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02. Zeitschrift für das ländliche Fortbildungswe sen wird dringend empfohlen.
Martin Kunze
Im schatten der pandemIe
eIn rückblIck zum 750. stadtJubIläum
Was für ein Jahr! Anno domino 2020 beging unsere uckermärkische Kleinstadt Templin mit Stolz und Würde und inmitten der Corona-Pandemie ihr 750-jähriges Bestehen. In zwei dicken Chroniken, mehreren Bildbänden und zahlreichen Berichten der Medien waren schon zuvor unzählige Details zur Entstehung und Entwicklung der Stadt nachzulesen. Mit einer brillanten Festschrift und einem Vortragszyklus wurden die Kenntnisse der Bürger der Stadt und der zahlreichen Besucher auf den neuesten Stand gebracht und das festliche Jahr eingeleitet. Die Darstellung unverwechselbarer Merkmale der Stadtgeschichte wurde für einen großen Festumzug und abschließende Veranstaltungen vorgesehen. Doch im Interesse der Gesundheit aller Bürger musste der Festzug ebenso ausfallen wie andere Höhepunkte. Mit einer kleinen festlichen Veranstaltung und der Enthüllung eines Gedenksteins im Bürgergarten, der an die Erstnennung Templins vor 750 Jahren erinnert, ging das festliche Jahr am 2. Oktober offiziell zu Ende. Der Stolz und die Kraft dieser Stadt kam in diesen Worten ihres Bürgermeisters zum Ausdruck: „Wie problematisch ist es denn, die 750 Jahre unserer Stadt ein Jahr später festlich darzustellen?“ Was für ein Jahr, und was für eine Stadt! Templin, Kurstadt und Thermalsoleheilbad, bietet heute einen rundum erfreulichen Anblick. Gut ausgebaute Straßen verlaufen zwischen Häuserzeilen, in denen selbst alte Fachwerkbauten aussehen, als seien sie erst vor kurzem errichtet worden. Gepflegte Anlagen sowie zahlreiche Bäume entlang der Straßen und Alleen bieten farbige und erfrischende Abwechslung. Und, nicht zu vergessen: Das Ganze wird umringt von einer Stadtmauer, deren gepflegte Schönheit nicht erkennen lässt, dass auch sie schon runde 700 Jahre alt ist. Neben den Bewohnern fühlen sich jährlich hunderttausende Besucher zwischen diesen wuchtigen Mauern unseres alten Städtchens, des wahren Zentrums der Uckermark, wohl. In Kenntnis der historischen Daten, des angeführten guten Bildes der Stadt sowie in Kenntnis der von den Bürgern mit viel Energie und Freude getroffenen Vorbereitungen zum Festjahr sucht der Hobby-Analytiker hier nach Antwort auf diese Fragen:
Was war denn das ganz Besondere an der Historie der Jubilarin, das Herausragende an ihrer 750-jährigen Geschichte und am Leben ihrer Bewohner? Was hob Templin heraus aus der Geschichte der Nachbarstädtchen? Aber auch: Wie könnte es denn weitergehen?
Dem Analytiker fielen nachstehend genannte Merkmale und Zeiträume besonders ins Auge, die man nach seiner Meinung erkennen und denen man mehr Aufmerksamkeit widmen sollte. Vor allen anderen Dingen ist es die Stadtmauer, die zu einem ersten Nachdenken über die Stadtgeschichte auffordert. Der Blick zu deren Geschichte geht mehr als 700 Jahre zurück und bleibt damit zu Teilen ein Phantasiegebilde. So war die heutige Uckermark zu jener Zeit wohl
dicht bewaldet, nur wenige Siedlungen oder Gehöfte lagen verstreut zwischen den zahlreichen Gewässern und Mooren, zu erreichen nur auf schmalen Pfaden durch das von Endmoränen der Eiszeit geprägte hügelige Gelände. Nur der Fischreichtum der Gewässer, der Holz- und Wildreichtum der Wälder machten Ansiedlung und Überleben möglich. Es war der Fischreichtum, der am 2. Oktober 1270 bei einem Gebietsaustausch zwischen den Markgrafen der Uckermark und dem Bischof von Brandenburg zur Ersterwähnung des Fleckens „templyn“ in einer Urkunde führte. Der Bischof erhielt jährlich „drei Mark Silber von den bei den Templynern liegenden Gewässern“, später auch als „Fischrente“ bezeichnet. Und am 30. August 1314 wurde der Ort in einer Schenkungsurkunde, mit welcher der Bischof die „Fischrente“ an den Vorsteher der Petrikapelle der Burg Brandenburg besiegelte, erstmals als „opidium Templin“, als Stadt, bezeichnet. Warum aber wurde gerade jene Fläche, auf der Templin entstand, stärker besiedelt als die Flecken rundum? Die ersten Entdecker, sicher „Reuter“ oder „Ritter“, hatten wohl neben dem Fischreichtum und ihren Jagderfolgen in den Wäldern den richtigen Blick für die Lage des Fleckens „templyn“. Dieses Gelände lag deutlich höher als die umliegenden Seen und Wälder, vor allem in Richtung Osten, woher immer wieder Einfälle anderer Völker oder Stämme erfolgten. Das Gelände jenseits der späteren Stadtmauer zeigt ja noch heute tiefe Absenkungen. Der Flecken, später die Stadt, war somit für Reiter und Fußvolk schwer anzugreifen, aber gut zu verteidigen. Daher ließen sich viele Siedler hier nieder. Es entstand ein größerer Ort, es wuchs Templin. Eine der ersten Aufgaben in jedem neu besiedelten größeren Ort aber war immer dessen Schutz. Schon in der Mitte des 13. Jh., so die Chronik, begann der Bau einer Stadtmauer. Bereits 1325 wird berichtet vom Umbau der Stadttore, was voraussetzt, dass diese Tore schon zuvor in einer Mauer oder einer stabilen Umzäunung eingelassen waren. Der Analytiker meint: Der Bau dieser 1735 Meter langen, das ganze Territorium des noch sehr kleinen Ortes umfassenden Mauer sowie ihrer markanten, noch heute allseits bewunderten großen Stadttore war das erste und wichtigste Merkmal, das Templin wirklich und dauerhaft zur Stadt machte und in die Geschichtsbücher führte. Ohne diese Mauer wäre die spätere gute Entwicklung Templins nicht vorstellbar. Die Mauer prägte und beeinflusste das Leben der Stadt über die nächsten 500 Jahre. Sie zog Siedler an, denn sie schützte bis zur Erfindung weit reichender Feuerwaffen vor Feinden und Überfällen. Gleichzeitig führte die durch sie geschaffene Enge der Bewohner auch zur raschen Ausbreitung von Seuchen, so beim zweimaligen Ausbruch der Pest in Umland und Stadt. Im Schutz seiner Stadtmauer überlebte Templin im 16. Jh. eine Hochwasserkatastrophe, überstand im 17. Jh. trotz riesiger Verluste den 30jährigen Krieg sowie zwischen 15. und 18. Jh. mehrere verheerende Feuersbrünste. Hinter seiner Mauer entwickelte sich Templin zur typischen Ackerbürgerstadt. Bürger, Bauern, Handwerker und Gewerbetreibende zogen in den Schutz der Mauer, ihre Äcker, Wiesen, Waldreviere und bewirtschaftete Gewässer lagen außerhalb von ihr. Drohten Gefahren, flüchtete man in deren Schutz. Fremde mussten die Tore und deren Torwächter passieren, Waren wurden mit einer Akzise belegt. Die Mauer schützte und begünstigte die Entwicklung des städtischen Lebens, trennte die Stadt aber auch von der Entwicklung des Umlandes. Der Stadtmauer ist es wohl auch zu verdanken, dass in Templin nie Kasernen gebaut wurden. Das Städtchen wurde für rund einhundert Jahre zur so genannten „Bürgerquartierstadt“, der Marktplatz diente als Exerziermeile. Nach rund 400 Jahren wurde die Mauer erstmalig durchbrochen, um Wasserpforten für Löschwasser zu schaffen. So entstanden um 1735 das Weber- und das
Töpfertor. Eine deutliche Öffnung der Stadt in Sachen Handel und Wandel bedeutete das auf Weisung Friedrichs II. 1768 eingerichtete Neue Tor in der heutigen Oberen Mühlerstraße, eine erste Mahnung auch daran, dass im Zeitalter weit reichender Kanonen die schützende Rolle der Mauern beendet war. 1817 wurde die bis dahin immer unter dem Schutz der preußischen Könige stehende Immediatstadt zur Kreisstadt in der preußischen Provinz Brandenburg. Templin wurde damit auch zur Beamtenstadt und wuchs aus den Toren hinaus. Signal einer neuen Zeit war die von 1866 bis 1870 erfolgte Rekrutierung von Bürgern aus Templin zur Teilnahme an den Kriegen Preußens gegen Österreich, Dänemark und Frankreich. Mit der Zugehörigkeit zum 1871 ausgerufenen deutschen Kaiserreich der Hohenzollern, einem nach Macht und Ansehen strebenden Staat in der Mitte Europas, ging das tief provinzielle Leben Templins innerhalb seiner stabilen Stadtmauer dem Ende entgegen. Nur eine in der Stadtchronik festgehaltene Aufzählung von Berufen und Liegenschaften spricht noch 1907 von der Ackerbürgerstadt: „17Ackerbürger besitzen zwischen 5 und 13 ha, 1 Ackerwirt 5 ha, 29 Landwirte 1 bis 98 ha, 9 Eigentümer 1 bis 5 ha, 2 Gutsbesitzer 100 ha“. Das war zahlenmäßig richtig, gehörte aber schon zu einem späteren, die Geschicke der Stadt ebenfalls nachhaltig prägenden Zeitraum. Hier ein Fazit zur ersten Besonderheit der Stadtgeschichte. Die rund 700 Jahre alte Stadtmauer wird heute viel zu wenig gewürdigt. Der Bau der Mauer selbst, ihr Ausbau mit Wieckhäusern und Türmen sowie der Bau der bewunderungswürdigen Stadttore war eine zwar lang andauernde, aber dennoch großartige und aus heutiger Sicht nahezu unvorstellbare Leistung der damaligen Bewohner und der dazu verpflichteten Handwerker. Templin hatte zu jener Zeit nur wenige Einwohner, auch das Umland war nur dünn besiedelt. Zur Verfügung standen nur Pferd, Wagen und Menschenkraft. Insofern ist die Errichtung solcher Bauwerke, nicht nur in Templin, durchaus mit den viel bewunderten Bauwerken vergangener Zeiten in anderen Kulturkreisen zu vergleichen und sollte ebenso bewundert werden. Die Stadtmauer ist heute das prägende Kennzeichen und der am meisten bewunderte Anziehungspunkt unserer Stadt. Sie verhalf dem Flecken „templyn“ dazu, Stadt zu werden, und sie verhalf Templin in späterer Zeit sogar zum Beinamen „Rothenburg des Ostens“. Die für diese Bauten erbrachten Leistungen und ihre Bedeutung für die Geschichte der Stadt gehören heute nicht nur in Chroniken und Bücher, sondern, so die Meinung des hier Schreibenden, in jedes regionale Nachschlagewerk und in den Unterrichtsstoff der städtischen und regionalen Schulen und Gymnasien.
Erstreckte sich der Bau der Stadtmauer auf etwa 150 Jahre und die davon beeinflusste Entwicklung Templins über die folgenden 500 Jahre, so dauerte der nächste, besonders zu beschreibenswerte Entwicklungssprung der Stadt nur knapp 40 Jahre, und die sich daraus ergebenden Veränderungen beeinflussten das Leben der Stadt nur ein Dreiviertel des folgenden Jahrhunderts. Das 1871 entstandene deutsche Kaiserreich hatte sich in den letzten Jahrzehnten des 19. und den ersten des 20. Jahrhunderts zu einer politischen, wirtschaftlichen und militärischen Großmacht entwickelt. Wenn auch im Norden der Provinz Brandenburg etwas abgelegen, erfasste dieser Aufschwung auch Templin. Die Stadt erlebte von 1875 bis 1914 Veränderungen, deren Tempo und Inhalt ihr Leben bis fast zum Wechsel in das 21. Jahrhundert prägten. Spuren davon sind noch heute erkennbar. Die wichtigste Erkenntnis: Templin öffnete sich, wuchs deutlich heraus aus seiner Stadtmauer, suchte und fand Anschluss an das Umland und die Welt. Der Leser kann feststellen: Alle nachfolgend genannten Veränderungen erfolgten innerhalb von nur 45
Jahren. Hier die wichtigsten Fakten: Die Stadtmauer wurde durchbrochen. Beim Bau der Bürgerschule entstanden das Schul- und das Eichwerder Tor. Dem Bau des Postamtes in der heutigen Puschkinstraße ging der Abriss der Mauer in diesem Bereich voran. Am Berliner Tor wurde der Wallgraben überwölbt und damit, ebenso wie durch den Abriss der Waldemartore am Berliner- und am Mühlentor, eine bessere Durchfahrt ermöglicht. Die Wiekhäuser der Mauer wurden unter Schutz gestellt und ihr Umbau verhindert. Was bedeutete: Die Stadtmauer wurde aus einem schützenden Gürtel zur immer stärker wirkenden Sehenswürdigkeit. Wichtige Straßen der Innenstadt wurden ausgebaut und gepflastert. Der Bau fester Landstraßen von Templin nach Lychen, Gandenitz, Boitzenburg sowie über Ahrensdorf nach Milmersdorf, Stegelitz und Wilmersdorf schuf bessere Voraussetzungen für Handel und Warenverkehr der Stadt, in der 1893 das erste Auto rollte, Vorbote des Verkehrs der Zukunft. Die größte Veränderung erlebte Templin mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes. In der für Bahnbau außerordentlich kurzen Zeit von 1888 bis 1912 wurde Templin zum Eisenbahnknotenpunkt! Fünf Strecken führten von Templin nach Löwenberg und damit zum Anschluss nach Berlin, nach Prenzlau, Joachimsthal und Eberswalde, nach Fürstenberg und Fürstenwerder. Dazu gehörten der Bau einer Brücke am Fährsee, der Bau von Haupt -und Vorstadtbahnhof, Betriebswerk, Lokschuppen mit Drehscheibe sowie ein Wasserturm. Der Ausbau der Strecke von Berlin über Templin nach Strasburg wurde durch den ersten Weltkrieg unterbrochen. Der Beruf des Eisenbahners wurde zu einem Markenzeichen für die Stadt. Der Templiner Kanal wurde auf 40 km Länge vertieft und verbreitert, die Schleuse neu gebaut und so der Schiffsverkehr ermöglicht. Mit dem besseren Verkehrsangebot stieg die Zahl der Touristen. Seit 1888 führte Templin den Titel „Luftkurort“. Zügig voran ging in diesen Jahren auch der Bau markanter Gebäude, Anlagen und Wohnhäuser. Zwischen 1879 und 1912 entstanden oder wurden in Betrieb genommen: Ein neues Krankenhaus, das „Kirsteinhaus“, die repräsentativen Gebäude der Post, der ersten deutschen Forstschule, das „Kreishaus“, die „Bürgerschule“ und, als ein Höhepunkt, das „Joachimsthalsche Gymnasium“. Das sich nach 1877 entwickelnde Schulwesen der Stadt wurde durch die Einrichtung einer Privatschule, eines Reformrealgymnasiums, einer Gewerbeschule, die „Bürgerschule“ und das „Joachimsthalschen Gymnasium“ so erweitert, dass sich Templin als Schulstadt bezeichnen kann. Im Südosten der Stadt entstand als erste große Touristenanlage das „Posterholungsheim“. im Norden, im Anschluss an Bahn und Wasserwege, entstanden zahlreiche kleine Unternehmen und viele Wohnungen. In weniger als 20 Jahren, von 1890 bis 1910, erfolgte auch für Templin der Anschluss an die technischen Möglichkeiten des neuen Jahrhunderts. Nach dem Bau von Wasserturm und Wasserwerk hatte Templin 1905 schon mehr als 100 Hauswasseranschlüsse, und nur 4 Jahre nach dem 1896 erbauten Elektrizitätswerk leuchteten in Templin die ersten elektrischen Lampen auf. Mit der Elektrizität verbesserten sich die wirtschaftlichen Möglichkeiten. Es folgte der Anschluss an das öffentliche Telefonnetz, das erste Kino nahm seinen Betrieb auf. Nach der Pflasterung von Straßen rollte sogar die erste Kehrmaschine darüber. Seit 1883 sorgte die „Freiwillige Feuerwehr“ für die Sicherheit der Bewohner, und seit 1848 erschien das „Templiner Kreisblatt, seit 1890 die „Templiner Zeitung“. Ein Fazit auch für diesen, dem Analytiker aufgefallenen Zeitraum der Templiner Geschichte: Der jähe Wechsel der lange vom Mittelalter geprägten Kleinstadt in das von technischem Fortschritt und mehrfachem gesellschaftlichem Wandel gekennzeichnete 20. Jahrhundert fiel der Verwaltung und den Bürgern der Stadt sicher nicht leicht.
Deshalb sind die hier genannten kurzen Zeiten für Planung und Entschlussfassung zu neuen Bauten ebenso bemerkenswert wie die stets kurzfristige Bereitschaft, Grundstücke zur Verfügung zu stellen, finanzielle Vorleistungen zu gewährleisten und Genehmigungen für Geschäfte und Unternehmen zu erteilen. Kein Vergleich zu heute! Nur so konnte Templin den neuen Anforderungen gerecht werden. In Erinnerung sollten daher nicht nur die genannten Fakten bleiben, sondern auch jene Personen, die diese Leistungen und Veränderungen maßgeblich vorantrieben, so die Bürgermeister jener Jahre, Friedrich Nitzsche (1872-1887), Richard Neumann (1888-1909), Adolf Mann (1909-1911), und Georg Riebeling (1911-1933), aber auch die Tatkraft und Umsicht des jeweiligen Magistrats der Stadt. Die Ergebnisse dieses kurzzeitigen Entwicklungssprungs bildeten die Grundlage für die Entwicklung der Stadt im 20. Jahrhundert. Auch das sollte in Schule und Ausbildung gelehrt und in den Medien häufiger genannt werden Die dieser stürmischen Entwicklungszeit folgenden Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts brachten der zuvor ruhig lebenden kleinen Stadt fast unvorstellbare und stets schnell vor sich gehende Veränderungen. Aus dem von 1914 bis 1918 dauernden 1. Weltkrieg, mit dem das deutsche Kaiserreich zu Ende ging, ergaben sich neben menschlichen Verlusten auch harte Belastungen für die Stadt. In der von 1918 bis 1933 existierenden Weimarer Republik erlebte Templin in den 1920er Jahren die bisher schlimmste Weitwirtschaftskrise. Ungeachtet dessen war es eine Zeit, in der Templin sich durch Weltschaft und Einwohnerzahl vergrößerte. Die Stadt wuchs weiter aus der Stadtmauer hinaus. Die Herrschaft des Nationalsozialismus von 1933 bis 1945 und der von ihm ab 1939 verursachte 2. Weltkrieg hinterließen der Stadt durch einen am 6. März 1944 erfolgten Bombenangriff und die mit dem Kriegsende einhergehenden Folgen zahlreiche Tote und Verletzte, zerstörte Häuser und Anlagen sowie unbeschreibliche Wohnungsnot. Das Stadtbild, von 1914 bis 1945 nur durch wenige markante Bauten verändert, so die moderne Ferienanlage für Kinder im „Postheim“ (1926), die katholische Kirche (1935) , das Amtsgerichtsgebäude (1937), das erweiterte Krankenhaus und die Pionierbrücke (1937), wurde durch den Bombenangriff großflächig verändert. Die Jahrhunderte alte Stadtmauer allerdings blieb, eines der kleinen Wunder, nahezu unversehrt. Einer kurzzeitigen Besetzung durch sowjetische Truppen und der ersten Beseitigung von Trümmern folgte von 1949 bis 1990 mit der Gründung der DDR die Zeit des Sozialismus. Templin gehörte als Kreisstadt zum neuen Bezirk Neubrandenburg. Auch dank der schon vor 1914 geschaffenen Voraussetzungen erholte sich die Stadt von den Kriegsfolgen. Der florierende Bahnverkehr und der Bau von zwei großen Ferienhotels schufen gute Bedingungen für den Tourismus. Templin wurde Kurstadt. Ein Textilbetrieb, ein Möbelwerk und die staatliche Forstwirtschaft nahmen die Arbeit auf. Der Bürgergarten wurde in den 1970er Jahren zum Schmuckstück gestaltet. Mit der Schaffung von LPG und VEG wurde im übertragenen Sinne die „Ackerbürgerstadt“ fortgesetzt. In der Nord- und Südstadt, aber auch in der historischen Altstadt, wuchsen neue Wohnviertel im Plattenbaustil jener Jahre. In der Mühlenstraße entstand dabei ein Gebäude, das den gesamten alten Baustil konterkarierte. Mit dem Bau von Schulen und der Schaffung eines „Instituts für Lehrerbildung“ im alten Gemäuer des „Joachimsthalschen Gymnasiums“ erlebte die „Schulstadt“ eine neue Blüte. In übergeordneten Verwaltungen entstand die Idee, Templin zur „Sozialistischen Stadt“ zu entwickeln. Dazu fehlten jedoch nicht nur die notwendigen materiellen und finanziellen Mittel, sondern wohl auch der echte Wille und die Vision der Obrigkeit zur sachgerechten Erhaltung der historisch
gewachsenen uckermärkischen Kleinstadt. Ein deutliches Zeichen dafür war die langjährige Nachlässigkeit beim Erhalt der Stadtmauer und der Verfall historisch wertvoller Häuser. Dann aber, fast nicht mehr erwartet, gab es, beginnend mit der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten, der so oft genannten „Wende“, einen erneuten, bemerkenswerten Entwicklungssprung für unsere Stadt. Dieser, noch kürzer als jener zwischen 1875 bis 1914, lässt sich nach den in der Chronik genannten Fakten auf die wahrlich kurze Zeit von nur 20 Jahren, den Zeitraum von 1990 bis 2010, begrenzen. Mit der Wiedereinführung demokratischer Strukturen veränderten sich nicht nur die gesellschaftlichen Verhältnisse in der Stadt. Sie veränderten auch die Möglichkeiten zur sachgerechten Wiederherstellung des historischen Stadtbildes. Und: Die Veränderungen waren, nach heutiger Ausdrucksweise, nachhaltig, und wirken, so bleibt zu hoffen, auf lange Sicht. In Templin wurden die durch die freien Wahlen im März 1990 gebotenen Möglichkeiten rasch und geschickt genutzt. Die neue Kommunalverfassung vom Mai 1990 gab der Stadt das Recht zur Selbstverwaltung. Das änderte sich auch nicht, als Templin ab 1993 nicht mehr Kreisstadt, sondern „nur“ noch Mittelzentrum im neuen Kreis Uckermark wurde. Die umliegenden Orte wurden eingemeindet, Templin wurde flächenmäßig die achtgrößte Stadt der Bundesrepublik, wurde Mitglied im „Deutschen Städtetag“ und Mitbegründerin der „Arbeitsgemeinschaft Städte mit historischem Stadtkern“. Damit gelangte die Stadt in das „Programm für städtebaulichen Denkmalschutz“. All das war verbunden mit möglichen Zuwendungen. Die Stadtverordneten erarbeiteten alsbald eine „Gestaltungs-, Denkmals- und Sanierungssatzung“ für Templin, gerichtet auf die historische Werterhaltung der Stadt. Der im Verglich zu den Städten und Städtchen der Umgebung ungewöhnlich frühe Beginn vor allem der baulichen Veränderungen in Templin ist auch einem glücklichen, durch Bürgermeister und Verwaltung geschickt genutzten Umstand zu verdanken. Horst Baage, von 1992 bis 1998 Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung, berichtet im Heimatkalender 1997 über die Verdienste, die sich der im Ruhestand befindende Stadtbaudirektor Kappmeier aus Lichtenau (Westfalen) als erfahrener Fachmann für den Aufbau einer aktiven Verwaltung beim Erarbeiten und Verabschieden notwendiger Dokumente in Templin erwarb. Ulrich Schöneich, am 31.5.1990 zum Bürgermeister gewählt, nahm den sachkundigen „Berater“ in seiner Wohnung auf und berichtete dem hier Schreibenden, wie in oft tage -und nächtelangen gemeinsamen Beratungen das Dunkel bisher unbekannter neuer Gesetze und Dokumente gelichtet wurde und wie man durch diese sehr notwendige Hilfe rasch zu praktischer Umsetzung derselben für Templin gelangte. Wichtig für diese Entwicklung war auch die am 1.9.1990 angeschlossene Städtepartnerschaft mit Bad Lippspringe (NRW), in deren Auftrag auch der o.a. Herr Kappmeier tätig wurde. Das durch die Währungsunion vom Juli 1990 plötzlich vorhandene „Westgeld“, die durch die Investitionspauschalen von Bund und Ländern und sonstige Fördermittel waren schnell und zielgerecht einzusetzen. Die Stadtverwaltung, unterstützt durch einen „Arbeitsförderkreis der Kurstadt Templin“, fasste das rasch und geschickt an. Einer der ersten, aber dauerhaften Beschlüsse der Stadtverwaltung war die Festlegung einer Marktordnung, ein Beschluss dem die Nutzer der Templiner Wochenmärkte noch heute dankbar sein können. Eines der ersten großen Projekte aber war die umfassende Sanierung der Stadtmauer. Und 12 Jahre später, 2002, erstrahlte diese, einschließlich des zuvor nahezu vergessenen Mauerumweges und des „Akzisehauses“, in nie zuvor gesehener Schönheit. In rascher Folge entstand auf 50 ha Fläche an der Dar-
gersdorfer Straße bis 1995 eine Rehaklinik, heute bekannt und beliebt als „Seniorenlandsitz“, wurde der fast abenteuerliche Plan für ein neues Gymnasium verabschiedet und bereits 1996 realisiert. Parallel dazu entstand die „Kurmeile“, ein noch heute zu bewundernder Pfad durch die Templiner Landschaft. Ab 1992 begann man mit der umfassenden Sanierung des historischen Stadtkerns, abgeschlossen im Jahr 2000 mit einer Auszeichnung für die Stadt. Die Stadtverwaltung zog in dieser Zeit in das Kreishaus Prenzlauer Allee um, womit auch die Stadtbibliothek nach vielen Umzügen endlich ein festes Quartier erhielt. Das alte „Historische Rathaus“ auf dem Markt wurde geschickt restauriert und zeigt sich, umgeben von 80 schönen Linden, seit 2003 mit Touristinformation, Festsaal und Seniorentreffpunkt als Schmuckstück und wahrer Mittelpunkt der Stadt. Der Ausbau einzelner Bereiche, wie der „Suckow-Hof“ am Markt 4 bis zur Gasse zwischen Thälmann- und Pestalozzistraße sind städtebauliche Schmuckstücke geworden. Auch die „Maria –Magdalenen -Kirche“ wurde restauriert und erhielt dabei eine Schuke-Orgel. Buchstäblich an jeder Ecke der Stadt wurde gebaut und saniert. Das „Postheim“ wurde von 1992-1999 durch ergänzende Neubauten zu einer „Perle der Stadt“ gestaltet. Es entstanden die Wohngebiete „Annenwalder Weg“ und das „Vogelviertel“, die neu geschaffene Wohnungsbaugesellschaft „WOBA“ sorgte dafür, dass in Templin alte Plattenbauten nicht abgerissen, sondern so sorgfältig rück -und umgebaut wurden, dass sie heute das Stadtbild, in der Lychener und der Dargersdorfer Straße, verschönern. Es gab auch „Verluste“ mit der „Wende“. Das „Hotel am Bürgergarten“ fiel ebenso weg wie das rohbaufertige „Hotel Buchheide“, Möbelwerk und Bekleidungswerk schlossen, der Bahnknoten Templin war Vergangenheit. Einen teilweisen Ausgleich schufen neue Gewerbeparks an der Hans-Sachs-Straße und der Hindenburger Straße Das Sozialprojekt „Waldhof“ wurde erweitert. Es entstanden neue Pflegebetriebe, ein Obdachlosenheim und das evangelische Seniorenzentrum „Kirsteinhaus“. Es entstanden mehrere, lang erwartete Autohäuser, eine beachtliche Zahl von Supermärkten sowie neue Gewerbebetriebe. Die neue „Uckermärkische Verkehrsgesellschaft“ bot einen florierenden, in Templin gar fahrscheinfreien Busverkehr. Aus -und umgebaut wurden die alte „Bürgerschule“ und das Krankenhaus. Das größte Hotel Brandenburgs, das „Seehotel“, erweiterte seine Außen- und Innenangebote und blieb einer der größten Arbeitgeber der Stadt. Und, nicht zu vergessen, umrahmt von vielem Für und Wider bei Planung und Entstehung, wurde im November 2000 die „NaturTherme“ eingeweiht. Templin war nun außer „Kurstadt“ auch „Thermalsoleheilbad“. Nahebei erfolgte wenig später die Einweihung eines Ferienparks, und vor den Toren der Stadt entstand aus dem ehemaligen „Woroschilow –Lager“ der „Eldorado“ -Freizeitpark. Neu ausgebaute Straßen verbinden das Zentrum mit den Orten Hindenburg, Hammelspring und Petznick. Innerhalb der Stadt erfolgte der Ausbau von Straßen, eine neue „Pionierbrücke“ entstand. Leitungen für Gas, Wasser und TV-Kabel wurden neu verlegt. Die Schleuse am Kanal wurde neu gebaut und in Anwesenheit des Ministerpräsidenten eingeweiht, eine Vorsaussetzung für den Ausbau des Boots- zum künftigen Yachthafen am Stadtsee. Hat der Analytiker alles gesagt? Sicher nicht.
Die Veränderungen in diesen 20 Jahren überstiegen jedes vorher bekannte Maß. Die Stadt wurde schöner und interessanter, veränderte ihr Gesicht. Das historische Gesicht wurde trotz notwendiger Modernisierungen an vielen Stellen wieder deutlich. Das war und ist eine großartige, gemeinsame Leistung von Bürgermeister, Stadtverordneten und teilnehmenden Bürgern und Bauleuten. Das sollte, jetzt und in Zukunft, in Schule und
Berufsausbildung immer wieder gelehrt und hervorgehoben werden.
So weit mein Rückblick. 750 Jahre Templin. Eine lange ruhige und zwei kurze, stürmische Zeiträume. Die Stadt bereitete sich vor auf ihre große Feier zum „750“. Auch in den Jahren von 2010 bis 2020 ging es natürlich noch voran. Im Mai 2010 übernahm Detlef Tabbert nach seiner Wahl zum Bürgermeister den Stab von Ulrich Schöneich. Ein „Zukunftstag“ auf dem Markt, veranstaltet von Verwaltung und Medien, brachre viele Ideen. Neue Wohnbereiche für Ältere entstanden im „St.-Georgen-Hospital“ und der Oberen Mühlenstraße. Das „Stadtmuseum“ wurde umgebaut und neu eröffnet, der „Jüdische Friedhof“ neugestaltet. Die Hauptstraße wurde total saniert, der Stadthafen ausgebaut, der „Bürgergarten“ zu alter Schönheit umgestaltet, eine Bahnlinie wieder in Betrieb genommen. Die Stadt war bereit zum Feiern. Tausende Gäste wurden erwartet, wie schon in den Vorjahren Templin war zunehmend „in“. Doch dann kam der Virus und mit ihm die Pandemie. Templin hatte nach seiner langen Geschichte ein Maximum erreicht durfte sich dessen aber leider nicht rückhaltlos freuen. Trotzdem: Templin war (und bleibt) das „Rothenburg des Ostens“, Kurstadt und Thermalsoleheilbad, genannt auch „Stadt der tausend Linden“. Geliebt von Einwohnern und Gästen.
Und wie steht es mit der Zukunft, fragt der Analytiker? Gut, meint er selbst. Bürgermeister, Stadtverordnete und Bürger arbeiten schon daran. Ideen gibt es nicht wenige. Die Stadt erwirbt als „Gesundheitsstadt“ einen neuen Titel. Erstmalig im Land wird neben dem Krankenhaus ein „Ambulant-Stationäres Zentrum“ erbaut und erprobt. Dem alten Stadthafen steht nach Wiedereröffnung der Schleuse Kannenburg eine gute Zukunft als Yachthafen bevor. Und im alten Gemäuer des „Joachimsthalschen Gymnasiums“ entsteht, langsam aber immer sicherer, eine „Europaschule“. Templin wird wieder, wie einst, eine bekannte Schulstadt. Das Mittelzentrum Templin entwickelt sich mit schon jetzt mehr als 100 000 jährlichen Besuchern immer stärker zum Touristikzentrum, und immer mehr junge, aber auch ältere Bürger zieht es zurück in ihre Heimat. Templin bleibt eben „in“.
Lesen sie, liebe Leser, noch einmal die Eingangszeilen dieses Rückblicks. Langsam und genau. Genau. Das ist Templin. 750 Jahre alt. Eine Stadt mit langer Geschichte, deren markante Etappen nicht vergessen werden sollten. Eine wunderschöne Kleinstadt, dank moderner Kommunikationsmittel heute mit Verbindung zu aller Welt. Eine liebenswerte Stadt zum Leben und Erleben, mitten in der Uckermark.
Quellen
Templin - Eine Märkische Stadt im Wandel der Geschichte 2. Auflage 2014 Rede von Bärbel Makowitz zur Einleitung des Jubiläumsjahres am 06.1.2020 Templiner Heimatkalender 1994 und 1997 Für Informationen und Unterstützung danke ich Herrn Ulrich Schöneich