Semper Magazin No.4 14/15

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Semper!

Kosmos Oper

schen den Kostümmalerinnen und den Kostümassistenten, der Maskenabteilung und besonders der Schneiderei. Da sollen die Schläppchen auf die Hautfarbe einer neuen Tänzerin getönt werden – anhand einer kurios wirkenden Hautfarben-Kartei, in die jedes Mitglied des Semperoper Ballett eingeordnet ist –, dort muss ein gerade fertig gefärbtes und bemaltes Kleidchen in die Maske, um den dazugehörigen Kostümkopf farbig darauf abzustimmen, hier kommt ein neues Kostümteil von den Schneidern, das den farbigen Feinschliff erhalten soll, bevor die letzten Nähte geschlossen werden. Apropos Schneider: »Die Kollegen müssen schon ab und zu schlucken, wenn sie sehen, was wir mit ihrer Arbeit anrichten, mit den schönen Röcken und Hosen, die sie nigelnagelneu, blitzblank und aufgebügelt an uns weitergeben – nur damit wir sie in dreckige, blutige und zerrissene Lumpen verwandeln«, schmunzeln die drei und gehen hinüber in die »Kammer des Schreckens« für jeden gewissenhaften Schneider: den Spritzraum. Vor zwei großen Absaugklappen und metallenen Schutzwänden stehen Kleiderpuppen, deren vielfarbig schillernde Metallic-Muster ein Lied von ihrem langjährigen Einsatz singen können. Die bedrohlich funkelnde Spritzpistole richtet sich auf den Pullunder und den kurzen Wollrock, die noch zu farbenfroh und neu aussehen, ein kurzes Zischen und schon legt sich ein Grauschleier über das Kostüm. Mit noch einigen Spritzern hier und da verwandelt es sich in ein schäbiges Stoffbündel, das keine Altkleidersammlung mehr annehmen würde. Dazu kommen Kniestrümpfe, an der eine Schere schon ihr (Un-)Werk

Schichtenweise Farbspritzer aus der Pistole: Im Spritzraum wird besonders auf Arbeitsschutz geachtet.

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Anne Gerber, Autorin Matthias Creutziger, Fotograf

Farbe für die Männer-Pumps

verrichtet hat: die zerrissene Kleidung der halb erfrorenen Gänsemagd aus Humperdincks »Königskinder«. Auf der Nachbarpuppe hängt ein stark gemustertes Jackett aus grobem Stoff, das auf der Bühne nass, speckig und verschlissen aussehen soll. »Das ist bei diesem Stoff besonders schwierig«, erklärt Sylvia Brilloff. »Er nimmt schwer Farbe an und das Muster ›schluckt‹ zusätzlich die Farbschichten. Für uns ist es sehr wichtig, die Beschaffenheit der einzelnen Materialien zu kennen, um sie optimal bearbeiten zu können.« Zeigt die »sanfte Tour« nicht genug Wirkung, kommt gerne auch die Drahtbürste zum Einsatz. Ein paar energische Striche – bitte nicht nachmachen! – und die Taschen wirken abgewetzt und abgenutzt. Was aus der Nähe erbarmungswürdig aussieht, kann auf die Distanz zwischen Bühne und Zuschauerraum und im spezifischen Scheinwerferlicht jedoch völlig verpuffen. Nicht selten sind dann noch Nachbesserungen nötig und ab und zu auch heftiges Daumendrücken, dass die Farbe bis zur nächsten Probe bereits getrocknet ist. »Gut ist unsere Arbeit, wenn sie den Zuschauern nicht auffällt, sondern sie sich perfekt in die Gesamtästhetik der Inszenierung einfügt.« Ist die Premiere erfolgreich über die Bühne gegangen, aktualisieren die Kostümmalerinnen ihre Stückmappen, in der Farbproben, Figurinen und Kostümfotos zusammengestellt sind, um die Produktion auch in den folgenden Jahren »in Schuss« zu halten. So wie den »Rosenkavalier«, der nun über ein neues Paar eingefärbter Männer-Pumps verfügt.


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