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THE EUROPEAN HERITAGE PROJECT

Fotos: © Palazzo Tron a San Beneto und Palazzo Belloni Battagia Die Projekte, Teil 4

Sophia Loren im Jahr 1955 auf dem Balkon des Palazzo Tron a San Beneto

GRANDI BELLEZZE AM CANAL GRANDE

PALAZZO TRON A SAN BENETO UND PALAZZO BELLONI BATTAGIA

Das EUROPEAN HERITAGE PROJECT ist eine innenfinanzierte Initiative des Unternehmers Peter Löw, der sich zur Aufgabe gesetzt hat, wichtige europäische Baudenkmäler vor dem Verfall zu retten und nach Instandsetzung der Öffentlichkeit wieder zugänglich zu machen. Bisher konnte die Initiative bereits über zwanzig solcher gefährdeter Baudenkmäler erwerben.

Die SCHLOSSSEITEN möchten diese einzigartige Initiative unterstützen. Bisher haben wir bereits über die Projekte Palais Sonnenhof in Starnberg (1/2020), Schloss Hofhegnenberg im Wittelsbacher Land (2/2020) und Schloss Frankenberg im Steigerwald (1/2021) berichtet. In der nächsten Ausgabe wird es dann um ein Projekt in Österreich, nämlich das alte Berggericht in der Kitzbüheler Altstadt gehen. Wer sich über das EUROPEAN HERITAGE PROJECT informieren will, wird fündig unter: www.europeanheritageproject.com

Nach der Sanierung der Fassade reiht sich der Palazzo Belloni Battagia wieder nahtlos in das „UNESCO Welterbe“-Ensemble entlang des Canal Grande.

Venedig – malerischer Schauplatz zahlreicher Filme und Romane, Stadt der tausend Brücken und seit dem Jahr 1987 Teil des UNESCO Weltkulturerbes. Mitten durch die Stadt, die jährlich knapp 20 Millionen Besucher anzieht, fließt, gesäumt von fast 200 prachtvollen Palazzi, der Canal Grande. Im Jahr 2018 gelang es dem EUROPEAN HERITAGE PROJECT, gleich zwei Palazzi im „UNESCO Welterbe“-Areal entlang des sich mäanderartig durch die Lagunenstadt schlängelnden Kanals zu erwerben.

Mit einem majestätischen Blick auf die Rialtobrücke und direktem Zugang zum Canal Grande liegt der altehrwürdige Palazzo Tron a San Beneto auf San Marco, dem Verwaltungszentrum der historischen Republik Venedig. Das der byzantinischen Gotik zuzuordnende Gebäude diente einst dem einflussreichen Zweig der Adelsfamilie Tron als repräsentative Residenz. Die Mitglieder der Familie bekleideten im Laufe der Geschichte der Republik verschiedene wichtige politische Ämter und waren unter anderem als Prokuratoren, Senatoren und Botschafter tätig. Niccolò Tron regierte von 1471 bis 1473 als 68. Doge Venedigs. Im Laufe der Jahrhunderte wechselte der imposante Palazzo einige Male den Besitzer, bevor die Adelsfamilie Franchetti das Anwesen im 19. Jahrhundert erwarb. Die Nachkommen in vierter Generation machten das Anwesen zu einem bewegten gesellschaftlichen Ort, in dem Hollywood-Größen ein und aus gingen. Die italienische Filmdiva Sophia Loren ließ sich bei ihrem Besuch anlässlich des Filmfestes im Jahr 1955 auf dem Balkon des Palazzos ablichten, und Ernest Hemingway war ein Jahrzehnt zuvor ein häufig gesehener Gast des damaligen Hausherrn Baron Raimondo Nanuk Franchetti, der sogar als Vorlage für eine Figur im 1950 erschienenen Roman „Über den Fluss und in die Wälder“ diente.

Doch auch schon im 18. Jahrhundert lockte die Sammlung an Werken des Bildhauers Antonio Canova, die

Direkt gegenüber dem Palazzo Belloni Battagia liegt der Palazzo Ca’ Vendramin Calergi, in dem das Casino von Venedig untergebracht ist. Besonders wertvoll sind die originalen, ornamental verzierten Parkettböden, die den Wohnräumen einen besonderen Flair verleihen.

Die repräsentative Eingangshalle vor Beginn der Instandhaltungsmaßnahmen. Heute werden die Räumlichkeiten für kulturelle Veranstaltungen genutzt. Terrazzoböden und Türrahmen sowie Tympana aus Rosa Asiago Marmor konnten dank fachmännischer Aufarbeitung erhalten werden.

damalige Hausherr im Piano nobile ausstellte, berühmte und einflussreiche Gäste wie Kaiser Franz Joseph II. von Österreich und Ludwig I. von Bayern in den Palast am Canal Grande.

In Anbetracht der überaus reichhaltigen Geschichte des Palazzos war der Erwerb von dem Bewusstsein über die kulturelle Kostbarkeit und historische Relevanz des denkmalgeschützten Anwesens geprägt.

Der vierstöckige Stadtpalast, der auf einen Vorgängerbau aus dem 8. Jahrhundert aufgebaut und im 13. Jahrhundert neu errichtet sowie jeweils im 15., 16. und 19. Jahrhundert umgebaut und erweitert wurde, besitzt einschließlich des repräsentativen Piano nobile eine Gesamtwohn- und Nutzfläche rund 1600 m².

Von der Fassade entnommene Materialproben ergaben vor einigen Jahren, dass es sich bei dem Palazzo um eines der ältesten am Canal Grande gelegenen Objekte handelt.

Insgesamt ist der Palazzo Tron a San Beneto archetypisch für die Architektur der venezianischbyzantinischen Gotik. Das dritte Stockwerk wurde im 16. Jahrhundert hinzugefügt und nach den Lehren Sebastiano Serlios (1475–1554), eines der fortschrittlichsten Architekten und wichtigsten Architekturtheoretiker seiner Zeit, gestaltet und fällt besonders durch die Verwendung einer zentralen Serliana auf, die eine Abwandlung des Triumphbogenschemas darstellt. Es handelt sich hierbei um ein mit einem Rundbogen überwölbtes Portal, das seitlich von schmaleren und niedrigeren Rechtecköffnungen flankiert ist.

Die kielbogenförmigen Fenster des Palazzos markieren den Beginn einer stilistischen Entwicklung des venezianisch-gotischen Bogens, welcher das mit Abstand typischste Merkmal venezianischer Architektur darstellt. Die flachen Decken sowie das abgeflachte römische Dach, gestützt durch verkleidete Holzbalken, sind ein typisch venezianisches Element. Man präferierte sie im Vergleich zu anderorts beliebten Deckengewölben, da sie den Vibrationen des schwingenden Fundaments besser standhielten und allgemein das Risiko von Rissen in Decken und Wänden wesentlich minimierten. Der Einfluss der maurischen Architektur spiegelt sich deutlich in den ornamental gestalteten Fenstern wider. Ein weiterer Einfluss ist der byzantinische sowie der kaiserlich-römische; dieser lässt sich gut an den farbigen, aus unterschiedlichen Gesteinen gestalteten Säulen an der Außenwand sowohl im ersten als auch im zweiten Stock der Hausfassade erkennen. Jede dieser Säulen ist in ihrer Form, Ornamentierung und Farbe anders gestaltet, was darauf zurückzuführen ist, dass venezianische Händler und Seeleute etliche Säulen aus dem Orient und aus dem Mittelmeerraum in die Republik zurückgebracht hatten, die sie zuvor zur Stabilisierung der beladenen Schiffe benötigt hatten und die anschließend zur Gestaltung einiger Fassaden genutzt wurden.

Seit dem Erwerb des Palazzos durch das EUROPEAN HERITAGE PROJECT wurde das venezianische Stadtpalais aufwendig renoviert. Während der Arbeiten stellte sich besonders die stilistische Vielfalt, die von den unterschiedlichen Phasen venezianischer Gotik zeugt, gleichermaßen als Herausforderung wie Bereicherung dar. So gewährten vor allem die Pfahlbauweise sowie die Verwendung lokalspezifischer Materialien, Techniken und die Anpassung an das Lagunenklima dem EUROPEAN HERITAGE PROJECT ganz neue Einblicke im Bereich Denkmalschutz. Priorität hatte jedoch von Beginn an die Restaurierung diversen Kunsthandwerks, wie etwa die Stuckarbeiten an Decken und Wänden, der aufwendig gestaltete Terrazzoboden aus dem 18. Jahrhundert oder vereinzelt dekorativ bemalte Kassettendecken, die aufgrund ihrer Farbenvielfalt in die Zeit der frühen byzantinischen Gotik einzuordnen sind. Große Auf

Abendstimmung am Palazzo Tron a San Beneto

Die aufwendig gestalteten und mit großer Sorgfalt aufgearbeiteten Terrazzoböden stammen aus dem 18. Jahrhundert.

Das farbenfrohe Dekor der Balkendecke ist der frühen byzantinischen Gotik zuzuordnen und verleiht dem Eingang einen besonderen Charme. merksamkeit verlangten auch die flamboyant ornamentierten gusseisernen Gitterfenster- und Tore, die witterungsbedingt stark von Rost befallen waren.

Der Palazzo Tron a San Beneto wird nach Abschluss der Arbeiten weiterhin als Wohnhaus für drei Mietparteien genutzt, wobei sein Ursprung als Ort der Inspiration und des gesellschaftlichen Austauschs gewahrt wird, indem Flächen des Anwesens für kulturelle Veranstaltungen wie Empfänge und Ausstellungen genutzt werden.

Fährt man den weltberühmten Kanal ein Stück weiter, kommt man am Palazzo Ca’ Vendramin Calergi vorbei, in dem das Casino von Venedig untergebracht ist. Direkt auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich der Palazzo Belloni Battagia, den das EUROPEAN HERITAGE PROJECT ebenfalls im Jahr 2018 erwarb. Schon von der Kanalseite aus betrachtet ist der von Baldassare Longhena (1598–1682) erbaute Palast durch seine charakteristischen Obelisken zu erkennen, ein besonderes Merkmal, das nur sehr wenige Palazzi in der Stadt schmückt.

Der Meisterarchitekt Longhena gilt heute als Protagonist und Pionier des venezianischen Barocks. Er plante überwiegend Sakralbauten und war kaum am Bau von Palästen oder Villen beteiligt, weshalb der von ihm errichtete Palazzo Belloni Battagia eine wahre Rarität darstellt.

Im unteren Stockwerk des Gebäudes, das sich zum Zeitpunkt des Erwerbs im Besitz einer Erbengemeinschaft befand, war das italienische Außenhandelsinstitut, das Istituto nazionale per il Commercio Estero, untergebracht. Die oberen Stockwerke, in denen es in den 1950er-Jahren durch teilweise illegale Umbaumaßnahmen zu erheblichen Entfremdungen der historischen Bausubstanz gekommen war, wurden als Ferienwohnungen vermietet.

Die Eigentümer hatten sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht um eine angemessene Instandhaltung des Gebäudes gekümmert, und der altehrwürdige Palazzo befand sich in einem solch besorgniserregenden Zustand, dass die Soprintendenza erhebliche Maßnahmen zum Erhalt des Anwesens forderte, die die Erbengemeinschaft nicht tragen konnte oder wollte.

Unter enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden und dem Denkmalschutz wurde nach dem Erwerb durch das EUROPEAN HERITAGE PROJECT ein umfangreicher Sanierungsplan aufgestellt. Priorität hatte dabei die Steinfassade, die sich im Laufe der Zeit bereits stark in Richtung des Canal Grande gesenkt hatte und einzustürzen drohte. Des Weiteren galt es

Die historischen Räumlichkeiten beider Palazzi werden heute für kulturelle Veranstaltungen wie klassische Konzerte genutzt.

zahlreiche Schäden zu beheben, welche durch die regelmäßigen Wasserhochstände in der Lagunenstadt verursacht worden waren.

Um bei den Restaurierungsmaßnahmen die größtmögliche historische Authentizität zu gewährleisten, wurden im gesamten Palazzo umfangreiche Materialuntersuchungen durchgeführt. Stuckprofile an den Decken der einzelnen Salons, die vorhandenen Fresken Guiseppe Borsatos und Wandbemalungen Giovanni Battista Canals, die aus dem 19. Jahrhundert stammen, wurden unter großem zeitlichen und materiellen Aufwand konserviert und gesichert. Auch die massiven Türrahmen und Tympana aus zart roséfarbenem Rosa Asiago Marmor konnten erhalten werden. Die überwiegend originalen Parkettböden, die mit ihrer reichen Ornamentik das Lebensgefühl des 18. und 19. Jahrhundert widerspiegeln, stellen einen besonderen Schatz des Hauses dar. Sie wurden fachmännisch entnommen, restauriert und wieder an Ort und Stelle eingebaut. Antike Holzfensterrahmen, Fensterläden und Gläser konnten im Bestand restauriert werden. Der Palazzo Belloni Battagia wird heute nicht als Wohnhaus oder als gewerbliche Immobilie genutzt, obwohl ein solches Konzept sicherlich einträglicher wäre. Um die historischen Mauern wieder für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen, finden dort heute, wie auch im Palazzo Tron a San Beneto, kulturelle Veranstaltungen wie Ausstellungen oder klassische Konzerte statt.

INFOBOX

Die von Prof. DDr. Peter Löw ins Leben gerufene Initiative THE EUROPEAN HERITAGE PROJECT engagiert sich mit unermüdlicher Geduld und hohem wissenschaftlichen und finanziellen Aufwand aktiv für die Bewahrung von kulturhistorisch bedeutenden Monumenten und Denkmälern. Informationen zu allen Objekten unter: www.europeanheritageproject.com