf zum Hausarzt geht oder ins Krankenhaus transportiert wird. Fallbeispiel B: Asthmaanfall bei Erwachsenem 2009 Der Patient soll sich an den Notruf 144 wenden. Der Hausarzt würde mitalarmiert. 2015 Der Patient soll sich an den Notruf 144 wenden. Tagsüber würden RTW, Notarzt und „Hausarzt-­ Tag“ alarmiert, nachts nur RTW und Notarzt. Fallbeispiel C: Lumbago 2009 Der Rettungsdienst würde den Hausarzt zur Schmerzbekämpfung nachfordern. 2015 Der Patient sollte sich primär an den Hausarzt wenden. Bei Tage würden RTW und „Hausarzt-­Tag“ eingesetzt, bei Nacht RTW und Notarzt zur Schmerzbekämpfung. Fallbeispiel D: Husten und Brustschmerzen 2009 Der Patient soll sich an den Notruf 144 wenden. Der Hausarzt würde mitalarmiert. 2015 Tagsüber würden RTW, Notarzt und „Hausarzt-­Tag“ alarmiert. Wenn bei Eintreffen des RTW tatsächlich nur Husten als Symptom vorliegt, würde der Notarzt abbestellt und das Eintreffen des Hausarztes abgewartet. Nachts würde bei einfachem Husten in Absprache mit dem ärztlichen Bereitschaftsdienst vorgegangen, dieser würde ggf. selbst mit dem Patienten am Telefon sprechen, danach je nach Situation auf Visite kommen oder oder auf den nächsten Tag und den Hausarzt verweisen. Fallbeispiel E: Sturz im Pflegeheim 2009 Der Patient soll sich an den Notruf 144 wenden. Der Hausarzt würde mitalarmiert. Die Patientin würde nach Untersuchung unter Umständen belassen. 2015 Es würde bei Tage der Hausarzt eingebunden werden, nachts würde in Absprache mit dem ärztlichen Bereitschaftsdienst vorgegangen. Dieser würde danach je nach Situation auf Visite kommen oder auf den nächsten Tag und den Hausarzt verweisen.

187

Julian Ernst ist der Leiter der Bereitschaft des Bayerischen Roten Kreuzes / der Walser Rettung, deutscher Rettungsassistent und als Dipl. Rettungssanitäter in St. Gallen, Schweiz, tätig. Der Austausch erfolgte telefonisch und per E-­Mail.

214


Fallbeispiel F: Patient mit Fieber 2009 Es würde neuerlich versucht werden, den Hausarzt zu erreichen. 2015 Wie Fallbeispiel E. Fallbeispiel G: Blasenkatheterwechsel 2009 Der Hausarzt würde kontaktiert, wenn das nicht gelingt, erfolgt ein Transport ins Krankenhaus. 2015 Dieser Fall kommt im rettungsdienstlichen Einsatzgeschehen praktisch nicht vor. Patienten wenden sich direkt an den Hausarzt. Ggf. würde wie im Beispiel E vorgegangen werden.

11.1.4

Diskussion

Trotz komplexer rechtlicher und verwaltungstechnischer Aspekte wurden im Walsertal kooperative Lösungen zwischen zwei Nationen an der Schnittstelle Rettungsdienst und Hausärzte gefunden. Die Lage als funktionale Enklave und als Fremdenverkehrsgebiet erfordert eine pragmatische und prozessorientierte Vorgehensweise. Einwohner und Touristen würden es bei einfachen Verletzungen oder Erkrankungen als unangemessen betrachten, über eine Stunde Transport zur Evaluation ihres Problems in Kauf zu nehmen. In Zusammenarbeit mit den lokalen Allgemeinmedizinern und dem ärztlichen Bereitschaftsdienst werden Patienten untersucht, spontane telefonische Beratungsstrategien eingesetzt und Patienten auch vor Ort belassen, um unnötige Hospitalisationen zu vermeiden und die rettungsdienstliche Grundversorgung nicht wegen Bagatellfällen zu gefährden. Um die niedergelassenen Ärzte im Kleinwalsertal zu entlasten, wurde nachts und am Wochenende ein ärztlicher Bereitschaftsdienst in Kombination mit einem NEF eingeführt. Die erhöhten Einsatzraten von 2009 auf 2015 könnten auch auf diesen Strategiewechsel zurückzuführen sein. Die Betrachtung der Fallbeispiele zeigt insbesondere nachts ein Mehr an Versorgungsvarianten. Ist ein Arzt aus dem Tal auch zufällig als Notarzt im Dienst, können lokalere und einfachere Strategien angewandt werden.

215


14

Design eines integrierten Modells zur präklinischen Lenkung von Patienten

14.1

Strukturen und Prozesse eines integrierten Gatekeepings der Zukunft

Aufbauend auf den Ergebnissen der Feldforschung und den weiteren Analysen werden in diesem Kapitel Strukturen und Prozesse eines integrierten Modells zur Lenkung von Patienten dargestellt. Dieser Abschnitt beantwortet die Rahmenfrage und Forschungsfrage 3. Die Fragen sind hier nochmals dargestellt. Rahmenfrage: Wie müssten die Strukturen und Prozesse eines integrierten Gatekeepings für „Akutfälle“ – insbesondere unter Einbindung der primären operativen Akteure Rettungsleitstellen, niedergelassenen Ärzte, ärztlichen Notdienste und der operativen Rettungsdienste – aussehen, um die Versorgung auch in Zukunft zu gewährleisten? Frage 3: Welche wesentlichen Adaptierungen, beispielsweise im Bereich der Ausbildung der künftigen präklinischen Facharbeiter, der Anruferberatung und -­lenkung und Patienteneinschätzung vor Ort, sind erforderlich, damit ein Gatekeepermodell für „Akutfälle“ zur langfristigen Absicherung der Versorgung funktioniert? Um diese Fragestellungen zu beantworten, werden im Folgenden die im Verlauf der

Arbeit

erhobenen

Rahmenbedingungen

Strategien

veränderter

bei

den

Fallbeispielen

Einsatzstrategien

entwickelt

analysiert, und

die

wesentlichen Aspekte eines Neudesigns anhand eines rettungsdienstlichen Leistungserstellungsprozesses der Zukunft vorgestellt.

278


14.2

Nationale und internationale Strategien der präklinischen Patientenlenkung im Vergleich

Die in den Kapiteln 9, 11, 12 und 13 behandelten Fallbeispiele der nationalen und internationalen Rettungsdienstsysteme werden hier auf die Frage verdichtet, inwieweit sie reine Hospitalisierungsstrategien oder andere Modelle der präklinischen Lenkung von Patienten verfolgen. Damit ist darstellbar, welche Strategien überwiegend zum Einsatz kommen. In der ersten Zeile findet sich zu Vergleichszwecken der österreichische Lösungsvorschlag von Eisenburger und Redelsteiner (siehe Abschnitt 5.2.4). Darunter werden die Strategien der in den vorangegangenen Abschnitten besprochenen Systeme zusammengefasst. Blau wurden Systeme markiert, die überwiegend, also zumindest bei vier Fallbeispielen, eine Hospitalisierung durchführen. Grün wurden Systeme gekennzeichnet, die systematisch (auf Ebene der Leitstelle oder vor Ort) zu anderen Versorgungspfaden wie Hausarzt referenzieren bzw. umfangreich Strategien der Belassung nach Untersuchung einsetzen. Kursiv markiert werden Systeme, die bei Bedarf bereits am Telefon Anrufer systematisch zu anderen als rettungsdienstlichen Ressourcen lenken. Insgesamt zeigt sich eine Vielzahl von Varianten und hohe Inhomogenität. Die Systeme in den beiden burgenländischen Bezirken Jennersdorf und Neusiedl sowie in Belgien, Luxemburg und Ungarn transportieren Patienten überwiegend ins Krankenhaus. Das gilt grundsätzlich auch für die beiden deutschen Systeme;; die Rettungsleitstelle Erfurt nützt jedoch die leitstellenseitige Verknüpfung mit dem ärztlichen Bereitschaftsdienst in vielen Fällen zu einer entsprechenden Referenzierung. Beim Rettungsdienst Märkisch-­Odenwald ist diese Verknüpfung erst auf der operativen Ebene gegeben. Dort nimmt der diensthabende Notarzt Anrufe des ärztlichen Bereitschaftsdienstes entgegen, Notrufer mit einfachen Anliegen, die 112 wählen, werden aber umgekehrt nicht an diesen Kombinationsdienst weitergeleitet. Sie werden durch einen Rettungsdiensteinsatz mit Hospitalisation versorgt. Der Patient aus dem Fallbeispiel „Sturz“ würde in all diesen Systemen ins Krankenhaus gebracht werden. Keinerlei Strategien der Belassung vor Ort werden im Bezirk Neusiedl verwendet, der über ein eigenes Notarztsystem verfügt. Der Rettungsdienst Jennersdorf ist

279


ohne eigenes Notarztsystem und zeigt noch bei einigen Fällen eine Mitarbeit des Hausarztsystems mit Belassung, würde aber bei den Fallbeispielen Brustschmerz / Husten, Fieber, Sturz und Katheterwechsel ggf. weitere Fahrtstrecken zur diagnostischen Abklärung in Kliniken in Kauf nehmen. Trotz gleicher rechtlicher Grundlagen wie bei den anderen österreichischen Systemen wenden die Systeme in Raabs und im Kleinwalsertal durch systematische Verknüpfung mit dem ärztlichen Bereitschaftsdienst in vielen der „simulierten“ Fälle Strategien der Belassung an. Damit wird vermieden, dass Rettungsmittel für Bagatellfälle ihre Region ohne unmittelbare Einsatzressource lassen. Tabelle 83: Vergleich der Strategien der präklinischen Patientenlenkung in den vorgestellten Rettungsdienstsystemen

BLS (HA) BLS / ALS HANA BLS (HA)

Reaktionsformen bei Fallbeispiel … A B C D E Wunde Asthma Lumbago Husten / B Sturz S NA HA HAA HA HA HA NFS HA HA HAA HA RDHB RDHC D NFS RDH RDH RDH RDH RDHC F HA RDH RDH HANA HANA HA NFS RDHA ALS RDHA ALS RDHA

BLS / ALS ALS BLS / ALS

NFS RDB NA HA NA RDH

ALS VK ALS

RDH HA RDH

ALS HA ALS

RDH RDH RDH

RDH RDH RDH

RDH HA RDH

BLS / ALS

NFS RDHM

ALS

HA

HA

RDH

RDH

HA

ALS ALS ALS ALS ALS BLS / ALS ALS ALS ALS ALS

P NA NFS HA NA NFS P HA P P

PVZG RDB HAPE HAH RDH RDH HA HA RDB HA

PVZG ALS VK HAH HAH ALS VK HA HA RD

RDB HA HAPE HAH HAH RDH HA HA HA HA

ALS ALS ALS HAH ALS ALS HA HA RD-PVZ ALS

RDB RDB RDB HAH HAH RDH HAL HAI HAI RDHA

RDB HA HAPE HAH HAH RDH RDHA HA HA HA

HP, HA HA HP HAH HAH RDH RDH HA HA HA

ALS ALS ALS ALS ALS BLS / ALS ALS

NA P NA NA NA NA P

RD-PVZ PVZ PVZ HA PVZ RDH RDB

ALS PVZ ALS HAI RDB V RDB

ALS PVZ PVZ-V HA V ALS PE

ALS ALS PVZ-V HAH V ALS ALS

RDB RDB HA HAH RDBN RDH PE

RDB HA HA PVZ RDB RDB PE

RDH HA PVZ PVZ RDBE RDH PEJ

Nationen (n=19), Systeme (n=26)

Systemtyp IP

F Fieber

G Katheter

A, Eisenburger, Redelsteiner A, JE A, ND A, Raabs A, Kleinwalsertal 2014 Belgien Dänemark Deutschland, Märkisch-Oderland Deutschland, Erfurt Finnland Frankreich Großbritannien Italien, Verona Italien, Florenz Luxemburg Niederlande Norwegen Schweden Schweiz, St. Gallen Slowakei Slowenien Spanien Tschechien, Rural Tschechien, Urban Ungarn USA, Spokane

HA

HA

RDH RDH HA HA

RDH RDH HA HA

Quelle: eigene Darstellung 280


Legende zu Tabelle 83 Schwarz (Fett) = Vergleichsgrundlage – nicht als normativer Referenzwert – derzeit verantwortbare mögliche Reaktionsmuster, die zumindest für den österreichischen Raum gelten (vgl S.73) Schwarz = System verwendet überwiegend Strategien der Hospitalisierung Grau = System referenziert systematisch zu Hausarzt, Primärversorgung oder entsendet alternatives Einsatzmittel zur Evaluation und ggf. Belassung Kursiv = System lenkt bei Bedarf systematisch bereits am Telefon zu anderen Behandlungsressourcen wie Hausarzt etc. Nationen / Systeme A = Österreich, JE = Jennersdorf, ND = Neusiedl

Legende zu hochgestellten Buchstaben A = Bei Erstmanifestation RD B = Ausstattungsmangel, kein EKG C = Abhängig vom jeweiligen Pflegeheim (manche mit gutem Personal und guter Arztanbindung, andere mit vorunterschriebenen Einweisungen, die die Anwesenheit des Hausarztes vortäuschen) D = Abhängig vom Disponenten, ggf. Versuch an Hausarzt zu vermitteln E = Bei Entsendung eines männlichen Krankenpflegers oder Notarztes Katheterwechsel möglich, bei Krankenpflegerin oder Paramedic am RTW Transport ins Krankenhaus F = Abhängig von der Erfahrung des Notarztes Wundversorgung und Belassung möglich G = Leitstelle ersucht Patienten, ins Primärversorgungszentrum zu kommen H = Fall gehört klar ins Hausarztsystem, wenn trotzdem der Rettungsdienst kommt, erfolgt Transport ins Krankenhaus I = ggf. RTW mit Belassung, der zu Hausarzt referenziert J = Wird nach Evaluation Hauskrankenpflege anfordern oder einen Transport, z. B. mit Taxi, ins Primärversorgungszentrum organisieren K = Anrufer kann 112 oder Ärztevermittlung anrufen und wird dann bzgl. Eigenmedikation beraten. Reaktion je nach Schweregrad: kein Einsatz, Visite Hausarzt oder Rettungsdiensteinsatz L = Bis 17 Uhr Hausarzt, danach Rettungsdienst M = Aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten N = Belassung ist möglich, aber selten

Systemtyp = Typ des lokalen Rettungssystems ALS = System mit Advanced Life Support, z. B. Notarzt, Paramedic, Krankenpfleger BLS = Basic Life Support mit Krankenwagen BLS (HA) = Basic Life Support mit Krankenwagen und mit Versuch Hausarzt zu erreichen HANA = Ärztlicher Bereitschaftsdienst mit Notarztdienst gekoppelt IP = Interviewpartner HA = Hausarzt NA = Notarzt NFS = Notfallsanitäter P = Paramedic oder Krankenpfleger mit ParamedicKompetenzen Reaktionsformen HA = Versorgung durch den Hausarzt HANA = Ärztlicher Bereitschaftsdienst mit Notarztdienst gekoppelt HAPE = Versorgung durch den Hausarzt, wenn keiner in der Region, dann Evaluation durch einzelnen Paramedic mit Pkw HP = Versorgung durch die Hauskrankenpflege PE = Evaluation durch Paramedic mit Pkw (Spokane, USA: „ARU“ = Alternative Response Unit) PVZ = Versorgung im Primärversorgungszentrum / Patient wird gebeten, ins Primärversorgungszentrum zu kommen PVZ-V = Visite durch Arzt des Primärversorgungszentrums RDB = Rettungsdiensteinsatz, Belassung vor Ort durch RTW möglich RDH = Mit Rettungsdienst ins Krankenhaus RDHA = Mit Rettungsdienst zum Hausarzt / Der Rettungsdienst arbeitet vor Ort mit dem parallel verständigten Hausarzt zusammen RD-PVZ = Mit Rettungsdienst ins Primärversorgungszentrum V = Viele der oben genannten Varianten möglich (Hausarzt, Primärversorgungszentrum, Krankenhaus, Rettungsdienst, …)

281


14.3.5

Die Leitstelle – Konzepte für eine neue Rolle als „leitende Stelle“ zum passenden Versorgungspfad

14.3.5.1

Allgemeine Gesundheitsinformationen via Telefon oder Social Media

Obwohl Beratungshotlines durch telefonische informelle Beratungen auf lokaler hausärztlicher Ebene und durch die Tätigkeit der Vergiftungsinformationszentralen seit den Siebzigerjahren als Methode bzw. Technologie eingeführt sind (siehe Abschnitt 14.3.1.4), ist deren Abwicklung nach wie vor eine Herausforderung hinsichtlich Logistik, Inhalte und Ausbildung. Die vorhandenen Studien aus Großbritannien zeigen noch umfangreichen Entwicklungsbedarf. Bei der Erstimplementierung der Rufnummer 111, an die sich Bürger mit plötzlichen und dringenden Gesundheitsanliegen außer Notfällen wenden können, in vier Pilotbezirken in England (siehe Abschnitt 13.2.1), stieg die Einsatzrate des Rettungsdienstes um 2,9 pro 1.000 Einwohner. (vgl. Turner et al. 2013) Eine Berechnung in Bezug auf allfällige soziodemografische Änderungen ist nicht erfolgt, somit ist unklar, ob der Bedarf oder die Nachfrage gestiegen ist. Es ist anzunehmen, dass bei einfachen Erkrankungen, die telefonisch nicht ausreichend evaluierbar sind, wiederum der Rettungsdienst als Sicherungsebene eingesetzt wird. In der Implementierungsphase der Rufnummer 111 kam es aufgrund von Personalmangel und technischen Problemen zu langen telefonischen Wartezeiten und dadurch wieder zu Rückflüssen von Anrufern zur Notrufnummer 999. Die Anrufer waren grundsätzlich mit dem Service zufrieden. Unzufriedenheit ergab sich jedoch in Bezug auf die Anzahl der gestellten Fragen und der Erwartungshaltung, bei Anrufen zu 999 einen Rettungswagen zu bekommen, wenn einer gewünscht würde. Außerdem gibt es Anzeichen dafür, dass die Referenzierung von Anrufern zu Primärversorgungszentren auf niedrigere Compliance trifft als jene zu Rettungsdiensten oder Anleitungen zur Selbstversorgung. (vgl. Blank et al. 2012) Zumindest eine geringe Zahl von Notrufen (nämlich 13 % jener der Kategorie „Alpha – nicht dringlicher Einsatz“ und 2,5 % der Kategorie „Omega – Verweis zu anderem Dienst wie Totenbeschau möglich“) war nach Erkenntnissen von Turner zu Krankenpflegepersonal umlenkbar. Schon eine geringe Reduktion an Rettungsdiensteinsätzen führt zu bedeutenden Kosteneinsparungen. (vgl. Turner et al. 2013) Dies belegen auch 306


einzelne Studien, primär aus den USA, in denen von einem Rückgang der Benutzung von Gesundheitseinrichtungen um bis zu 78 % und einer Reduktion der Ausgaben um bis zu 80 % berichtet wird. (vgl. Velasco Garrido et al. 2011) Insgesamt wurde festgestellt, dass es sich um eine sichere Strategie zum Management von Notrufen handelt und oft trotzdem eine Vor-­Ort-­Evaluation von „Angesicht zu Angesicht“ erforderlich ist, die dann eine Belassung vor Ort sicherer möglich macht. (vgl. Turner et al. 2006) Die Schweiz und Schweden betreiben bereits zuverlässige „Nurse Helplines“ (siehe Kapitel 12). Die Einführung von 230

Beratungshotlines

sollte

Zwischenevaluationen

jedenfalls

erfolgen

und

regional erfordert

schrittweise ein

und

mit

systematisches

Projektmanagement, insbesondere im inhaltlichen und technischen Bereich. (vgl. Newton 2014, persönliche Mitteilung) Das Gesundheitswesen-­Zielsteuerungsgesetz (ZS-­G) in Österreich sieht Möglichkeiten der Gesundheitsinformation via Telefon oder Social Media vor. Die nachfolgende Grafik illustriert das Konzept. Abbildung 33: Konzeption eines bundesweit einheitlich en Rahmens für ein telefon-­ und webbasiertes Erstkontakt-­ und Beratungsservice

Quelle: Chwojka 2014: persönliche Mitteilung, Stand der Zielsteuerungsgespräche Gesundheit (2013): Zwischenbericht der Projektgruppe „TEWEB“ an die Fachgruppe „Innovation“ im Rahmen des Gesundheitswesen-­Zielsteuerungsgesetz.

230

Englisch-­ oder deutschsprachige Publikationen liegen dazu noch nicht vor.

307


Dieses Modell beschreibt ein umfassendes und vernetztes System mit zahlreichen Rückfallebenen, das auf Notfallanfragen bzw. medizinische Anfragen reagiert und Patienten auch a priori in unterschiedliche Infrastrukturkomponenten des Gesundheitssystems (wie Fachärzte oder Expertenberatung per Telefon) lenkt. So könnte sogar für das Aufsuchen einer Krankenhausambulanz eine kassenärztiche Zuweisung oder formelle Zuweisung durch eine Gesundheitshotline gefordert werden. Damit könnte der Zulauf zu klinischen Ambulanzen besser geregelt werden. Manche österreichische Interessenspartner stehen dem Gesamtprojekt noch skeptisch gegenüber: „Der geplante Aufbau von niederschwelligen, nichtärztlichen Telefon-­ und Webdiensten in das Erreichbarkeitskonzept der Primärversorgung, scheint mir keine entscheidende Verbesserung der derzeitigen Situation zu bringen, wenn damit nicht eine rasche primärärztliche Konsultationsmöglichkeit verbunden ist.“ (Wechselberger 2015: persönliche Mitteilung) 14.3.5.2

Systematische Abfrage unabhängig von der gewählten Rufnummer Die systematische Abfrage von Anrufern unabhängig von der gewählten Rufnummer ist in vielen der in Kapitel 12 vorgestellten Länder, beispielsweise in Schweden, Norwegen oder Spanien, Standard. Nur so kann der Anrufer mit seinem Anliegen unabhängig von der gewählten Rufnummer in die geeignete Versorgungsebene gelenkt werden. Dies wäre auch für das Burgenland wünschenswert. Dort läuft sowohl die Auskunftsnummer

des

ärztlichen

Bereitschaftsdienstes

141

und

der

Rettungsnotruf in der Landessicherheitszentrale auf, ohne die Möglichkeit, Anrufer in das geeignetere System zu lenken. (siehe Abschnitt 9.3.1). Wie in Abschnitt 14.3.2 ausgeführt, muss die Abfrage mit einer standardisierten Alarmierungsdiagnose einhergehen. Nur so kann ein auswertbarer Überblick über die Gründe der Alarmierung in Kombination mit deren zeitlicher und räumlicher Verteilung gewonnen werden, der auch mit den vor Ort gewonnenen Diagnosen – die ebenfalls einer einheitlichen Dokumentationsstruktur bedürfen –, abgeglichen werden kann. Dieser Vorgang ist als basale rettungsdienstliche Qualitätssicherung zu bezeichnen, die Ergebnisse sind Input für eine systematische Bedarfsplanung.

308


14.3.5.3

Die Leitstelle als Clearingzentrum gesundheitlicher und sozialer Anliegen Die Leitstelle als niedrigschwellige, allgemeine und direkt zugängliche erste Kontaktstelle für alle Menschen mit gesundheitlichen Problemen im Sinne einer umfassenden Grundversorgung ist von zentraler Bedeutung für eine sinnvolle Patientenlenkung. Die Referenzierung von Anrufern zu anderen medizinischen Ressourcen und nicht die generelle Entsendung eines Rettungsmittels unter Verwendung entsprechender Abfrage-­ und Beratungsprotokolle muss Teil des rettungsdienstlichen Alltags werden. Viele Anfragen erweisen sich nach einer entsprechenden Analyse nicht als medizinisch, sondern sozial begründete Problemlagen wie Einsamkeit oder das Fehlen eines Netzwerks, das einem pflegenden Angehörigen zumindest kurzfristig Unterstützung verschafft. Einrichtungen, die in diesen Aufgaben aktiv sind, gibt es zumeist – es fehlt aber deren Verknüpfung, Steuerung und Koordination auf einer Metaebene. Es fehlen einfach erreichbare Einrichtungen, die den Betroffenen helfen, den für sie passenden Pfad zu finden. Insofern ist eine Ausweitung der Beratung und Referenzierung auch zu pflegerischen, sozialen oder psychosozialen Ressourcen sinnvoll. Ein Pilotprojekt der Fachhochschule St. Pölten arbeitet an Möglichkeiten, zu Einrichtungen der sozialen Arbeit, beispielsweise zu Obdachloseneinrichtungen, oder psychosozialen Hotlines weiter zu verweisen. (vgl. Redelsteiner 2015 a). Als wesentlicher neuer Prozessschritt in der Leitstelle ist dabei ein Clearing zu implementieren (siehe Abbildung 34). Unter Clearing versteht man im Bereich der sozialen Arbeit „alle organisatorischen Vorgänge und Handlungen […], die rasch und fachlich klären, welche soziale Institution oder andere Ressource sich für die präsentierte Problemstellung der KlientInnen als adäquat erweist.“ (vgl. Fürst 2008: 59). Im Kontext der Leitstelle ist Clearing die Klärung des Anliegens und die Vermittlung des Anrufers zu der für seine Problemstellung passenden medizinischen,

pflegerischen,

sozialen,

psychosozialen

oder

sonstigen

Ressource. Dieser Vorgang umfasst insbesondere auch kommunikative, interaktive, analytische und beratende Methoden. Voraussetzung ist eine entsprechende Kommunikationsfähigkeit und Informationsbereitschaft des Anrufers. Auf dieser Basis wird eine Anamneseerhebung am Telefon durchgeführt,

309


Christoph Redelsteiner

an der Donau Universität Krems. Redelsteiner ist Sozialarbeiter, Notfallsanitäter (A), Parame­ dic (USA) und Lehrrettungsassistent (D) und seit 1984 in unterschiedlichen Funktionen in Rettungsdiensten aktiv.

Der Rettungsdienst wird als rund um die Uhr erreichbare Einrichtung zunehmend mit Auf­ gaben der nicht dringlichen „einfachen“ sozi­ alen, pflegerischen und medizinischen Pri­ märversorgung konfrontiert. Wie müssten die Strukturen eines Gatekeeping für „Akutfälle“ aussehen, um die Versorgung zu gewährleis­ ten? Anhand zweier ländlicher Regionen wird den Auswirkungen der demografischen Ände­ rungen auf die rettungsdienstlichen Einsatz­ zahlen nachgegangen. Modelle der internationalen Patientenlenkung durch Leitstellen oder Rettungsfachkräfte vor

Ort durch Behandlung, Transport oder Verwei­ sung zu passenden Ressourcen werden ver­ glichen. Sieben standardisierte Fallbeispiele zeigen die unterschiedlichen Reaktionsmuster von 25 Rettungsdiensten aus 17 europäischen Nationen und den USA. Möglichkeiten der Adaptierung von Einsatzund Dispositionsstrategien und Überlegungen zu Formen der Vernetzung zwischen den Insti­ tutionen, den pflegerischen und sozialen Ein­ richtungen werden dargestellt. Ziel ist die Sicherstellung einer adäquaten Hilfe für alle Altersgruppen und sozialen Schichten – insbe­ sondere auch für den ländlichen Raum.

Dissertation Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften

Aktuelle und künftige Anforderungen an das Gatekeeping im präklinischen Bereich

Christoph Redelsteiner ist Professor an der Fachhochschule St. Pölten und unterrichtet in den Departments Soziales und Gesundheit. Er ist fachwissenschaftlicher Leiter des Universi­ tätslehrgangs für Rettungsdienstmanagement

Christoph Redelsteiner

Aktuelle und künftige Anforderungen an das Gatekeeping im präklinischen Bereich

Aktuelle und künftige Anforderungen an das Gatekeeping im präklinischen Bereich unter besonderer Berücksichtigung der soziodemografischen Entwicklung am Beispiel zweier Grenzregionen im Burgenland ISBN 378-3-943174-72-4

www.skverlag.de

unter besonderer Berücksichtigung der soziodemografischen Entwicklung am Beispiel zweier Grenzregionen im Burgenland


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.