Gemeindezeitung 27

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Tischa Beaw, der neunte Tag vom jüdischen Monat Aw ist ein Fast- undTrauertag, an dem wir der Zerstörung der beiden Tempel gedenken. Der 9.Aw galt seit der Zerstörung des ersten Tempels bis zur Errichtung des zweiten Tempels als Trauertag. Obwohl der zweite Tempel aber erst am 10. Aw vollständig niederbrannte, wurde der 9. Aw auch weiterhin als Trauertag, nun für die beiden Ereignisse, beibehalten. (wären wir in die Lage zwei Tage hintereinander zu fasten, so hätten wir sowohl am 9., als auch am 10. Aw fasten müssen. Da aber dies fast unmöglich sei, haben die Rabbiner nur an einem Tag das Fasten angeordnet.) Schon seit biblischer Zeit ist der 9. Aw ein Tag, an dem traurige Dinge geschehen sind. Es war der 9. Aw, als die nach Kanaan entsandten Kundschafter zurückkehrten und dem Volk Israel furchtbare Dinge aus jenem Land, das ihnen zur Heimat gegeben worden war, berichteten. Am neunten Tage des Monats Aw im Jahre 586 vor der Zeitrechnung hatte Nebukadnezar aus Babylonien, Salomons Tempel zerstört. Und am neunten Aw im Jahre 70 nach der Zeitrechnung zerstörte Titus aus Rom den zweiten Tempel. Es ist deshalb kein Wunder, dass Tischa be Aw für die Juden der ganzen Welt ein Tag der Trauer ist. Am 9.Aw des Jahres 135, 65 Jahre nach der Zerstörung Jerusalems, fiel die Festung Bethar, in die Simon bar Kochba sich zurückgezogen hatte. Auch er wurde an diesem Tage getötet. Die Massaker der Kreuzritter im Jahre 1099 an der Bevölkerung Jerusalems fand am 9. Aw statt. Und, es war der 9. Aw des Jahres 1492, als die Juden Spanien verlassen mussten. Die Trauer um die Zerstörung Jerusalems gipfelt im 9. Aw, an dem der Tempel verbrannt wurde. Dieser Trauertag gleicht dem Versöhnungstage, auch an ihm werden volle 24 Stunden gefastet. Sowohl am Abend, als auch am Morgen ist es nicht erlaubt, einander zu grüßen. Als ein Zeichen der Trauer entfernt man in den Synagogen den Vorhang vor der heiligen Lade. Beim Morgengebet werden Tallit und Tefillin nicht gelegt, denn sie gelten als Schmuck. Ebenso ist Eheverkehr nicht erlaubt. Verboten sind auch Schuhe aus Leder zu tragen, zu baden und Kosmetika zu benutzen. Tischa be´aw gleicht der siebentägigen Trauer um einen Familienangehörigen: Man sitzt nicht auf Sesseln, sondern auf niedrigen Schemeln, der Erde nah. Man zündet ferner kein überflüssiges Licht an, vielmehr verbringt man den Abend im traurigen Halbdunkel. Das Trauern am Tischa beAw gibt uns Gelegenheit, all den Opfern zu gedenken, die unser Volk im Laufe seiner Geschichte bis zum heutigen Tage zu beklagen hatte. Der Fasttag soll in unserem Bewusstsein den großen Verlust, welcher uns durch die Zerstörung des heiligen Tempels entstanden ist, wach halten. Der Talmud (Traktat Joma 9b) fragt: Warum wurde der erste Tempel zerstört? Und antwortet: Wegen dreier Dinge: Götzendienst, Unzucht und Blutvergießen. Der zweite Tempel aber, während dessen Dauer man sich mit Thora, Mitzwot und Wohltätigkeit befasste, warum wurde er zerstört? Wegen Sinat chinam-grundloser Hass, das ist zerstörender Hass ohne Anlass. Dass lehrt uns, dass grundloser Hass so schwer wiegt, wie die drei anderen Sünden: Götzendienst, Unzucht und Blutvergießen.

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