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Megan McBride, Horn

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von EGLEA

von EGLEA

«EUROPÄISCHE UND AMERIKANISCHE ORCHESTER SPRECHEN WIRKLICH EINE ANDERE SPRACHE»

VON LEA VATERLAUS Megan McBride stammt aus dem amerikanischen Oxford im Bundesstaat Ohio und absolvierte ihr Musikstudium zunächst in Cincinnati, Philadelphia und Boston, wo sie mit Mitgliedern des renommierten Philadelphia Orchestra sowie des Boston Symphony Orchestra zusammenarbeitete. Ihr Masterstudium führte sie daraufhin nach Lugano, und schliesslich kam sie zum Sinfonieorchester Basel, wo sie seit 2009 als Hornistin tätig ist.

LV Megan McBride, Du bist ‹Wechselhornistin› beim Sinfonieorchester

Basel. Was kann man sich darunter vorstellen? MMB Das bedeutet, dass ich sowohl die tiefere zweite als auch die höhere dritte Stimme spiele. Das Hornregister ist eigentlich in ‹hohe› und ‹tiefe› Hornistinnen und Hornisten eingeteilt – ich mache beides. Unser Instrument hat dabei eine besonders grosse Bandbreite an Tönen. Mit der Grösse des Mundstücks lässt sich die Tonhöhe etwas einfacher erreichen – ich benutze ein mittleres Mundstück, damit ich sowohl hohe als auch tiefe Stimmen angenehm spielen kann.

LV Du stammst aus dem englischsprachigen Raum, wo das Horn als ‹French

Horn› bezeichnet wird. Im Volksmund sagt man auch ‹Waldhorn›.

Welcher Name ist der richtige? MMB Das war tatsächlich eine gewisse Zeit lang eine grosse Debatte! Der Vorläufer des heutigen Horns, das Naturhorn, stammt allerdings nicht nur aus Frankreich, weshalb die Bezeichnung ‹French Horn› so nicht stimmt. Beide Begriffe, sowohl ‹French Horn› als auch ‹Waldhorn›, gehen darauf zurück, dass das Horn früher vor allem als Signalinstrument bei der Jagd verwendet wurde, bevor es im Barock als Orchesterinstrument eingeführt wurde. Die Jagdinstrumente waren dabei

VORGESTELLT kreisrund und innen hohl, damit man sie auf dem Pferd direkt am Körper tragen konnte. Heute lautet der offizielle Name nur ‹Horn›, wie auch der Name der International Horn Society bestätigt.

LV In der historischen Aufführungspraxis wird das Naturhorn auch heute noch im Orchester verwendet.

Braucht dies zusätzliche Übung? MMB Ja, die Spielweise ist vollkommen anders. Das Naturhorn hat keine Ventile, die Töne entstehen mit der richtigen Ansatztechnik und der Positionierung der rechten Hand am Instrument. In Boston, wo es eine grosse AlteMusikSzene gibt, habe ich diese Technik intensiv studiert. Auch hier beim Sinfonieorchester Basel brauchen wir Hornistinnen und Hornisten häufig das Naturhorn für die Aufführung von Werken aus Zeiten Mozarts bis hin zu Berlioz.

LV In welcher Musikrichtung ist das

Horn denn besonders zu Hause? MMB In allen! Deshalb mag ich das Horn so gerne! Vom Barock bis zur zeitgenössischen Musik und auch in anderen Genres wie der Filmmusik ist das Horn immer sehr präsent. Unser SoloRepertoire ist zwar nicht besonders gross, wenn man es mit jenem der Streicher vergleicht, es gibt von Mozart und Haydn über Strauss bis zu zeitgenössischen Kompositionen aber dennoch sehr prominente Werke, die für das Horn geschrieben wurden.

«Mozart hat sich wirklich gut ausgekannt mit den damaligen Instrumenten, auch damit, wie sie funktionierten. Seine Hornkonzerte gehören zum Grundrepertoire jedes Hornisten.»

LV Mozart hat vier Hornkonzerte geschrieben – das ist im Vergleich zu anderen Komponisten mehr als der

Durchschnitt, oder?

MEGAN MCBRIDE

26 MMB Ja, Mozart hat sich wirklich gut ausgekannt mit den damaligen Instrumenten, auch damit, wie sie funktionierten. Seine Hornkonzerte gehören zum Grundrepertoire jedes Hornisten. Die vier Konzerte schrieb er für einen langjährigen Familienfreund, den Hornisten Joseph Leutgeb. Die beiden haben sich auf sehr humorvolle Weise ausgetauscht; so sind im Manuskript des Hornkonzerts Nr. 1 Kommentare wie «oh Dio che velocità» oder «basta, basta!» zu finden. Das Konzert wurde trotz seiner Bezeichnung eigentlich als letztes geschrieben – zu einer Zeit, in der Leutgeb wohl schon älter war. So ist das Konzert in einer tieferen Tonart geschrieben und besitzt einen kleineren Tonumfang. Vielleicht, weil Leutgeb bereits nicht mehr so viele Zähne hatte! (lacht)

LV Braucht die Technik des ‹Ansatzes› ein spezielles Training der Lippenmuskulatur? MMB Ich finde, man muss mindestens jeden Tag oder zumindest sechs Tage die Woche Aufwärmübungen machen. Es ist wie bei einem Sportler: Man kann keinen Marathon rennen, wenn man zuvor nicht trainiert hat. Wir Blechbläser können nicht unbedingt stundenlang am Stück üben, dürfen dafür aber nicht lange Zeit pausieren.

LV Apropos Sport: Yoga ist eine Deiner grössten Leidenschaften neben der

Musik. Was nimmst Du davon in

Deinen Alltag mit? MMB Als Musikerin oder Musiker hat man oft muskuläre Beschwerden. Das Horn beispielsweise ist sehr schwer, und man hält es immer in derselben Position, weshalb ich lange Zeit Rückenprobleme hatte. Seit ich Yoga mache, habe ich keine Beschwerden mehr. Auch mental hilft mir der Sport sehr: Ich habe früher im Konzert häufig gezittert, weil einfach zu viel Adrenalin in mir drin war. Nun bin ich sehr ausgeglichen und bleibe auch bei SoloStellen ruhig. Lange Zeit habe ich in der Mittagspause auch YogaKurse für die Orchestermitglieder gegeben – danach waren wir wieder wach und gestärkt für die Nachmittagsprobe. Im letzten Jahr ist das etwas auseinandergefallen. Ich bekomme von meinen Kolleginnen und Kollegen aber ständig Anfragen, wann wir wieder damit beginnen können!

LV Du bist in Amerika aufgewachsen und hast lange Zeit dort studiert.

Wie unterscheiden sich amerikanische Orchester von europäischen? MMB Amerikanische Orchester haben einen sehr unterschiedlichen Klang und eine andere Spielweise. Bezogen auf das Horn ist der Klang dort sehr rund und breit, mit einem diffusen Kern. Von pianissimo bis fortissimo ist die Klangfarbe der Blechbläser immer sehr ausgeglichen, während in Europa bei grösserer Lautstärke schnell ein ‹blecherner› Ton entsteht. Ich denke, dass die europäische Spielweise näher an der Herkunft des Instruments ist, denn auch beim Naturhorn entsteht dieser BlechKlang schnell. Europäische und amerikanische Orchester sprechen wirklich eine andere Sprache! Mein Lehrer in Boston hat immer zu mir gesagt: «Du spielst, wie Du in Europa spielen solltest!» Jetzt bin ich tatsächlich hier! (lacht).

«Basel ist ein Dorf, das kein Dorf ist, sondern eine Stadt – das mag ich besonders.»

LV War es für Dich eine grosse Umstellung, in die Schweiz zu kommen? MMB Vollkommen! Als ich für mein Studium nach Lugano kam, konnte ich mich erst überhaupt nicht an den Lebensrhythmus hier gewöhnen. Jedes Büro hatte immer geschlossen, alles dauerte ewig! (lacht) Zudem ist es hier nachts so leise – ich konnte die ersten Monate überhaupt nicht schlafen. In amerikanischen Grossstädten ist immer extrem viel los, und es kann auch ziemlich gefährlich werden. Es gefällt mir, dass man hier in Basel etwas weniger aufpassen muss, das kulturelle Angebot aber trotzdem riesig ist! Basel ist ein Dorf, das kein Dorf ist, sondern eine Stadt – das mag ich besonders.

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