1 Berufsspezifische rechtliche Grundlagen ˘ 1.4 Zivilrecht
der entsprechenden Kompetenz nach dem SanG zu denken. Da eine gültige Einwilligung nur vorliegen kann, wenn der Patient über alle Umstände der Behandlung aufgeklärt ist, liegt diese nicht vor, wenn der Sanitäter diese Maßnahme ergreift und der Patient nicht vorher über die Tatsache aufgeklärt wurde, dass der Behandelnde kein Arzt ist, indem er sich bereits bei Eintreffen zum Beispiel als Notfallsanitäter vorgestellt hat. Entschließt sich der Patient, lieber auf den Notarzt zu warten, als die Maßnahme vom Notfallsanitäter durchführen zu lassen, so darf auch bei sonstiger Gegebenheit der Voraussetzungen nach SanG nicht punktiert werden. Strafrechtlich erfüllt eine lege artis durchgeführte Heilbehandlung, unabhängig vom Behandlungserfolg, niemals den Tatbestand einer Körperverletzung. Allerdings kann eine Behandlung ohne Zustimmung des Patienten als Privatanklagedelikt nach § 110 StGB als eigenmächtige Heilbehandlung verfolgt werden.
Patienten wird die Einwilligung zur Behandlung vorausgesetzt (mutmaßliche Einwilligung).
1.4.2
1.4.3
Mündigkeit und Ablehnung der Behandlung
Nach dem ABGB sind minderjährige Personen jene, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Innerhalb der Gruppe der Minderjährigen wird zwischen Kindern, die das siebte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, unmündig Minderjährigen, bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres, und mündig Minderjährigen, ab dem vollendeten 14. Lebensjahr bis zur Erreichung der vollen Geschäftsfähigkeit mit Vollendung des 18. Lebensjahres, unterschieden. Für den Sanitäter ist diese Unterteilung insbesondere in zwei Fällen, bei der Reversfähigkeit und der Unterbringung auf Verlangen nach dem Unterbringungsgesetz (UbG), von Bedeutung. Ein mündiger Minderjähriger ist reversfähig. Er darf die Verweigerung des Transports selbst unterschreiben. Bei unmündigen Minderjährigen besteht nach der österreichischen Rechtsprechung kein unbegrenztes Erziehungsbzw. Entscheidungsrecht der gesetzlichen Vertreter. Die von den Erziehungsberechtigten gesetzten Maßnahmen müssen im Interesse und zum Wohl des Kindes getroffen werden. Ist das Kindeswohl gefährdet, kann ein Gericht eingeschaltet werden und zum Beispiel den Eltern vorübergehend das Sorgerecht entziehen. Für den Rettungsdienst dauert diese Vorgangsweise, wenn das Leben oder die Gesundheit des Kindes gefährdet ist, zu lange. Bei Behandlungs- oder Transportverweigerung für Minderjährige (z. B. aus religiösen Gründen der Eltern) ist die Exekutive beizuziehen und bei »Gefahr im Verzug« mit der Behandlung zu beginnen. Keinesfalls ist in solchen Fällen, ohne Absicherung durch einen Behördenvertreter, ein Revers entgegenzunehmen. Bei bewusstlosen
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BEACHTE Die Verweigerung des Transports darf von einem mündigen Minderjährigen selbst entschieden werden, da er reversfähig ist. Ein Revers darf unter folgenden Bedingungen vom Patienten unterfertigt werden: – Der Patient muss das 14. Lebensjahr vollendet haben, einsichtsfähig und klar orientiert sein. – Die Verweigerung muss frei von Zwang, ernstlich und eindeutig erfolgen. – Der Patient muss sich über die Folgen seiner Ablehnung im Klaren sein und vom Sanitäter vollständig aufgeklärt worden sein.
Stellvertretung in Gesundheitsfragen
Ist der Patient zum Zeitpunkt der notwendigen Behandlung nicht einsichts-, urteils- oder äußerungsfähig, sieht das Gesetz mehrere Möglichkeiten der Erhebung des Patientenwillens vor. Einerseits gibt es die Möglichkeit der Stellvertretung, andererseits kann eine Patientenverfügung vorliegen. Im Falle der Stellvertretung entscheidet eine Vertrauensperson des Patienten an seiner Stelle und in dessen Namen. Die Patientenverfügung gibt dem Patienten die Möglichkeit, im Vorhinein schriftlich seinen Willen zu fixieren. Bei der Stellvertretung wird zwischen der gesetzlichen Vertretung durch die nächsten Angehörigen nach §§ 284b, 284c ABGB und der gewillkürten nach § 284f unterschieden. Nach der gesetzlichen Stellvertretung sind die im Gesetz genannten Personenkreise (Eltern, volljährige Kinder, Ehegatten und Lebensgefährten, sofern über drei Jahre im gleichen Haushalt lebend) zur Zustimmung der Heilbehandlung berechtigt, sofern diese nicht gewöhnlich mit einer schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden ist und der vertretenen Person die erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit fehlt. Bei der gewillkürten Stellvertretung sind die Bestimmungen des § 284f ABGB maßgebend. (1) Eine Vorsorgevollmacht ist eine Vollmacht, die nach ihrem Inhalt dann wirksam werden soll, wenn der Vollmachtgeber die zur Besorgung der anvertrauten Angelegenheiten erforderliche Geschäftsfähigkeit oder Einsichts- und Urteilsfähigkeit oder seine Äußerungsfähigkeit verliert. Die Angelegenheiten, zu deren Besorgung die Vollmacht erteilt wird, müssen bestimmt an-