Semper!
Kosmos Oper
ten Fällen weisen wir einen Regisseur darauf hin, dass Umzüge in dieser Geschwindigkeit nicht möglich sind. Aber in der Regel heißt das oberste Gebot: Es muss gehen!« Und wenn es dann reibungslos funktioniert, sind alle ein bisschen stolz auf sich. Dafür organisiert Cordula Stummeyer 15 festangestellte Ankleiderinnen, die in die Bereiche Herren Solo, Damen Solo, Herren Chor, Damen Chor, Herren Ballett, Damen Ballett und Komparserie unterteilt sind. Für aufwändige Produktionen kann sie zudem auf etwa zehn Aushilfen zurückgreifen. Über die Jahre entwickelt sich ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Ankleiderinnen und den Künstlern. Am Abend nach der Ballettprobe steht die »Zauberflöte« auf dem Programm – eine Repertoirevorstellung, in der sowohl Solisten als auch Ankleiderinnen eine gewisse Routine und Gelassenheit entwickelt haben. Bereits geschminkt sitzt der Sänger des Sarastro 30 Minuten vor Vorstellungsbeginn im Gang vor den Herren-Garderoben und unterhält die anwesenden Damen mit seinen launischen Scherzen. »Die Ankleider sind oft die letzten, mit denen die Künstler vor dem Auftritt in einem ruhigen Moment sprechen. Natürlich bekommen sie so auch einigen Frust ab, wenn ein Sänger unzufrieden ist, seine Hose zwickt oder er einfach keinen guten Tag hat. Aber in der Regel sind gerade die Solisten sehr auf ihre speziellen Ankleiderinnen fixiert«, berichtet Cordula Stummeyer. Manche Künstler benötigen eine besondere
Die monströsen Plateauschuhe lassen sich kaum ohne fremde Hilfe anziehen.
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Anne Gerber, Autorin Matthias Creutziger, Fotograf
Auf der Seitenbühne wird Michael Eder als Sarastro »präpariert«.
moralische Unterstützung, dann begleiten die Ankleiderinnen sie mit der Wasserflasche bis zur Bühne und warten dort auf »ihren« Solisten. So können sie zumindest von der Seite einen Teil der Vorstellung und damit ihre eigene Arbeit sehen. Wenn der Applaus am Ende verklungen ist und die Künstler die Oper bereits verlassen, folgt der letzte Teil des Dienstes: Aufräumen. Die Kostüme werden von der Bühne und aus den Garderoben wieder eingesammelt, sortiert, in die Container zurückgehängt, die je nach Spielplan schon am nächsten Tag wieder in den Fundus transportiert werden. Ein Großteil der Wäsche landet direkt im Anschluss an die Vorstellung in den Waschmaschinen und danach noch auf der Leine. Es sei denn, es steht einer der seltenen Tagesdienste bevor, an denen Ankleiderinnen zu keiner Vorstellung eingeteilt sind und aufgeschobene Aufgaben erledigen: neben dem Waschen auch Reparaturen, Näh- und Bügelarbeiten et cetera. Und wenn ein Kollege aus einer anderen Abteilung ganz freundlich fragt und es die Zeit erlaubt, wird zwischendurch auch rasch einmal ein Hemd für die bevorstehende Premiere gebügelt oder eine geplatzte Hosennaht geflickt. Ankleider ist kein Lehrberuf, es ist eine Berufung, meint Cordula Stummeyer: »Man muss mit Herz und Seele dabei sein. Und das kann ich von all meinen Kolleginnen sagen – einige sind seit über 30 Jahren mit Begeisterung hier.«