Spielzeitbroschuere 2017/2018 Schauspielhaus Bochum

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2.2.2018

Geschlossene Gesellschaft

Jugend ohne Gott

nach dem Roman von Ödön von Horváth KAMMERSPIELE

von Jean-Paul Sartre

THEATER UNTEN

Wer die Wahrheit spricht, muss mit dem Schlimmsten rechnen. Als Ödön von Horváth 1937 seinen Roman schrieb, war ihm die politische Entwicklung allgegenwärtig. Am Beispiel einer namenlos gewordenen Generation Jugendlicher zeichnete er den Verlust von Individualität und autonomem Denken innerhalb eines totalitären Systems nach. Begründete Einwände des Lehrers, der an die Menschlichkeit seiner Schüler appelliert, erzielen vielmehr die gegenteilige Wirkung. Den persönlichen Schaden vor Augen schweigt lieber, wer sich selbst nicht an den Pranger liefern will. Vorteile lassen sich schließlich auch aus Opportunismus schlagen. Ideologische Angebote dafür liefert bei Horváth den Heranwachsenden die Gesellschaft auf ihre Weise. Mit „Jugend ohne Gott“ schuf der Autor nicht zuletzt eine Kriminalgeschichte über erste Liebe und Sexualität, über Gewalt, Gleichgültigkeit und über die Suche junger Menschen nach Orientierung. Ebenso ringen auch die Erwachsenen um einen Umgang mit der Wahrheit. Woraus die Fragen nach der eigenen Verantwortung und der Notwendigkeit in finsteren Zeiten zu handeln resultieren. Fragen, die sich nicht weniger drängend heute wieder stellen.

In einem Hotelzimmer treffen drei kürzlich Verstorbene aufeinander. Im Leben sind sie sich nie begegnet, jetzt werden sie die Ewigkeit miteinander verbringen. Denn obwohl die Folterinstrumente fehlen, sind sie in der Hölle. Argwöhnisch umkreisen sich diese drei Leidensgenossen. Sie beteuern ihre Unschuld und spielen den anderen vor, jemand zu sein, der sie nie waren. Aber die Lügen sind schnell entlarvt, das soeben verlorene Leben mit all seinen Verfehlungen entblößt und das mühsam aufgebaute Bild ihrer selbst beginnt zu bröckeln. Denn in einem Zimmer, in dem das Licht immer brennt und der Schlaf niemals kommt, ist jeder den Blicken und damit dem Urteil der anderen schutzlos ausgeliefert. In einem Zimmer ohne Spiegel, in dem die Erinnerung an das eigene Leben langsam verblasst, wird jeder durch den Blick des anderen geformt: Bin ich ein guter oder ein schlechter Mensch? Bin ich schuldig oder unschuldig? Bin ich begehrenswert? Körperliche Schmerzen sind unnötig, wenn das Selbstbild zur Zielscheibe wird. So werden die drei Menschen zu Folterknechten für einander, ganz ohne Streckbank und Daumenschrauben. Denn: „Die Hölle, das sind die anderen.“

Regie: Martina van Boxen Bühne: Michael Habelitz Kostüme: Esther van de Pas Musik: Manuel Loos Choreografie: Arthur Schopa Dramaturgie: Eva Bormann

Regie: Frederick Krieger Bühne: Amelie Neblich Kostüme: Kerstin Feuerhelm Dramaturgie: Simon Meienreis Frederick Krieger (*1990) studierte Theaterwissenschaft und Sozialwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum und wirkte in zahlreichen studentischen und freien Theaterproduktionen mit. Seit 2015 ist er Regieassistent am Schauspielhaus Bochum und arbeitete u. a. mit Marius von Mayenburg, Roger Vontobel, Jan-Christoph Gockel, Daniela Löffner und Anselm Weber.

In Kooperation mit der Folkwang Universität der Künste Martina van Boxen siehe Seite 15.

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