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DIE KUNSTSAMMLUNG VON HEIDI GOËSS-HORTEN

Foto: privat, Courtesy Heidi Horten Collection

Gräfin Heidi Goëss-Horten

Das Innenstadtpalais Erzherzog Friedrichs wird zum Museum

Was verbindet ein Kärntner Renaissanceschloss und ein erzherzogliches Kanzleigebäude im Herzen der Wiener Innenstadt? Bei beiden handelt es sich um geschichtsträchtige Gebäude, die durch das Engagement der österreichischen Mäzenin und Kunstsammlerin Heidi Goëss-Horten einer modernen Nutzung zugeführt werden.

Skizze des ehemaligen Kanzleigebäudes Erzherzog Friedrichs, um 1914

Die Liebe zu historischen Gebäuden begleitet Heidi Goëss-Horten schon Zeit ihres Lebens. So stand es für die Mäzenin außer Frage, dass ihre internationale Kunstsammlung einmal an einem würdigen und außergewöhnlichen Ort gezeigt werden sollte. Ihre Sammlung, die erstmalig im Jahr 2018 unter dem Titel „WOW“ im Leopold Museum in Wien zu bewundern war und selbst eine sehr eigene und interessante Entstehungsgeschichte hat, sollte an einem Ort präsentiert werden, der eine besondere Geschichte vorzuweisen hat und den es mit Kunst zu beleben gilt. Es ist das erklärte Anliegen der Sammlerin, ihre Kunst für nachfolgende Generationen zu erhalten und die Werke, mit denen sie seit Jahren lebt, allen Interessierten zugänglich zu machen und ein Stück aus der Privatheit in ein neues Licht zu rücken.

Das Innenstadtpalais Erzherzog Friedrichs wird zum Museum

Gräfin Heidi Goëss-Horten denkt immer in Richtung Zukunft und wünschte sich für ihr Museum ein Gebäude, in dem das Historische mit einer modernen und zeitgenössischen Architektur eine harmonische Verbindung eingeht. So wurde ein Nebengebäude der ehemaligen Residenz Herzog Albert von Sachsen-Teschen im Herzen der Wiener Innenstadt gefunden, das innerhalb von nur eineinhalb Jahren zu einem modernen Museum umgebaut wird. Das Gebäude, welches im Hanuschhof zwischen Staatsoper, Albertina und Burggarten liegt, verfügt selbst über eine spannende Historie. So befand sich an seinem heutigen Standort zuerst die Augustinerbastei, auf der Herzog Albert von Sachsen-Teschen mit Erlaubnis des Kaisers ein umfangreiches Bauprojekt realisierte: Zunächst ließ er das Palais Tarouca, das auf der Bastei stand, zum Wohnpalais ausbauen und errichtete in einem nächsten Schritt zahlreiche Nebengebäude für Verwaltung, Personal, Ställe und eine Manege. Dieser Vorgänger des heutigen Museumsgebäudes für die Heidi Horten Collection war somit Teil des Albertina-Komplexes.

Im Zuge des Ringstraßenbaus um 1860 wurde die Bastei abgerissen und an ihrer Stelle von Erzherzog Albrecht der heutige Hanuschhof errichtet, um dort seine neuen Palastnebengebäude unterzubringen. Der Baukomplex war über eine Brücke mit dem Rest der Bastei, der heutigen Albertina, verbunden, beherbergte Büros und Personalwohnungen sowie Ställe im Erdgeschoß und eine eingeschossige Reitschule im Innenhof, die exakt die gleichen Ausmaße hatte wie der zuvor auf der Bastei abgerissene Vorgängerbau.

Lageplan der Heidi Horten Collection

Rendering Palais Goëss-Horten

Vorbesitzer des Palais Goëss-Horten aus der „Feldherren-Linie“ des Hauses Habsburg

Die vier Vorbesitzer des Innenhofgebäudes aus der „Feldherren-Linie“ der Habsburger waren zugleich vier der begütertsten Männer des alten Österreich und hätten unterschiedlicher nicht sein können.

Herzog Albert gründete gemeinsam mit seiner Frau Erzherzogin Marie Christine, der Lieblingstochter von Kaiserin Maria Theresia, Grande Dame und Förderin der Kunst, die Albertina als Haus für seine berühmte Grafiksammlung. Der als „Löwe von Aspern“ berühmt gewordene Feldherr Erzherzog Carl, sein Sohn Erzherzog Albrecht, dessen Reiterdenkmal von der AlbertinaTerrasse auf die Oper blickt, und der vielleicht weniger bekannte Erzherzog Friedrich waren die folgenden Vorbesitzer des Palais Goëss-Horten. Friedrich ließ das zukünftige Museumsgebäude im Jahr 1914 zu einem Kanzleigebäude umbauen. Zuvor beherbergte es die Manege und frühere Reitschule Erzherzog Albrechts. Erzherzog Friedrich war ein Liebhaber der neuen Automobilität zu Anfang des 20. Jahrhunderts und richtete im Erdgeschoß des Verwaltungsgebäudes eine Garage ein. Als gebürtige Wienerin wählte Heidi Goëss-Horten ebendiese Stadt als Standort für ihr Museum und entschied sich nach einem geladenen Architekturwettbewerb, die Vision von the next ENTERprise Architects zu realisieren. Die Architekten schafften es, die Wünsche der Bauherrin kreativ umzusetzen und das ehemalige erzherzogliche Kanzleigebäude nach einer kompletten Entkernung bei gleichzeitiger Restaurierung der historischen Fassade in ein modernes, offen gestaltetes Privatmuseum zu verwandeln. Eine begrünte Außenfront sowie ein vorgelagerter Skulpturenpark sollen Besucher nach dem Museumsbesuch zur Kontemplation einladen.

„Specials“ wie die versetzten großzügigen Ausstellungsebenen, die durch skulpturale Freitreppen miteinander verbunden sind, oder der künstlerisch gestaltete sogenannte „Tea Room“ – ein Must-have in Adelshäusern des 18. Jahrhunderts – prägen den einzigartigen Charakter des Gebäudes. Hier können die Besucher in den Kosmos der Sammlerin eintauchen und entspannen, genauso wie im vorgelagerten Skulpturengarten, der zum Verweilen einlädt und mit dazu beiträgt, dass mit diesem Gebäude ein Kleinod innerhalb der Wiener Museumslandschaft entsteht.

Baustellendokumentation Palais Goëss-Horten

Auf die Frage „Was wird gespielt?“ kann hier bereits ein kleiner Ausblick gegeben werden. So liegt die Hauptaufgabe des neuen Privatmuseums darin, die bedeutende Sammlung, die Heidi Goëss-Horten in rund drei Jahrzehnten zusammengetragen hat, in unterschiedlichen Facetten zu präsentieren, besondere Aspekte herauszuarbeiten und zu vermitteln. Dazu werden neue Ausstellungsformate entwickelt, die alle Bereiche der Sammlungen einbeziehen werden und die man als „State of the Art“ bezeichnen wird.

In den kleineren Kabinetten, die sich an die offenen Ausstellungsebenen anschließen, werden Fokusausstellungen gezeigt werden, der Multimediaraum wird die Möglichkeit bieten, Kunst in unterschiedlichen medialen Formen zu präsentieren, und auch die junge Generation soll die Möglichkeit haben, den Meisterwerken der modernen und zeitgenössischen Kunst auf Augenhöhe zu begegnen und in einem informellen Kontext auf spielerische Art zu lernen.

Mit der Museumsgründung setzt Heidi Goëss-Horten einen Meilenstein in der Sammlungsgeschichte. Nachdem sich die Heidi Horten Collection, entstanden aus der Leidenschaft der Sammlerin, in über drei Dekaden zu einer der bedeutendsten internationalen Privatsammlungen entwickelt hat, wird die Sammlung heute durch zeitgenössische Positionen ergänzt und bereichert. Diese Entwicklung soll auch das im Frühjahr 2022 eröffnende Museum widerspiegeln.

So können sich Besucherinnen und Besucher im nächsten Jahr auf sehr spannende Kunsterlebnisse in einem für Wien und Österreich einzigartigen Setting freuen.

Schloss Thürn

Schloss Thürn erlebt dank Heidi Goëss-Horten eine Renaissance

Neben dem historischen Innenstadtpalais, das künftig die Kunstschätze von Heidi Goëss-Horten beherbergen wird, konnte die Sammlerin mit dem Kärntner Renaissanceschloss Thürn ein weiteres historisches Juwel erwerben.

Das Schloss erhebt sich auf einem Hügel westlich der Ortschaft Siegelsdorf bei Wolfsberg mit Blick auf die Saualpe. Am steilen Südhang, direkt unter dem Schloss, erstrecken sich Terrassenanlagen eines großflächigen Weingartens. Heidi Goëss-Horten erwarb das Schloss im Jahr 2020, um es mit aufwendigen Maßnahmen restaurieren zu lassen. Es ist der erklärte Wunsch der neuen Besitzerin, das Schloss zu generalsanieren und in technischen Belangen auf den heutigen Stand zu bringen.

Die lange Geschichte des Schlosses nimmt im Jahre 1243 als Besitz des Wülfling von dem Thurn ihren Anfang. 1372 ging es an die Lonsperger. Weitere urkundlich bekannte Besitzer, deren Wappen bis heute in den Mauern zu finden sind, waren 1520 Sebastian von Reisberg und 1545 Veith von Eibiswald. Der Hauptteil des heutigen Schlosses Thürn wurde im 16. Jahrhundert unter Veiths Sohn Amelsreich von Eibiswald errichtet. Im Jahre 1675 erwarb der Salzburger Erzbischof Max Gandolf von Kuenburg das Schloss und überließ es bald dem Domstift St. Andrä. 1835 wurde Schloss Thürn umfangreich restauriert, um es vor dem drohenden Einsturz zu bewahren. Nachdem es einige Jahre im Besitz des Jesuitenordens verblieben war, folgten mehrere Besitzerwechsel, bis es die heutige Schlossherrin erwarb.

Der südseitige viergeschoßige Palas von Schloss Thürn besitzt an seiner Ostseite einen auf figuralen gotischen Kragsteinen ruhenden Erker, der mit dem Wappen der von Reisberg versehen ist. Der daran anschließende quadratische Turm stammt im Kern aus dem 14. Jahrhundert und besitzt ein mit einem Zwiebeltürmchen bekröntes Zeltdach. Die heutige Kapelle im Nordostturm besaß ein aufwendig intarsiertes Renaissance-Türprospekt aus dem Jahre 1589, das sich lange Zeit in der Schausammlung des Stiftes St. Paul befunden hatte und nach dem Wiedererwerb durch Heidi Goëss-Horten nun an seinen angestammten Ort zurückkehrt. An der teilweise erhaltenen Apsis finden sich Reste gotischer Wandmalerei aus dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts.

Der seit dem 13. Jahrhundert bewirtschaftete Weingarten um Schloss Thürn war bis ins 19. Jahrhundert das größte zusammenhängende Weinbaugebiet Kärntens und wurde 1978 rekultiviert. Heidi Goëss-Horten lässt den Weinbau weiter betreiben und sichert damit den Fortbestand eines wichtigen Teils der Schlossanlage, deren Renovierung im Jahr 2022 fertiggestellt wird.

INFOBOX

Heidi Horten Collection, Wien Museumseröffnung: Frühjahr 2022 Infos: www.hortencollection.com