OECD Lernkompass 2030

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wie gesellschaftlich stellenden Aufgaben arbeiten. Dafür braucht es soziale und emotionale Skills wie Resilienz, Selbstregulierung, Vertrauen, Empathie und Zusammenarbeit. In der Schule erleben die Kinder und Jugendlichen Bildung als sozialen Prozess: Das Lernen wird durch ihre sozialen Beziehungen und Interaktionen – unter Gleichaltrigen, mit Lehrkräften, Eltern und der weiteren Gemeinschaft – unterstützt (oder behindert).101 Schülerinnen und Schüler mit stabilen sozialen und emotionalen Grundlagen werden es leichter haben, die Herausforderungen und Lernprozesse inner- und außerhalb der Schule zu bestehen. Soziale und emotionale Grundlagen sind mit moralischen und ethischen Grundlagen verknüpft, die definiert sind als „das Vermögen, Entscheidungen und Urteile, die moralisch sind (also auf inneren Prinzipien gründen), zu treffen und in Übereinstimmung mit diesen Urteilen zu handeln“102. Solche Grundlagen sind von elementarer Bedeutung, um Dilemmata und Konflikte durch Denken und Diskutieren auf der Grundlage von (gemeinsamen) Prinzipien zu lösen und nicht durch Gewalt, Betrug und Machtmissbrauch.103 Um sich in diversen sozialen und emotionalen Situationen zurechtzufinden, gute persönliche Entscheidungen zu treffen, riskantes Verhalten zu vermeiden sowie Gesundheit und Wohlbefinden für sich und für andere schützen zu können, müssen Kinder und Jugendliche moralische und prosoziale Prinzipien sowie Fähigkeiten und Verhaltensweisen der Selbstregulierung wie Empathie, Ehrlichkeit und Fairness entwickeln und verinnerlichen.104 Lernende sollten also nicht nur grundlegende Kenntnisse und Skills entwickeln, sondern sie müssen genauso grundlegendes moralisches/ethisches Denken erlernen, sodass „Ich kann…“-Aussagen ergänzt werden durch moralische Selbstbefragung wie „Sollte ich…?“. Es ist für Kinder und Jugendliche von vitalem Interesse, diese moralischen und ethischen Fähigkeiten zu entwickeln, um Transformationskompetenzen anwenden zu können, wie zum Beispiel Ausgleich von Spannungen und Dilemmata, Verantwortungsübernahme für das eigene gesundheitliche, soziale und

emotionale Wohlergehen ebenso wie das der anderen.

Weltweit ringen Schulsysteme mit der Heraus­ forderung, mit dem sozialen, technologischen und wirtschaftlichen Wandel Schritt zu halten.

Ist die Beherrschung der Infinitesimalrechnung – lange Zeit Inbegriff des Mathematikunterrichts – wirklich das nützlichste aller Lernziele in diesem Fach? Bereiten Schulen die Kinder und Jugendlichen darauf vor, sich mit den großen Problemen und globalen Veränderungen, wie dem Klimawandel, der fortschreitenden Urbanisierung und einer alternden Bevölkerung zu beschäftigen? Welche neuen Wissensgebiete sollten Schulen in ihre Lehrpläne aufnehmen, um dafür zu sorgen, dass junge Lernende zukunftsfähige Möglichkeiten für ihren weiteren Bildungsweg und auf dem zukünftigen Arbeitsmarkt haben? Angesichts der globalen Trends (vgl. Projekthintergrund) stehen Schulen und Schulsysteme unter zunehmendem Druck, ihre Curricula zu modernisieren, damit Schülerinnen und Schüler ein breiteres Spektrum an Wissen, Skills, Haltungen und Werten entwickeln und mit den neuen Realitäten und Anforderungen zurechtkommen können. Beispielsweise wurden in Folge der globalen Finanzkrise im Jahr 2008 verschiedentlich Stimmen laut mit der Forderung, dass Schulen die Finanzkompetenz ihrer Schülerinnen


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