gleichgeschlechtlichen Liebe. Aber der Stoff für abendfüllende Liebes geschichten fehlt. In Zeiten des »ad den, chatten und skypen« lassen vie le Choreografien unterschiedlichste Beziehungsmodelle und -aspekte in Highspeed, kurzen Fragmenten oder assoziativen Ebenen erkennen, je
Keine erfüllung der liebe im diesseits doch ohne Handlungsdramaturgie. Und den Dreh- und Angelpunkt des Ganzen bildet nach wie vor die Ju gend. Das liegt auch in der Natur der Sache. Ballett ist eine Kunst form, die nur ein jugendlicher Kör per in Vollendung ausführen kann. Vergleichbar mit jedem Hochleis
tungssport. Eine 70-jährige Tänze rin, die mit Grand Jetés durch die Lüfte jagt oder mit 32 Fouettés tri umphiert, würde absurd, ja lächer lich wirken, weil dieser Bewegungs kanon nicht ihrem natürlichen Alter entspricht. So präsentiert uns das Ballett nur »Kinder« der Ewigkeit … Alte Liebespaare sind noch kein abendfüllendes Thema. Als Pina Bausch ihr bahnbrechendes Meis terwerk »Kontakthof« im Jahr 2000 mit »Damen und Herren ab 65« neu einstudierte, kam dies einem Be freiungsschlag für das Tanztheater gleich, aber es blieb ein Experiment. Der Choreograf Jiří Kylián schuf 1991 mit dem Nederlands Dans Theater III zwar die erste Ballett company für Tänzerinnen und Tän zer über 40, jedoch keine passende Liebesgeschichte als abendfüllendes Handlungsballett. Margot Fonteyn, die Prima Ballerina Assoluta des Ro yal Balletts in London, hatte schon 1963 im Alter von 43 die Kamelien
Foto: Holger Badekow
weil er sich in ein »Wesen«, tags Tier, nachts Mensch, des heidnischurwüchsigen Waldes verliebt und da mit kirchliche Regeln gebrochen hat. Immer wieder nahmen Choreo grafen die Herausforderung an, Zwänge und Klischees der Vergan genheit abzuwerfen. Sie verlegten die bekannten Geschichten in neue Zeiten und Räume, fügten Charakte re hinzu, ließen andere weg, arbeite ten tiefenpsychologisch Archetypen heraus oder eine Vieldeutigkeit und Poesie, die möglichst viele Interpre tationsebenen offenlässt. Dennoch blieb der tragische Ur-Mythos er halten und zeigt keine Erfüllung der Liebe im Diesseits. Wenn heute Choreografen auf diese alten Märchen und Litera turvorlagen verzichten, widmen sie sich dem Thema Liebe mit zeit genössischen, offenen Formen. Herkömmliche Geschlechterrollen werden hinterfragt und neue aus getestet. Auch Möglichkeiten der
Desdemona und Othello: Gigi Hyatt und Gamal Gouda, Hamburg Ballett John Neumeier, 1985
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