Nr._23_-_18.12.2009

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Sonderdruck aus „Der Landwirt“ Nr. 23 vom 18. Dezember 2009 Suppl. S.I.A.P. 50%

Raiffeisenverband Südtirol M 52. Jahrgang

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Bozen, 18. Dezember 2009

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Zwischen Kontinuität und Aufbruch Interview mit Paul Gasser, Generaldirektor des Raiffeisenverbandes Die allgemeine wirtschaftliche Lage ließ den Dachverband der Raiffeisen-Genossenschaftswelt samt seinen Mitgliedsgenossenschaften im Jahr 2009 nicht unberührt. Große Herausforderungen für Paul Gasser, der nach einem Jahr als Generaldirektor im folgenden Gespräch seine Bilanz zieht. Sehr geehrter Herr Gasser, Sie waren vorher Vizedirektor und kannten ihren heutigen Aufgabenbereich. Gab es dennoch überraschende Momente? Paul Gasser: Ich wusste zwar, welche Herausforderungen und Aufgabenbereiche auf mich zukommen würden, dennoch war ich über die Vielschichtigkeit, die diese Position mit sich bringt, erstaunt. Hinzu kam die schwierige Lage in der Wirtschaftsgebarung, die uns alle vor große Herausforderungen stellte. Positiv hervorheben möchte ich die konstruktive Zusammenarbeit auf Führungsebene und das gute Gesprächsklima in den einzelnen Gremien. Das stimmt mich auch für die Zukunft zuversichtlich, auch wenn noch große Herausforderungen vor uns stehen. Welche sind das? Besonders zu erwähnen sind die wirtschaftliche Entwicklung, die in einigen Sektoren Anlass zur Sorge gibt, die steigende Komplexität der Abläufe und die zunehmende Rechtsunsicherheit. Viele Gesetze werden von der italienischen Regierung verändert und auch in der Rechtssprechung erleben wir unterschiedliche Richtersprüche wie das Beispiel der Gemeindeimmobiliensteuer belegt. Das hat zur Folge, dass die Anwendung vieler Bestimmungen Fragen aufwirft, die nicht eindeutig beantwortet werden können.

Unsere Experten können deshalb in ihrer Beratungstätigkeit manchmal die Erwartungshaltung unserer Mitgliedsgenossenschaften nicht erfüllen, da die Gesetzeslage vielfach unterschiedliche Interpretationsspielräume zuläßt. Welche Bilanz ziehen Sie für das Jahr 2009? Die Wirtschaftskrise hat glücklicherweise bei uns nicht diese Auswirkungen gezeitigt wie anderenorts. Es hat zwar eine Verlangsamung der wirtschaftlichen Entwicklung gegeben, dennoch kann Südtirol immer noch ein bescheidenes Wachstum aufweisen. Unsere Mitgliedsgenossenschaften haben in diesem Kontext auch Einbrüche erfahren. Wie sieht die Bilanz bei den Raiffeisenkassen aus? Sie haben eines der schwierigsten Jahre seit der Nachkriegszeit hinter sich. Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank wirkt sich negativ auf die Zinsmarsche aus, was einen Rentabilitätseinbruch bewirkt hat, der jetzt zu Buche schlägt. Gleichzeitig zeigt sich, dass die notleidenden Kredite entsprechend angestiegen sind, ein untrügliches Zeichen dafür, dass Unternehmen unter Liquidität leiden und die Zahlungsmoral schwindet. Dennoch gilt es zu betonen, dass Südtirols Raiffeisenkassen im Vergleich zu anderen europäischen Banken auf ein sehr hohes Eigenkapital zurückgreifen können, was gerade in Zeiten der wirtschaftlichen Verlangsamung ein sicheres Polster darstellt. Wie sieht es beim Raiffeisenverband selbst aus? Wir konnten unsere Dienstleistungen im vergangenen Jahr wei-

Paul Gasser, seit einem Jahr Generaldirektor des Raiffeisenverbandes

ter ausbauen. Für die Waren – und Dienstleistungsgenossenschaften haben wir eine eigene Hauptabteilung eingerichtet, um den neuen Erfordernissen gerecht zu werden. Zudem haben wir im Raiffeisenhaus eine neue Servicestelle für Neugründungen von Genossenschaften eröffnet. Das Interesse von Seiten der Kunden ist weit höher als angenommen. Ebenso haben wir unsere Dienstleistungen in der Beratungstätigkeit und bei den verschiedenen Anwendungsbereichen im ITSektor erweitert und intensiviert. Vorangetrieben haben wir die Errichtung eines neuen Koordinierungsausschusses für landwirtschaftliche Genossenschaften, dessen Ziel es ist, in beratender Funktion Vorschläge zu erarbeiten und die Zusammenarbeit zwischen den landwirtschaftlichen Genossenschaften und deren Verbänden zu stärken. Der Raiffeisenverband hat ein strategisches Konzept für die kommenden Jahre erarbeitet.

Ja, wir haben uns intensiv mit der Zukunftsgestaltung auseinandergesetzt und Weichen für die strategische Ausrichtung bis in das Jahr 2013 gestellt. Die primären Ziele liegen darin, die Geschäftsbereiche neu zu definieren und daraus die organisatorischen Erfordernisse abzuleiten. Welche Ziele verfolgen Sie für die kommenden Jahre? Ich möchte betonen, dass der Raiffeisenverband entsprechend seinem statutarischen Auftrag, und zwar der Förderung, Entwicklung und Überwachung seiner Mitgliedsgenossenschaften, sein Tun weiterhin zur Steigerung des Nutzens aller Mitgliedsgenossenschaften ausrichten wird. In diesem Sinne werden wir auch in den nächsten Jahren unsere Mitglieder aktiv beraten und begleiten. Auch muss es uns gelingen, die Bedeutung und Wichtigkeit des Genossenschaftswesens einer breiten Öffentlichkeit besser darzustellen. Interview: Stefan Nicolini Südtiroler Landwirt

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